GÖTZ GEORGE

Leinwandsternchen und verkannte Stars im Blickpunkt
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Prisma
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GÖTZ GEORGE

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GÖTZ GEORGE

[*23.Juli 1938 | † 19. Juni 2016]

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Das Lexikon der deutschen Filmstars hat geschrieben:
Er verkörpert in den meisten seiner Filme ein deutsches Kunststück, nämlich körperlich zu spielen wie Hollywood-Idole und eine Rollenfigur auch psychologisch sensibel ganz durchdringen zu können. Vehement körperbetont legte er seine Paraderolle des Duisburger Polizisten Schimanski an, die auch deshalb unvergesslich bleibt, weil die Figur stark ist und dennoch Schwächen zeigen darf. Der deutsche Actionstar mit Tiefgang wollte nie ein akademischer Darsteller sein, der sich dem Medium, in dem er auftritt, nur mit Gesicht und Stimme unterwirft. Am Staatstheater war damit kein Ruhm zu ernten, obwohl George oft und erfolgreich Theater spielte; auf der Leinwand, wo die Posen schon die halbe Person sind, kam sein Spiel mit Gesten, Gangarten und Requisiten umso besser zur Geltung. In seinen Filmen der fünfziger und sechziger Jahre wirkte sein Spiel deshalb erfrischend - überzeugend war es jedoch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, erst in den achtziger und neunziger Jahren, weil nun ein reifer Charakter dahinter stand, der auch schwierige Rollen wie den Massenmörder Haarmann in Der Totmacher meisterte. Seitdem gilt George als bester deutscher Filmdarsteller der Gegenwart.


Wenn einem die Schauspielkunst mit in die Wiege gelegt, ist die Wahrscheinlichkeit zumindest erhöht, dass ebenfalls ein Interpret dabei heraus kommt - bestenfalls ein richtig begabter. Heißt er zusätzlich Götz George, bekommt das sogar noch ein bisschen mehr als das geboten, ws man erwarten oder fordern lönnte. Bereits Anfang der 50er Jahre sammelte der Berliner Erfahrung auf der Bühne, bis es im Jahr 1953 mit "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" zu seinem Kinodebüt kam, bei dem es sich wohl nur um eine Frage der Zeit gehandelt haben muss. Schnell avancierte George als junger Darsteller oder vielmehr Twen zu einem der bekanntesten Gesichter der bundesdeutschen Film- und Fernsehszene, wenn nicht sogar zu einer der Identifikationsfiguren einer neugierigen, jungen Generation, die sich in Aufbruchstimmung befand und die Konventionen und Ansichten der Alten hinter sich lassen wollte. So verkörpert George eine besondere Spezies Mann, der es gewöhnt ist, nach dem zu greifen, was er will, ohne überhaupt große Fragen zu stellen oder sich zu genieren, allerdings ohne dabei rücksichtslos zu erscheinen. Die dabei aufkommende Selbstverständlichkeit verlangt nicht nur Respekt, sondern auch eine gewisse Bewunderung ab, auch wenn man manchmal zu dem Schluss kommt, dass die Rollenstrukturen auch über eine gewisse Arroganz und Überheblichkeit verfügen, was man aber genauso gut Nonchalance nennen könnte und den Nagel damit wohl noch besser auf den Kopf trifft. Lässig war George ohne jeden Zweifel und in Verbindung mit einem guten Aussehen, einer nicht alltäglichen Physis und einem keineswegs aufgesetzt wirkenden Charme, der immer wieder gespickt war mit einer sehr interessant wirkenden Exzentrik, war er wie geschaffen für Rollen jeglicher Art. So war es ihm auch jederzeit möglich, seine Aufgaben in einem breiten Spektrum anzubieten und sehr individuell zu formen, wenngleich der deutsche Film immer wieder sein häufiges Problem der Einseitigkeit mit sich brachte, bis er am Ende nur noch Götz George zu sein hatte und ihm die Rollen auf den Leib geschneidert waren. Dennoch war es auch vollkommen logisch, dass es an früheren Zeitpunkten der Karriere zu Charakterdarstellungen kommen musste, die ihn zu einem ernstzunehmenden Interpreten avancieren ließen, was sich retrospektiv vor allem über das letzte Drittel seiner erfüllten Karriere sagen lässt.

Götz George spielt tatsächlich körperlich - vielleicht mehr als jeder andere deutsche Schauspieler - und diese Voraussetzung ist im Andenken an die vielen verschiedenen Charaktere nicht nur unverkennbar, sondern gleich zu dessen Markenzeichen geworden. Wenn vor allem in jungen aber auch späteren Jahren Action oder Stunts gefordert waren, brauchte Götz George kein Double, denn er absolvierte teils waghalsige Stunts selbst. So viel Körpereinsatz wirkt vergleichsweise nicht nur ungewöhnlich sondern vielmehr beeindruckend. Kombiniert mit einer von Natur aus skeptischen und hinterfragenden Note und einem teils spürbar sarkastischen Humor, bietet Götz George häufig ein Allround-Paket an, welches sich insbesondere bei seinen Charakterrollen zeigt, die vornehmlich zu späteren Karrierezeitpunkten zu finden sind, da der europäische Film zu bestimmten Zeiten einfach über zu viel Leerlauf verfügte. Seine Stärken spielte er in groß angelegten TV-Happenings aus, in denen er sich nicht scheute, Markanz oder auch völlig niedere Charakterzüge mit Bravour auszubuchstabieren. In seinen jungen Jahren begleitete ihn nicht selten die Aura eines Playboys oder Dandys, wenn auch mit sprödem deutschen Charme versehen, doch es war nicht selten ein sympathischer Lebemann wahrzunehmen, dessen Impulsivität ihn leicht in Schwierigkeiten manövrieren konnte, er die Bürden des Lebens aber letztlich zu tragen weiß, da er sie erst gar nicht allzu ernst nimmt. Kann das Gesamtpaket Götz George schließlich als Prototyp der deutschen Film- und Fernseh-Männlichkeit verstanden werden, wenn man ihn wie viele seiner Kolleginnen lediglich auf äußere Attribute, Show und das Erscheinungsbild reduzieren möchte? Mitnichten, denn hinzu kommt ein meist effizient abgepasstes Schauspiel, das von Überzeugungskraft, Intensität, Dynamik und Tiefgründigkeit erzählt. So erklären sich auch die vielen unterschiedlichen, aber auch identischen Einsatzgebiete des Götz George, der glücklicherweise die Möglichkeit erhielt, nicht in einförmigen Formaten gefangen zu sein. So bleibt die umfangreiche Filmografie des Schauspielers eine wahre Fundgrube für so mache in Vergessenheit geratene Überraschung und er selbst bleibt als einer der größten deutschen Schauspieler in Erinnerung, der jede seiner Dekaden unverwechselbar zu prägen wusste. Dass er nur gerne gesehen ist, ist daher überhaupt kein Ausdruck.

