DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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● DAS RASTHAUS DER GRAUSAMEN PUPPEN / LA LOCANDA DELLE BAMBOLE CRUDELI (D|I|1967)
mit Essy Persson, Karin Field, Erik Schumann, Margot Trooger, Helga Anders, Gabriella Giorgelli, Dominique Boschero, Jane Tilden,
Stefan Savo, Angelica Ott, Sergio Lanfredi, Balduin Baas, Joachim Teege, Rolf von Nauckhoff, Ilse Peternell und Ellen Schwiers
eine Produktion der Lisa-Film | Bruno Ceria | im Constantin Filmverleih
ein Film von Rolf Olsen

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»Wie weit ist es denn noch zu diesem vergammelten Rasthaus?«


Bob Fishman (Erik Schumann) und seine Geliebte Betty Williams (Essy Persson) überfallen gemeinsam ein Juweliergeschäft, doch der Coup läuft schief und ein Polizist kommt dabei zu Tode. Betty, die den Namen ihres Komplizen verschweigt, wird wegen Raub mit Todesfolge zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Im Gefängnis herrscht ein hartes und brutales Regiment, Betty schmiedet einen Fluchtplan, der schließlich gelingt und sie flieht mit vier weiteren Insassinnen. Ihr Ziel ist der Aufenthaltsort ihres Freundes, der mittlerweile in einem unscheinbaren Rasthaus unter falschem Namen arbeitet. Dort muss sie jedoch erfahren, dass Bob sie fast schon vergessen hatte. Da die Ausbrecherinnen für die weitere Flucht an Geld kommen müssen, werden weitere Maßnahmen ergriffen. Doch es kommt zu unvorhergesehenen Komplikationen in dieser ungleichen Fünfer-Konstellation und eine Kettenreaktion aus Aggressionen, Hass, Gewalt und Mord nimmt ihren blutigen Verlauf. Wie weit werden die grausamen Puppen gehen...?

Ein offensichtlich schlecht geplanter Bruch fordert einen Toten und eine Kettenreaktion nimmt ihren Lauf, was Betty hinter schwedische Gardinen bringt, nachdem ihr Komplize und Liebhaber das Weite gesucht hat. Eine Off-Stimme erklärt kurz und knapp die neue Situation der jungen Frau, die sich im Gefängnis zwischen allerhand Abschaum wiederfindet, zu dem sogar Teile des Personals zählen, doch auch sie gibt in Windeseile ihr reichlich vorhandenes, kriminelles Potenzial preis. Willkür, Gewaltbereitschaft und ein herrlicher Slang dominieren die kurze Anfangsphase im Knast, in dem sich die Hauptpersonen in eindeutiger Manier selbst vorstellen, wobei die Regie hier in nichts nachsteht. Rolf Olsen, Experte auf dem Gebiet derartiger Flicks, gibt gleich zu Beginn und in jeder Hinsicht ein rasantes Tempo vor, sodass sich die eigentlich determinierte Geschichte zur vollsten Zufriedenheit entfalten kann. Betty Williams, getrieben von dem Gedanken, ihren Geliebten endlich wiederzusehen, nutzt die Gunst der Stunde, um dieses kalte Gemäuer mit seinen unbarmherzigen, ausführenden Organen zu verlassen. Der Schlüssel zur Flucht ist die geheime Neigung der Anstaltsleiterin, Superintendant Nipple, und auch hier zeigt sich erneut das Leitmotiv Komplikationen, denn Betty muss die Dame mit lesbischem Appetit kaltstellen und gezwungenermaßen vier weitere Leidensgenossinnen mit sich nehmen. Der Verlauf fährt eine eindeutige Strategie und verliert keine unnötige Zeit, um immer mehr an Fahrt in die Katastrophe aufzunehmen, dabei immer angriffslustigere Tendenzen zu zeigen. Die fünf ungleichen Frauen bilden den Zündstoff, den der Film nötig hat. Zu viele unterschiedliche Motive treffen nun aufeinander, außerdem entwickelt sich ein regelrechter Revierkampf zwischen den beiden stärksten Frauen, damit der Zuschauer früh eine Ahnung davon bekommt, dass es jederzeit zu einer Explosion kommen könnte.

"Das Rasthaus der grausamen Puppen" entstand in deutsch-italienischer Co-Produktion, verfehlt jedoch hin und wieder die Intention, ein länderübergreifendes Flair zu vermitteln, wirkt daher ein bisschen zu typisch deutsch. Vielleicht manifestiert sich aber auch genau deswegen der Eindruck, dass man es mit einem der unbändigsten und extravagantesten Experimente dieser Zeit zu tun hat, sodass sich das Sehvergnügen bis ins Unendliche steigern kann, falls man nicht ähnliche Einstellungen vertritt, wie beispielsweise zeitgenössische Kritiken. Olsens Film will einfach ein Reißer sein, genau auf dieser Ebene ansprechen und unterhalten, braucht sich daher wegen seiner teils oberflächlichen und etwas plump konstruierten Handlungsstränge auch keineswegs zu verstecken. Gewalt, Aggressionen, verbale Attacken sowie eine gute Prise Erotik und sogar etwas Humor bilden hier den auf Hochtouren laufenden Motor. Im Rasthaus angekommen, werden weitere Strategien ausgearbeitet, doch wie es das Schicksal Olsen will, wird einfach nichts funktionieren. Eher nimmt das jeweilige Gegenteil Gestalt an. Whisky, Sex und Katastrophen liegen in der Luft, sodass sich gerade innerhalb der ausgelassenen Feierlaune ein Eklat anbahnen kann. Unterlegt mit Erwin Halletz' irrem Sound und dem passendem Titeltrack von Don Adams, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, sich dabei zu ertappen, mit Erik Schumann den Platz im Lotterbett tauschen zu wollen, um Karin Field zu bändigen, mit Dominique Boschero und Gabriella Giorgelli hautnah das Tanzbein zu schwingen, oder sich mit Essy Persson gut vollaufen zu lassen, vielleicht nebenbei auch noch Helga Anders aus den Klauen dieser impulsiven Damen befreien zu wollen. Was eigentlich damit gesagt sein soll, ist, dass der Film einfach nur irrsinnigen Spaß macht und in diesem Zusammenhang trägt die traumhafte Besetzung einen Löwenanteil dazu bei.

Die Riege präsentiert sich als überaus interessanter Mix aus Darstellern, die perfekt in das Olsen'sche Konzept passen und - wenn man so will - seriösen Interpreten, die erstaunliche Ausreißmanöver aus bekannten Strukturen anstrengen, was übliche Sehgewohnheiten ein bisschen auf den Kopf stellen möchte. Mit Essy Persson ist nicht nur ein tatkräftiges, sondern vor allem bereitwilliges Zugpferd vor dieses turbulente Treiben gespannt worden, die allen Anforderungen Genüge tut. Die Schwedin hat für die Geschichte eine Art Blitz-Metamorphose hinzulegen, wofür kurzerhand der harte Gefängnisaufenthalt verantwortlich gemacht wird. Offensichtlich vom Prinzip her mit genügend Gewaltbereitschaft und Gossenton ausgestattet, nimmt sie die zielstrebige Reise zum Rasthaus in die Hand und aus ihrer anfänglichen Naivität entsteht Unerbittlichkeit. In diese Verwandlung wirkt Jean negativ hinein, die quasi die unterste Schublade der fünf Damen vertritt und die bedeutendsten verbalen Kapriolen zum Besten geben darf. Karin Field überzeugt mit aggressiven Anwandlungen und viel Säbelrasseln, außerdem jongliert sie effektiv mit einer Waffe namens Sex-Appeal, sodass sich der Verlauf in Selbstläufer-Manier hochkochen kann. Betty und Jean stellen die fatale Mischung dar; zwei Frauen, für die die Welt gemeinsam zu klein ist. Ob beim Tauziehen um Bob, kratzbürstigen Gebärden, oder stutenbissigen Anfällen; die beiden würden sich am liebsten zuerst die Augen auskratzen, bevor sie sich gegenseitig den Hals umdrehen. Dieser blanke Hass treibt die Geschichte schnell voran, auch wenn sich Pest und Cholera immer wieder arrangieren werden. Einfach großartig, die beiden! Ein besonderes Vergnügen für alle Karin-Field-Fans ist es außerdem, dass sie hier in einer tragenden und wohl umfangreichsten Rollen zu sehen ist, die definitiv in Erinnerung bleibt.

Das Trio Helga Anders, Gabriella Giorgelli und Dominique Boschero wirkt neben so viel exponiertem Augenmerk bezüglich der Konkurrentinnen leider nur wie hochwertige Staffage, allerdings darf man nicht vergessen, dass von den fünf Puppen als geballte Ladung natürlich noch mehr Gefahr ausgeht und sie sich durch unterschiedliche Charaktereigenschaften voneinander abzugrenzen wissen. Die kaum 20-jährige Helga Anders als Linda weckt Beschützerinstinkte, stellt eine potenzielle Ende-gut-alles-Gut-Möglichkeit zumindest in Aussicht, wirkt als konträr angelegter Part dem Tenor und dem Agieren der Anderen allerdings ziemlich untergeordnet. Dennoch bleibt unterm Strich das was zählt, nämlich Anders' überaus auffällige, augenschmeichlerische Qualitäten. In diesem Zusammenhang sind selbstverständlich auch die exotischen Schönheiten Dominique Boschero und Gabriella Giorgelli zu erwähnen, die für spekulativen Sex untereinander eingespannt wurden und genau wie Linda nicht ganz so unmenschlich wirken, wie die Aggressionsherde Betty und Jean. Bei dieser geballten Ladung Frauen-Power hat es der Mann naturgemäß nicht leicht, sich zu behaupten, doch Erik Schumann stellt sich der Anforderung unbeirrbar und überzeugend. Bob ist ein gewöhnlicher Krimineller, der es sich gerne auf Kosten von anderen gemütlich macht und unliebsame Entscheidungen am liebsten auf unbestimmte Zeit verschiebt. Seine Geliebte, die für ihn ins Gefängnis wandern musste, hat er offenbar schnell vergessen können und mit der Verbundenheit scheint es ohnehin schlecht zu stehen, da er sich bei der erstbesten Gelegenheit von Jean flachlegen lässt. Um schließlich aus dem abgelegenen Sumpf der Bedeutungslosigkeit herauszukommen, schmiedet das Sextett einen Plan, um mittels einer Entführung an genügend Geld für die anvisierte Flucht zu kommen.

