HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST

Der Tummelplatz für alle Serienjunkies und Binge-Watcher!
Von DALLAS bis DENVER, vom TATORT in die LINDENSTRASSE über BREAKING BAD bis hin zu GAME OF THRONES.
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Prisma
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● FOLGE 20 | WAHRE LIEBE (D|1998)
in den Hauptrollen: Katy Karrenbauer, Claudia Loerding, Barbara Freier, Dirk Mierau und Franziska Matthus
mit Isabella Schmid, Rainer Frank, Ana Fonell, Annette Frier, Kristiane Kupfer, Rüdiger Kuhlbrodt, Heidi Weigelt, Uta Prelle, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Dagmar von Chappuis



Die Liebesbeziehung zwischen Lollo und Kommissar Fuchs wird von den Insassinnen der Station B aufmerksam aber auch mit misstrauen beobachtet, denn es besteht die Gefahr, dass der ungebetene Schnüffler doch noch die Wahrheit im Mordfall Zöllner herausbekommen könnte. Plötzlich kommt den Frauen der Zufall zur Hilfe, denn die Tatwaffe wird bei einer drogenabhängigen Gefangenen gefunden, mit welcher sich die Frau tödlich verletzt hatte. Der Fall gilt nun offiziell als abgeschlossen, doch Fuchs muss sich weiterhin ins Zeug legen, und zwar bei Lollo, die sich von ihm getrennt hatte, da ihr die Befragungen und der Druck einfach zu hoch wurden...

In der 20. Episode der seinerzeit sehr gut angenommenen Serie kann sich das Publikum auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle gefasst machen, denn die einen schweben auf Wolke 7, während andere längst wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen sind. Lollo hat ihr Glück bereits gefunden, doch ihr Angebeteter steht unter einem immensen Leistungsdruck, der sich ausnahmsweise mal nicht aufs Lotterbett bezieht. Ministerialrat Fock impft ihm persönlich ein, dass man aus der Tatsache, mit einer Insassin liiert zu sein, unbedingt Vorteil schlagen sollte. Ihm sind eben alle Leute scheißegal. Die Probleme häufen sich vor allem angesichts dessen, dass Fuchs seine Lollo aus der Sache heraushalten wollte, sich allerdings dennoch für eine Befragung zu dem Sachverhalt entscheidet, bis sie endlich die Reißleine zieht. Uschi zeigt sich zufrieden, denn trotz aller Vertuschungsversuche ist Kommissar Fuchs viel zu nah an der Wahrheit dran, die alle Beteiligte den Kopf beziehungsweise 15 Jahre zusätzlich kosten könnte. Bei Ilse läuft es derweil großartig, denn sie hat inseriert, möchte ihre gewonnene Reise und sich selbst an den Mann bringen. Schnell lernt sie einen geeigneten Kandidaten kennen, der zu nett ist, um wahr zu sein. Niemand sieht einen Haken, bis sie das erste Liebes-Präsent ihres Verehrers auspackt. Sie soll sich in ein Lack-und-Leder-Teil quetschen, das vielleicht üblicherweise Nutten tragen würden, und schon sind alle Liebesträume in Reutlitz beendet - zumindest vorläufig. Der Mordfall Zöllner dominiert die Reihe bereits seit Wochen und die Kritik an allen Instanzen reißt nicht ab. Dr. Kaltenbach muss sich die Vorwürfe der aufgebrachten Kollegen anhören, die sich unter diesen Umständen nicht genügend protegiert fühlen. Aus dem Ministerium ergeht ebenso Druck, denn der Fall soll so schnell wie möglich aufgeklärt werden. Es scheint beinahe so, als wolle man irgendeine Schuldige präsentieren, um den Fall endlich zu den Akten legen zu können. Die nervöse Spannung dieser Episode lässt sich in jedem Winkel des Gefängnisses erahnen und man lehnt sich gespannt zurück, um das Weitere auf sich zukommen zu lassen.

