GEHEIMNIS IM BLAUEN SCHLOSS - George Pollock

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Prisma
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GEHEIMNIS IM BLAUEN SCHLOSS - George Pollock

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GEHEIMNIS IM BLAUEN SCHLOSS


● TEN LITTLE INDIANS / GEHEIMNIS IM BLAUEN SCHLOSS (GB|1965)
mit Hugh O'Brian, Shirley Eaton, Daliah Lavi, Wilfrid Hyde-White, Stanley Holloway, Leo Genn, Dennis Price, Marianne Hoppe, Fabian und Mario Adorf
eine Produktion der Tenlit Films | Towers of London | im Nora Verleih
nach dem Roman von Agatha Christie
ein Film von George Pollock

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»Ein makaberer Scherz!«


Ein Unbekannter, der sich I. R. Gendwer nennt, lädt eine zehnköpfige Gesellschaft unter falschen Vorwänden in ein abgelegenes Schloss in den Bergen ein. Die Herrschaften glauben zwar, sich im Klaren über ihre jeweilige Einladung zu sein, doch spätestens als sie die Stimme ihres Gastgebers von einem Tonband hören, ist das Entsetzen groß. Jeder Einzelne wird eines ungesühnten Verbrechens beschuldigt und es werden Anklagen wie vor Gericht erhoben. Zunächst wird der komplette Spuk nicht ganz ernst genommen, doch wenig später gibt es auch schon den ersten Toten, bis weitere Todesurteile in unterschiedlichen Abständen vollstreckt werden. Hat man es mit einem Wahnsinnigen zu tun und sind die Anklagen berechtigt? Die übrigen Personen sind im Kampf ums Überleben von nun an auf sich alleine gestellt und können niemandem mehr trauen. Wer ist der Unbekannte?

Bei dem Roman "Ten Little Indians" der britischen Autorin Agatha Christie handelt es sich bis heute um den am meisten verkauften Kriminalroman der Welt. Alleine aus diesem Grund wirkt es daher wenig verwunderlich, dass der Stoff immer wieder verfilmt wurde und als Garant für gute Unterhaltung geeignet ist. Zunächst ist zu sagen, dass der Titel "Geheimnis im blauen Schloss" diesem Film in keiner Weise gerecht wird und wohl eher an die seinerzeit immer noch mit Erfolg laufende Edgar-Wallace-Reihe und deren Epigonen angelehnt war, um möglichst viele Interessenten anzulocken. Mit dem Genre-Spezialisten George Pollock bekommt man einen Film angeboten, der technisch sauber und inszenatorisch interessant gestaltet ist, immerhin ist die Grundvoraussetzung eine starke Romanvorlage, die sowohl beim Lesen als auch beim Anschauen für ein immenses Überraschungsmoment sorgen kann. Der in Schwarzweiß gedrehte Beitrag nimmt seinen Lauf vor winterlicher Kulisse, und noch ahnt keiner, dass ein unausweichlicher Alptraum vorprogrammiert ist. Die Personen sind höchst unterschiedliche Charaktere, doch eines haben sie alle gemeinsam, denn sie sind undurchsichtig, teils unsympathisch genug, um in der späteren Anklage des unbekannten Gastgebers schuldig sein zu können. Als Zuschauer blickt man schließlich verunsichert auf eine sogenannte bessere Gesellschaft, der die Angst vorm ebenso undurchsichtigen Gegenüber ins Gesicht geschrieben steht. Die internationale Besetzung leistet in diesem Zusammenhang sehr gute Schützenhilfe und glänzt förmlich durch ein provokantes Kokettieren mit möglicher krimineller Energie, die durch den Verlauf rehabilitiert werden könnte, falls man den überlebt. Diese Wahrscheinlichkeit ist die einzige Unwahrscheinlichkeit in diesem Szenario, denn das Gebilde lichtet sich bereits nach kurzer Spieldauer durch vermeintlich wahllos wirkende Mordmethoden, die allerdings an den berüchtigten Abzählreim der "Ten Little Indians" angelehnt zu sein scheint. Also hat alles, was hier geschieht, Methode, sodass ein gutes Maß an Spannung in diesem Vakuum aufkommen kann.

Da das Schloss temporär von der Zivilisation abgeschnitten ist, bleibt der Kreis der Verdächtigen übersichtlich, jedoch auch vollkommen an Verschleierung interessiert. Schleppend aber auch ganz natürlich ergeben sich kleinere Allianzen und Gruppierungen, da man sich alleine noch wenige sicher fühlen könnte. Der Schauplatz mit seinen teils opulent wirkenden Räumlichkeiten und dunklen Katakomben verbreitet eine klassische Krimi-Atmosphäre, die Morde sind visuell eindringlich und zum Greifen nah inszeniert, sodass alleine in den Kern-Bereichen alles zu Erwartende geboten wird. Schauspielerisch und bei der Zeichnung der Charaktere kristallisieren sich besonders dichte Leistungen heraus, die vom US-Amerikaner Hugh O'Brian und seiner britischen Kollegin Shirley Eaton angeführt werden. Ihr Wechselspiel aus Transparenz und Undurchsichtigkeit geht - wie bei anderen auch - sehr gut auf. Ob Leo Genn, Wilfrid Hyde-White, Dennis Price, Daliah Lavi, Fabian, Stanley Holloway oder Mario Adorf, die Verwirrung scheint stets gut an die Rahmenhandlung angepasst zu sein. Ein wenig eigenartig erscheint die Verpflichtung von Marianne Hoppe, deren Auftritt leider oft auf ihren bloßen Altersunterschied zu Mario Adorf reduziert wird, obwohl sie in ihrer übersichtlichen Spieldauer recht gute Akzente zu setzen weiß. Je weniger Gäste im Schloss übrig bleiben, desto enger zieht sich die Schlinge um den Hals des wahren Täters zu, so meint man zumindest, doch Agatha Christie und George Pollock spielen ihre Asse nach und nach aus. "Geheimnis im blauen Schloss" lässt sich jederzeit gut anschauen, da der Unterhaltungswert hoch und die Spannung spürbar ist. Bei dem breiten Angebot der Verfilmungen nach der Romanvorlage bleibt es jedem Zuschauer überlassen, seinen persönlichen Favoriten ab "Das letzte Wochenende" von 1945 ausfindig zu machen, wobei George Pollocks Adaption sicherlich eine der gelungenen Angebote darstellt. Am Ende ist und bleibt das Geschehen ein kleiner Meilenstein der Erstansicht, denn der Überraschungseffekt ist auch bei der besten Kombinationsgabe und höchsten Aufmerksamkeit kaum herzuleiten, aber dennoch nachvollziehbar.

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