Bei genauer Betrachtung wirkt dies alles natürlich ziemlich konstruiert, aber äußerst unterhaltsam, was schlussendlich viel wichtiger ist. Viele weitere Interpreten tauchen im Szenario in Etappen auf, so beispielsweise die Österreicherin Jane Tilden und Balduin Baas, die für den etwas derben Humor eingespannt wurden. Ob es nötig war oder nicht, muss jeder wohl selbst entscheiden, doch insgesamt wäre "Das Rasthaus der grausamen Puppen" auch ohne diese auflockernden Versuche ausgekommen. Erwähnenswert sind die Darbietungen zweier großer Damen des deutschen Films, nämlich Margot Trooger und Ellen Schwiers. Trooger hatte im Lauf ihrer Karriere immer wieder einige unkonventionelle Ausflüge in unterschiedliche Genres zu bieten gehabt, doch diese Rolle wirkt in ihrem Schaffensbereich nahezu unwirklich. Wie üblich profitiert die Geschichte von ihrer bloßen Präsenz und ihrer unvergleichlichen Gabe, sich einerseits den Gegebenheiten anzupassen, um sie andererseits übermächtig zu prägen. Ihre schauspielerische Dominanz findet hier im Sinne der Geschichte einen eher vagen Abruf, jedoch ist es immer als pures Vergnügen zu bezeichnen, ihre leichtfüßige Nonchalance miterleben zu können. Zu Beginn des Films kann Ellen Schwiers als Aufseherin Nipple für Furore sorgen, die zwar hinlänglich mit dem Interpretieren von verschlagenen und hinterlistig wirkenden Charakteren vertraut war, jedoch hier vollkommen ungewöhnliche Register ziehen darf. Unterschwellig brutal, offensiv sadistisch und versehen mit einer Veranlagung, die in einem Frauengefängnis, das auch noch unter ihrer Leitung funktioniert, geradezu fatal ist. Zumindest nur eigentlich, denn zu leiden haben im Regelfall die anderen. Ellen Schwiers, die mit einer ansprechenden Synchron-Performance von Schauspielkollegin Eva Pflug versehen wurde, bleibt aufgrund ihres überaus zweifelhaften Rollen-Charakters in unzweifelhafter Erinnerung.

Was die Haupthandlung nicht zuletzt so interessant macht, sind die vielen Auswüchse im Bereich der Parallelhandlungen. So kommt man in den Genuss, viele unterschiedliche Personen kennenzulernen, die unfreiwillig in diesen Strudel der Gewalt hineingezogen werden, doch im Endeffekt sind ausschließlich Komplikationen an der Tagesordnung. Das sorgt für einen guten Erzählfluss und ein rasantes Tempo, nichts will nach Maß funktionieren und unterm Strich handelt es sich nur um unbesonnene Schnellschüsse, die niemanden der kriminellen Crew wirklich weiterbringen, der Story jedoch ihren vehementen Charme verleihen. Ganz der Route der Produktion entsprechend, sind schäbige Sets zu sehen, die eine schmuddelige Atmosphäre unterstreichen, die teilweise herrlichen Dialoge aus dem Gossenton-Duden tun ihr Übriges dazu. In "Das Rasthaus der grausamen Puppen" werden ungewöhnlich viele Beteiligte über die Klinge springen müssen, was im Klartext heißt, dass es sich um Leute handelt, bei denen man es unbedingt erwartet hat, aber gleichermaßen um solche, bei denen es überraschend wirkt. So wird man dem reißerischen deutschen Titel letztlich irgendwie gerecht und es macht sich immer gut, wenn Schockmomente über Sympathieträger und Protagonisten gesetzt werden. Dem Zuschauer ist spätestens beim Wiedersehen von Betty und Bob klar, dass man auf eine unausweichliche Katastrophe zusteuern wird, sodass sich ein unberechenbares Element innerhalb der Berechenbarkeit vollkommen entfalten kann. Rolf Olsens kleiner, dreckiger Geniestreich ist an Unterhaltungswert, bei dem es in diesem konkreten Fall sicherlich keine Verjährungsfrist gibt, nur schwer zu überbieten und der österreichische Regisseur zauberte mit offensichtlich wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln ein Unterhaltungsspektakel aus dem Hut, das sich in jeder Hinsicht sehen lassen kann, denn das Angenehme ist und bleibt, dass es keine Moral von der Geschicht' gibt. Ein Knaller!

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Mein Vater, der Affe und ich (1).JPG


● MEIN VATER, DER AFFE UND ICH (A|D|1971)
mit Gerhart Lippert, Mascha Gonska, Gunther Philipp, Lotte Ledl, Heinz Reincke, Eva Maria Meineke,
Paul Löwinger, Beppo Brem, Fritz Muliar, Carlo Böhm, Peter Machac, Michael Holm sowie Teri Trodai
ein Franz Antel Film der Neue Delta | Terra Filmkunst | Wien Film | im Constantin Filmverleih
ein Film von Franz Antel

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»Wir haben in München keine Jungfrauen!«


Das Nashorn "Sissy" soll von München nach Wien gebracht werden, um vor Ort Hochzeit mit ihrem Artgenossen "Franzl" zu feiern, doch die Zusammenkunft findet nicht die erwünschte Erfüllung. Der Tierarzt Dr. Klaus Wolf (Gerhart Lippert) reist nach Wien, um bei den beiden etwas nachzuhelfen, lernt auf dem Weg jedoch die Anhalterin Biggi (Mascha Gonska) kennen, die ihm gehörig den Kopf verdreht. Inzwischen ist auch Wolfs Freund und Kollege, der Verhaltensforscher Prof. Dr. Felix Grimm (Gunther Philipp), in Wien eingetroffen, da sein Schimpanse an einer rätselhaften Erkrankung leidet, die der junge Tierarzt bislang nicht aufklären konnte. Bereits am Flughafen macht sich der Affe selbstständig und sorgt für helle Aufregung ...

Mit dem Wiener Regisseur Franz Antel kann man auf einen hohen Output von über 100 Spielfilmen blicken, die hauptsächlich mit erotischer oder Klamauk angereicherter Note eine überaus eindeutige Handschrift tragen. "Mein Vater, der Affe und ich" weist alleine seines Titels wegen schon auf eine eindeutige Wiener Melange hin, die erwartungsgemäß über strapaziöse und überfrachtete Tendenzen verfügen wird. Immerhin handelt es sich um Klamauk reinster Seele, sodass man sich als Zuschauer darüber im Klaren sein sollte, was hier tatsächlich geboten wird. Zu jener Zeit war das Betrauen einer Hauptrolle für einen Schimpansen nicht unüblich, doch es ist die Frage, ob es damals witziger gewesen sein soll, als heute. Die Kapriolen des Titelhelden bringen die nötige Unruhe und den Geist einer klassischen Verwechslungskomödie in das Geschehen, zählen aber insgesamt zu den Szenen, die im Film als am meisten überflüssig gewertet werden dürfen, der immerhin über eine Storyline verfügt, die sich bei Interesse für deutsche Komödien und Affinität für die üblichen Verdächtigen problemlos anschauen lassen. Besetzt sind diese Produktionen meistens recht gut, verfügen nicht zuletzt wegen der Verpflichtungen der immer gleichen Leute über einen hohen Wiedererkennungswert, was jedoch keinen Mehrwert darstellen muss. Das Geschehen wirkt unter Antels Regie überaus konstruiert und auf die nicht vorhandene Magie zahlreicher Plattitüden gemünzt. In diesem Zusammenhang hat jeder einzelne Darsteller damit zu kämpfen, mit einem Mühlstein um den Hals zu spielen, wenngleich sich wenigstens ein paar von ihnen von dem vorhandenen Diktat befreien können. Hier fallen etwa Gerhart Lippert, Teri Tordai, Mascha Gonska oder Lotte Ledl recht positiv oder besser gesagt nicht unangenehm auf. Der Verlauf kombiniert mehrere mit Aufregung geladene Handlungsstränge, die erwartungsgemäß in einen einzigen münden werden, wenn sich das Getümmel vorhersehbar auflöst.

Zu sehen sind überwiegend Interpreten und Gäste, die seinerzeit angesagt oder Stammgäste derartiger Vehikel waren, und bei allem, was man als verunglückt identifizieren möchte, zeigt sich doch eine gewisse Raffinesse und erschreckende Routine. Gerhart Lippert als Tierarzt, der quasi eine amouröse Zusammenführung von mehreren Tonnen Lebendgewicht überwachen soll, spielt angenehm unaufdringlich und solide, sodass die wirklichen Nervtöter des Szenarios an anderer Stelle zu finden sein werden. Diese heißen hier definitiv Beppo Brem, Gunther Philipp, Heinz Reincke, Michael Holm und insbesondere Paul Löwinger, dessen Gebärden die Nerven aufreiben. Die attraktive Mascha Gonska gibt das, was man früher vielleicht mit dem schrecklichen Wort keck umschrieben hätte, bekommt dabei sogar ein paar gesellschaftskritische Untertöne in den Mund gelegt. Lotte Ledl ist eine Bereicherung für jeden Film und weiß jede noch so unterschiedliche Rolle zu meistern, und dabei ist es völlig egal, ob sie unter Volker Schlöndorff oder eben Franz Antel zu spielen hat. Diskretion und feine Situationskomik lassen sie trotz einfältigem Script immer die richtigen Töne treffen. Ihre ungarische Kollegin und Antel-Inventar Teri Tordai bringt einen ungewöhnlichen Esprit in die nicht gerade unaufgeregte Angelegenheit, zu Eva Maria Meineke lässt sich sagen, dass ihr das Charakterfach definitiv besser steht. Eine bunt zusammengewürfelte Entourage wird nicht müde, das Gefüge zusammenzuhalten und funktionieren zu lassen, kann letztlich aber auch keine großen Wunder vollbringen, denn dafür ist das Ganze zu plump und auch unoriginell aufgezogen worden. Immer wiederkehrende Versatzstücke der Verwechslungskomödie, gesetzmäßige Albernheiten des Klamauk-ABC und eine globale Substanzlosigkeit lassen "Mein Vater, der Affe uns ich" im Grunde genommen durchfallen, wenngleich der Film im Vergleich zu zahlreichen Artgenossen, die es noch maßloser übertreiben, schon wieder einigermaßen erträglich wirkt.