Zöllners Tod dominierte die letzten Folgen ohnehin, sodass dieser Faden auch hier weitergesponnen wird. Die Gefahr, dass bei empfundener Monotonie etwas Leerlauf aufkommen könnte, besteht aufgrund der vielen Nebenhandlungen kaum, denn es bleibt immer irgendwie spannend, aufregend und sogar witzig. Hier bekommt Ilse eine prominente Rolle eingeräumt, der man wünscht, dass sie einen Man findet, der es ehrlich mit ihr meint. Der nächste Kandidat mit dem Hoffnung stiftenden und beinahe verheißungsvollen Namen Gregor Wünsche lässt zumindest einiges vermuten. Jutta Adler rekrutiert einige Frauen für Spitzeldienste, die sich bei Weigerung ihre Freigänge abschminken könnten, und zieht dabei die Daumenschrauben an, bis Reutlitz von einem blutigen Zwischenfall heimgesucht wird, bei dieser Gelegenheit eine entscheidende Wendung zutage bringt. Die Damen und die Schuldige scheinen rehabilitiert, doch dem treuen Fan dürfte klar sein, dass noch schwarze Wolken über dem Knast aufziehen dürften. "Wahre Liebe" ist sicherlich kein Topscorer unter den frühen Folgen, aber zuständig für wichtige Weichenstellungen und diverse emotionale Befriedigungen der Zuschauer. Das Schreckgespenst Zöllner will einfach nicht aus den Reutlitzer Mauern verschwinden und birgt noch Zündstoff - so viel ist sicher. Interessant sind die in Etappen immer dichter werdenden Vorstellungen der einzelnen Haupt- und Nebencharaktere, die sich über sehr gut angepasstes Schauspiel etablieren können. In dieser Episode sind vor allem Christiane Reiff, Isabella Schmid, Franziska Matthus, Rüdiger Kuhlbrodt oder etwa Claudia Loerding hervorzuheben, da ihre Handlungen wie Ankündigungen wirken. Die Knast-Gesetze sind dem Empfinden nach unerbittlicher als die der Justiz, und jeder hat sich auf seine bestimmte Art und Weise zu beugen, gewollt oder ungewollt. Folge 20 zeigt sich insgesamt ebenfalls in der Tradition, sich als Weg zum Ziel zu definieren, denn obwohl man den Mordfall als vermeintlich gelöst einstuft, weiß der Serien-Experte, dass der große Clash noch bevorsteht, und dies - so viel sei verraten - in besonders überraschender und abenteuerlicher Maier. Es bleibt also spannend.

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Prisma
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● FOLGE 21 | VERTRAUENSFRAGEN (D|1998)
in den Hauptrollen: Claudia Loerding, Katy Karrenbauer, Cheryl Shepard und Franziska Matthus
mit Rüdiger Kuhlbrodt, Ana Fonell, Christine Schuberth, Andreas Petri, Annette Frier, Isabella Schmid, Thomas Engel, Egon Hofmann, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Axel Bock



Dr. Evelyn Kaltenbach findet heraus, dass ihre stellvertretende Anstaltsleiterin, Jutta Adler, Insassinnen als Spitzel einsetzt und diesen im Gegenzug gewisse Vergünstigungen verschafft. Nach einer Auseinandersetzung schmeißt Frau Adler ihren Job hin. In der Zwischenzeit hat die ehemalige Terroristin Regine Seifert ihre Biografie abgeschlossen und sorgt für Nervosität, was sich sogar bis in die oberen Reihen des Justizministeriums durchschlägt. Ministerialrat Vock will die Veröffentlichung mit allen Mitteln stoppen und bittet Jutta Adler, das Manuskript aus dem Verkehr zu ziehen. Als es tatsächlich verschwunden ist, tritt Regine in den Hungerstreik, doch verdächtigt die völlig falschen Leute...

»Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, Frau Doktor Kaltenbach? Ja, leiten sie mal schön weiter, mit Ihrem Führungsstil. Ich kündige!« Nachdem Dr. Kaltenbach herausgefunden hatte, dass ihre Stellvertreterin sich auf Spitzeldienste verlässt, zieht Jutta die Reißleine. Im Grunde genommen sind es nicht die unterschiedlichen Ansichten eines Strafvollzugs, was diese Entscheidung forciert hat, viel eher weiß die langjährige Mitarbeiterin, dass ihre Aufstiegschancen auf ein Minimum reduziert sind, seit sie die neue Chefin vor die Nase gesetzt bekam. Außerdem wurde sie bei Personalentscheidungen der höheren Ebene stets übergangen. Jutta liebt das Machtgehabe, das Konspirieren gegen die übergeordnete Stelle und die teils willkürlichen Bestrafungen der Insassinnen, allerdings ließe sich diese Tour auch woanders aufziehen. Jeder, der Zuschauer inklusive, ist über diese Ankündigung - um nicht zu sagen dieses Reutlitzer Beben - einigermaßen schockiert, denn schließlich hat man sich an das Stammpersonal gewöhnt, auch wenn die Sympathiepunkte sicherlich immer bei anderen gelegen haben. Doch noch ist nicht aller Tage Abend, zumal im Knast eine Biografie verfasst wird, die bei Knackis und hohen Tieren des Ministeriums für Unruhe sorgt. Plötzlich ist Jutta wieder gefragt, die von Ministerialrat Vock höchstpersönlich gebeten beziehungsweise angewiesen wird, die perfiden Hetzschriften einer unbelehrbaren Terroristin, wie er sie nennt, aus dem Verkehr zu ziehen. Gut, dass man mit der Bergdorfer einen zuverlässigen Spitzel zur Hand hat, der für einen Freigang so gut wie alles tun würde. Die Auszeit der Adler war somit glücklicherweise nur denkbar kurz, immerhin hat sie den Chefsessel avisiert bekommen, auf den sie schon so lange scharf ist. Es kommt zu Druck. Druck überall, bis plötzlich mehrere Personalien zur Debatte stehen, die die Verhältnisse in Reutlitz und sogar im Justizministerium bedeutend verändern könnten. Walter ist derweil davon getrieben, einen Blick in das Manuskript werfen zu wollen, da Regine auch über sie geschrieben hat. Sie setzt ihren Willen wie üblich mit körperlicher Gewalt durch und lässt sich entsprechende Passagen von Vivi vorlesen.