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Prisma
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Re: GÖTZ GEORGE

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● GÖTZ GEORGE als ALEX BERGEMANN in
DER ALTE - DER SCHÖNE ALEX (D|1978)



»Ich liege einsam und verlassen in meinem Bett und würde noch wunderbar schlafen, wenn du mich nicht geweckt hättest!« Diese Aussage hat jede einzelne der Verlobten von Alex Bergemann sicherlich schon sehr dutzendfach gehört, aber durch das Telefon kann und will man schließlich nicht sehen. Zufrieden räkelt sich eine attraktive Dame in Alex' Bett, die in eine andere Kategorie Frau fällt, als die anrufende Alice, deren Zufriedenheit alleine darauf beruht, mit ihm liiert zu sein und Versprechungen gehört zu haben. Die letzte Eroberung weiß ziemlich genau, was sie will: unverbindlichen Spaß, keine Moralpredigten und am nächsten Tag wieder alleine sein. Somit geht sie dem ziemlich selbstverliebt und eitel wirkenden Playboy nicht auf den Leim und stellt somit auch keine Geldquelle für Bergemann dar, der es pflegt, von unterschiedlichsten Bekanntschaften ausgehalten zu werden. Für diese Rolle, die gerade einmal gute 10 Minuten im Szenario einnehmen wird, hätte die Wahl nicht perfekter ausfallen können als auf Götz George, der nicht nur den verschlagenen Charme als Voraussetzung mitbringt, sondern auch das gute Aussehen und ein ziemlich beeindruckendes Selbstverständnis im Umgang mit Frauen jeden Alters und jeder Herkunft. Als Zuschauer findet man diese Gattung natürlich nicht besonders sympathisch, aber darauf pfeift der Mann, der viele Geheimnisse zu haben scheint. Für seine gleichzeitig laufenden Affären müsste er eigentlich eine Sekretärin zur Terminabstimmung einstellen, aber es klappt aufgrund unzähliger und überzeugend klingender Ausreden auch so. Noch. Man fragt sich, warum lassen sich so viele und vor allem intelligente Frauen derartig von einem Mann prellen, der nichts zu bieten hat außer... Genau dieser kleine aber feine Unterschied dürfte dafür verantwortlich sein, dass ihm die Eroberungen zu Füßen liegen, was bei den Erhebungen übrigens auch Bestätigung findet, als urplötzlich eine Ehefrau aus dem Nichts auftaucht, die sichtlich angewidert von ihrem Göttergatten berichtet, da sie ihn längst durchschaut hat. »Es war nicht ganz leicht, sich Alex abzugewöhnen. Er hatte seine Qualitäten.«

Mehr gibt es in diesem Zusammenhang wohl nicht zu sagen, außer, dass sich Alex Bergemann bei ihr mehr Geld erhofft habe, als bei seinen anderen Bekanntschaften. Ob wie in diesem Fall eine völlig desillusionierte aber rational denkende Lola Müthel, oder eine absolut ahnungslose Thekla Carola Wied, die sich für seine Verlobte hält, die ihn in Watte packende Christine Wodetzky, oder eine unverbindliche Kristina Nel; alle der Damen scheinen aktuell zu sein - zu jeder Zeit,an jedem Ort. Aufgrund der limitierten Spieldauer können natürlich nicht alle Freundinnen gezeigt werden, aber der Zuschauer ahnt nicht zuletzt wegen der Ermittlungen, dass es noch unzählige weitere gegeben haben muss. Unter Theodor Grädlers Regie kann Götz George sich in seinem Element entfalten und die Regie lässt ihn gewähren. Zur Schau gestellt werden eine schreckliche Form der Eitelkeit, die es unmöglich macht, nicht an einem Spiegel festkleben zu bleiben, seine gewinnbringende charmante Art, die Frauen ihren Verstand und ihre Selbstachtung verlieren lässt, außerdem deuten die wenigen Szenen eine wichtige Nebensache in Form von Potenz an, die wohl die halbe Miete darstellen dürfte. Wie erwähnt agiert George mit einer beinahe frechen Selbstverständlichkeit. Seine Attitüde ist rücksichtslos und expansiv, die Gespräche kratzen lediglich an der Oberfläche und man hätte sich im Endeffekt gewünscht, auch Konflikte zwischen Alex und seinen Gespielinnen zu erleben. Man sieht viele Spiegel in denen man lediglich Begemanns Bild sieht, der immerhin anmerkt, dass Männer nicht weniger eitel seien als Frauen, doch die Episode hält auch einen teils unbequemen Spiegel vor. Was Kommissar Köster angeht, lernt er die Titelfigur erst gar nicht lebendig kennen, aber man kann sich die offensive Abscheu des Polizeimanns doch lebhaft vorstellen, der wohl Hunderte dieser Spezies in seiner Laufbahn ertragen musste und die Lügen und den aufgesetzten Charme einfach nicht mehr hören uns sehen will. Durch Typen wie Alex Begemann kommt schließlich auch die immer wieder aufblitzende Anteilnahme mit den weiblichen Opfern, beziehungsweise Täterinnen auf, die Erwin Köster so menschlich machen.

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Sid Vicious
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Re: GÖTZ GEORGE

Beitrag von Sid Vicious »

Den Mann habe ich vor ein paar Tagen beim KOMMISSAR gesehen. Spielt da einen schmierig, schleimigen Zeitgenossen.
https://www.zdf.de/serien/der-kommissar ... n-102.html

Ich lese zur Zeit das Buch (aus dem Heyne-Verlag) über ihn. Die ersten 40 Seiten haben mir zugesagt. Ließt sich easy und entspannt. Für detaillierte Filmanalysen muss man freilich auf andere Literatur zugreifen, denn es geht ja nicht darum: KIRMES zum xten Mal zu analysieren, sondern um den Menschen und Schauspieler Götz George.
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Richie Pistilli
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Re: GÖTZ GEORGE

Beitrag von Richie Pistilli »

Sid Vicious hat geschrieben:
Fr., 30.09.2022 12:32
Ich lese zur Zeit das Buch (aus dem Heyne-Verlag) über ihn. Die ersten 40 Seiten haben mir zugesagt. Ließt sich easy und entspannt. Für detaillierte Filmanalysen muss man freilich auf andere Literatur zugreifen, denn es geht ja nicht darum: KIRMES zum xten Mal zu analysieren, sondern um den Menschen und Schauspieler Götz George.

