Knallt das Monstrum auf die Titelseite! (D)
Knallt das Monster auf die Titelseite (D)
Tödliche Schlagzeilen (D - VHS)
Sbatti il mostro in prima pagina (IT)
Viol en première page (F)
Noticias de una violación en primera página (ES)
O Monstro na Primeira Página (POR)
Slap the Monster on Page One
IT / F 1972
R: Marco Bellocchio
D: Gian Maria Volonté, Laura Betti, John Steiner, Fabio Garriba, Jacques Herlin, Corrado Solari, Michael Bardinet, Carla Tatò, Silvia Kramar, Jean Rougeul, Gianni Solaro, Marco Bellocchio u.a.
Deutsche Erstaufführung: 28.06.1974 (TV)
Synchronkartei
Italo-Cinema.de
Die Nacht der lebenden Texte
Score: Nicola Piovani
IMCDb
OFDb
"Nun, ich wollte Sie um Ihre Entscheidung bitten, wie wir in diesem Fall weiter verfahren sollen: Sollen wir nur objektiv informieren bis die Polizei den Schuldigen findet, oder sollen wir die Sache selbst in die Hand nehmen und uns aktiv daran beteiligen?.... Mann kann einen Fall zum Glück auch aufbauen, wenn der Mörder..., das Monstrum nicht gerade perfekt sein sollte, aber vielleicht ist er es. Wer weiß das schon?"
Während auf der politischen Bühne Mailands der unermüdliche Wahlkampf zwischen der Rechten und der Linken in vollem Gange ist, tobt auf den Straßen ein unerbittlicher Aufstand zwischen den Anhängern der beiden politischen Lagern, wobei die Medien tatkräftig mitmischen und die bereits hochexplosive Stimmung in der Bevölkerung weiterhin anheizen. An vorderster Front treibt die Redaktion des Tageblatts “Il Giornale” ihr Unwesen, welche ausschließlich den Wahlkampf der rechten Partei unterstützt und entsprechend versucht, über ihre hetzerischen Zeitungsartikel Einflussnahme auf die Meinung der italienischen Bevölkerung zu nehmen. Verantwortlich für diesen massenmedialen Propagandafeldzug zeigt sich der leitende Chefredakteur Bizanti (Gian Maria Volonté), der gemeinsam mit dem dubiosen Verlagsinhaber Montelli (John Steiner) den Wahlkampf zu Gunsten der Rechten zu beeinflussen versucht und dabei mit absolut kaltem Kalkül vorgeht. Als dann plötzlich ein tödliches Gewaltverbrechen an der Professorentochter Maria Grazia Martini (Silvia Kramar) geschieht, nutzt Bizanti die Gunst der Stunde und konstruiert einen vermeintlichen Täter aus dem linken Umfeld, indem er über diesen falsche Tatsachen in seiner reißerischen Berichterstattung verbreitet und der Polizei falsche Informationen zur Ergreifung des Beschuldigten zukommen lässt. Doch kurz darauf kommt ein gewissenhafter Journalist des “Il Giornale” (Fabio Garriba) dem skandalösen Lügenkonstrukt auf die Schliche, woraufhin dieser die verwerflichen Machenschaften seiner Vorgesetzten nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann und entsprechend zu rebellieren beginnt.
"Wir verkörpern die Meinung, die in unserem Land wirklich zählt. Auch die Leute, die Zeitungen anderer Richtung lesen, kommen letzten Endes zu uns, zu "Il Giornale", weil sie von dieser Stimme ein gelassenes und endgültiges Wort hören wollen. Und diese Stimme muss immer dieselbe sein. Von der ersten Zeile des Leitartikels bis zur letzten der Wirtschaftsnachrichten."
"Es ist ein Krieg [...] und der Klassenkampf wird auch von uns geführt"
Der italienische Regisseur und Drehbuchautor Marco Bellocchio (MIT DER FAUST IN DER TASCHE, TRIUMPHMARSCH, UND DRAUßEN DIE NACHT) inszenierte 1972 diesen außerordentlichen Polit- und Medienthriller, nachdem sich der ursprünglich als Regisseur angedachte Sergio Donati aufgrund Meinungsverschiedenheiten mit Gian Maria Volonté von den Dreharbeiten zurückzog. Thematisch befasst sich diese französisch-italienisch Koproduktion mit der Macht der Medien und deren ruchlosen Vorgehensweisen zur Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Das Ganze erinnert ein wenig an die einschlägig bekannten Strategien der reißerischen und provokanten BILD-Zeitung, die auch heutzutage noch unvermindert falsche Tatsachen zur Stimmungsmache gegen unliebsame Positionen nutzt, um letztlich ihr eigenes Narrativ ins "rechte Bild" rücken zu können. Ferner wurde in die politisch-prekäre Rahmenhandlung eine Kriminalgeschichte eingewoben, die wie ein roter Faden durch den weiteren Filmverlauf führt und letztendlich die staatlichen Justiz- und Ermittlungsbehörden auf den Plan ruft, die wiederum im Rahmen sehr fraglicher Verhörmethoden offenbaren, welch Geistes Kind in den staatlichen Behörden vorherrscht. Außerdem legen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Polizei, die unhinterfragt mit der manipulativen Hetzpostille zusammenarbeitet, eine reaktionäre Haltung an den Tag.
