DIE HALBSTARKEN - Georg Tressler

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DIE HALBSTARKEN - Georg Tressler

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● DIE HALBSTARKEN (D|1956)
mit Horst Buchholz, Karin Baal, Chrstian Doermer, Jo Herbst, Viktoria von Ballasko, Paul Wagner, Stanislav Ledinek, Hans-Joachim Ketzlin,
Eduard Wandrey, Friedrich Joloff, Karlheinz Gaffkus, Mario Ahrens, Manfred Hoffmann, Wolfgang Heyer, Egon Vogel, Anneliese Würtz, u.a.
eine Inter West Produktion | im Verleih der Union Film
ein Film von Georg Tressler

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»Wenn einer versagt, ist alles im Eimer!«


Der 19-jährige Freddy Borchert (Horst Buchholz) ist Kopf einer Jugendbande, die sich über Diebstähle ein unbeschwertes Dasein verschaffen möchte. Viele der Mitglieder lehnen sich genau wie Freddy gegen ihre spießbürgerlichen und konservativen Elternhäuser auf, doch haben im Grunde genommen keine Zukunftspläne. Als Freddy und sein Bruder Jan (Christian Doermer) sich zufällig wieder treffen, ist dieser begeistert vom dessen Lebensstil und den damit verbundenen Annehmlichkeiten sowie der Autorität, die er in der Gruppe darstellt. Bevor er sich versieht, lässt er sich in kriminelle Machenschaften verwickeln, doch denkt nicht daran, dass jeder nächste Coup auch einmal schiefgehen könnte...

Beim Film kommt es generell auf sehr viel an, aber auch oft auf günstige Konstellationen, die in der 1956 entstandenen Produktion "Die Halbstarken" so weit das Auge reicht zu finden sind. Mit Georg Tressler auf dem Regiestuhl und dem Journalisten Will Tremper am Schreibtisch hat dieses zum großen nationalen aber auch internationalen Erfolg avancierte Jugenddrama zwei Beteiligte zu bieten, die besonders kompetent darin sind herauszufordern; Tressler mit gemäßigten, wenn jedoch gestochen scharfen Abbildungen und hier wohlgemerkt in seinem Spielfilmdebüt, Tremper mit offenkundig angelegten Provokationen, jedoch realistischen und überaus greifbaren Zeichnungen. Der Film löste eine Welle ähnlich gelagerter Produktionen aus, die das erfolgreiche Vorbild oft zu kopieren versuchten, jedoch meistens nicht an die Aura dieser Geschichte herankamen. Ein Film, der sich ungetrübt mit den Problemen einer Generation beschäftigt und diese auch noch ernstzunehmen scheint, war prädestiniert für einen breit angelegten Wiedererkennungswert, welcher in anderen Geschichten offenbar nur unzureichend aufgegriffen beziehungsweise wahrgenommen wurde. Die Besetzung mit Horst Buchholz und Christian Doermer in den männlichen Hauptrollen war gleichbedeutend mit deren großem Durchbruch, was sich jedoch nicht ausschließlich auf die Karrieren bezieht. Dass die seinerzeit 15-jährige Karin Blauermel alias Karin Baal unter Hunderten von Bewerberinnen und ohne Ausbildung oder Erfahrung engagiert wurde, kann rückblickend als einer der größten Coups für den bundesdeutschen Film angesehen werden. Thematisiert wird eine Bande von sogenannten Halbstarken, die von einem besseren und unbeschwerten Leben träumen, hierbei die Kriminalität als einzige Möglichkeit sehen, aus diesen schier unmöglich erscheinenden Gesellschaftsstrukturen herauszukommen, um letztlich in sie hineinzugelangen. Familiäre Hintergründe spielen ebenfalls eine prominente Rolle, Abgrenzungen werden anschaulich aufgegriffen und bilden somit einen guten Nährboden für eine Geschichte, die wirklich so passiert sein könnte, oder mit völlig anderer Vita tatsächlich geschehen ist.