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Zarah Leander

DAS HERZ DER KÖNIGIN


● DAS HERZ DER KÖNIGIN (D|1940)
mit Willy Birgel, Walther Suessenguth, Lotte Koch, Axel von Ambesser, Will Quadflieg, Hubert von Meyerinck, Ursula Herking, Enrico Benfer,
Margot Hielscher, Hans Hessling, Erich Ponto, Herbert Hübner, Rudolf Klein-Rogge, Odo Krohmann, Heinrich Marlow und Maria Koppenhöfer
eine Produktion der UFA | Carl Froelich Film | im Viktoria Filmverleih
ein Film von Carl Froelich

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»Ich könnte sie lieben, wenn ich sie nicht hassen müsste!«


Maria Stuart (Zarah Leander), die Königin von Schottland, wird von Elisabeth I. (Maria Koppenhöfer) auf Schloss Fotheringhay unter strengen Arrest gestellt. Über Marias Zukunft soll schon bald entschieden werden. Am nächsten Tag überreicht ihr ein Mitglied des Throngerichts die Hinrichtungsurkunde, die auch von Elisabeth unterzeichnet wurde. Sie soll durch das Beil sterben. Maria bricht zusammen und blickt noch einmal ungetrübt in die Vergangenheit, bekommt dabei klar vor Augen geführt, welche Ereignisse zu ihrem Todesurteil führten …

"Das Herz der Königin" markiert den letzten von drei Spielfilmen des Erfolgs-Duos Carl Froelich und Zarah Leander, wobei diese vage Historienverfilmung im Vergleich als Misserfolg gewertet wurde, was sich nicht nur am wirtschaftlichen Ergebnis bemisst, sondern auch an der hier auffälligen Schwerfälligkeit der bekannten Hauptdarstellerin. Inszeniert im Jahr 1940 kann man sich aussuchen, unter welcher Kategorie man diese Produktion verbuchen will oder nicht, die Propaganda-Inhalte, Durchhalte-Botschaften und klassische Unterhaltungsambitionen vertritt. Die Unvoreingenommenheit ist somit gewiss der beste Ratgeber und lässt vielleicht spontan Kategorie Numero 3 wählen, da es sich in erster Linie um pompöses Zarah Leander-Starkino handelt, der es der schwedischen Hauptdarstellerin unverblümt einräumt, ihre historisch namhaften Konkurrentinnen Maria Stuart und Elisabeth I. in die zweite Reihe zu verweisen. Der an eine Operette erinnernde Verlauf bedient sich nur äußerst vage der historischen Realität und driftet sehr schnell in Theatralik, Kitsch und Pathos ab; Zutaten, von denen man fairerweise sagen muss, dass sie sicherlich akkurat auf einen Großteil des damaligen Zielpublikums zugeschnitten waren. Der ausbleibende Riesenerfolg lässt sich wahrscheinlich mit dem historischen Nährboden erklären, der zu wenig eigene Realität zurückzugeben vermochte. Geschichtliche Überlieferungen legen diese Geschichte auf Schienen, lassen sie überaus determiniert und vorhersehbar wirken, zumindest vom Rumpf her, allerdings ist Harald Brauns Drehbuch dazu bereit, zahlreiche Märchen zu erzählen. Außerdem sollte man einen Star wie Zarah Leander nicht ungenutzt lassen, sprich: das tun lassen, was sie am besten kann und was vor allem von ihr erwartet wird. So kommt es in einem Verlauf von guten 112 Minuten zu zahlreichen Gesangseinlagen der Hauptdarstellerin, die ganz auf das schwere Schicksal der Titelfigur abgestimmt sind. Mit Regisseur Carl Froehlich drehte Leander zuvor "Heimat" und "Es war eine rauschende Ballnacht"; zwei Filme, die thematisch in andere Richtungen gehen sollten. "Das Herz der Königin" kann als vergleichsweise schwerer Stoff gewertet werden, zumal die Besetzung mit Zarah Leander dem Empfinden nach nicht immer ganz passgenau wirkt, zumindest im Rückblick.

Fairerweise muss jedoch auch gesagt werden, dass sie lediglich das in Perfektion liefert, was vermutlich allseits gefordert war. Im Grunde genommen ergibt sich das massivste Problem aus dem vermeintlich größten Vorteil dieser Produktion: Zarah Leanders selbst und ihre verklärende Dominanz. Es ist nicht zu leugnen, das die Interpretin eine Ausstrahlung besitzt, die man viel besser Aura nennen sollte. So ist Zarah Leander – je nach Verständnis – ein Geschöpf zwischen Irritation und Faszination, Bedingungslosigkeit und Sicherheitsabstand, aber auch der Anerkennung ihrer beispiellosen Präsenz als größter Star und Publikumsmagnet zweier halber Dekaden. Zu ihren Gunsten werden großartige Interpreten in die zweite Reihe gezwungen, was sich insbesondere als Kardinalfehler bei ihrer direkten Konkurrentin Maria Koppenhöfer alias Elisabeth I. herauskristallisiert, deren Präsenz sich zwar nicht in die erkennbare schauspielerische Vereinnahmung umwandeln kann, da ihr zu wenig Screentime und Bedeutung zugestanden wird. Koppenhöfers Leistung ist dennoch als die mit großem Abstand beste und eindringlichste im gesamten Verlauf zu nennen. Es wird tatsächlich viel Aufwand betrieben. Der Film wirkt auf seine Weise opulent und authentisch, jedoch nie episch. Kostüme, Kulissen, musikalische Begleitung, Studioschauplätze und Interpreten sowie Komparserie wirken anerkennenswert, allerdings nicht sonderlich beeindruckend. Das Geschehen erlaubt sich im ausgiebigen Mittelteil, der etwa eine komplette Spielfilmlänge eines normalen Films in Anspruch nehmen würde. Genau hier breitet sich die seichte Gefühlsklaviatur beinahe invasiv aus, ebenso wie der Hinweis auf klassische Rollenverteilungen: Königin und doch nur Weib. Wie die Historie es will, wird Maria Stuart am bitteren Ende zum Schafott geführt und genau hier entfaltet sich sie eigentliche Intention dieser unterm Strich in Teilen sehenswerten Geschichte. Es existiert keine Maria Stuart mehr, sondern nur eine Zarah Leander, die das damalige Kino-Publikum daran erinnert, dass ihr gespielter Schmerz und schweres Schicksal im Wesentlichen bedeutsamer ist, als das kollektive des kompletten Kino-Saals. Man soll sich besinnen, dass andere ein wesentlich schwereres Kreuz zu tragen haben, wenngleich man auch nicht diejenigen vergessen sollte, die dafür verantwortlich sind.

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Prisma
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FRAU HOLLE


● FRAU HOLLE / PERINBABA / LA SIGNORA DELLA NEVE (D|A|ČSSR|I|1984/85)
mit Tobias Hoesl, Petra Vančíková, Valerie Kaplanová, Soňa Valentová, Pavol Mikulík, Milada Ondrašíková, Eva Horká, Karel Effa und Giulietta Masina
eine Produktion der Omnia Film | Slovenská filmová tvorba Koliba | im Auftrag von ZDF | ORF| RAI
ein Film von Juraj Jakubisko

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»Ich bin wieder ein Mensch!«


Ein Wanderzirkus wird von einer schweren Lawine begraben. Wieder einmal kann die berüchtigte Frau Hippe (Valerie Kaplanová), eine feminine Form des Sensenmannes, zahlreichen Menschen den Tod bringen. Frau Holle (Giulietta Masina) beobachtet das Geschehen von ihren himmlischen Gemächern aus und kann den kleinen Jakob (Vlastimir Drbal) retten, der ihr fortan beim Betten ausschütteln behilflich ist, um Schnee auf die Erde zu bringen. In dieser Zauberwelt würde Jakob immer ein Kind bleiben müssen, doch er verliebt sich in die schöne Elisabeth (Petra Vančíková) und findet einen Weg zurück zur Erde, um sein Glück zu finden ...

In der langen Tradition tschechischer Märchenverfilmungen lassen sich zahlreiche Klassiker finden, zu denen auch Juraj Jakubiskos "Frau Holle" gehört, denn es handelt sich um sehr eine fantasievolle, trotz ernster Szenen unbekümmerte und schließlich unkonventionelle Verfilmung, die frei unter Verwendung von Motiven der Gebrüder Grimm entstanden ist. Der Regie gelingt es mit einfachen aber überaus wirksamen Mitteln, eine komplette Märchenwelt zu simulieren, die nicht nur Kinderaugen begeistern dürfte. Ein tragischer Unfall verändert das noch junge Leben des kleinen Jakob, welcher der todbringenden Frau Hippe dank der aufmerksamen Frau Holle noch einmal von der Schippe springen kann. In deren Reich offenbart sich ein wunderbares Kaleidoskop der Fantasie und es kommt zu sehr amüsanten Szenen mit einer zwar streng wirkenden, aber milde agierenden Titelfigur, die sehr eindringlich von der Italienerin Giulietta Masina dargestellt wird, die zur damaligen Zeit nur noch wenige Filmangebote wahrgenommen hatte. Das Ganze wirkt wie ein großer Spaß, wenn Jakob und Frau Holle Schnee nach Ägypten schicken, oder Windstöße auf die Erde, doch in dem kleinen Jungen meldet sich die Sehnsucht nach der realen Welt und einem schönen Mädchen, das er durch Frau Holles Schneekugel gesehen hat. Elisabeth hat ein schweres Los zu tragen, da ihre Mutter verstarb und sie unter der neuen Frau ihres Vaters zu leiden hat, die sie wie eine Magd behandelt. Die Stiefschwester gibt ihr dabei den Rest. Hier zeigen sich zwar "Aschenputtel"-Motive, was sehr passend integriert wirkt, zumal die Geschichte tatsächlich sehr frei interpretiert ist, die übrigens bei den 42. Internationalen Filmfestspielen von Venedig im Jahr 1985 Premiere feierte. Als Auftragsproduktion des ZDF wurde "Frau Holle" insbesondere immer wieder gerne im deutschen Vorweihnachtsprogramm gezeigt, was jedoch mit den Jahren abgenommen hat, obwohl der Film recht gut gealtert wirkt. Eine der großen Stärken dieser Produktion ist die oft kühne Bebilderung in Schwindel erregenden Höhen oder schwarzen Abgründen, auch die Charaktere wirken passend integriert, die überwiegend auf zwei Seiten zwischen Gut und Böse stehen.