Habe mir im letzten Jahr zwar das folgende G.G.-Buch auf dem Flohmarkt gekauft, bin aber aufgrund chronischen Zeitmangels noch nicht dazu gekommen, dieses auch zu lesen :oops:


GötzG..jpg


Kennt zufällig jemand das Buch und kann etwas dazu sagen?

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Sid Vicious
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Re: GÖTZ GEORGE

Beitrag von Sid Vicious »

Richie Pistilli hat geschrieben:
Fr., 30.09.2022 17:44
Sid Vicious hat geschrieben:
Fr., 30.09.2022 12:32
Ich lese zur Zeit das Buch (aus dem Heyne-Verlag) über ihn. Die ersten 40 Seiten haben mir zugesagt. Ließt sich easy und entspannt. Für detaillierte Filmanalysen muss man freilich auf andere Literatur zugreifen, denn es geht ja nicht darum: KIRMES zum xten Mal zu analysieren, sondern um den Menschen und Schauspieler Götz George.

Habe mir im letzten Jahr zwar das folgende G.G.-Buch auf dem Flohmarkt gekauft, bin aber aufgrund chronischen Zeitmangels noch nicht dazu gekommen, dieses auch zu lesen :oops:



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Kennt zufällig jemand das Buch und kann etwas dazu sagen?
Entscheidend ist der gute Willen!
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Prisma
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Re: GÖTZ GEORGE

Beitrag von Prisma »

Sid Vicious hat geschrieben:
Fr., 30.09.2022 12:32
Den Mann habe ich vor ein paar Tagen beim KOMMISSAR gesehen. Spielt da einen schmierig, schleimigen Zeitgenossen.

Ich bin ja immer froh, wenn er in Serien wie "Der Kommissar", "Der Alte" oder "Derrick" dabei ist, denn seine Charaktere sind hoch interessant angelegt, bekommen gerade durch sein Charisma einen besonderen Schliff, allerdings gibt es eine Ausnahme und die heißt "Tod einer Zeugin". Zbyněk Brynych hat für meinen persönlichen Geschmack mit seinen Beiträgen zur Serie nicht nur den Bodensatz aller "Kommissar"-Folgen fabriziert, sondern mit dieser Episode eine unzumutbare Zirkus-Vorstellung abgeliefert, die mit Pseudo-Inhalten vollgestopft ist, und die ich stets auslasse, wenn ich die Serie schaue, obwohl Götz George hier ganz gut funktioniert. Bei "Der Alte" oder "Derrick" hat Brynych wesentlich bessere folgen gemacht.

Sid Vicious hat geschrieben:
Fr., 30.09.2022 12:32
Ich lese zur Zeit das Buch (aus dem Heyne-Verlag) über ihn.

Ich habe auch angefangen, aber bin noch nicht besonders weit gekommen. Ich finde diese Heyne-Bücher ja ohnehin sehr informativ aber vor allem unterhaltsam; man ist am Ende immer ein bisschen schlauer als vorher.

Richie Pistilli hat geschrieben:
Fr., 30.09.2022 17:44
Kennt zufällig jemand das Buch und kann etwas dazu sagen?

Das andere Buch von Götz George kenne ich nicht - oder eher gesagt noch nicht. :)

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Sid Vicious
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Re: GÖTZ GEORGE

Beitrag von Sid Vicious »

Prisma hat geschrieben:
Fr., 30.09.2022 21:19
Sid Vicious hat geschrieben:
Fr., 30.09.2022 12:32
Den Mann habe ich vor ein paar Tagen beim KOMMISSAR gesehen. Spielt da einen schmierig, schleimigen Zeitgenossen.

Ich bin ja immer froh, wenn er in Serien wie "Der Kommissar", "Der Alte" oder "Derrick" dabei ist, denn seine Charaktere sind hoch interessant angelegt, bekommen gerade durch sein Charisma einen besonderen Schliff, allerdings gibt es eine Ausnahme und die heißt "Tod einer Zeugin". Zbyněk Brynych hat für meinen persönlichen Geschmack mit seinen Beiträgen zur Serie nicht nur den Bodensatz aller "Kommissar"-Folgen fabriziert, sondern mit dieser Episode eine unzumutbare Zirkus-Vorstellung abgeliefert, die mit Pseudo-Inhalten vollgestopft ist, und die ich stets auslasse, wenn ich die Serie schaue, obwohl Götz George hier ganz gut funktioniert. Bei "Der Alte" oder "Derrick" hat Brynych wesentlich bessere folgen gemacht.
"Tod einer Zeugin" (schau mal ab 36:00 rein, als Ode und Schramm den Lachanfall bekommen) ist schon sehr speziell. Vermutlich ist mir diese Episode auch darum immer in Erinnerung geblieben. So machte es bei der letzten Sichtung auch nach wenigen Minuten Klick (woran auch die Mucke von Herb Albert nicht unschuldig ist). Als Kriminalfall ist "Tod einer Zeugin" eine einzige Katastrophe als auch ein Quell für Unlogikentlarver. Man sollte"Tod einer Zeugin" auch eher als eine Persiflage sehen, auch wenn sie nicht immer als solche funktioniert, da die Inzenierung phasenweise öde wirkt.
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Re: GÖTZ GEORGE

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Sid Vicious hat geschrieben:
Sa., 01.10.2022 12:34
Als Kriminalfall ist "Tod einer Zeugin" eine einzige Katastrophe als auch ein Quell für Unlogikentlarver.

Diese oft beschriebene Unlogik in Krimis - ob Filmen oder Serien, im Gegenteil aber Elixier für Krimi-Fans - geschieht ja dann innerhalb von klassischen oder althergebrachten Strukturen, die zumindest halbwegs nach Muster aufgebaut sind, dann aber eben nicht aufgehen, aus welchen Gründen auch immer. Bei Brynych erkenne ich nichts davon. Er scheitert nicht an dem Versuch, den Kriminalfall einigermaßen logisch zu schildern, sondern daran, ihn notdürftig als solchen tarnen zu müssen, da er ja immerhin für eine Krimi-Serie inszeniert. Ich denke, dass er zu seiner Zeit vielleicht als chic und abwechslungsreich angesehen wurde. Dennoch bleibt er als Lieferant der letzten Sargnägel für den Inter-Verleih in Erinnerung, da seine Spielfilme kaum jemand sehen wollte, die heute allerdings einen gewissen Kultstatus genießen.

