DER TRANSPORT - Jürgen Roland & Herbert Viktor

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Maulwurf
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DER TRANSPORT - Jürgen Roland & Herbert Viktor

Beitrag von Maulwurf »

Der Transport
Der Transport
Deutschland 1961
Regie: Jürgen Roland & Herbert Viktor
Hannes Messemer, Armin Dahlen, Karl-Otto Alberty, August Angst, Leo Bieber, Hans Brose, Frank Dietrich, Edgar Engelmann, Joachim Fränzel, Kunibert Gensichen, Heinrich Gies, Hans-Joachim Gliscinksi, Wolfgang Völz, Benno Hoffmann, Peter Herzog, Inge Langen, Horst Naumann, Kurd Pieritz, Eva Katharina Schulz


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https://ssl.ofdb.de/film/102532,Der-Transport
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Transport

Deutschland im März 1945: Ein Gruppe Strafgefangener soll mit dem Zug von einem Gefängnis in Bayern an die Front in der Eifel gebracht werden. Ziel ist ein Strafbataillon, man ist Menschenmaterial zum Verheizen als Schlachtvieh. Und überhaupt, was heißt schon Strafgefangene? Bankraub, Abtreibung, verbotener Handel mit Fischkonserven, ein falscher Witz im Offizierskasino, unerlaubtes Entfernen von der Truppe um die kranke Mutter zu besuchen, ein Rotfrontkämpfer …
Als Begleitoffizier trifft es Leutnant Bleck. Ausgerechnet Bleck, der fast blind ist, der noch nie einen Schuss gehört geschweige denn abgegeben hat, der den ganzen Krieg über irgendwo in der Verwaltung saß. Sein Begleitpersonal besteht aus einem kriegsmüden Feldwebel und zwei Krüppeln. Klar natürlich, dass die Gefangenen auf baldmöglichsten Ausbruch sinnen, und klar auch, dass dies schnell und effizient geschehen soll: Einer fälscht noch im Viehwaggon Soldbücher, Bleck und seine Leute werden getötet, und ab durch die Mitte. Aber so einfach wie dieser Plan geht sich die Wirklichkeit nicht aus, denn der menschliche Faktor macht den Männern einen Strich durch die Rechnung: Bleck kümmert sich um Zigaretten und Schokolade, er kümmert sich um vernünftige Nahrung, und er bindet die Gefangenen in die Arbeit ein, sich quasi selber zu bewachen. Nach und nach schwindet bei einigen die harte Haltung, doch dann muss der Zug an einem Arbeitslager halten, und von einem Major kommt der Befehl, meuternde Fremdarbeiter zu erschießen. Bleck muss seine Gefangenen, die ganz offiziell den Status vollwertiger Soldaten haben, mit Gewehren und Munition ausstatten, die “Aufständischen“ zu erschießen.

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1960 brachte Wolfgang Staudte KIRMES in die gesamtdeutschen Kinos, (warum gesamtdeutsch kann man hier nachlesen). Die Aussage, dass unsere Jungs in Feldgrau vielleicht doch nicht so ganz die moralisch einwandfreien Superhelden waren kam damals gar nicht gut an, und ließ den Film extrem schnell im Giftschrank verschwinden. Wer danach noch etwas drehen wollte was in Nazideutschland und/oder im Krieg spielt, musste sich unter diesem Eindruck besser an der gängigen Meinung orientieren, dass deutsche Soldaten keine schlechten Menschen waren, und nur böse Befehle ausgeführt haben.

Was prinzipiell erstmal dazu führt, dass DER TRANSPORT ebendiese Meinung kolportiert: Zwar mögen die Landser im Leben mal daneben gegriffen haben, aber wenn es hart auf hart kommt sind sie prima Kerle und man kann sich auf sie verlassen. Aber da gibt es diesen Moment im Film, wenn Leutnant Bleck unter Bezugnahme auf den “Befehl“ eine harte Stellung gegenüber den Gefangenen vertritt, und sein Feldwebel ganz unschuldig fragt, ob denn dieser Bezug später einmal als Entschuldigung gelten wird. Ein Satz, der sogar noch einmal wiederholt wird, und jedes Mal zu einem Moment beklemmender Stille führt. Und der zeigt, dass hier dann doch ein klein wenig weiter gedacht wird.

Denn beklemmende Momente gibt es hier mehrere. Sehr intensiv ist die Stelle, wenn die Fremdarbeiter erschossen werden sollen. Warum? Weil sie Fremdarbeiter sind, und weil sie sich gegen die unmenschlichen Bedingungen auflehnen. Also muss Bleck seine Gefangenen bewaffnen und mit Munition ausstatten. Aber die Männer weigern sich Zivilisten zu erschießen. Einer erklärt auch warum – weil er genau deswegen im Gefängnis saß: Wegen Befehlsverweigerung, weil er nicht auf Zivilisten schießen wollte. Und alle geladenen Waffen zeigen in diesem Augenblick auf Bleck …

