GROG - Francesco Laudadio
- Demetrio Cultrera
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GROG - Francesco Laudadio
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Grog - Os Piratas Estão no Ar (BR)
Grog (PL)
грог (RU)
IT 1982
Regie: Francesco Laudadio
Drehbuch: Silvia Napolitano, Francesco Laudadio
Musik: Paolo Conte
Darsteller: Franco Nero, Gabriele Ferzetti, Omero Antonutti, Eros Pagni, Sandra Milo, Claudio Cassinelli, Christian De Sica, Renato Scarpa, Franco Javarone u.a
Italienische Kinopremiere: 13.10.1982
Deutsche TV-Premiere: 29.12.1984 (BRD)
Deutsche Kinopremiere: 21.12.1986 (DDR)
Synchronkartei (BRD-Synchro)
Synchronkartei (DEFA-Synchro)
IMDb
Ofdb
"Ich stelle mir da ein Sonderprogramm vor. Und zwar live!"
Nicola und Pasquale haben es geschafft! Sie sind aus dem Knast entkommen und flüchten nun gemeinsam mit dem bereits angekratzten Gefängniswärter Caputo in Richtung Stadt. Da auf den Straßen viel los ist, nistet man sich kurzerhand bei einer Familie ein, die gerade mit Freunden zusammensitzt. Mit der Familie und Caputo als Geisel versuchen die Gangster, mit der Polizei zu verhandeln. Helfen soll dabei das größte Medium der Welt: das Fernsehen.
Nach einem Telefonat mit TV Gold dauert es nicht lange, bis das Fernsehteam im Haus eintrifft und das Geschehen live verfolgt. Chefreporter Sandro Galli sieht darin die Chance auf unglaubliche Einschaltquoten und gibt den Gangstern hinter der Kamera sogar Tipps, wie sie im Fernsehen noch bedrohlicher wirken können. Die Stimmung der Geiseln kippt, und das Spießbürgertum zeigt sich in all seinen Facetten. Währenddessen versucht der cholerische Kommissar Mazzanti, die Gangster vom Schlimmsten abzuhalten. Diese sind mit der gesamten Situation sichtlich überfordert und stellen sich zunehmend die Frage, wer hier eigentlich der wahre Verbrecher ist.
"Was soll das?! Wie sieht das aus, ohne Pistole? Wollen Sie die mit dem Finger bedrohen?"
Diese bissige Gesellschaftssatire aus dem Jahr 1982 schlägt ein wie eine Bombe. Der Film konfrontiert uns in aller Deutlichkeit mit der Frage: „Wie weit darf das Fernsehen gehen?“ Der Ausgangspunkt ist logisch: Man hat zwei Verbrecher und jede Menge Geiseln. Der erste ungewöhnliche Wendepunkt beginnt mit der Idee, die Öffentlichkeit zu informieren und das Fernsehen einzuladen. Der Gangster sieht darin die Möglichkeit, dieses „Drama“ schonungslos in sämtliche TV-Geräte des Landes zu beamen.
Doch all die Kameras und Mikrofone machen unseren Antihelden zunehmend nervös, und er bereut bald seine Idee. Der Chefreporter merkt das und erinnert Fanelli kurz vor der Liveschalte beispielsweise daran, die Waffe immer schön auf die Geiseln zu richten. Spätestens an dieser Stelle merkt der Zuschauer, woher der Wind weht, denn das zentrale Thema ist die Verfälschung von Tatsachen in der Berichterstattung. Der Film möchte uns beibringen, nicht alles zu glauben, was man sieht, und gewährt mit einem Augenzwinkern einen Blick hinter die Kulissen eines emotional aufgeladenen Livereports.
Nachdem man nun die beiden Gangster und auch das Fernsehteam kennengelernt hat, fehlen noch die Geiseln. Die Familie De Rossi hat gerade Freunde zu Besuch, als unsere Halunken hineinplatzen. Dieses Spießbürgertum steigert sich von Minute zu Minute, bis die Stimmung untereinander zu eskalieren droht. Die Geiseln werden zunehmend egoistischer und verraten Freunde, da jeder nur noch an sein eigenes Wohlergehen denkt. Im letzten Drittel findet Nicola durch Zufall heraus, dass Alberto De Rossi seinen geistig eingeschränkten Sohn seit Jahrzehnten eingesperrt im Nebenraum gefangen hält. Dies führt auch beim Zuschauer zu der Frage, welche Partei eigentlich die größeren Verbrecher sind. Zum einen haben wir die geflohenen Gangster, die Gefängniswärter Caputo angeschossen haben und nun die Leute im Haus als Geiseln halten. Dann haben wir das Fernsehteam, das wirklich alles tut, damit die Quoten ins Unermessliche steigen. Außerdem gibt es den Kommissar Mazzanti – einen absolut cholerischen und empathielosen Menschen, der mit aller Macht versucht, Nicola dingfest zu machen. So schreckt er auch nicht davor zurück, Wertgegenstände hilfsbereiter Nachbarn grundlos zu zerstören und die Leute reihenweise anzuschreien und zu beleidigen.