Sid Vicious hat geschrieben:
Sa., 01.10.2022 12:34
Man sollte "Tod einer Zeugin" auch eher als eine Persiflage sehen

Da bin ich grundlegend anderer Meinung, auch wenn du schon sagst, dass die Folge nicht immer als solche funktioniert. Diese Behauptung habe ich in all den Jahren immer mal wieder gehört, und es war am Ende nur eine Rechtfertigung für den ultimativen Bodensatz einer 97teiligen Reihe, dass alles ja nicht so ernst gemeint oder ernst zu nehmen sei. Ich finde, dass man an Brynychs verbissenem und in vorgegebenen Strukturen völlig hilflosen Inszenierungsstil deutlich erkennen kann und auch, dass er diese Episoden eher ernst genommen hat. Seine Suche auf abgegrasten Weiden ist für mich daher nicht mit Extravaganz oder geistreichem Ideenreichtum zu verwechseln, sondern nur Ausdruck einer zwanghaften Idee, alles andere toppen zu wollen. Für meinen persönlichen Geschmack sind seine "Kommissar"-Beiträge deszendierend und es bleibt inszenatorischer Vandalismus der miesen Sorte. Drei seiner K-Folgen hintereinander und ich bin delirant. :mrgreen:

Sid Vicious hat geschrieben:
Sa., 01.10.2022 12:34
"Tod einer Zeugin" (schau mal ab 36:00 rein, als Ode und Schramm den Lachanfall bekommen) ist schon sehr speziell.

Ja, ich habe es die Tage nochmal gesehen, als ich Screenshots gemacht habe. Gerade diese Szene ist bestimmt typisch für den Regisseur, aber die Kehrtwendung der Figuren, insbesondere die Kommissar Kellers, ist völlig inadäquat. Das würde Keller normalerweise nicht passieren, immerhin hat er einen Mord aufzuklären. Unterm Strich bleibt Götz George tatsächlich die einzige Instanz und einsames Gütesiegel in dieser Folge, da er sich erstaunlich gut anzupassen weiß, ohne unglaubwürdig zu wirken. Aber fürs Gesamtbild ist mir das einfach zu wenig. Du siehst, "Tod einer Zeugin" - die ja auch glühende Fans hat - ist als von mir ausgewiesene Achillesferse der Serie auch mein persönliches rotes Tuch. :mrgreen:

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Sid Vicious
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Re: GÖTZ GEORGE

Beitrag von Sid Vicious »

Das die Episode für dich ein Rotes Tuch darstellt, hast du sehr eindringlich umschrieben. Die Formulierung "inszenatorischer Vandalismus der miesen Sorte" :bravo: finde ich klasse, nicht in Bezug auf "Tod einer Zeugin", sondern allgemein gesehen. Gefällt mir richtig gut - und ein Lachen konnte ich mir nicht verkneifen.

Das Hamburger Abendblatt schrieb übrigens nach der ZDF-Erstausstrahlung (1970):

"Während auf dem ersten Kanal die Narren in Mainz helauen (Mainz wie es singt und lacht), bot das Mainzer Fernsehen Närrisches aus München".
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Prisma
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Re: GÖTZ GEORGE

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Die Beschreibung kam wirklich von Herzen. :D

Ich denke, wenn man ein bisschen suchen würde, ließen sich doch etliche zeitgenössische Kritiken finden, die eher kritisch mit der Episode umgehen. Interessant wären da auch die Quoten oder Meinungen der Zuschauer.

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Sid Vicious
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Re: GÖTZ GEORGE

Beitrag von Sid Vicious »

Sid Vicious hat geschrieben:
Fr., 30.09.2022 12:32

Ich lese zur Zeit das Buch (aus dem Heyne-Verlag) über ihn. Die ersten 40 Seiten haben mir zugesagt. Ließt sich easy und entspannt. Für detaillierte Filmanalysen muss man freilich auf andere Literatur zugreifen, denn es geht ja nicht darum: KIRMES zum xten Mal zu analysieren, sondern um den Menschen und Schauspieler Götz George.
Auf Annekdoten aus den 1960ern und den 1970ern musste ich im weiteren Leseverlauf leider verzichten. Es gibt Interviews mit Hajo Gies und anderen Personen, mit denen George zusammen arbeitete. Da liegt der Fokus aber auf den 1980ern. Ein Highlight ist das Gespräch mit Renan Demirkan, die mir in einigen Punkten (z.B. TV-Programmgestaltung) aus der Seele sprach.
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Re: GÖTZ GEORGE

Beitrag von Prisma »

Sid Vicious hat geschrieben:
Sa., 08.10.2022 13:39
Auf Annekdoten aus den 1960ern und den 1970ern musste ich im weiteren Leseverlauf leider verzichten.

Das ist leider oft generell so. Viele Schauspieler und Schauspielerinnen sparen die harten und wilden Jahre gerne aus, was übrigens auch zahlreiche Autoren tun, da sie die schlechtesten Filme und Leistungen dort identifizieren wollen und sich daher kaum mit den Filmen auseinandersetzen. Götz George hat dort auch einige denkwürdige Sachen gemacht. Ansonsten bin ich aber auch ganz d'accord mit dem George-Buch, es ist unterhaltsam und interessant im alternativen Aufbau. Das Buch aus der gleichen Reihe von Maria Schell fand ich im Vergleich aber interessanter.

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Re: GÖTZ GEORGE

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● GÖTZ GEORGE als CARL JANSEN in
DER TODESKUSS DES DR. FU MAN CHU (D|GB|E|US|1968)



