RUTH MARIA KUBITSCHEK

Leinwandsternchen und verkannte Stars im Blickpunkt
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Prisma
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RUTH MARIA KUBITSCHEK

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RUTH MARIA KUBITSCHEK

[*02. August 1931| † 01. Juni 2024]

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Das Lexikon der deutschen Filmstars hat geschrieben:
Eine sensitive, verträumte Ausstrahlung, die man ihrer slawischen Abstimmung zuschrieb, umgab sie in ihren Anfangsjahren, in denen sie die Rollen der liebenden jungen Frauen mit erotischem Flair ausstattete. Später, mit kräftigerer Statur und gereiften Gesichtszügen, konnte sie gestandene Gattinnen, Baronessen, Gräfinnen und Gutsbesitzerinnen verkörpern, die mitten im Leben stehen. Auf den Bühnen hat sie stets die "ehrbaren Dirnen" gespielt: Kämpfende, Resignierende und Anklagende. Für die Bösewichte fehlte ihr das Abgründige, sie glich es mehr aus durch eine wunderbare Präsenz als Vollblutfrau.


Spricht man über die wirklich großen Kapazitäten des deutschen TV-Geschäfts, ist der Name Ruth Maria Kubitschek zurecht als einer der ersten zu nennen. Ihre bekanntesten Publikumserfolge feierte die gebürtige Tschechoslowakin und Wahl-Schweizerin in Serien wie "Monaco Franze - Der ewige Stenz", "Kir Royal" oder "Das Erbe der Guldenburgs", als offizieller Durchbruch wird gerne das Jahr 1966 terminiert, als sie die Titelrolle in dem Francis Durbridge-Straßenfeger "Melissa" spielte. Kurios hierbei ist, dass sie in der ersten Episode dieses TV-Dreiteilers nur wenige Minuten zu sehen ist, dies allerdings als Geburtsstunde des sogenannten "Melissa-Effekts" für Kriminal-Formate gilt. Insgesamt lässt sich sagen, dass sie im Fernsehen so gut wie in allen wichtigen Formaten präsent und zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, wenngleich ihre Kino-Karriere im Gegensatz zu ihrer Omnipräsenz im deutschen Unterhaltungsfernsehen nur als marginal zu bezeichnen ist. Die mehrfach ausgezeichnete Interpretin kann als Publikumsliebling bezeichnet werden, wenngleich Kubitschek sich den Luxus erlauben konnte, nicht immer als reine Sympathieträgerin unterwegs sein zu müssen. So ergibt sich ein breites Repertoire innerhalb einer erfüllten Filmografie, die es bei schier unzähligen Auftritten und Rollen-Charakteren wert ist, nach und nach entdeckt zu werden. Überlieferungen zufolge entschied sie sich gegen den Willen ihrer Eltern zum Besuch der staatlichen Hochschule für Theater und Musik in Halle an der Saale und das Deutsche Theater-Institut in Weimar. Es folgten Bühnen-Engagements, bis die Schauspielerin im Jahr 1953 in der DEFA-Komödie "Jacke wie Hose" debütierte. Weitere bedeutende Stationen ließen bis in die anfänglichen 60er-Jahre auf sich warten, bis sie etwa in dem hochstilisierten Skandalfilm "Die Sendung der Lysistrata" zu sehen war, der sich zu einem waschechten Politikum entwickelte, oder in der "Pater Brown"-Verfilmung "Er kanns nicht lassen". Ruth Maria Kubitschek wurde zur Genre-Allrounderin mit intervallartigen Schwerpunkten wie Krimi, Drama, Familien-Unterhaltung, Romanze, Literaturverfilmungen oder sogar Schmonzetten. Wie bei vielen Kolleginnen auch erforderten die beruflich gesehen nicht immer leichten 70er-Jahre auch sporadische Ausritte in die ergiebige Welt des Erotikfilms.

