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DIE HAUT DES ANDEREN - Jacques Deray

Verfasst: So., 22.09.2024 19:55
von Prisma


DIE HAUT DES ANDEREN


● AVEC LA PEAU DES AUTRES / SCIARADA PER QUATTRO SPIE / DIE HAUT DES ANDEREN (F|I|1966)
mit Lino Ventura, Jean Bouise, Adrian Hoven, Marilù Tolo, Ellen Bahl, Jean Servais, Charles Regnier, Reinhard Kolldehoff, Guy Mairesse, Mino Doro,
Paul Pavel, Raoul Guylad, Louis Arbessier, Ham Chau Luong, Albert Rueprecht, Marcel Bernier, Rose Renée Roth, Raoul Retzer und Wolfgang Preiss
eine Produktion der Les Films de Montfort | Fida Cinematografica | in Zusammenarbeit mit Arca Filmproduktion | im Verleih der Team Film
ein Film von Jacques Deray

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»Bereiten Sie sich darauf vor, schon morgen aus Österreich zu verschwinden!«


Pascal Fabre (Lino Ventura), ein französischer Geheimagent, wird nach Wien geschickt, doch er soll sich dieses Mal nicht primär mit den Taktiken gegnerischer Geheimdienste beschäftigen, sondern einen Mann namens Margery (Jean Bouise) unter die Lupe nehmen. Hierbei handelt es sich um einen Kollegen, der unter Verdacht steht, die Gegenseiten mit brisanten Informationen zu versorgen. Fabres Arbeit wird jedoch durch sowjetische Agenten unter der Führung von Chalieff (Wolfgang Preiss) touchiert, die es ebenfalls auf dessen Kollegen abgesehen haben. Wie sich herausstellt, ist man auf der Suche nach einem Mikrofilm von größter politischer Wichtigkeit...

Jacques Deray, der wegen seiner Herangehensweise an Filmstoffe nicht selten als Frankreichs Alfred Hitchcock bezeichnet wurde, inszenierte in seiner Karriere viele hochinteressante Filme, die auch heute noch einen hohen Bekanntheitsgrad genießen. Sein ruhiger, unterkühlt wirkender, aber überaus konsequent aufgezogener Spionage-Thriller "Die Haut des Anderen" wird nicht in einem Atemzug mit Derays großen Klassikern genannt, zumal sich das Filmangebot in eine lange Liste derartig produzierter Beiträge einreiht. Damit soll nicht gesagt sein, dass es sich nur um ein einheitliches Gebilde von der Stange handelt, denn dafür ist das Gesamtergebnis zu überzeugend ausgefallen und kann sich in ganz fundamentalen Belangen von der Konkurrenz abheben, doch es handelt sich eben auch nicht um das ganz große Spektakel, mit dem viele andere Vertreter des Thrillers aufzuwarten versuchten. Der Schauplatz Wien - Umschlagplatz für Spionage-Aktivitäten aller Couleur und Schlupfwinkel für Agenten aller Herrenländer - eignet sich hervorragend als Passepartout für diese Geschichte, die das Publikum lange im Unklaren lässt, wem hier zu trauen ist und wem nicht. Der Plot wirkt einfach und pragmatisch, sodass sich das Geschehen dementsprechend nachvollziehbar aufbauen kann. Interessant ist der Verzicht von Agenten-Schnickschnack, der andernorts zwar oftmals für Highlights, aber wenig Wahrscheinlichkeit sorgen konnte, und in diesem Zusammenhang hat man es mit Lino Ventura mit dem richtigen Mann zu tun, der bei seinem Vorgehen völlig unbeirrbar wirkt. Man sieht einen Mann, der nicht diskutiert, sondern in Windeseile antizipiert und handelt. Wenn er dafür jemanden ins Jenseits schicken muss, um sich potenziell selbst zu schützen, wird dies unsentimental ausgeführt. Daher kann er sich gleich von dem Verdacht befreien, dass möglicherweise sadistische oder egoistische Motive eine Rolle spielen könnten. Beruflich gesehen, ist er schließlich ein Überzeugungstäter, der dem Publikum nicht eine für ihn unangemessene Reaktion beziehungsweise Emotion schenkt.

Eine derartige Besetzung kommt wegen des genauen Zuschnitts und einer daraus resultierenden Durchschlagskraft gut an, sodass es starke und ebenso glaubhafte Gegenspieler braucht, von denen es im Wiener Getümmel nur so zu wimmeln scheint. Was alle umtreibt, ist ein Mikrofilm und ein kleiner Schlüssel zu einem Koffer; für Normalsterbliche kein Grund, irgend einen blutigen Aufriss zu veranstalten. Dennoch schaut man dem gefährlichen Weg gerne zu, da es viele Ungewissheiten gibt, die sich sogar auf vermeintliche Protagonisten der Geschichte beziehen. Hier sind etwa Jean Bouise, Charles Regnier oder Jean Servais zu nennen, die gekonnt nebulös im Geschehen agieren. Mit offenen Karten spielt einmal mehr Wolfgang Preis als Drahtzieher, dessen Brutalität angedeutet jedoch nicht komplett ausgereizt wird, da der Film mit Aktionismus und zu viel Abklatsch nicht viel zu tun haben will. Seine Verpflichtung stellt somit eine der größten Freuden dieser undurchsichtigen französisch-italienischen Wiener Melange dar. Zusätzlich gute Darbietungen zeigen Marilù Tolo, Ellen Bahl, Reinhard Kolldehoff und insbesondere Adrian Hoven, dessen Furcht, Zerrissenheit und Unsicherheit förmlich zu spüren sind. Des Weiteren sind noch viele deutschsprachige Kollegen zu sehen, von denen sich jedoch die Wenigsten selbst ins Synchronstudio bemühten. Gut kommt die hier geschilderte Kompromisslosigkeit der überaus plastisch wirkenden Aktionen an, es werden bis auf weibliche Akteure keinerlei Gefangene gemacht. Ohne zweite Chancen entsteht somit ein guter Drive und ein ordentlicher Spannungsbogen, der bis zur mit Twists angereicherten Zielgerade sehr gut unterhalten kann. Zwar wirkt das Gebilde hin und wieder etwas spröde, allerdings wurde hier wesentlich mehr richtig als falsch gemacht. Die französische Regie kann schließlich mit Ruhe, Takt, Schnörkellosigkeit und Konsequenz überzeugen, sodass "Die Haut des Anderen" zu einem willkommenen Vertreter ohne besondere Allüren wird, der nicht zu viele Agenten-Schablonen inflationär auszuschneiden versucht, wie andernorts bereits geschehen.