Bei diesem vorletzten Film der Fu Man Chu-Reihe handelt es sich vermutlich um den besten, zumindest unter den von Jess Franco inszenierten Vertretern. Vor allem örtlich und besetzungstechnich reichlich abgewandelt, sieht man Götz George in einer der Hauptrollen bei diesem erneuten Schlag gegen die Weltordnung. Wo George im deutschen Vorspann gleich an zweiter Stelle gelistet wird, reicht es im internationalen nicht einmal für eine Nennung, was an seiner Screentime gemessen natürlich unverständlich ist, auch wenn er sich nie zum internationalen Star hat machen wollen. Als Archäologe Carl Jansen ist er auf der Suche nach der sagenumwobenen und sogenannten versunkenen Stadt, doch es kommt erst einmal zu gewissen Komplikationen, da der Wissenschaftler wegen Mordes festgehalten wird. Sein Freund Nayland Smith soll ihm helfen, doch dieser erblindet durch den Todeskuss des wahnsinnigen Doktors, der von Götz Georges damaliger Ehefrau Loni von Friedl überbracht wird. Hält man sich hier mit Wahrscheinlichkeiten und Vergleichen auf, platziert man sich eindeutig auf der Verliererseite, also ist es sinnvoller sich mit den teilweise nicht uninteressanten Gegebenheiten abzufinden, sie vielleicht sogar zu schätzen. Bei Götz George fällt dies wirklich nicht schwer, verleiht er seiner eigentlich komplett überflüssigen Rolle doch die übliche Aura nach Art des Hauses, darüber hinaus eine Agilität und Dynamik, die Franco nie selbst erfinden konnte. Ab einem bestimmten Zeitpunkt jachtet Carl Jansen nur noch durch die südamerikanischen Regenwälder, um die versunkene Stadt und seine verschleppten Bekannten zu finden. Außerdem droht die Lebensuhr für Nayland Smith abzulaufen. Aus dem Off wird Carl Jansen irgendwann wie von Geisterhand zu Fu Man Chus größtem Feind aufgebaut, sodass die Verfolgungen extremer, die Gefahren tödlicher, und die Widersacher mehr werden. Schaut man dem seinerzeit 30-Jährigen bei seinen ganz offensichtlich selbst durchgeführten Stunts zu, ist es überaus beeindruckend, wie er sich im Dickicht der Franco'schen Regieanweisungen zurechtfindet und für Action und Tempo sorgt.

Bei einem derartigen Kraftpaket kommen kaum Zweifel auf, dass der teuflische Doktor zur Strecke gebracht, Smith und gleich die gesamte Welt gerettet werden dürfte. Götz Georges maskuliner Entwurf bereicherte Filme aller Art, sodass man hier von Glück reden kann, diese für das Geschehen beinahe irrelevante Rolle mit an Bord zu haben. Unter seiner braungebrannten Haut wirken die eisblauen Augen noch intensiver, die Gefahren und Feinde fixieren, aber nie müde werden, sich gegen die Ungerechtigkeit zu wehren, allerdings weiß Jess Franco mit der Kapazität Götz George hier nicht viel anzufangen, sodass sich der Eindruck etabliert, dass der Berliner einfach sein Ding durchzieht. Wenn man es nicht besser wüsste, käme man sicherlich zu dem Gedanken, dass Jansen und seine Truppe lediglich Chimären nachliefen, da die Story chaotisch und ungeordnet wirkt. Es ist daher interessant dabei zuzusehen, dass sich Götz George zu der einzig agilen Figur der Geschichte entwickelt. Seine Schauspiellaune scheint auch in dieser Produktion - die er einige Jahre zuvor vielleicht noch ausgelassen hätte - ungetrübt zu sein, bis er zum wichtigen Eckpfeiler wird, wenngleich die Dramaturgie auf Jansen hätte verzichten können. Gerade durch solche Rollen lässt sich jedoch die Qualität eines Schauspielers erkennen, denn George nimmt hier jeden Meter ernst, zumindest dem Empfinden nach. Eine amouröse Nebenhandlung mit Maria Rohm verläuft ergebnislos, denn sie lässt einen kalt, zumal die beiden nicht besonders gut zueinander passen möchten, und das in jeder Beziehung. Am Ende landet Jansen im Folterkeller des Doktors und seiner bestialischen Tochter Lin Tang. In diesem Zusammenhang hätte man sich bestimmt noch mehrere Kostproben der Brutalität dieses wahnsinnigen Duos gewünscht, das sich letztlich mit der Kraft und Entschlossenheit Carl Jansens hätte auseinandersetzen müssen. Am Ende bleibt eine Performance zwischen Coolness sowie der Willensstärke, Waghalsigkeit und dem Gemüt eines Stuntman, was in der Unübersichtlichkeit des Ambientes generell zu gefallen weiß. Ohne Götz George wäre diese teils turbulente Jagd sicherlich nicht dieselbe geworden.

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Re: GÖTZ GEORGE

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● GÖTZ GEORGE als DONALD MICKLEM in
WARTEZIMMER ZUM JENSEITS (D|1964)



Im Jahr 1964 versuchte die Rialto Film mit diesem Krimi einen Beitrag zu platzieren, der dem Publikum alternative Ansätze anbieten sollte, doch leider ohne den erhofften Erfolg. Die Verpflichtung Götz Georges für die männliche Hauptrolle bleibt in "Wartezimmer zum Jenseits" vielleicht als der gelungenste Coup dieser Produktion zurück, immerhin bietet der Interpret dem Empfinden nach immer ein bisschen mehr an, als die meisten seiner Kollegen. George ist in erster Linie als sehr physischer Darsteller wahrzunehmen, immerhin stattet er seine Parts oft mit einer besonderen Agilität und Dynamik aus, die seinen Charakteren besondere Stärken verleihen. In dieser Geschichte bekommt man mit Donald Micklem genau einen solchen angeboten, der trotz seiner privilegierten Herkunft keine herablassende Überheblichkeit oder besondere Allüren an den Tag zu legen pflegt. Zu Beginn des Films wird der Protagonist kurz per Off-Kommentar als Jura-Student ohne besondere Ambitionen oder außergewöhnliche Fähigkeiten vorgestellt, der als Neffe eines der reichsten und einflussreichsten Männer Englands irgendwann einem Millionen-Vermögen entgegensieht. Doch man lernt dank Götz Georges leichtfüßiger Performance keinen verwöhnten Snob kennen, der sich auf den Lorbeeren der anderen auszuruhen pflegt, sondern es handelt es sich um einen bodenständigen jungen Mann, der seinen eigenen Plan hat. Trotz außerordentlicher Ereignisse bleibt Don beinahe immer gelassen und Herr der Lage, auch wenn es lebensbedrohlich wird. Ohne sich mit speziellen Eitelkeiten aufzuhalten, möchte er den Tod seines Onkels auch dann noch aufklären, wenn sich andere längst mit dem Schicksalsschlag eines horrenden Erbes abgefunden hätten. Die Suche nach der Wahrheit und dem Kopf eines mörderischen Syndikats gestaltet sich als mühsam und überaus gefährlich, und bei dieser Gelegenheit stellt George erneut seine Stunt- und Kampffreudigkeit unter Beweis, die hier jedoch nicht über die für ihn kleinen Fingerübungen hinausgeht. Bei dieser Gelegenheit zeigt er natürlich auch gerne, warum seine Hemden wohl immer eine Nummer größer als bei den meisten seiner Kollegen sein mussten.