Georg Tressler richtet seinen bemüht alternativ angelegten und zugleich kritischen Blick auf die manchmal reißerisch wirkenden Geschehnisse, jedoch nicht ohne daran zu denken, dass ein dramatisch angehauchter Unterhaltungsfilm dabei zu entstehen hat. Der Verlauf ist spannend, vor allem, wenn er sich wie Schraubzwingen um die Hauptpersonen legt, die oftmals aus purer, wenn auch nicht direkt thematisierter Verzweiflung handeln, welche bekanntlich viele Gesichter haben kann. Nach außen hin wirken die Jugendlichen unbekümmert, teils ungehobelt und oppositionell gegen alles Althergebrachte eingestellt, aber es macht sich offenbar auch keiner die Mühe, sie verstehen zu wollen, hinter die Fassaden zu blicken, was sich vor allem in den ausgewählten Szenen der Elternhäuser zeigt. Das Leben bietet nicht nur Spaß, auch wenn alles daran gesetzt wird, dass es nach außen hin so aussieht. Tressler schaut in die Köpfe der Hauptpersonen - mal mehr, mal weniger - doch lässt ihnen ihre Geheimnisse, obwohl der Zuschauer stets Komplize des Ganzen ist. Beachtenswerte Leistungen der Interpreten bringen den Film zum Leben, was insbesondere für die vitale und leichtfüßige Performance des Berliners Horst Buchholz gilt, der wie gemacht für die Rolle des Freddy ist. Christian Doermer als sein Bruder Jan skizziert nötige bis herbe Kontraste, auch wenn man notgedrungen an der gleichen Sache arbeitet. Schließlich bereichert Karin Baal das Szenario in einer Art und Weise, das sich kaum erfinden lässt. Sie wirkt überaus authentisch und einfach nicht greifbar, was die Aufmerksamkeit des Publikums nur weiter forciert. Der ebenfalls blendend aufspielende Rest der Besetzung wird zugunsten der Hauptpersonen überwiegend in die zweite Reihe gesetzt, doch es entsteht durch die Bank ein besonders gutes Zusammenspiel im Rahmen einer hervorragenden Schauspielführung durch Regisseur Georg Tressler. "Die Halbstarken" gilt zu Recht als großer und kraftvoller Klassiker, der auch unabhängig von seinem Genre betrachtet zu den Besten gezählt wird, da es sich insgesamt um ein rundum gelungenes Gesamtpaket mit denkwürdiger Aussage handelt, die auch nach Beendigung des Films nachhallt.

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Richie Pistilli
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Re: DIE HALBSTARKEN - Georg Tressler

Beitrag von Richie Pistilli »

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Synchronkartei

Filmportal

OFDb




"Mach den Mund zu, die Milchzähne werden sauer."


Freddy Borchert, Chef einer Clique halbstarker Jugendlicher, trifft nach langer Zeit seinen jüngeren Bruder Jan wieder, den er seit dem Tag, als er die Tür seines Elternhauses zuschlug, nicht mehr gesehen hat. Er stellt ihn seiner Bande vor und erzählt, dass er am nächsten Tag ein neues Auto kaufen möchte. Jan gewinnt den Eindruck, Freddy sei ein gemachter Mann und bittet ihn deshalb um eine größere Summe Geld. Doch Freddy bereitet gerade sein "größtes Ding" vor - ein Überfall auf ein Postauto. [Quelle: Arthaus]


Offensichtlich inspiriert von ...DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN drehte Georg Tressler 1956 einen hervorragenden Halbstarken-Film, den im schillernden Berlin der Nachkriegszeit ansiedelte. Als Hauptdarsteller verpflichtete er den jungen Horst Buchholz, der in seiner Rolle voll und ganz aufging. Dabei verkörpert er den heranwachsenden Freddy, der keine Lust mehr hat, sich der gesellschaftlichen Ordnung zu fügen. Im Gegensatz zu seinem Bruder Jan, der von Christian Doermer gespielt wird, verließ Freddy den spießbürgerlichen Kreis seiner Familie, um fortan ein autarkes Leben zu führen. Obwohl er einem rechtschaffenen Job nachgeht, kann er den Verlockungen der Wirtschaftwunderzeit nicht widerstehen. Deswegen plant er zusammen mit seiner Gang ein krummes Ding, an dem sich auch sein Bruder Jan beteiligen soll. Obwohl die männlichen Darsteller allesamt überzeugende Schauspielleistungen aufs Parkett legen, konnte mich Karin Baal mit ihrer Darbietung am meisten überzeugen. Georg Tressler ist es mit seinem Film gelungen, einen sowohl spannenden als auch mitreißenden Streifen auf die Beine zu stellen, der obendrein ohne moralische Schlagseiten auskommt. Zudem glänzt der Film mit einer beeindruckenden Schwarz-Weiß-Fotografie. Toll!