Bei allen hier zu findenden Vorzügen muss vor allem Hauptdarsteller Tobias Hoesl genannt werden, der seiner Figur einen leichtfüßig-frechen Charme, unbekümmerten Witz, lebensrettende Raffinesse und klassische Spiellaune verleiht. Der im Jahr 1961 geborene Münchener Schauspieler, neben dieser Rolle vornehmlich bekannt aus bekannten deutschen Serien-Formaten, bietet sich als erste Wahl an. Mit Leichtigkeit tanzt er den ausgewiesenen unsympathischen Figuren des Szenarios auf der Nase herum und kann dabei sogar den Tod in die Flucht schlagen. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich die tschechische Charakterdarstellerin Valerie Kaplanová als Frau Hippe, die alleine schon durch ihre auffällige Aufmachung im Gedächtnis bleibt. Die glatzköpfige Alte mit silbernen Zähnen und der Fähigkeit, sich in eine schöne junge Frau zu verwandeln, hinterlässt einen der nachhaltigsten Eindrücke neben den Hauptrollen. Des Weiteren überzeugt der erweitere bekannte tschechische Cast, wie Petra Vančíková, Soňa Valentová, Pavol Mikulík oder Milada Ondrašíková. Auf der Suche nach dem vorprogrammierten Glück liegen zahlreiche Steine im Weg, die oft unüberwindbar erscheinen, aber mithilfe der Titelrolle beiseite gepustet werden können. Umrandet von schönen Winterlandschaften, charakteristischen Kulissen und einer schmeichlerischen musikalischen Untermalung, zeigen sich nahezu epische Intervalle, deren Aushängeschild die Fantasie der Regie ist. Hin und wieder wirken ein paar Momente zu sehr überfrachtet, aber ebenso Gedanken beflügelnd. "Frau Holle" ist auch heute noch mehr, als eine bloße Kindheitserinnerung, denn der Film lässt sich mit jetzigen Maßstäben immer noch gut anschauen. Die Geschichte verfügt nicht nur über einen durchgehend guten Unterhaltungswert, sondern auch über eine schöne Aussage. Veredelt mit bekannten deutschen Synchronstimmen von Tilly Lauenstein, Ekkehardt Belle, Niels Clausnitzer, Viktoria Brahms oder Maria Landrock entfaltet sich ein besonderes Flair. Es bleibt eine hochinteressante und vor allem originelle Märchenverfilmung, die sich den angebrachten Luxus zahlreicher Freiheiten erlaubt, ohne dabei den eigentlichen Fokus zu verlieren. Immer wieder sehenswert.

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DIE SIEGER


● THE VICTORS / DIE SIEGER (US|GB|1963)
mit Vincent Edwards, Albert Finney, George Hamilton, Melina Mercouri, Jeanne Moreau, George Peppard, Maurice Ronet, Rosanna Schiaffino,
Romy Schneider, Elke Sommer, Eli Wallach sowie Michael Callan, Peter Fonda, Jim Mitchum, Senta Berger, Albert Lieven, Mervyn Johns, u.a.
eine Produktion der Columbia Pictures | Open Road Films | im Verleih der Columbia-Bavaria
ein Film von Carl Foreman

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»Die Amerikaner sind doch die Besten!«


Während des Zweiten Weltkriegs wird eine US-Truppeneinheit in Italien stationiert. Die Corporals Trower und Chase (George Hamilton und George Peppard) nehmen mit anderen Streitkräften eine kleine Stadt ein, in der Truppenmitglied GI Baker (Vince Edwards) sein kurzzeitiges Glück in einer Liaison mit der einheimischen Maria (Rosanna Schiaffino) findet, das jedoch nur von kurzer Dauer ist, da man weiter ziehen muss. Anschließend wird die Truppe nach Frankreich beordert, wo sich Sergeant Craig (Eli Wallach) mit einer Französin einlässt und Chase mit einer reichen, polnischstämmigen Frau, doch auch diese Episoden des Glücks sind nur von kurzer Dauer. Trower geschieht das Gleiche mit der jungen Regine (Romy Schneider) in Belgien, die ihn allerdings für einen anderen sitzen lässt. Den romantischen Erfahrungen folgen jeweils schreckliche Erfahrungen an der Front und es ist für keinen der Männer klar, ob sie die Kriegsschauplätze unbeschadet verlassen werden ...

»Deutschland kapituliert« Mit dieser Schlagzeile und zeitgenössischem Archivmaterial, baut Carl Foremans Beitrag eine frühe Marschrichtung, aber vor allem eine Brisanz auf, die von unmittelbar darauf folgenden Szenen des Zweiten Weltkrieges unterstrichen wird. Im Vorspann eskortieren Militärparaden die Auslese an Stars und anschließend geht die Story im Jahr 1942 weiter, sodass man sich als Zuschauer schnell zeitlich und räumlich orientieren kann und man weiß, womit man es letztlich zu tun bekommen wird. Kriegsszenen und die dazu passenden Schauplätze wirken stets beunruhigend und in diesem Zusammenhang fällt die hervorragende, nahezu beißende Akustik des Films auf, die gleich hohe Maßstäbe wie auf visueller Ebene zu setzen versucht. Dem großen Aufwand entsprechend, erwartet man naturgemäß einen ganz besonderen Film. In diesem Zusammenhang ist der Verlauf in zahlreiche Intervalle eingeteilt, die von den Hauptfiguren getragen werden und in denen es immer unterschiedliche Auftritte aus der langen Liste an Stars zu sehen gibt. Für die Soldaten bedeutet dies, dass es genügend Etappen im Bereich Krieg, Schicksal und Bekanntschaften zu durchleben gibt. Gesetzt wird sowohl auf die Bildgewalt der Kriegsschauplätze, als auch auf vollkommen konträre Eindrücke, die aus Sicht der Soldaten teilweise sogar Lichtblicke transportieren, die unter diesen Voraussetzungen jedoch äußerst trügerisch wirken. Ein besonderes Stilmittel des Films ist, dass man angesichts der ernstzunehmenden Thematik immer wieder Versuche wahrnimmt, den Tenor aufzuweichen, wahlweise mit grotesken Elementen oder Ironie und Sarkasmus, was sich jedoch niemals in Trostlosigkeit oder eine laute Anklage umkehrt. Vielmehr wird der komplette Sinn eines wohl jeden Krieges sehr geistreich infrage gestellt. Bei einer Exekution wegen Fahnenflucht vor winterlicher Kulisse vernimmt man so zum Beispiel recht erstaunt die musikalische Untermalung mit Frank Sinatras "Have yourself a merry little Christmas", nur eine von vielen hervorragenden Varianten, die vielfach perfide Seite des Krieges zu präsentieren.

Wo gestern noch getanzt, gefeiert und getrunken wurde, wohnt man nun einem Erschießungskommando bei. Auffallend ist wie erwähnt die hochwertige Bebilderung und die charakteristischen Kulissen, überhaupt findet man in diesem Verlauf sehr hohe Qualitätsansprüche in nahezu allen Bereichen. Dennoch strengen viele Szenen trotz dieses Ausgleichs an, aber schließlich hat man es auch weniger mit einem klassischen Unterhaltungsmodus zu tun, als vielmehr mit dem Versuch einer ernsthaften Abhandlung. Die verschieden genommenen Etappen werden über die unterschiedlichen Damen des Szenarios eingeleitet und sozusagen genommen, jeder Intervall beginnt mit einer geschichtlichen Schlagzeile und entsprechendem Archivmaterial aus Politik und Weltgeschehen, sodass zeitweise ein halb-dokumentarischer Charakter entstehen will. Es kommt zu vielen heiteren, bewegenden, aber auch vollkommen ernüchternden Momenten, die die eigenen Gesetzte des Krieges letztlich heimtückisch offenbaren. Dafür, dass Carl Foreman, der sich hauptsächlich als Drehbuchautor und Filmproduzent einen Namen machte, mit "Die Sieger" seinen ersten und einzigen Film inszenierte, ist das Ergebnis als noch viel beachtlicher zu interpretieren, was sich vor allem auch beim Thema der Schauspieler-Führung zeigt. Ausgestattet mit einer hohen Dichte an international bekannten Stars, werden die etwa sechs behandelten Jahre im Film abwechslungsreich gefärbt. Im besonderen Maße fallen George Hamilton und George Peppard auf, die die Geschichte ausgezeichnet prägen, aber auch weitere Kollegen wie beispielsweise Albert Finney oder Eli Wallach reihen sich in die hohen Maßstäbe ein. Bei den Damen bilden Melina Mercouri, Jeanne Moreau, Elke Sommer oder Romy Schneider die Crème de la Crème der Blickfänge, die man in wechselnder Form und über den ganzen Film verteilt sehen wird. Insgesamt ist Foreman mit "Die Sieger" sicherlich ein Überraschungs-Coup gelungen, der sowohl die Position der Sieger, als auch der Besiegten intelligent durchleuchtet und unterm Strich bleiben hochwertige Bilder und verstörende Szenen, die teils lange im Gedächtnis bleiben.

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Prisma
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WER KENNT JOHNNY R.?


● WER KENNT JONNY R.? / WER KENNT JOHNNY R.? / 5000 $ FÜR DEN KOPF VON JOHNNY R. / LA BALADA DE JOHNNY RINGO (D|E|1966)
mit Lex Barker, Marianne Koch, Joachim Fuchsberger, Barbara Bold, Sieghardt Rupp, César Ojinaga, Isidro Novellas,
Montserrat Porta, Mary Carmen Castro, Carlos Otero, Francisco Nieto, José Fiol, Gabriel Espinosa sowie Ralf Wolter
eine Produktion der cCc Filmkunst | Tilma Films | im Nora Filmverleih
ein Film von José Luis Madrid

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»Na, wie ist es denn so im Jenseits?«


Nach dem spurlosen Verschwinden des berüchtigten Banditen Johnny Ringo wird dieser schließlich für tot erklärt. Captain Conroy (Sieghardt Rupp) glaubt jedoch nicht an dieses arrangiert wirkende Ableben des Gangsters, der seine Familie auf dem Gewissen hat. Er will nach wie vor Rache. Tatsächlich stellt sich heraus, dass Ringo nur untergetaucht ist, doch niemand außer seiner Geliebten Bea (Marianne Koch) kennt sein Gesicht, doch sie schweigt wie die vielen Gräber seiner Opfer. Für viel Geld engagiert Conroy den Detektiv Sam Dobie (Lex Barker), der das Phantom ausfindig und dingfest machen soll. Er und alle Beteiligten stellen sich ab sofort die gleiche Frage: Wer ist Johnny R.?