An seiner Seite und mit hohen Widerständen bewaffnet ist Hildegard Knef zu sehen; eine Kombination die dem Empfinden nach beim besten Willen nicht fruchten möchte, doch es steckt überraschenderweise mehr dahinter, als zunächst angenommen. Don interessiert sich möglicherweise nicht allzu sehr für die uniformierten Mädchen seiner Universität, vielleicht ist er auch zu selten anwesend, und lässt sich schließlich von der reifen Aura, rationalen Kälte und merklichen Abgebrühtheit einer Laura Lorelli einkassieren. Angenehmerweise nicht direkt getrimmt auf ein vermeintliches Happy End, entsteht eine sich permanent anziehende und fern haltende Eigendynamik, die unüberbrückbar erscheint, auch wenn sich deutliche Anzeichen der Zuneigung finden lassen. George agiert trotz eines deutlichen Altersunterschiedes auf erstaunlich gut ausbalancierter Augenhöhe, obwohl immer wieder ein gewisser jugendlicher Leichtsinn und eine provokative Nonchalance aufblitzt. Unerschrocken entwirrt er die Fäden, auch wenn sich bald herausstellt, dass es keine Gewinner in diesem tödlichen Spiel geben kann. Betrachtet man die überzeugende Leistung Georges, so kommt es einem richtig schade vor, dass der Berliner nie für die Wallace-Serie zur Disposition stand, denn hier ließen sich, ohne viel nachzudenken, zahlreiche Parts finden, die er gut hätte ausfüllen können, wie beispielsweise einen leichtsinnigen und gut zu manipulierenden Ray Bennet in "Der Frosch mit der Maske" oder sogar einen Dauer-Assistenten von Inspektor Perkins in späteren Vohrer-Filmen. Am Ende (und bereits während des Verlaufs) stellt sich in "Wartezimmer zum Jenseits" heraus, dass Götz George hier die richtige Wahl ist, denn er trägt den Film durch jede Turbulenz und noch so unlösbar erscheinende Aufgaben. Seine Fähigkeit, echte Typen zu kreieren, erscheint hier besonders auffällig und wohltuend, da man es mit einem Eigen-Entwurf und keiner Kopie längst dagewesener Charaktere zu tun bekommt, die nur schwer überzeugen konnten. So bleibt schließlich eine sehr gute Darbietung in einem nicht selten durchwachsen wirkenden Krimi, der sich zumindest über die Kapazitäten seiner Interpreten im Klaren ist.

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Re: GÖTZ GEORGE

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● GÖTZ GEORGE als PAUL NEUMANN in
DER KOMMISSAR - EIN AMOKLAUF (D|1972)


Angesichts eines bevorstehenden beziehungsweise möglichen Amoklaufs eilt Paul Neumann mit seiner besseren oder - wie man es nimmt - schlechteren Hälfte in deren Wohnung, wo alles begann. Nicht nur die Affäre der beiden wurde hier besiegelt und vertieft, sondern auch die Demütigungen gegenüber des Dritten im Bunde nahmen abenteuerliche Formen an. Paul ist die Nervosität deutlich anzusehen, und es scheint, als würde er das sinkende Schiff so schnell wie möglich verlassen wollen, da ihm sein eigenes bequemes Leben am Ende doch wichtiger ist, als die Frau an seiner Seite. Noch ahnt Hannelore nicht, dass es nicht eine Spur von Rückendeckung geben wird, doch es dauert ein wenig, bis Paul seine Rede vor den Beamten hält. Zu tun hat man es mit einem feigen, schwachen Charakter, der sich wie ein Fähnchen mit dem Wind ausrichtet. Frauen, und vor allem deren Ansichten, stehen nicht sehr hoch im Kurs bei ihm, jedoch steht er hoch im Kurs bei ihnen, und es ist fraglich, ob er nur für diese eine gemacht ist. Die nervöse Spannung in der Wohnung des Zuchthäuslers Weissmann steigt und steigt, man versucht sich mit einigen Drinks und gegenseitigen Beschuldigungen zu beruhigen, allerdings zeigen die immer wieder eingefügten Szenen des zielstrebig auf Paul und Hannelore zueilenden Amokläufers, dass ihre Minuten möglicherweise schneller gezählt sein werden, als ihnen lieb ist. Angesagt ist reines Tunneldenken; hierbei lässt sich keine Fähigkeit der kritischen Reflexion feststellen, obwohl es mehrere Schuldige in dieser Farce gibt. Paul ließ sich seinerzeit von Attraktivität, Schamlosigkeit und Leichtfertigkeit kassieren, seine Frau zog dem Vernehmen nach sämtliche Register im Bett. Dass sie es arrangierte, ihren Ehemann immer wieder dazu zu bringen, sie in flagranti zu erwischen, störte ihn nicht, solange das Vergnügen stimmte. Pauls Leben mit Hannelore war bis zum jetzigen Zeitpunkt unbeschwert, da die mitleidigen Blicke anderer stärker waren als die Kritik, und alles rechtfertigten, selbst das Unrecht.

Plötzlich liegen eine Reihe anderer Karten auf dem Tisch. Weissmann ist aus dem Zuchthaus ausgebrochen und kennt nur ein Ziel; Neumann als Teil dieser Zielscheibe will sich mit allen Mitteln aus dem Fokus bringen, da er seiner Ansicht nach nichts mit der Sache zu tun hat. Um seinen Hintern zu retten, lässt er selbst die Frau an seiner Seite langsam aber sicher über die Klinge springen und man ahnt, dass nur der Tod diese unliebsame Angelegenheit regeln kann. Doch wessen Tod? Pauls feige Charakterzüge werden wie auf einem Jahrmarkt zur Schau gestellt, Grabert als ermittelnder Beamter weiß bei so viel ungefragter Information oft gar nicht, wo er hin soll. Doch das schert einen Typen wie Paul Neumann nicht im Geringsten, denn er besteht ausschließlich aus Fassade, die allzu schnell fällt, wenn die Situation es hergibt. Fällt diese Maske, ist er prompt damit beschäftigt, diese wieder zu sanieren, aufrechtzuerhalten, wahlweise durch Beschuldigungen gegenüber anderer. Hier trifft es natürlich Hannelore, die sichtlich schockiert dreinblickt, immerhin hat sie sich Schützenhilfe und Rückendeckung gewünscht, vielleicht ausnahmsweise einmal eine starke Schulter zum Anlehnen. Doch diese Extrawürste gibt es nicht im Repertoire ihres Liebhabers, der nie über den bloßen Status einer ordinären Affäre hinausgekommen ist, zumal er es auch nicht wollte. Die Unverbindlichkeit löst ein Wohlgefühl bei ihm aus, keine Verantwortung ist seine Verantwortung, der Dienst der Frau hat reibungslos zu funktionieren, und am Ende steht nur das Amüsement, dass er unbeschwertes Leben nennt. Erneute Hektik verbreitet sich unter den noch lebendigen Zielscheiben des Hauses, Hannelore nimmt einen Likör nach dem anderen, die Hass- und Projektionsfläche wird immer größer und intensiver, bis sich schließlich ein Berg schmutziger Wäsche aufbäumt, dessen Gestank den Unbeteiligten die Schamesröte ins Gesicht treiben könnte, wenn die erfahrenen Polizisten nicht schon abstoßendere Leute erlebt hätten.