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Prisma
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Re: DIE HALBSTARKEN - Georg Tressler

Beitrag von Prisma »

Richie Pistilli hat geschrieben:
So., 04.08.2024 22:28
konnte mich Karin Baal mit ihrer Darbietung am meisten überzeugen.

Ich finde ihre Leistung hier auch besonders stark, zumal eine besondere Anfängerdynamik oder vielleicht besser gesagt Unbekümmertheit zu sehen ist, die dem Verlauf so gut steht. Noch bemerkenswerter finde ich allerdings, dass der deutsche Film ab sofort das Glück hatte und in den besonderen Genuss kam, eine neue Kapazität zur Verfügung zu haben. Es ist beachtlich, dass sie unter 700 Bewerberinnen den Zuschlag bekam. Ich habe die Tage den überaus sehenswerten "Berlin – Ecke Schönhauser…" gesehen und musste gleich an Karin Baal denken, weil es bei Hauptdarstellerin Ilse Pagé ähnlich wohl gelaufen ist, die sogar 1000 Mitbewerberinnen gehabt haben soll.

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Sid Vicious
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Re: DIE HALBSTARKEN - Georg Tressler

Beitrag von Sid Vicious »

Es gibt hier mindestens eine Szene (Musikbox, Tanz), die in NACHT DER WÖLFE (Rüdiger Nüchtern) zitiert wurde.
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drewdavis
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Re: DIE HALBSTARKEN - Georg Tressler

Beitrag von drewdavis »

Der Film ist auch ganz gut!

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Richie Pistilli
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Re: DIE HALBSTARKEN - Georg Tressler

Beitrag von Richie Pistilli »

Prisma hat geschrieben:
Mo., 05.08.2024 08:44
Ich finde ihre Leistung hier auch besonders stark, zumal eine besondere Anfängerdynamik oder vielleicht besser gesagt Unbekümmertheit zu sehen ist, die dem Verlauf so gut steht.

Gut auf den Punkt gebracht. Zudem hat es ihr Rollencharakter voll in sich :)


Prisma hat geschrieben:
Mo., 05.08.2024 08:44
Noch bemerkenswerter finde ich allerdings, dass der deutsche Film ab sofort das Glück hatte und in den besonderen Genuss kam, eine neue Kapazität zur Verfügung zu haben. Es ist beachtlich, dass sie unter 700 Bewerberinnen den Zuschlag bekam.

Wow, dann hatte sie wohl, genauso Ilse Pagé, das goldene Los gezogen.



Und NACHT DER WÖLFE müsste ich mir eigentlich auch mal wieder anschauen...

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Sid Vicious
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Re: DIE HALBSTARKEN - Georg Tressler

Beitrag von Sid Vicious »

Prisma hat geschrieben:
Mo., 05.08.2024 08:44
Richie Pistilli hat geschrieben:
So., 04.08.2024 22:28
konnte mich Karin Baal mit ihrer Darbietung am meisten überzeugen.
Ich finde ihre Leistung hier auch besonders stark, zumal eine besondere Anfängerdynamik oder vielleicht besser gesagt Unbekümmertheit zu sehen ist, die dem Verlauf so gut steht. Noch bemerkenswerter finde ich allerdings, dass der deutsche Film ab sofort das Glück hatte und in den besonderen Genuss kam, eine neue Kapazität zur Verfügung zu haben. Es ist beachtlich, dass sie unter 700 Bewerberinnen den Zuschlag bekam. Ich habe die Tage den überaus sehenswerten "Berlin – Ecke Schönhauser…" gesehen und musste gleich an Karin Baal denken, weil es bei Hauptdarstellerin Ilse Pagé ähnlich wohl gelaufen ist, die sogar 1000 Mitbewerberinnen gehabt haben soll.
Im Kontext Datellerinnen beim Tressler: Barbara Frey ist als Jutta Brandt in Tresslers GESTÄNDNIS EINER SECHZEHNJÄHRIGEN sehr gut, die hätte hier (DIE HALBSTARKEN) auch was reißen können.
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Prisma
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Re: DIE HALBSTARKEN - Georg Tressler

Beitrag von Prisma »

Sid Vicious hat geschrieben:
Mi., 07.08.2024 11:00
Barbara Frey ist als Jutta Brandt in Tresslers GESTÄNDNIS EINER SECHZEHNJÄHRIGEN sehr gut, die hätte hier (DIE HALBSTARKEN) auch was reißen können.

Ja, das kann ich mir auch gut vorstellen. Barbara Frey sehe ich immer sehr gerne, sie hat eine so natürliche Ausstrahlung.

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