Unter und über dem Strich lässt sich aufrichtig sagen, dass es bei der mit Biss versehenen Blondine mit den markanten Gesichtszügen und tiefen blauen Augen immer möglich ist, besonders auffällige Akzente zu setzen, die sich vor allem aus ihrem über die Jahre entwickelten Film-Image zusammensetzen. Hierbei ist die Gefühlsklaviatur ebenso breit aufgestellt, wie die entsprechenden Einsatzgebiete, denn man kann sie wahlweise kalt wie Diamant, hart wie Granit oder verzweifelt und unbeholfen wie ein Kind wahrnehmen, allerdings ist es ihr ebenso möglich, warmherzige, aufrichtige, mütterliche, resolute und willensstarke Frauen mit Prinzipien und Kalkül darstellen. Von ihr scheint stets etwas Geheimnisvolles, Unergründliches auszugehen, melancholische und träumerische Züge ließen sie in ihren Darbietungen häufig allzu hart in die Realität zurückfallen. Besondere Freude scheint sie beim Interpretieren von Rollen zu haben, bei denen es erforderlich ist, sozusagen von unten her nach oben herabzublicken, denn ihr fehlt das Hoheitsvolle, sodass man ihr gut bürgerliche Charaktere, die sich an ihre Herkunft erinnern, gut abkaufen kann. Persönliche Highlights mit Ruth Maria Kubitschek sind trotz der unausschöpflich wirkenden Auswahlmöglichkeiten und nach persönlichem Ermessen in Windeseile ausgemacht, doch hierbei muss es sich nicht immer um ihre ausgewiesenen Klassiker handeln. Der Interpretin ist es möglich, TV-Glanz, Dramatik und Aura zu fabrizieren, selbst bei seichten Grundvoraussetzungen das Optimum an Überzeugungskraft und Körpersprache herauszuholen. Ruth Maria Kubitschek zeigte sich nicht nur beim Fernehen und Kino aktiv, sondern war auch als Theaterschauspielerin oder Synchronsprecherin tätig. Im Jahr 2013 wurde sie Staatsbürgerin der Schweiz, ihre Karriere fand offiziell bereits im Jahr 2014 ihr Ende, Kubitschek widmete sich eingehend den Themen Esoterik und Meditation, trat in diesem Zusammenhang als beachtete Autorin mehrerer Sachbücher und Romane in Erscheinung. Die beliebte Schauspielerin verstarb am 01. Juni 2024 und hinterlässt trotz mehrjähriger schauspielerischer Abstinenz eine große Lücke aber auch großen cineastischen Fundus in der deutschen TV-Landschaft, die ohne ihre mutige Tatkraft und Spiellaune definitiv eine andere gewesen wäre.

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Dschallogucker
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Re: RUTH MARIA KUBITSCHEK

Beitrag von Dschallogucker »

In meiner Kindheit hatte ich sie mal in einer Serie gesehen, wo sie eine "Sozialtante" spielte.
Ich hatte gedacht, die Serie hieß "Die Fürsorgerin". Aber anscheinend war das "Der Fall von nebenan"
https://www.fernsehserien.de/der-fall-von-nebenan

Dass sie in Filmen mit Erotik mitgespielt hat, wusste ich nicht. Aber vielleicht hast du da schon was in Vorbereitung ...

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Prisma
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Re: RUTH MARIA KUBITSCHEK

Beitrag von Prisma »

Dschallogucker hat geschrieben:
Mo., 03.06.2024 23:03
Ich hatte gedacht, die Serie hieß "Die Fürsorgerin". Aber anscheinend war das "Der Fall von nebenan"

Da habe ich bislang auch noch nicht reingeschaut, interessiert mich aber doch sehr. Ich wusste bis vor kurzer Zeit nicht einmal, dass diese Serie überhaupt existiert.

Dschallogucker hat geschrieben:
Mo., 03.06.2024 23:03
Dass sie in Filmen mit Erotik mitgespielt hat, wusste ich nicht.

Das waren wohl auch nicht viele Ausflüge ins Genre, aber zumindest fallen mir auf Anhieb die gar nicht einmal so uninteressanten Filme "Madame und ihre Nichte" und "Ich schlafe mit meinem Mörder" ein. Vermutlich gibts auch nicht wesentlich mehr. Hier ziehen sich allerdings vor allem bevorzugt Edwige Fenech und Véronique Vendell aus, wenn ich mich recht entsinne. Ruth Maria Kubitschek handhabt das jeweils sehr geschickt und lässt alles Weitere vor allem erahnen. Das sind zwei wirklich hochinteressante Rollen von ihr, die man so nicht unbedingt erwartet hätte.