Götz George ist darstellerisch in seinem Element zu sehen, denn er interpretiert einen Charakter, den man hemmungslos mit aller Niedertracht ausstatten kann, die verfügbar ist. Immer wieder schießen Intervalle der Rechtfertigung, Beschuldigung und Angst ein; die unsichere Seite des vor Selbstsicherheit strotzenden Mannes kommt zum Vorschein, bis er in aller Nervosität sogar zu stottern beginnt. Wenn man mit normalen Maßstäben misst, wäre es mehr als klar, dass die Liaison zwischen ihm und Hannelore hiermit beendet sein dürfte, doch Pack schlägt sich, Pack verträgt sich - so die unbestimmte Gewissheit. Dem Zuschauer ist klar, dass hier schon oft die Fetzen geflogen sein dürften, dass man es mit einer klassischen On-Off-Beziehung zu tun hat. Götz George und Krista Keller liefern sich einen herrlichen Schlagabtausch und deftige Wortspitzen, im Grunde genommen zeigen sie eine der vielen Möglichkeiten auf, wie es aussieht, wenn alles in Stücke zerfällt. Während Paul versucht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, kann es Hannelore kaum fassen, dass sie ins Abseits manövriert wird, aber die beiden haben sich tatsächlich gesucht und gefunden. Beide Interpreten hantieren mit einer sich immer wieder gegen den anderen richtenden Intensität, die ein regelrechtes Kabinettstückchen aus diesem heiklen Vakuum macht. Götz Georges Leistung ist daher nicht nur als hochkonzentriert zu beschreiben, sondern mit gewissen Kraftausdrücken, der Gestik und Mimik sogar brillant, was sich vor allem aus dem Wechselspiel ergibt. So stellt der Berliner vor allem in derartigen Serien-Formaten immer eine Bereicherung dar, die sich erst gar nicht zierten, ihn auf diesen Typ Mann festzulegen, da die entsprechende Überzeugungskraft wie ein Selbstläufer war. So bekommt der erstaunte Zuschauer ein Tauziehen zwischen Krista Keller und Götz George geboten, bei dem es augenscheinlich nur darum geht, den anderen jeweils in die schlechtere, sich selbst in die bessere Position zu bringen. Ein doppelter Präzisionsauftritt.

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● GÖTZ GEORGE als CHRIS KRONBERGER in
NUR TOTE ZEUGEN SCHWEIGEN (D|E|I|1962)



Der Film zeigte nicht nur immer wieder gerne auf, dass Gelegenheit Diebe macht, sondern auch, dass die richtigen Gelegenheiten weitaus Schlimmeres heraufbeschwören können. Bei Götz Georges Chris Kronberger reicht es glücklicherweise nicht zu Letzterem, und auch wenn er einen Diebstahl begeht und sein Opfer niederschlägt, wirkt er in direktem Vergleich zu seinem aus Frankreich stammenden Kontrahenten Jean Sorel sehr sympathisch. Die Polizei ist unter Heinz Draches Führung wieder einmal auf völlig falscher Fährte, sodass der junge Mann quer durch die Stadt gehetzt und als mutmaßlicher Mörder gehandelt wird. Eugenio Martíns Film kann als direktes Konkurrenzprodukt zur laufenden Edgar-Wallace-Reihe angesehen werden und wurde seinerzeit vom Erstverleih Constantin so platziert, dass es zu keinen Simultan-Veröffentlichungen unterschiedlicher Kriminalfilme kam. "Nur tote Zeugen schweigen" verfolgt neben der normalen Kriminalhandlung noch über einen ungewöhnlichen Mystery-Touch, der von seinen Schauspielern gut ausbuchstabiert wird. Götz George sorgt für den nötigen Drive, der die Geschichte voranbringt. Hierbei bleibt der Berliner erneut bei seiner mittlerweile schon unverwechselbaren Körperlichkeit, außerdem wirkt er trotz der sich immer enger zuziehenden Schlinge um seinen Hals smart und resolut. Ein paar 100 D-Mark haben den jungen Mann in die größte Bredouille gebracht, denn das Opfer wurde anschließend von einem anderen ermordet, sodass der Verdacht natürlich auf den Dieb fällt, der Hals über Kopf vom Tatort geflohen war. Derartige Verkettungen liefern eine gute Grundlage für einen funktionierenden Film, der nicht gerade durchzogen von sympathischen Personen ist, oder solchen, die man gleich durchschauen könnte. Kronberger ist eine der wenigen Beteiligten, die ihre Karten offen auf den Tisch legen, doch es bleibt dank der gut konstruierten Geschichte ungewiss, wie sein Schicksal im Endeffekt aussehen wird, da immerhin auch tödliche Gefahren lauern. Eigenartigerweise solidarisiert man sich als Zuschauer mit Götz George, der zunächst auch die falsche Seite des Gesetzes bediente, aber sich rehabilitieren muss.