Bei dieser deutsch-spanischen Gemeinschaftsproduktion der cCc Filmkunst handelt es sich um einen Genre-Beitrag, dessen Richtung mit der Bezeichnung Western-Krimi vielleicht am besten auf den Punkt gebracht ist. Diese Mixtur klingt vom Prinzip her nicht uninteressant, vorausgesetzt eine der beiden Komponenten kommt nicht zu kurz oder findet keine sorgsame Bearbeitung. Der spanische Regisseur und Drehbuchautor José Luis Madrid, der etliche Male im Produktionsteam von Artur Brauner zu finden war, richtet seinen Film zwar nach den zahlreich vorhandenen Konkurrenten aus, wird den Anforderungen, die zwei Genres stellen, jedoch nicht gerecht, und dies geht zulasten des kriminalistischen Elements. Geht ein solches Vorhaben etwa aufgrund eines schwachen Drehbuches schief, finden es vielleicht vor allem diejenigen schade, die ihr Augenmerk mehr auf einen Krimi mit entsprechendem Whodunit-Effekt ausgerichtet hatten, aber in dieser Geschichte gibt es auch deutliche Vorteile aufzuspüren, die jedoch nur von obligatorischer Natur sein werden. Hier sind vornehmlich ausgewiesene Protagonisten und Antagonisten des einschlägig bekannten Euro-Western zu nennen, die eine angenehme Routine anbieten. Handwerklich gesehen schafft es das Konstrukt zu keiner Zeit, gehobenere Sphären zu erreichen, was sich nicht nur in der Dramaturgie niederschlägt, sondern generell auf den Gesamteindruck zu beziehen ist. Uninteressant ist der Film unterm Strich dann aber auch wieder nicht, da Vieles zu finden ist, auf das man als Fan derartiger Veranstaltungen aus ist. Die deutsche Beteiligung der Produktion weiß das Geschehen häufig in den Dunstkreis gängiger Karl May-Verfilmungen zu rücken, was natürlich auf eine bessere Zuschauer-Resonanz abzielt, immerhin waren diese Formate noch recht erfolgreich am Laufen. Der Stempel eines unschlüssigen Plagiats wird jedoch kaum wohlwollend wahrgenommen, sodass man der Geschichte umso kritischer folgt, bis sich die wirklich gelungenen Komponenten offenbaren. Hin und wieder wird es spannend, geboten wird ein Bodycount, der aufgrund seiner Darstellung nicht selten brutal und unmenschlich wirkt, Schauplätze und Kulissen gestalten sich als annehmbare Simulation dessen, was man sich unter dem wilden Westen vorstellt und einige Interpreten reißen es dann buchstäblich heraus.

Hier zu nennen ist vor allem Marianne Koch als Barsängerin Bea Bordet. Anders als der rein deutsche Film, entdeckte der internationale ein anderes, buchstäblich schlummerndes Potenzial in der stets so verlässlich wirkenden Interpretin, das dem Publikum insbesondere zum Ende ihrer Karriere hin andere Facetten anbieten durfte. Auch hier verfügt ihr Charakter über einen doppelten Boden, wirkt dabei alles andere als geradlinig oder vertrauenswürdig. Da sie die Einzige ist, die Johnny Ringos Gesicht kennt, dürfte sie zur alleinigen Schlüsselfigur in diesem Szenario werden, in dem von Anfang an kein gutes Ende prognostiziert wird. Eine bemerkenswerte Leistung der Deutschen, die den Film durch eine ganz besondere Art der Contenance aufwertet, in Intervallen sogar bestimmt. Dass man die Publikumslieblinge Lex Barker und Joachim Fuchsberger in einem (und ihrem ersten gemeinsamen) Film zusammen unterbrachte, dokumentiert, dass man wohl größere Hoffnungen in dieses Projekt gesetzt hatte, doch die beiden tun sich hier nicht in der Art und Weise hervor, wie man es andernorts von ihnen gewöhnt war. Das Platzieren Ralf Wolters zeugt von Erfolgen aus anderen Produktionen, was hier allerdings eher nach hinten losgeht. Im Film trägt er das Lied "The Ballad of Johnny Ringo" vor, was eine eindeutige Slapstick-Note verbreitet, die der Grundstimmung leider nicht zuträglich ist. Des Weiteren ist Barbara Bold in ihrer ersten Filmrolle zu sehen, die eine breitere Bekanntheit durch Harald Reinls Zweiteiler "Die Nibelungen" erlangte, ihre kurze Karriere jedoch bereits einen Film später unter Jess Franco im "Lucky M. füllt alle Särge" beendete. Sieghardt Rupp als mit Rache erfüllter Conroy baut eine merkliche Präsenz auf und sorgt für eine Reihe guter Szenen, der Rest des Cast beschäftigt sich mit klassischen Fleißaufgaben. Die nicht gerade fieberhaft wirkende Suche nach der Titelfigur erweist sich im weiteren Verlauf als zäh. Die meisten Geschehnisse liegen förmlich greifbar in der staubigen Luft, allerdings verfügt der Verlauf über einen wirklich guten und überraschenden Showdown, der am Ende beinahe unerwartet zufriedenstellt. "Wer kennt Johnny R.?" bleibt bei Genre-Affinität möglicherweise eine Art Pflichtveranstaltung, allerdings sollte der Film mit einem versöhnlichen Blick nicht nur auf eine solche reduziert werden.

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HALB ELF IN EINER SOMMERNACHT


● 10.30 P.M. SUMMER / LAS 10:30 DE UNA NOCHE DE VERANO / HALB ELF IN EINER SOMMERNACHT (US|E|1965)
mit Melina Mercouri, Romy Schneider, Peter Finch, Julián Mateos, Isabel María Pérez, Tota Alba, Juan Estelrich, u. a.
eine Argus Produktion | Jorilie | im Verleih der United Artists
ein Film von Jules Dassin

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»Was heißt Schuld auf Griechisch?«


In einer verregneten spanischen Sommernacht kommt das Ehepaar Maria (Melina Mercouri) und Paul (Peter Finch) mit ihrer Tochter Judith (Isabel María Pérez) und der gemeinsamen Freundin Claire (Romy Schneider) in einer kleinen Stadt nicht weit entfernt von Madrid an. Sie wundern sich über das Polizeiaufgebot und erfahren, dass hier vor Kurzem ein Doppelmord stattgefunden hat, doch der Täter ist unauffindbar. Während es zwischen Paul und Claire zu einer immer stärker werdenden sexuellen Anziehung kommt, gibt sich Maria dem Alkohol hin und hinterfragt ihre belanglose Ehe. Plötzlich steht sie dem Mörder gegenüber …

Es gibt Filme, deren Titel eine Ansicht auf unbestimmte Zeit nach hinten verschieben können, manchmal sogar um Jahre. "Halb elf in einer Sommernacht" könnte zumindest ein solcher Fall sein, suggeriert er doch eine Art sentimental-dramatische Masse und ein Übertünchen von Substanzlosigkeit durch eine Top-Besetzung. Schaut man sich Jules Dassins Beitrag schließlich an – der sich übrigens mit allem, was er hat weigern wird, sich in ein Genre zwingen zu lassen – ist nach kürzester Zeit zu bemerken, dass man dem Film unter dieser Betrachtungsweise völlig Unrecht getan hat, da man mit großem Kino belohnt wird. Bereits der Vorspann verspricht Feuer und Temperament, jedoch ebenso Verschleierung und Subtilität. Der Starkregen wirkt wie bleierne Ketten, die vom Himmel fallen, weist bei dieser Gelegenheit auf die bevorstehende Schwere der Konstellationen und eigentümlichen Situationen hin. Ein Doppelmord aus Leidenschaft wird unter dem Kreuzzeichen besiegelt, die Regie treibt eine im weiteren Verlauf noch schwer auszuhaltende Diskretion vor sich her. Filme wie diese, die dem Publikum etwas so Außergewöhnliches wie Deutungshoheit zugestehen, können sich schnell in gedanklichen Labyrinthen verlieren, was hier jedoch nicht der Fall sein wird, da zum gleichen Teil Tiefsinn und Faszination angeboten wird. Hin und wieder fußt diese sogar auf bloßer Abscheu, globalem Unverständnis oder mitleidiger Anteilnahme, doch die wenigen Hauptcharaktere schöpfen ihr charakterliches Potenzial und das des anderen völlig aus. Das Innere eines Autos simuliert die unerträglichste Form eines Vakuums, da sich drei von ihnen gegenseitig hassen, weil sie sich lieben. Oder umgekehrt. Obwohl er eigenartig nichtssagend wirkt, bleibt der Titel des Films stets im Hinterkopf und dividiert Assoziationen an Sommernächte, wie man sie kennt und liebt, einfach weg. Es regnet Hunde und Katzen, ein Hotel hat keine Kapazitäten mehr für erschöpfte Gäste, eine Alkoholikerin braucht dringend ihre nächste Flasche, eine prekäre Affäre muss auf die nächste Stufe getrieben werden und ein noch unschuldiges Kind soll von alldem nichts mitbekommen. Nebenbei wird ein flüchtiger Mörder gesucht, der hier noch eine clever angelegte Relevanz erhalten wird. Interessant bleibt, dass sich Vorlage und Regie nicht im Geringsten um einen Sympathieträger bemühen, was für zusätzliche Brisanz sorgt.