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Prisma
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Re: RUTH MARIA KUBITSCHEK

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● RUTH MARIA KUBITSCHEK als AGNES MERINGER in
DER KOMMISSAR - DER LIEBESPAARMÖRDER (D|1974)



Frau Meringer, Chefin des gleichnamigen Film-Cafés, zählt die Tageseinnahmen des Betriebs, was gleichzeitig auf ihr schwerwiegendes Dilemma hinweist, den die Einnahmen gingen schlagartig in die Höhe, als Anita König bei ihr und ihrem Mann zu bedienen anfing. Er steckte sie laut ihren angaben in einen knappen Rock, der ihre langen Beine beinahe ins Unendliche betont, sodass seine Fantasie täglich Wirklichkeit werden kann. Agnes Meringer geht davon aus, dass die beiden ein Verhältnis haben, denn es liegt auf der Hand, dass er mindestens eines haben dürfte. Es fragt sich mit wem? Anita als naiv zu bezeichnen, wäre zu viel gesagt. Eher ist sie unbekümmert, was Agnes mit Leichtfertigkeit verwechselt, zumal diese Herr Meringer reizen würde. Deswegen ist die hübsche Blondine ihr persönliches rotes Tuch und sie wäre sie gerne wieder los, lieber heute als morgen, doch Anita lässt die Kasse klingeln. In dieser Endphase der beliebten "Kommissar"-Serie bekleidet Ruth Maria Kubitschek eine Rolle, die sie in ihrer Karriere schon häufiger überzeugend dargeboten hatte, denn sie zeichnet eine Frau voller Ernüchterung, Frustration und Verbitterung. Gefangen in einer Ehe, die sich die Hölle nicht besser ausdenken könnte, spult sie den kargen Alltag immer wieder aufs Neue ab, was sie vielleicht Routine nennen würde. Permanent hat sie etwas an ihrer hübschen und ebenso fleißigen Bedienung zu kritisieren, welche es jedoch mit Fassung trägt, da es sich entgegen Frau Meringers Eindruck um eine völlig aufrichtige Person handelt, die in ihren Augen in dieser Aufmachung jedoch kaum anständig sein kann. Kubitschek verfeinert ihre Darbietung mit ihrer typischen Körpersprache und Mimik, was - auch eigene ohne Worte zu verlieren - sozusagen zur Deutungshoheit für das Publikum wird. Eine versteinerte Miene demonstriert die globale Fassungslosigkeit, ihr leerer Blick basiert auf dem Boden der Tatsachen, wenngleich sie auch nicht unaufmerksam beobachtet. Sie fixiert ihre Bedienung, ihren Mann und dessen plumpe Annäherungsversuche, die Gäste und deren Reaktionen, aber nicht sich selbst, sodass sie sich vielleicht so manches Hirngespinst ausmalt, das zu Tatsachen umgedeutet wird.

»Du fasst sie doch bei jeder Gelegenheit an!«, ist dann schon eine deutlichere Sprache, mit der sie ihren Ehemann konfrontiert. Auch vor der Polizei wird sie nicht müde, darauf hinzuweisen, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Herr Meringer wird als Lustmolch dar- und bloßgestellt, der Zuschauer hält dies für alles andere als ein Ammenmärchen. Ruth Maria Kubitschek präsentiert sich in sehr greifbarer Fasson, ihre Emotionen erscheinen zwar kühl, aber dennoch mit Wut und Erfahrung erfüllt zu sein. Dabei wirken das pointierte Schauspiel und eine prononcierte Art sich auszudrücken wie das fehlende Corpus Delicti. Doch was ist eigentlich passiert? Ein Unbekannter hat den Freund von Anita König erschossen, die Polizei sucht den Täter folgerichtig im Umfeld der attraktiven Angestellten. Die Schauspielerin reiht sich in die lange Liste der unsympathischen Zeitgenossen ein, doch man verliert sich ihr gegenüber in Mitgefühl, denn ihr Mann setzt ihr mit seiner unverbindlichen, sich windenden und im Grunde genommen widerlichen Art schwer zu - und das wohl seit Jahren. Gerade in Kriminal-Serien war es für Ruth Maria Kubitschek üblich, dass die Interpretin reife Leistungen anzubieten pflegte, um sie pauschal in den Kreis diffuser Verdächtiger zu rücken. Auf rein emotionaler Ebene traut man dieser Dame daher hin und wieder alles zu, was auch für die hier dargestellte Frau gilt, die von ihrem Mann permanent Hörner aufgesetzt bekommt. Der Polizei bleibt diesbezüglich eine aufgebrachte Berichterstattung im Ohr, dass er es nicht lassen könne, Anita bei jeder besten Gelegenheit zu belästigen, oder dass es seine Idee war, seine Traum-Kreation aus ihr zu machen. Mehr und mehr kann man Agnes Meringer schließlich dabei zusehen, wie sich die Entschlossenheit entwickelt, der Polizei ihren Gatten als Hauptverdächtigen zu opfern, indem sie aus dem Nähkästchen plaudert. Dabei entwickelt Ruth Maria Kubitschek das Temperament und die darstellerische Tiefe, die diese Rolle zum denkwürdigsten Gastauftritt dieser Episode werden lässt. Alles in allem bleibt eine starke Leistung mit überraschenden Kehrtwenden, welche die Qualitäten der Interpretin deutlich hervorheben.