Zu viel Ungerechtigkeit treibt den Zuschauer geradezu auf die Seite des Gejagten und Gauners, der allerdings selbst eine Jagd nach der Wahrheit veranstaltet. Man erwartet Genugtuung, zumal Jean Sorel unheimlich brutal und widerwärtig vorgegangen war. So bahnt sich ein Clash auf mehreren Ebenen an, auf den sich Götz George im Verlauf vorbereiten kann. Seine am meisten in Erinnerung bleibenden Szenen entstehen tatsächlich beim Showdown mit seinem französischen Kollegen Sorel, die eine ständig wechselnde Dynamik anbieten. Die Kräfteverhältnisse scheinen sehr einseitig verteilt zu sein, immerhin ist Chis Kronberger ein ehemaliger Boxer mit entsprechender Konstitution und Fäusten, sodass es schon bald zu sehr handgreiflichen Intervallen kommt, die ein wenig Action verbreiten. Jean Sorels Charakter Erik scheint jedoch der raffiniertere und vor allem gewissenlosere Kopf zu sein, was die bloße Kraft seines Gegners urplötzlich ausschalten könnte, falls der richtige Moment kommt. Zunächst ist George dabei zu beobachten, wie er einen merklichen Spaß dabei entwickelt, die Wurzel seines persönlichen Übels in Bedrängnis zu bringen und ihn im Rahmen von Psycho-Terror zu quälen. Dem Publikum dürfte diese Abwechslung ebenfalls gefallen, zumal es einfach in der Luft liegt, dass ein Gemüt wie jenes von Erik noch Oberhand gewinnen wird, auch weil der Film seine Laufzeit noch lange nicht erreicht hat. Götz Georges Part in diesem hochinteressanten Beitrag ist als nominelle Hauptrolle ausgefallen und zwei Drittel des Films gehören quasi ihm, da er die nötige Spannung und das erforderliche Tempo in das Szenario bringt. Wie erwartet, kommt es zu einer ganz typischen Spielweise nach Art des Hauses George. Er ist sich für keine Szene und Anforderung zu schade, stattet das doch für ihn brenzlige Szenario mit Charme und resolutem Verhalten aus, kann sich am Ende jedoch nicht in den Kreis der Schlüsselfiguren spielen. Am Ende ist es wie immer erfrischend, seiner Individual-Show beiwohnen zu können, auf der anderen Seite jedoch auch unverständlich, dass der seinerzeit exzellent laufende deutsche Krimi den Interpreten nicht häufiger für sich einzuspannen wusste.

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Re: GÖTZ GEORGE

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● GÖTZ GEORGE als THOMAS LAURENDS in
FERIEN MIT PIROSCHKA (A|D|H|1965)



Die geschäftliche Benotung von Franz Josef Gottliebs "Ferien mit Piroschka" war seinerzeit alles andere als zufriedenstellend, was im Übrigen auch für den Löwenanteil von Produktionen gilt, in denen Götz George bis zu diesem Zeitpunkt mitgewirkt hatte, wenn man die sehr guten Erfolge der Karl-May-Verfilmungen einmal ausklammert. Derartige Einschätzungen sagen im Zweifelsfall nicht wirklich viel über die Qualität entsprechender Produktionen aus, über die Darbietungen der Interpreten vielleicht noch weniger. Ein dem Empfinden nach schwacher Film kann durchaus durch die Spiellaune und das Engagement seiner Schauspieler profitieren, was in dieser amourösen Geschichte durchaus der Fall ist. Götz George passt sich den Gegebenheiten zunächst einmal sehr treffsicher an, auch wenn es hier und da Szenen gibt, die dem Berliner oft nicht besonders gut stehen wollen. Doch die mit Folklore und seichtem Humor drapierte Geschichte erfordert insbesondere gegen Ende hin spürbaren Körpereinsatz, der so konträr zu dem steht, was man sonst von George geboten bekam. Choreografien, dem Empfinden nach halb aus Tanzeinlagen und Schauspiel bestehend, werden hier zwar einwandfrei dargeboten, doch das Ganze wirkt mit zunehmender Dauer etwas deplatziert, vor allem, wenn man etwas andres von Götz George erwartet. Anders die Anfänge, als man seinen Thomas Laurends vor allem dem Hörensagen nach als Draufgänger und Herzensbrecher serviert bekommt, der ungern B sagt und daher keine Verantwortung übernehmen will. Offensichtlich verwöhnt und gut situiert, kann er sich jeden Wunsch erfüllen, jede noch so schöne Frau für sich gewinnen, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wenn die Verbindungen lose bleiben und ausschließlich auf sein Vergnügen ausgelegt sind. Vielleicht war der gut aussehende junge Mann noch nie richtig verliebt, und dass die jungen Damen es anders herum intensiv empfinden, scheint ihn nicht sonderlich zu tangieren. Allerdings wird er auch nicht als skrupellos oder gemein gezeichnet, denn dafür nehmen ihn die Allüren der Verflossenen zu sehr mit.

Karin, seine letzte Eroberung, gespielt von der schönen Ungarin Teri Tordai, lässt sich nicht so einfach mit dessen üblichen Ausreden und Hinhaltetaktiken abspeisen, reist ihm somit ganz selbstverständlich nach. George versucht es mit gespielter Nervosität beim Zuschauer, bis er weit genug von zu Hause weg ist, um alle Lasten von sich abfallen zu lassen. Er wirkt plötzlich überaus gelöst, hin und wieder sogar etwas zu überschwänglich, doch man empfindet kein wirkliches Mitgefühl mit dem jungen Mann, da er sich wahrscheinlich immer wieder selbst in die gleiche missliche Lage gebracht hat. In der Ferne kommt es zu Strecken wirklich schöner Szenen, die ästhetisch und aufgeladen mit Emotionen und Leben wirken. Das immer noch aufmerksame Publikum ahnt allerdings, dass dem Schicksal oder einer aufgebrachten Frau auch nicht mit dem schnellsten Sportwagen davonzufahren ist, doch zunächst kommt es zum holprigen und wenig galanten Aufeinandertreffen mit der apart wirkenden Titelrolle. Glücklicherweise lassen sich innerhalb aller konstruierten Vorfälle eigene Nuancen des Schauspielers finden, die überzeugend, hin und wieder sogar mitreißend und trotz allem authentisch und vorbereitet wirken. Er präsentiert sich ab sofort von seiner bekannten Schokoladenseite, es scheint, als gewinne sein Thomas Laurends auf ungarischem Boden deutlich an Reife, seine Gefühlswelt an Tiefe, bis dem Zuschauer schließlich suggeriert wird, dass er nun bereit für etwas vergleichsweise ganz Großes ist. Im Grunde genommen erlebt man einen engen Zuschnitt auf die einfachen Bedürfnisse des Zielpublikums, dem sich hier alle Beteiligten relativ bedingungslos beugen werden, was auch insbesondere für George gilt. In seiner erfüllten Filmografie handelt es sich hier schlussendlich um eine Rolle, die aus verschiedenen Gründen wenig in Erinnerung bleiben wird oder die einen besonderen Stellenwert besitzt, denn zu simpel sind die Zeichnungen innerhalb dieser Geschichte und zu wenig fordernd bleiben Dramaturgie und Publikum. Was bleibt sind allerdings zahlreiche Szenen, die im Rahmen strategischer Belange der Produktion zwar verwässert wirken, aber wenigstens schön anzusehen sind.

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