Der Film schildert das Ende einer Kette von Vorfällen und Justierungen der Vergangenheit, die zu keiner Zeit maßgeblich erklärt werden. Man weiß nicht, wo diese Ménage-à-trois herkommt, was sie noch hervorbringen und wo sie enden wird. Allerdings reicht das, was zu sehen ist, völlig aus, um sich ein Bild zu machen. Bereits während der Fahrt lagen Aggressivität und Zärtlichkeit in der Luft. Eine Mutter begibt sich im Umgang mit ihrer Tochter auf Kindesniveau, um auszubrechen, der Situation zu entkommen. Hierbei handelt es sich neben dem Trinken um ihren üblichen Reflex, ihre dienlichste Kompensation, sich die Augen und Ohren einfach zuzuhalten, die Realität abzustellen. Der Umgang wirkt herzlich, doch jeder weiß, dass dieses Kind durchs Raster fallen und – obwohl beide Elternteile noch leben – zur Halbwaisen wird. Die designierte Stiefmutter lauert bereits wie eine Katze, doch zunächst wird dem Zuschauer noch einiges an Zündstoff angeboten. Der Ausgang ist ungewiss, doch es dürfte zu keinem Happy End aus Liebesromanen kommen. Produktion und Verlauf gestalten die Aura eines Kunstfilms, dem jede Genre-Zuweisung nur schaden würde, da morbider Zauber verlorenginge. Fordernd ist die starke Visualisierung, die über weite Strecken immer wieder ohne Dialoge auszukommen hat, auf der anderen Seite jedoch wunderbar eingefangene Bilder anbietet, die architektonischen Gebilden gleichen, sodass sich die Gedanken des Publikums schnell in diesem verfahren wirkenden Szenario verlieren können. Thematisch gesehen werden ausschließlich Extreme angeboten, ob im Handeln, Fühlen oder Inszenieren. Hier entsteht eine überaus interessante Kombination, die zu Entschlüsselungsversuchen animiert, wenngleich diese wie nette Versuche in der Nacht verhallen. Hält man sich eng an die angebotenen Haupt-Charaktere, ist alles Dargebotene leichter zu verstehen, immerhin kann sich im Spektrum der Emotionen alles abspielen, selbst das Unwahrscheinliche. In diesem Zusammenhang sieht man die griechische Interpretin Melina Mercouri als Epizentrum von allem, was hier noch wichtig erscheinen wird. Ihre Exzesse setzen sich zu einem wichtigen Teil einer hochinteressanten Assoziationskette zusammen, deren Entschlüsselung immer wieder künstlich verzögert wird, da Maria, Claire und Paul ihren toxischen Umgang miteinander nötig zu haben scheinen.

Mercouris zwischen Leidenschaft und Lethargie hin- und herpendelnde Darstellung der Maria wird zum ganz großen Ereignis, immerhin handelt es sich bei ihr um eines der ganz seltenen Exemplare von Personen, bei denen der Alkohol den Verstand schärft, zumindest, wenn es sein muss. Offenbar handelt es sich um eine gewohnheitsmäßige Trinkerin, die aktiver Teil geworden ist, ihre Ehe künstlich am Leben zu halten. In ihren Zuständen des alkoholischen in sich Gehens beweist sie einen beeindruckenden Mut zur Hässlichkeit, zumindest konträr gesehen zum klassischen Schönheitsideal, denn ihre Intervalle unter Alkoholeinfluss strengen an. Verstehen mit der markanten Synchronstimme von Gisela Trowe entstehen hin und wieder Momente, in denen man beginnt, sich für so viel Selbst-Demütigung zu schämen. Ihre Gefühlsverstärker bilden Romy Schneider – ausgewiesene beste Freundin und gleichzeitig Hyäne – und Peter Finch als ihr nicht zu greifender Ehemann; gefangen im Schraubstock zwischen Liebe und Libido. Seine Frau steht plötzlich einem gehetztem Mörder gegenüber, mit dem sie sich aus Gründen der Verklärung solidarisiert. Beeindruckt von einer Verzweiflungstat aus Leidenschaft und getrieben durch die ergebnislose Suche nach Zuwendung, kommt es zu Verhaltensweisen, die nur schwer zu begreifen sind. Gábor Pogánys Kamera beschäftigt sich ausgiebig mit Mercouris Gesicht, sodass der Zuschauer jedes Gefühl, jede Regung nur nachzuempfinden braucht. Die Akteure tanzen auf einem Vulkan, alles hier Dargebotene scheint bis ins kleinste Detail durchdacht, geplant und nichts dem Zufall überlassen zu sein, sodass man sagen könnte, dass es zu zahlreichen Choreografien innerhalb einer großen Choreografie kommt. Das Forcieren von Intensität ist schließlich in allen Bereichen zu erkennen, ob inszenatorisch, thematisch oder darstellerisch. Auch wenn Melina Mercouri hier wie das Maß aller Dinge wirkt, sind die ebenfalls hervorragenden Leistungen von Peter Finch und Romy Schneider hervorzuheben, die sich innerhalb dieser Dreiecksgeschichte in besonderem Maß hervortun. So handelt es sich nicht nur in Schneiders Filmografie, sondern auch generell um einen leider in Vergessenheit geratenen Hochkaräter ohne breite Anerkennung, den man unbedingt gesehen haben sollte. "Halb elf in einer Sommernacht"… Wem würde hier fernab des Films nicht selbst eine passende Situation aus seinem eigenen Leben einfallen?

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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George Martin

TAL DER HOFFNUNG


● CLINT EL SOLITARIO / CLINT IL SOLITARIO / TAL DER HOFFNUNG / EIN MANN KOMMT ZURÜCK (E|I|D|1967)
mit Marianne Koch, Gerhard Riedmann, Walter Barnes, Pinkas Braun, Fernando Sancho, Renato Baldini und Paolo Gozlino
eine Produktion der Balcázar Producciones Cinematográficas | Lux Film | International Germania Film
ein Film von Alfonso Balcázar

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»Den ersten Schlag nicht zu tun, ist das Schwerste für einen Mann!«


Clint Harrison (George Martin) gilt als Revolverheld, da er bislang keiner Schießerei aus dem Weg gegangen ist. Aufgrund seines gewaltbereiten Lebenswandels verließ ihn seine Frau Julie (Marianne Koch) bereits vor einigen Jahren, doch eines Tages kommt es zu einem Wiedersehen, dass Clint zum Umdenken bewegt. Zum einen empfindet er nach wie vor etwas für seine Frau, zum anderen haben die beiden einen gemeinsamen Sohn, um den sich der Rückkehrer ab sofort kümmern will. Clint händigt Julie seinen Revolver aus und beteuert, ab sofort ein rechtschaffenes Leben zu führen. Allerdings hat er die Rechnung ohne den rücksichtslosen Viehzüchter Walter Shannon (Walter Barnes) und seine Helfershelfer gemacht, die die Gegend gemeinsam in Angst und Schrecken versetzen. Wird Clint diesem Spuk ein Ende bereiten können..?

Alfonso Balcázars Beitrag mit dem trügerisch klingenden Titel "Tal der Hoffnung" kann sicherlich nicht als Italowestern reinster Seele bezeichnet werden, denn dafür lassen sich zu viele Anleihen am gängigen US-Western oder ähnlichen Vertretern erkennen, wenngleich sich aufgrund der beeindruckend kontrastreichen Schauplätze in Spanien ein ganz besonderes und autonomes Flair aufbauen kann. Satte Wiesen und grüne Täler liegen zu Füßen verschneiter Berggipfel, und staubige Steppen führen in eine durch Anti-Moral verseuchte Stadt, die üblicherweise von nahezu nur einer Person beherrscht wird. Die Spannungen und Konflikte deuten sich hier nicht nur rapide an, sondern entladen sich plötzlich in Form von Aggressivität und Mord, was der dosierten Spannung nicht nur zuträglich ist, sondern sie durch den weiteren Verlauf mitnimmt. Geschickt in eine publikumswirksame Parallelhandlung eingearbeitet, kann sich die bevorstehende Rachegeschichte mit dem Abtragen von dicken Mauern befassen, um alte Gefühle der Zuneigung wieder aufleben zu lassen. Der spanische und italienische Kinostart dieser Produktion erfolgte im Jahr 1967 und konnte beim Haupt-Financier Spanien sogar für satte Besucherzahlen von annähernd 1,5 Millionen sorgen, wobei sich in Deutschland offenbar kein Verleih finden ließ, sodass die Produktion hierzulande erstmals im Jahr 1990 im Free-TV zu sehen war. Eine knackige Dialogarbeit sowie hochkarätige Synchronsprecher, wie beispielsweise Hansjörg Felmy, Marianne Koch oder Gerd Martienzen, berichten zweifellos von einem anvisierten Kinostart, allerdings teilten zahlreiche Filme das gleiche Schicksal wie dieser und verschwanden ohne Auswertung wieder schnell in der Versenkung.

Wirksame Zutaten, wie die Integrierung von himmelschreienden Ungerechtigkeiten, das Appellieren an Beschützerinstinkte und Vorstellen liebens- und hassenswerter Charaktere sowie brutaler Willkürherrschaft oder ungesgtillter Rachegedanken gehen unter Regisseur Balcázar Hand in Hand mit einer soliden und meist kurzweiligen Inszenierung, die beinahe selbstbewusst eine Geschichte erzählt, die wohlgemerkt schon dutzendfach in gleicher oder abgewandelter Manier dagewesen ist. Sympathische, im Genre verdiente oder völlig neue Gesichter bereichern den Verlauf abwechslungsreich und vielversprechend. In der männlichen Hauptrolle ist der spanische Interpret George Martin zu sehen, der bereits zahlreiche Auftritte im Italowestern vorzuweisen hatte. Zwar erscheint die Rolle des Clint Harrison von Beginn an bemüht undurchsichtig angelegt, allerdings dürfte es für Kenner des Genres leicht zu durchschauen sein, mit wem man es eigentlich zu tun hat, was übrigens auch für den Rest der Crew gilt. Diese Art der Verlässlichkeit schneidet die konkurrierenden Seiten vielleicht etwas zu durchsichtig aus, aber es wird auch an einige Konturierungen der Haupt-Charaktere gedacht, die allesamt gute Eindrücke hinterlassen können. Spätestens seit ihrer Partizipation in Sergio Leones Großerfolg "Für eine Handvoll Dollar" wirkt die Interpretin Marianne Koch kaum mehr wie ein Fremdkörper in solchen Veranstaltungen, und es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, welche Anpassungsfähigkeit die Deutsche für unterschiedlichste Anforderungen und Genres mitbringen konnte. Ihre Darbietung harmoniert sehr ansprechend mit jener von George Martin, sodass ein natürliches Interesse an diesem Handlungsstrang entstehen kann.