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Prisma
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Re: RUTH MARIA KUBITSCHEK

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● RUTH MARIA KUBITSCHEK als IRENE in
UND DER REGEN VERWISCHT JEDE SPUR (D|1972)



Kino-Rollen von Ruth Maria Kubitschek sind alleine wegen ihrer Seltenheit etwas ganz Besonderes und kamen über die Jahre gesehen leider nur in meist länger auseinandergezogenen Intervallen zustande. In Alfred Vohrers Simmel-Lookalike "Und der regen verwischt jede Spur" ist die markante Interpretin in einem kurzen, aber nicht minder brisanten Part als Mutter der tragischen Protagonistin Christine zu sehen, um dieser in beinahe kryptischer Art und Weise unbestimmte Vorahnungen über die auf sie zukommende Katastrophe zu machen. Woran sie es festmacht? Natürlich ausschließlich an ihrem Ex-Mann, den sie als gefährlichen Tyrannen und Egomanen zeichnet, um jedoch dabei zu unterschlagen, dass er gleichzeitig ihr exklusiver Mäzen ist. Sie hält die Füße still, sich außerdem fern von ihrer Tochter, um den Einflussbereich von deren Vater nicht zu stören. Bei einem näheren Blick auf diese durch und durch oberflächlich wirkend Frau bekommt Publikum den verwirrenden Eindruck vermittelt, dass man es mit der einzigen aufrichtigen Person zu tun hat, die man hier für lange Zeit finden wird, wobei dies nicht generell für die Charaktere des Szenarios gilt. Dieser Eindruck bleibt allerdings dem Zuhörer/Zuschauer vorbehalten, da die Hauptpersonen zu vielen Täuschungen und Lügen aufsitzen werden. Alle Mahnungen und eindringlichen Warnungen scheinen mehr als nur die obligatorische schmutzige Wäsche von Geschiedenen zu sein, denn Kubitschek untermalt ihre Darbietung mit einem spürbaren Ton der Angst. Diese bezieht sich bei einer Dame wie ihr nicht auf die anderen, sondern auf sich selbst, wohl wissend, dass Christines Vater keinen Augenblick zögern würde, seine Ex-Gattin bei einem Fehltritt zu vernichten. Dies möchte sie nicht oder möglicherweise nicht noch einmal riskieren, lebt dementsprechend unbeschwert in ihrem gut ausstaffierten goldenen Käfig, der den Vorteil hat, dass die Türe offensteht und das Gewissen an der Garderobe abgegeben werden muss. Der Hass scheint zwar groß zu sein, aber die Sucht nach materieller Sicherheit umso größer. So opferte Irene sogar ihr Kind aus Kalkül, was sie nicht gerade sympathisch erscheinen lässt. Alleine schon aus diesem Grund handelt es sich um eine der obligatorischen Paraderollen für Ruth Maria Kubitschek, die ihre volle Dominanz auch in weniger als fünf Minuten restlos auszuspielen weiß.