"Tja, jeder denkt irgendwann mal ans Ausbrechen. Für die beiden war das jedoch etwas anderes, denn das hier war ihr Zuhause. Hier haben sie seit vielen Jahren gelebt. Das hier ist ihre Familie. Draußen kennen sie niemanden. Draußen haben sie keinen, der auf sie wartet."
Als Nicola Fanelli spielt Franco Nero ganz groß auf und darf sein schauspielerisches Können unter Beweis stellen. Egal ob schreiend, überfordert, verwirrt oder überrascht – seine Rolle ist äußerst abwechslungsreich und humorvoll angelegt. In einer Szene ist TV Gold bei ihm zu Hause und besucht seine Ehefrau, die bereits einen neuen Mann im Bett hat. Der Gute ist allerdings nicht mehr ansprechbar und auch sonst ein körperliches Wrack, das sich nicht bewegt und keine Laute von sich gibt. Während Franco Nero nun völlig fassungslos mit offenem Mund vor dem Fernseher sitzt und es kaum glauben kann, versucht TV Gold, noch einen draufzusetzen: In einer weiteren Szene hat Nicolas „Tochter“ einen Gastauftritt in einer TV-Show. Wieder spielt Franco Nero den verwirrten Nicola großartig, denn dieser ist sich keiner Tochter bewusst und mit den Nerven allmählich am Ende.
Auch die Geiseln sind prominent besetzt. So sehen wir in der Familie De Rossi unter anderem Sandra Milo und Gabriele Ferzetti. Als Rechtsanwalt Enrico Manzi sticht außerdem Omero Antonutti hervor. Den Chefreporter von TV Gold spielt Eros Pagni, den man aus Hector, der Ritter ohne Furcht und Tadel oder Profondo rosso kennt. Als cholerischer Kommissar brilliert kein Geringerer als Claudio Cassinelli, der wohl noch nie zuvor einen Kommissar so überspitzt asozial darstellen durfte.
Grog feierte 1982 seine Kinopremiere in Italien, bevor der BR den Film etwa zwei Jahre später in Deutschland erstausstrahlte. Die deutsche Synchronisation kann sich durchaus sehen lassen, ist jedoch – zumindest für Franco Nero – mit Tommi Piper ungewohnt besetzt. In der DDR kam man 1986 ebenfalls auf den Geschmack und brachte den Film mit einer eigens angefertigten DEFA-Synchro in die Kinos. Leider wurde der Film bislang nur in Griechenland und Brasilien auf VHS veröffentlicht. Weitere Veröffentlichungen sind mir nicht bekannt.
Fazit: Ein ungewöhnlicher, aber starker Beitrag von Regisseur Francesco Laudadio, der bissig und dennoch mit einem breiten Grinsen auf Missstände in TV-Produktionen und deren Publikum aufmerksam macht. Dabei ist der Film gut gealtert und bringt hervorragende Unterhaltung mit sich. Die Moral am Ende ist satirisch bis in die Knochen – und sorgt trotz aller Gesellschaftskritik für gute Laune.
- Richie Pistilli
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Re: GROG - Francesco Laudadio
Wow!
Die Handlung liest sich sehr interessant. Und dann auch noch mit Franco Nero, Gabriele Ferzetti und Claudio Cassinelli.
Vielen Dank für die Vorstellung dieses seltenen Films, den ich absolut nicht auf dem Schirm hatte.
Die Handlung liest sich sehr interessant. Und dann auch noch mit Franco Nero, Gabriele Ferzetti und Claudio Cassinelli.
Vielen Dank für die Vorstellung dieses seltenen Films, den ich absolut nicht auf dem Schirm hatte.
- Sid Vicious
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Re: GROG - Francesco Laudadio
Danke für die ausführliche und informative Vorstellung dieses seltenen und mir bis dato unbekannten Genrevertreter.