Gian Maria Volonté spielt mit Bravour den gefühlskalten und skrupellosen Chefredakteur des sensationsträchtigen Hetzblattes “Il Giornale”, der zur Erreichung seiner Ziele auch ohne nur mit der Wimper zu zucken über Leichen geht. Darüber hinaus propagiert er in seinen populistischen Artikeln nicht nur die Wiedereinführung der Todesstrafe, sondern zitiert auch unverblümt Joseph Goebbels. Im Kreise seiner Familie herrscht ebenfalls alles andere als “eitel Sonnenschein”, denn er benimmt sich gegenüber seiner einfach gestrickten Ehefrau wie das größte Scheußal, was wiederum den noch sehr jungen Sohnemann völlig verstört. Seine Rolle verkörpert er mit der gewohnten Intensität und Souveranität, die man auch ansonsten von seinen Darbietungen gewohnt ist.
Der britische Schauspieler John Steiner verkörpert hingegen den finanzstarken Ingenieur Montelli, der als Eigentümer des Zeitungsverlags nicht nur zum Club der Mächtigen zählt, sondern auch enge Kontakte ins rechte Lager pflegt. Diese Verbindung wären ihm beinahe zum Verhängnis geworden, da eine finanzielle Transaktion an die Rechten von der Konkurrenz aufgedeckt und öffentlich gemacht wurde. Aber Montelli kontert routiniert mit einem redaktionellen Gegenangriff, wodurch der gerade erst langsam hochkochenden Skandal gleich wieder in Vergessenheit gerät und ihn in der Öffentlichkeit weiterhin als Saubermann dastehen lässt. Letztlich nutzt er seine privilegierte Stellung schonungslos zur Erlangung seiner persönlichen Ziele, indem er der Öffentlichkeit manipulative Lügenkonstrukte vorsetzt, die sich dann wiederum verheerend auf die Wahrnehmung und die damit verbundene Meinungsbildung der italienischen Bevölkerung auswirken. Ebenfalls überzeugend wirkt die Darbietung von Laura Betti, die in ihrer Rolle als esoterisch angehauchte Hippie-Tante zunächst zwar etwas bemitleidenswert wirkt, aber im weiteren Verlauf zu einer eifersüchtigen Furie mutiert, die von ihrem Geliebten betrogen wurde. Spätestens beim polizeilichen Verhör läuft Laura Betti dann zu Hochtouren auf und lässt ihrem aufgestauten Frust freien Lauf, so dass die Anwesenden nur noch mit den Ohren schlackern. Für die hervorragende Bildgestaltungen zeichneten sich keine Geringeren als die beiden renommierten Kamermänner Luigi Kuveiller und Erico Menczer aus. Abgerundet wurde das Ganze mit einer hörenswerten Filmmusik, die aus der Soundschmiede Nicola Piovanis stammt. Es wäre mehr als wünschenswert, dass dieser tolle Film endlich auch in unseren Breitengraden auf einem digitalen Medium veröffentlicht wird, zumal mittlerweile von dem Streifen auch eine BDexistiert, die von dem britischen Filmlabel Radiance veröffentlicht wurde.
Fazit: Ein außergewöhnlicher Politthriller, der heutzutage aktueller denn je erscheint.
"Goebbels schreibt in seinen Tagebüchern, dass die Massen weitaus primitiver seien als wir uns das vorstellen können. Und darum muss die Propaganda im Wesentlichen einfach sein, auf der Grundlage der Technik ständiger Wiederholungen. Diese Technik ist übrigens wieder durchaus modern und wird von den großen amerikanischen Werbeagenturen benutzt: Unique selling propositions, einzigartige Verkaufsvorschläge"
Filmplakate:
► Text zeigen
Filmausschnitte:
► Text zeigen
Score:
► Text zeigen