Die Motivation der handelnden Personen ist unterschiedlicher Natur und es wird über den gesamten Verlauf auch streng darauf geachtet, dass es diesbezüglich zu keinen Verschiebungen kommt, die nicht nachvollziehbar wären. Die passenden Gangstervisagen liefern Darsteller, die bereits oft mit solchen Anforderungen vertraut gewesen sind. In diesem Zusammenhang erscheint Walter Barnes von seiner Wirkungsweise her nicht zuletzt so perfide, da er hier und da greifbarer erscheint, als viele ähnliche Zeichnungen diverser Antagonisten. Seine rücksichtslose Crew hat er dabei gut im Griff, sodass sich beispielsweise Pinkas Braun oder insbesondere Fernando Sancho nach Herzenslust austoben dürfen. Erwähnenswert ist bestimmt die Partizipation des Österreichers Gerhard Riedmann, der sich vor allem einen Namen als Charmeur des 50er-Jahre-Heimatfilms machen konnte, daher vergleichsweise fremdartig anmutet. Insgesamt kann allerdings gesagt werden, dass Regisseur Balcázar seine doch sehr unterschiedliche Besatzung sehr gut im Geschehen platzieren konnte. Die Geschichte zieht ihre weitere Spannungskurve aus der geschickten Verwebung der maßgeblichen Handlungsstränge, die sich ab einer gewissen Zeit sogar bedingen. Action und Tempo laufen unterm Strich und in bestimmten Intervallen deutlich auf Sparflamme, sodass der Film oftmals noch dialoglastiger wirkt, als er tatsächlich ist, allerdings bleibt die Inszenierung auffällig linear und alles erhebt sich wie aus einem Guss. "Tal der Hoffnung" ist als Hybrid-Western und angenehm schnörkelloser Vertreter zu beschreiben, der vor allem seine begrenzten dramaturgischen Kapazitäten optimal ausnutzt und bestimmend zum bevorstehenden Showdown führt, auch wenn große Neuerungen insgesamt ausbleiben werden.

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Prisma
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DIE FRAU AM DUNKLEN FENSTER


● DIE FRAU AM DUNKLEN FENSTER (D|1960)
mit Marianne Koch, Christiane Nielsen, Robert Graf, Alice Treff, Hans Paetsch, Erwin Linder, Werner Hessenland,
Fritz Schröder-Jahn, Marga Maasberg, Reinhold Nietschmann, Bruno Vahl-Berg, Erich Weiher sowie Heinz Drache
ein Real Film | im Europa Filmverleih
ein Film von Franz Peter Wirth

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»Verrenn dich nicht in Gefühle!«


Die gehbehinderte Fernsehansagerin Luise Konradin (Marianne Koch) lebt zurückgezogen bei ihrer kritischen aber ebenso überängstlichen Mutter (Alice Treff). Trotz deren inständiger Warnungen, ging die Verlobung mit dem ehemaligen Untermieter Thomas Melchior (Robert Graf) in die Brüche, da dieser einer wesentlich lebenshungrigeren Frau namens Karin Becker (Christiane Nielsen) verfiel, um sie letztlich zu heiraten. Doch schon bald ist die Ehe am Ende und Thomas zugrunde gerichtet, sodass er beschließt, seinem Leben ein Ende setzen zu wollen. Als man ihn wenig später erschossen auffindet und die an der Grenze aufgegriffene Karin unter Mordverdacht gerät, ahnt noch niemand, dass Luise alles durch das benachbarte Fenster beobachten konnte …

Die leider in Vergessenheit geratene Sternstunde "Die Frau am dunklen Fenster" des Münchener Regisseurs Franz Peter Wirth kombiniert zahlreiche Faktoren, deren Ausarbeitung im gängigen Genrefilm dieser Zeit oftmals nicht geglückt oder kaum gefragt waren. Überraschend ist die psychologische Dichte und Doppelbödigkeit dieser Geschichte, die im unmittelbaren oder vielmehr strengen Einklang mit den Interpreten abläuft. Außerdem ist es in diesem Zusammenhang erstaunlich, dass diese innerhalb einer präzisen Wahl und minutiösen Führung wie die Prototypen für die darzustellenden Charaktere wirken. Die Produktion hält Vieles bereit. So etwa einen klassischen Gerichtsfilm, dessen Stärke das Fehlen von üblichem Pathos zu sein scheint und seine Figuren mahnend und steril abhandelt. Überdies ist ein dezenter Krimi wahrzunehmen, der keinen Whodunit-Effekt bereithält, seine Hochspannung im Labyrinth der Emotionen jedoch bis zur letzten Sekunde aufrechterhalten kann. Große Anteile des Dramas kombinieren Vergangenheit und Gegenwart in hervorragend ausgearbeiteten Rückblenden; die Story wirkt in großen Fragmenten wie aus dem Leben gegriffen, vor allem in der geschilderten Gefühlswelt der Hauptperson Luise Konradin, die man immer wieder mit Marianne Kochs bemerkenswerter Erzählstimme zu hören bekommen wird. Dass sich dieser Beitrag letztlich nicht lupenrein in ein bestimmtes Genre zuordnen lässt, spielt bei diesem bemerkenswerten Ergebnis überhaupt keine Rolle. Der Titel weist in eine bestimmte Richtung, auf ein Fenster, welches nicht ins Dunkle führt, sondern dieses Attribut selbst besitzt. Gleichzusetzen mit psychologischen Abgründen, die sich hier langsam aber zielstrebig erschließen, kommt das Geschehen auf gleich mehreren Ebenen in Gang. Der Blick aus dem titelgebenden Fenster weist in noch dunklere Abgründe, zumal solche in der Ausgangsposition noch nicht aktiviert waren, doch es kommt zu einer unerwarteten Spiegelung zurück zur Titelfigur. Eine Frau entdeckt die Liebe, schlimm daran erscheint nur, dass die Warnungen der in allen Lebenslagen überbesorgten Mutter sich bewahrheiten dürften. Eine körperliche Behinderung stört nicht einmal den Zuschauer, geschweige denn, die Betroffene, doch die Mutter hält diesen Gedanken permanent am Leben.

Wie hervorragend Marianne Koch und Alice Treff spielen und als auf ewig verbundenes und doch so weit voneinander entferntes Duo funktionieren, sollte man selbst gesehen haben. Ihre Tochter versucht sie im Panorama ihrer Ansichten und Maxime der eigenen Generation gefangenzuhalten, Luise hat jedoch ihren eigenen Kopf, scheint jedoch auf der Hut zu sein, ihre wirklichen Emotionen offenzulegen. Dies wird sich wie ein roter Faden durch die Geschichte ziehen und zehrt im Besonderen von der einfühlsamen, in großen Teilen beherzten und kultivierten Interpretation Marianne Kochs, die hier glücklicherweise aus ihrer bislang üblichen Schublade des deutschen Films heraus gebeten wird. Als ihr vollkommenes Pendant lässt Franz Peter Wirth buchstäblich Christiane Nielsen in den Ring, die alles andere darzustellen und zu sein scheint, wofür Luise steht. Die gebürtige Würzburgerin wirkt verführerisch, frech und auffordernd, im Grunde reichlich ordinär und im Umgang mit anderen berechnend und tückisch, obwohl man ihr diese Raffinesse aufgrund der denkerischen Überlegenheit einer Luise eigentlich absprechen möchte. Allerdings hat sie andere und wesentlich schärfere Schwerter zur Verfügung. Für Nielsens Karin gilt, dass es neben ihr keine andere geben kann. Betrachtet man diese beiden weiblichen Pendant-Hauptrollen, lässt sich eine nicht alltägliche Schauspiellaune beobachten, deren natürliche darstellerische Rivalität sich 1:1 auf die Charaktere überträgt. Doch hier hört es glücklicherweise nicht auf, denn es gibt schließlich auch noch die Herren dieser Schöpfung. Robert Graf als erster Domino-Stein, der eine unaufhaltsame Kettenreaktion auslösen wird, liefert eine hervorragende Performance als Mann, der zwischen zwei Frauen und somit völlig unterschiedlichen Angeboten steht. Naturgemäß scheint er sich im Leben gerne für beides entscheiden zu wollen, da er keine tragfähige Auswahl treffen kann. Graf zeichnet einen schwachen Charakter mit präziser Stärke, doch wird hier tatsächlich übertroffen von einer überraschend uneigennützigen Darbietung von Heinz Drache, der losgelöst von bereits an ihm haftenden Film-Klischees spielt. Dessen Staatsanwalt wird einen Schlüssel für jede verschlossene Türe liefern und beweist im Umgang mit Menschen wirklich Geschick und Fingerspitzengefühl.

So handelt es sich um überaus authentische Leistungen dieser beiden Interpreten, die vor allem vergleichsweise in Erinnerung bleiben. Dennoch thront die Leistung Marianne Kochs über allem und wird zur Quintessenz dieser Geschichte, da sie veranschaulicht, teilhaben lässt und vom Zuschauer trotz Glatteis in jeder noch so heiklen Situation verstanden wird. Im Grunde genommen spielt die Geschichte das volle Potenzial der hier vorhandenen Rührseligkeit aus, doch die Präsentation artet nie in Kitschroman-Niveau aus, da die Titelfigur sich Mitleid und Anteilnahme in Bezug auf ihr Handicap verbittet. Dass zu ihrem Glück oder Pech ein Mann fehlt, ist vom Script und oft vom Leben so gewollt, wobei man die Konstellationen auch ganz simpel herumdrehen könnte. Das wacklige Kartenhaus wird umgehend vom Publikum identifiziert, was durch kryptische Bemerkungen Alice Treffs und einem Mann forciert wird, dessen Stärke die Schwäche ist. Der Film kommt weitgehend mit einem konservativ inszenierten Kurs aus, was sich allerdings vornehmlich auf die technische Seite bezieht; leider wurde Wirths Beitrag seinerzeit kein Publikums- beziehungsweise noch nicht einmal ein Durchschnittserfolg. Nichtsdestoweniger punktet "Die Frau am dunklen Fenster" über eine konsequente Abhandlung, die Überraschungen, Kehrtwendungen und eine nervöse Spannung bereithält. Die Frage nach der Moral und Pflicht wird intelligent aufgelöst. Da es sich einer Redensart so verhält, dass man besser gleich zwei Gruben graben sollte, falls man auf Rache aus ist, bringt selbst die Protagonistin in den Radius der Besorgnis, immerhin kann sie durch Marianne Kochs zurückhaltenden Charme zahlreiche Sympathien für sich gewinnen. Unterstützt durch die charakteristische Musik Martin Böttchers, die hier besonders akkurat auf bestimmte Szenen und Schwingungen abgestimmt wirkt, entfaltet sich ein Verlauf, der viele Etappen zwischen unterdrückter Gefühlswelt, aggressiver Rücksichtslosigkeit, tragischer Schicksalsschläge und exzellenter Darbietungen nehmen wird. So wirkt "Die Frau am dunklen Fenster" in den Kernbereichen Basis und Detail hoch qualifiziert für eine besondere Unterhaltung, bei der es zur großen oder sogar positiven Überraschung wird, dass man nicht in einem handelsüblichen Krimi gelandet ist. Sehenswert.