Nervös raucht Irene eine Zigarette, tippt unruhig mit ihren Fingern auf, sie fühlt sich sichtlich unwohl in der Nähe ihrer eigenen Tochter, da sie sie als Werk ihres geschiedenen Mannes ansieht, ohne sich dabei die Mühe zu machen herauszufinden, ob es auch der Realität entspricht. Eher scheint sie von oben herab auf eine mutmaßliche Spionin zu blicken, der man nicht trauen sollte. Der Zuschauer ist irritiert über so viel Kälte, Distanz und Zurückweisung einer Mutter, hört daher umso aufmerksamer zu, welches Psychogramm hier genau gezeichnet wird. Kubitschek verschärft den Ton, der in latente Aggressivität umschlägt. Sie möchte die Situation so schnell wie möglich abwickeln, aber nicht korrigieren, indem sie mit blanken Tatsachen jongliert. Nach der Trennung habe es einen Vertrag gegeben, der die Mutter gegen gutes Geld dazu verpflichtet hat, auf alle Ansprüche bezüglich der Kindererziehung zu verzichten. Ein Geschäft. Schweigegeld. »Ich hab dir doch noch nie etwas bedeutet! Du hast dich doch schon damals innerlich gegen mich entschieden. Er wird dich umbringen mit dieser Eifersucht, mit diesem entsetzlichen Misstrauen.« Geschickt legt Ruth Maria Kubitschek in gut dargestellter Rage derartige Karten auf den Tisch, lässt sich jedoch nicht dazu verleiten, diese auch umzudrehen beziehungsweise vertragsbrüchig zu werden. Ihr kühles, beinahe starres Temperament schlägt um in leichte Verzweiflung, zumal plötzlich ein Herr, ein offenbar enger Bekannter, im Zimmer steht. Christine wird heraus komplementiert, ohne sie als eigenes Kind vorzustellen. »Wiedersehen Mutter!« Für einen kurzen Augenblick meint man, Irenes Herz würde stehen bleiben, bis es Geständnisse à la sie sei nicht mehr 35, sondern 40 hagelt. Man erlebt ein offenes Ende mit der Frau, die sich kaufen ließ und deren privates Glück möglicherweise einmal mehr durch ihren ehemaligen Mann zerstört wird, wenn auch nur indirekt. Ruth Maria Kubitscheks Skills und ihr Image lassen diesen Auftritt zu einem beachtenswerten Happening werden, welches durch Dynamik, um nicht zu sagen, ihre Perzeption zum erwarteten Selbstläufer wird, dem man gebannt beiwohnt. Am Ende philosophiert man schließlich erneut darüber, dass es ein Jammer ist, dass das deutsche Kino sie nicht zielstrebiger und häufiger als Prototyp der Idealbesetzung erkannte und zu nutzen wusste.

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Prisma
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Re: RUTH MARIA KUBITSCHEK

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● RUTH MARIA KUBITSCHEK als ANNA REITHE in
DER KOMMISSAR - BLINDE SPIELE (D|1972)