Die Auflösung dieser spannenden Szene zeigt dann den tiefsitzenden Humanismus Blecks, aber gleichzeitig wird der Moment durch den Tod einer Zivilistin konterkariert. Eine Fremdarbeiterin, die von der angerückten Feldgendarmerie kaltblütig erschossen wird. Die Zeiten der Geschichtsklitterung à la ROMMEL RUFT KAIRO gehen dann doch so ganz langsam ihrem wohlverdienten Ende entgegen.
Leider war dies wohl nicht ganz im Sinne der Produzenten, wohl auch unter dem Eindruck der Vorjahrespleite des erwähnten KIRMES, weswegen DER TRANSPORT eine besondere Entstehungsgeschichte hat: Begonnen zu drehen hat den Film nämlich der Dokumentarfilmer Herbert Viktor, der, wenn ich mir die Namen seiner Filme in der IMDB anschaue, wahrscheinlich bei den damals gezeigten Vorfilmen in den Kinos ganz gut vertreten war. Entsprechend seines Status eben als Dokumentarfilmer traue ich mich sogar ein wenig zu mutmaßen, welche Teile des Films von ihm sein könnten: Sicher alles was zu Beginn im Gefängnis spielt, der Versuch eines Privatlebens des Leutnant Bleck, und möglicherweise die Szenen am Arbeitslager. Oft eher langsam erzähltes und düsteres, stark an der Realität angelehntes Kino. Herbert Viktor wurde dann ausgetauscht gegen Jürgen Roland, der zu dieser Zeit bereits einen guten Ruf als Spannungsregisseur hatte. Und der machte dann, hier kann ich allerdings nur vermuten, jeglichen kritischen Untertönen den Gar aus und ließ die Action aus dem Kasten.

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Das Finale ist zum Beispiel ein echter Roland. Die Verfolgungsjagd Feldjäger gegen Lokomotive ist dynamisch gefilmt, sehr schnell, und sauspannend. Was, wenn ich mal ganz ehrlich sein soll, den Film dann auch in trockene Tücher rettet, denn trotz einiger dichter und intensiver Szenen ist der Verlauf der Handlung manchmal etwas langatmig, nicht immer ganz gradlinig, und man fragt sich schon öfters einmal, ob der Weg denn wohl wirklich irgendwohin führen mag.

Natürlich ist es schön, dass mit der von der Gestapo verfolgten Helga Burghardt auch ein mögliches Love Interest ins Spiel kommt, und gleichzeitig wird damit mühelos die Grundlage für den Showdown gelegt. Aber irgendwie sind das Schlenker, die das Drehbuch eigentlich gar nicht nötig gehabt hätte. Außer, und da komme ich wieder auf den Beginn zurück, wenn man zeigen möchte, dass in den rauhen Eroberern auch ganz normale Männer stecken können.

Doch die gelegentlichen Irrwege und Längen in der Mitte sind schlussendlich zu verzeihen, denn entscheidend ist bekanntlich das was hinten rauskommt, und das ist nichts Schlechtes, was vor allem den Darstellern anzulasten ist. Allein Wolfgang Völz als grob-hemdsärmeliger Rotfrontmann ist die Schau, und der Film läuft seinem, ab dem Ende der 60er-Jahre gehegtem Kumpel-Image, sogar gehörig zuwider. Leo Bieber (DER DRITTE MANN) als Major Krugstein fungiert als vermittelndes Element zwischen den aufbrausenden Häftlingen und den Offizieren. Benno Hoffmann schließlich als Ketten-Charlie, nach eigener Aussage Bankfachmann, hemdsärmelig und authentisch, bringt eine Menge Leben und Farbe ins Spiel, und zeigt den trüben Soldaten auch mal wo der Weg langführen kann wenn man nicht so betriebsblind ist wie der durchschnittliche Wehrmachtsangestellte. Eigentlich ist jeder einzelne der Sträflinge und Offiziere bemerkenswert: Helmo Kindermann als Kameradenschwein, der von allen nur getreten wird, Armin Dahlen als Bewacher, der darauf wartet dass der Krieg vorbei geht, …

Überragend vor allem natürlich Hannes Messemer als Leutnant Bleck, der als kleines Licht im Leben eine Aufgabe bekommt die ihn schier überfordert, doch an der er wächst und seinen Idealismus zeigen kann. Messemer war im Krieg selber als Befehlsverweigerer im Gefängnis und wurde nach einem halben Jahr Haft nach Stalingrad geschickt. Somit ist der Schauspieler geradezu prädestiniert für diese Rolle, und er gibt ihr meines Erachtens genau das richtige Quentchen Stille und das richtige Quentchen Energie, um überzeugend zu wirken. Ein kleiner Mann im großen Krieg, der versucht seine Menschlichkeit zu bewahren und trotzdem seine unmenschlichen Aufgaben zu erfüllen.

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Der Spiegel schrieb 1961 dazu: Dieses Charakterwachstum wird freilich penetrant vorgeführt, und die Handlung leidet überdies darunter, daß die Filmautoren, als hätten sie der Tragfähigkeit ihrer Geschichte mißtraut, dem Kinobesucher auch noch Liebe, Vergewaltigung, Landserhumor, Abenteuer und Heldentod servieren. Zumindest letzterem mag ich nicht so richtig widersprechen, der Hybrid aus Drama und Action ist in seiner Darbietung etwas gewöhnungsbedürftig, und dass ein kulturbeflissener und intellektuell weit über dem Normalvolk stehender Filmkritiker [/ironie] immer das Drama gegenüber der Unterhaltung bevorzugen wird ist auch klar. Ich für meinen Teil bin ausgesprochen gut unterhalten worden: Einiges zum Nachdenken, einiges zum Mitfiebern, großartige Schauspieler … Kein schillernder Stern am bundesdeutschen Nachkriegsfilmhimmel, aber ein interessanter und spannender Film.

7/10

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