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● DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE (D|1963)
mit Joachim Fuchsberger, Brigitte Grothum, Pinkas Braun, Doris Kirchner, Werner Peters, Charles Regnier, Fritz Tillmann und Eddi Arent
eine Produkrion der cCc Filmkunst | im Constantin Filmverleih
ein Film von Franz Josef Gottlieb

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»Brutale Gewalt allein hat noch nie gesiegt!«


Der britische Millionär Joe Bray (Fritz Tillmann) lebt zurückgezogen in Hongkong. Er hütet ein Geheimnis, welches über Frieden oder Chaos in entscheiden könnte: Die sogenannte gelbe Schlange, ein vergoldetes Schmuckstück, dass es seinem jeweiligen Besitzer am Stichtag ermöglichen würde, nach der Weltherrschaft zu greifen. Als die gelbe Schlange gestohlen wird, begreift Bray, dass jemand genau diesen Plan verfolgt. Es scheint, dass sein Sohn Fing-Su (Pinkas Braun) mithilfe einer Armee Chinesen alles für die Machtübernahme vorbereitet, dessen Halbbruder Clifford Lynn (Joachim Fuchsberger) aber alles daran setzt, seine teuflischen Pläne zu vereiteln. Als sich die Situation zuspitzt, stirbt Joe Bray plötzlich...

Der bekannte Produzent Artur Brauner eilte nicht nur der Ruf voraus, ein klassischer Sparfuchs zu sein, sondern er war geradezu berüchtigt für die bestechend scharfe Analyse cineastischer Belange, sodass seine cCc Filmkunst an nahezu allen Genres und Populärwellen beteiligt war. Vielleicht gilt er deswegen rückblickend nicht gerade als Trendsetter, aber Brauner war es auch möglich, Maßstäbe zu setzen. Ob man es nun Intuition oder Geschäftstüchtigkeit nennen will, spielt unterm Strich keine entscheidende Rolle, denn dafür stehen seine vielen Produktionen für den europäischen und vor allem deutschen Markt, der zu den besten Zeiten unermüdlich mit neuem Material versorgt wurde. Mit der Wallace-Verfilmung "Der Fluch der gelben Schlange" konnte der Berliner im klassischen Sinn zwar keine neuen Maßstäbe setzen, obwohl sich der Film grundlegend von seinen Artgenossen unterscheidet, was insgesamt wohl auch an der Ausgangsgeschichte des englischen Autors liegen mag. Der Legende nach konnte sich Artur Brauner genau wie sein Konkurrent Kurt Ulrich seinerzeit die Rechte für einen Film sichern, doch mit dieser Produktion hatte man es offenbar nicht ganz so eilig, da ihr ein Dutzend Beiträge vorausgingen. Da diese teils exotisch wirkende Geschichte ebenso wie bei der Rialto Film vom Großverleih Constantin in die Kinos gebracht wurde, konnten parallele Terminierungen vermieden werden, sodass sich der Film ebenfalls eines Millionenpublikums erfreuen durfte, wenngleich die Besucherzahlen im Vergleich zu den Top-Scorern der Reihe deutlich zurückgingen, wofür es mehrere Gründe geben dürfte. An einer typischen und vor allem prominenten Besetzung hinter und vor der Kamera kann es nicht gelegen haben, da die Entourage derjenigen der Konkurrenz in nichts nachsteht. Vielmehr dürfte es an der hier zugrunde liegenden Story liegen, die bei ihrem Aufrollen hin und wieder spröde wirkt und vielleicht zu wenig Märchencharakter anbietet, den Zuschauer der Serie lieb gewonnen hatten.

Vielmehr will hin und wieder das unbestimmte Gefühl aufkommen, dass eine allgemeintaugliche Parabel geschildert wird, die hinter einem dichten Schleier zwar nie konkret und letztlich vorsichtig wirkt, aber dennoch beunruhigende Züge annehmen kann. Dieses Unbehagen wurde in anderen Filmen der Reihe über besonders blutrünstige und rücksichtslose Verbrecher aufgebaut, die nicht selten in auffälligen Maskeraden am Werk waren. Hier geht es um nichts weniger als die gesamte Weltherrschaft, die von einer handgefertigten Schlange ausgeht, die dem Vernehmen nach noch nicht einmal einen besonders hohen materiellen Wert haben soll. Wem sie allerdings im richtigen Moment in die Hände fällt, greift gleichzeitig nach der Macht, die offensichtlich durch eine Armee von Chinesen gestützt werden würde. Hierbei handelt es sich um die Zeichnung eines gerne und häufig bemühten Schreckensgespenstes, das seine Wirkung auch unter der Regie Gottliebs erzielt, sodass man sich auf ein alternatives Wallace-Angebot einstellen muss. Thematisch und inszenatorisch gesehen, plätschert der Verlauf nicht selten auf seine gesteckten Ziele hin, allerdings kommt nicht zuletzt wegen der hier hervorragend aufspielenden Entourage ein doch sehr bekanntes Wallace-Feeling auf, da sich mitunter bekannte Gesichter der Reihe versammelt haben, die aufgrund der völlig anderen und daher unsicheren Thematik eine Art Lebensversicherung darstellen. Dem Empfinden nach wirkt das Schauspiel hier in wesentlichen Teilen besser platziert als anderswo, was dem Verlauf trotz holpriger oder substanzloser Intervalle zu mehr Aufmerksamkeit verhilft, aber es gibt auch noch einige andere Bereiche, in denen "Der Fluch der gelben Schlange" mit Leichtigkeit oder wahlweise unorthodoxen Überraschungen überzeugen kann und wird. In diesem Zusammenhang ist die musikalische Begleitung des Komponisten Oskar Sala zu nennen, welche hier wie in keinem anderen Beitrag aus der Reihe tanzt.

Diese eher kritisch klingende Anmerkung soll bei entsprechenden Antennen gar nicht so gemeint sein, denn das spezielle Angebot, das bei nicht wenigen Fans gegen herkömmliche Höreindrücke verliert, unterstreicht insbesondere die destruktiv gezeichneten Anteile dieser Geschichte punktgenau und sehr treffsicher, darf daher auch als eines der bedeutendsten Experimente im akustischen Wallace-Kosmos betrachtet werden. Betrachtet man den übersichtlich wirkenden Cast, könnte man sich zunächst ein paar mehr Darsteller wünschen, allerdings manifestiert sich bei fortlaufender Geschichte der Eindruck, dass man es mit einer der ausgewogensten Schauspieler-Riegen der gesamten Reihe zu tun bekommt. Die Zusammensetzung aus bekannten Krimi-Gesichtern und Wallace-Debütanten passt wie angegossen, die Rollen sind nahezu perfekt aufeinander abgestimmt. Mit Joachim Fuchsberger und Eddi Arent sind wahre Wallace-Veteranen mit von der Partie, und beide punkten vor allem durch ihr unkonventionelles und vollkommen vertraut wirkendes Zusammenspiel. Fuchsberger, der hier höchstens als Hobby-Ermittler zu sehen ist, stellt die drastisch gekürzte Arbeit der Polizei schon alleine aus diesem Grund in den Schatten, aber auch wegen seines offensichtlichen Instinkts. Da Clifford Lynn am besten von allen weiß, mit wem er es zu tun hat, besitzt er immense Vorteile im Wettlauf gegen die Zeit, außerdem ist die eigentlich degradierende Bezeichnung des Hobby-Ermittlers bei genauerem Betrachten nicht ganz angebracht, immerhin hält er seinen Kopf für den Weltfrieden hin - zumindest suggeriert es die Geschichte so, auch wenn es niemals effektiv zu diesen bedrohlichen Eindrücken beim Publikum kommt. Fuchsberger bietet hier eine Melange aus Routine und Dynamik an, bei der vor allem seine unangepassten Verhaltensweisen überzeugen. Insbesondere im Zusammenspiel mit Werner Peters, Doris Kirchner und Pinkas Braun kommt es daher zu denkwürdigen Szenen und Dialogen.

Seine zukünftige Braut erhält durch die besonders starke Zeichnung von Brigitte Grothum Tiefe und Raum, da man sehr viele Nuancen und Veränderungen wahrnehmen kann. Zwar bewegt sich Joan irgendwo zwischen Schablone und Klischee, beweist aber den Mut, sich von unnötigem Ballast zu befreien. Ihre stärkste Kontrahentin ist in der eigenen Familie auszumachen, was Doris Kirchner mit allen Kräften zu untermauern versucht. Werner Peters, Fritz Tillmann und Charles Regnier bieten erwartungsgemäß besonders griffige Darbietungen an, genau wie ein doppelzüngiger Pinkas Braun, mit dem der Frieden der Geschichte steht oder zu fallen droht. Die partielle Behäbigkeit der Geschichte kann durch hervorragendes Schauspiel kompensiert werden, wobei es in den richtigen Momenten zu Spannungssteigerungen kommt, die nicht selten in Schocks gipfeln. Dass Artur Brauner gerade diese vergleichsweise vielleicht schwächere, aber zumindest andere Geschichte in den Ring warf, hat vermutlich nur den einen Grund, dass es sich hierbei um die einzige Story handelte, deren Rechte er sich damals exklusiv sichern konnte. "Der Fluch der gelben Schlange" kämpft intern mit Fluch und Segen, kann jedoch als besonders dicht fotografierter und teils extravagant inszenierter Film überzeugen, zumal er sich nicht der Versuchung hingibt, die laufende Reihe einfach zu kopieren. Dass die Geschichte sicherlich ein Stück weit dazu gezwungen hat, andere Wege zu beschreiten, kann rückblickend als großer Bonus gewertet werden. Dieses Mal ist eben die gesamte Welt in Gefahr und man hat es nicht mit abenteuerlich maskierten Mördern oder Phantomen zu tun, die das Szenario in Angst und Schrecken versetzen. Vielmehr weiß man hier ganz genau, mit wem man konfrontiert ist, was einen klassischen Whodunit-Effekt zwar ausschließt, aber dennoch genügend Möglichkeiten zum Nervenkitzel bereit hält. Franz Josef Gottliebs Beitrag braucht sich unterm Strich nicht im Glanzlicht der Rialto-Beiträge zu verstecken.

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