In ihrem ersten von drei "Kommissar"-Auftritten sieht sich Ruth Maria Kubitschek mit einer starken weiblichen Konkurrenz konfrontiert, um sich innerhalb einer sehr interessanten Geschichte schlussendlich mit Leichtigkeit zu behaupten. Anna Reithes Schwager wurde ermordet, der auch ihr eigener Liebhaber war, was die beinahe statisch wirkende Frau in den engsten Kreis der Verdächtigen rückt. Doch ist eine Tat aus Leidenschaft oder Eifersucht tatsächlich die am naheliegendste Variante von allen? Die Befragungen bringen Anna in unbequeme Bedrängnis, doch das nicht im klassischen Sinn, denn sie muss die weggeschobenen Tatsachen bewältigen. Sie versucht nicht zu vertuschen, zu leugnen, zu beschwichtigen. Was unter normalen Umständen in den Radius delikater Enthüllungen fallen würde, wird von der als Sprachrohr integrierten Frau als absolute Selbstverständlichkeit präsentiert. Sie hatte ein Verhältnis mit dem Mann ihrer Schwester; sie war nicht die Einzige. In abschirmender Weise versucht sie die Polizei von ihrer eigenartig gefasst wirkenden Schwester fernzuhalten, diese solle doch mit den Erhebungen warten, bis sie ihr eine Tablette eingeflößt habe. Die Beamten bleiben wie das Publikum mehr als irritiert über so viel Pseudo-Progressivität zurück, über so viel Ignoranz gegenüber gesellschaftlichen Regeln und so viel Selbstbetrug. Ruth Maria Kubitschek fällt bei ihren Monologen im Deckmantel von Dialogen durch eine völlig schwingungslose Attitüde auf. Bereits ihre ersten Szenen zeigen sie wie versteinert, in ihren Emotionen wie gelähmt. Handelt es sich um Anteilnahme, Bestürzung oder Trauer, oder um eine Hiobsbotschaft, die sie im Grunde genommen selbst fabriziert hat? Kubitschek sorgt für eine dichte Kreation von Skepsis, sodass man ihr alles oder nichts zutrauen würde. Bei den Befragungen ihrer amourösen Konkurrentinnen kommt es schließlich zu der Gewissheit, dass es sich bei ihr nur noch um das ausrangierte fünfte Rad am Wagen handelt, da ihre Beziehung längst auf Eis gelegt wurde. Allerdings nicht von ihr selbst, sondern ihrem Schwager. Die gefasst wirkende Blondine erscheint im Rahmen ihrer unverblümten Offenheit betroffen und gekränkt, aber ebenso bereit, andere zu Verdächtigen werden zu lassen, da sie in der männlich-weiblichen Hierarchie hintenan steht.

»Moment, was machen wir da?« Nachdem Anna Reithe um Fassung gerungen und diese schnell wieder gefunden hat, ist dieser pragmatische Satz wegweisend für ihre folgenden Szenen. Sie choreografiert die Situation für ihre Schwester durch, nichts soll sie beunruhigen oder nervlich angreifen. Handelt es sich also nur um eine sich natürlich sorgende Schwester, oder hat man es mit mehr zu tun, als man zu denken wagt? In diesem Zusammenhang bleibt Ruth Maria Kubitschek bei einer cleveren Choreografie, die ihre eigene Interpretation betrifft. Erneut kann der Zuschauer nur staunen, dass man diese Frau in Situationen wie diesen einfach nicht zu fassen bekommt, nicht begreifen kann. Die Hiobsbotschaft überbringt sie ihrer unruhig und nervös wirkenden Schwester gleich selbst, allerdings nicht mit Feingefühl, sondern einem scharfen Skalpell. Ganz im Sinne des Verlangens, die Kontrolle über die unberechenbare Situation zu behalten, bietet sie sich der Polizei als Antwortgeberin an; ihr Ton jongliert mit Lückenlosigkeit und einer Offenheit, deren Ursprung nur tiefe Kränkung und möglicherweise Verachtung oder Hass sein kann. Während die Schwägerin des Ermordeten Rede und Antwort steht, manövriert sie sich selbst in den unmittelbaren Kreis der Hauptverdächtigen, womöglich ohne es überhaupt zu merken, da sie anderen einen abschätzigen Tonfall zugedacht hat. Ruth Maria Kubitschek wirkt in ihrer Beherrschtheit erneut fragil und angreifbar, vermutlich spielt sie genau aus diesem Grund nur noch die dritte Geige in dieser unübersichtlichen Mehrfach-Konstellation. Kubitscheks Rolle ist in kleinere, aber aussagekräftige Intervalle eingeteilt, in denen sie sich aus der privaten Defensive zu manövrieren versucht. In der Darstellkunst steht sie keiner der beteiligten Damen in irgendetwas nach, ihre Kolleginnen Johanna von Koczian und Anaid Iplicjian bieten lediglich unterschiedliche Gegenentwürfe an. Am Ende teilen alle Personen das Schicksal von Anna Reithe. Obwohl sie vermutlich die Wahrheit sagen, bleiben sie völlig unglaubwürdig, aber diese Überlegung kann in deren selbst konstruiertem Weltbild nicht vorkommen. Für "Blinde Spiele" und die Reihe selbst ist Ruth Maria Kubitscheks stilsicheres Auftreten erneut ein Gewinn, den eine andere Darstellerin in gleicher Position nicht so einfach hätte reproduzieren können.

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