»Obwohl Walter das nie zugeben würde, fühlt sie sich im Knast recht wohl. Aufgrund ihrer Machtstellung, die primär auf ihrer körperlichen Präsenz beruht, steht sie in der Hierarchie ganz oben und die meisten Mitgefangenen begegnen ihr mit dem entsprechenden Respekt. Draußen gehört sie zum Bodensatz der Gesellschaft, aber im Knast ist sie einer der Bosse. Walter hat eine niedrige Hemmschwelle, ist aufbrausend und impulsiv und sie ist allzeit bereit, Konflikte mit körperlichem Einsatz auszutragen« Walters zunächst zufriedenes, vor Stolz schimmerndes Gesicht, verdunkelt sich bei Hinweisen auf ihre unterste Stellung im sozialen Gefüge. Sie droht mit Gewalt und bestätigt jedes von Regines klar formulierten Worten. Einige Parteien sind schließlich am Verschwinden des Manuskripts interessiert, was sich am Ende auch bewahrheiten wird; der Zuschauer ist dabei stets Komplize beziehungsweise Zeuge der Geschehnisse. Für Regine ist Walter als Diebin recht schnell vom Tisch, da sie politische Hintergründe wittert. Ihrer Einstellung entsprechend folgt ein Hungerstreik. Insgesamt zeigen sich die üblichen Skizzierungen innerhalb der Knastmauern: Die Schließer werden als faule Spanner oder besser gesagt lüsterne Höhlenmenschen präsentiert, liberale Ansichten eines modernen Strafvollzugs kollidieren mit den Relikten aus dem Hause Adler und Machtgefüge auf höchster Ebene werden mit aller Gewalt und außerordentlichen Mitteln geschützt, indem man die Mechanismen der Justiz umkehrt. Folge 21 zeigt sich durchgehend als temporeiche und spannende Angelegenheit, die ganz auf das Publikum zugeschnitten ist, indem die Moral hochgehalten wird, bei dieser Gelegenheit fragwürdige Elemente des Systems an den Pranger gestellt und bestenfalls entfernt werden. Regisseur Axel Bock inszeniert eine Episode über immensen Druck und bemüht dabei interessanterweise die Realität: Druck, der von oben nach unten abverteilt wird, bis dieser so hoch wird, dass die kleinsten Rädchen im Gefüge es nicht mehr aushalten und es schließlich zu Fehlerketten kommt, bis sich Schleudersitze in Position bringen, um die Hierarchieverhältnisse neu zu ordnen, damit es irgendwann wieder von vorne losgehen kann.

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● FOLGE 22 | FREUNDINNEN (D|1998)
in den Hauptrollen: Katy Karrenbauer, Cheryl Shepard, Claudia Loerding, Dirk Mierau und Franziska Matthus
mit Annette Frier, Christine Schuberth, Ana Fonell, Isabella Schmid, Heidi Weigelt, Uta Prelle, Thomas Engel, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Axel Bock



Nachdem Susanne erfahren hat, dass Walter weder lesen noch schreiben kann, beschließt die gelernte Pädagogin, ihr zu helfen, zumal diese von den Frauen und Jutta Adler verspottet und gedemütigt wird. Doch Walter lehnt zunächst aggressiv ab, bis sie sich für das Schreiben des Wortes "Lesbe" zu interessieren beginnt. Obwohl Vivi eifersüchtig beobachtet, dass die Beziehung zwischen Walter und deren Zellengenossin Susanne immer enger wird, hat sie denselben Plan und leiht sich Schulbücher für ihre Freundin aus. Verletzt nimmt sie zur Kenntnis, dass Walter bereits Buchstaben mit Susanne am Lernen ist...

Nachdem Walter unbedingt erfahren wollte, was über sie in Regines Buch über sie verfasst wurde, hat sich ihre Neugierde bei Erscheinen des Buches plötzlich in Desinteresse umgewandelt, was mehr als verwunderlich erscheint. Auch als es neue Formulare zum Ausfüllen gibt, in denen man nicht wie sonst einfach nur Positionen ankreuzen kann, braucht sie neuerdings keine neue Kleidung. Als sie den Weichspüler im Lager holen soll, ist die Wäsche des neuen und dringend benötigten Kunden futsch, da sie aus Versehen Bleiche verwendet hat. Walter wird immer kleinlauter, doch was ist passiert? Folge 22 thematisiert den Analphabetismus, der bei vielen Menschen trotz Schulbesuch verbreitet ist. Susanne als Pädagogin durchschaut die Situation schnell, möchte ihrer Freundin so schnell und gut wie möglich helfen, von der sie zuvor permanent und wirklich am laufenden Band angebaggert worden ist. Als Jutta Adler sie für eine kompromittierende Schmiererei am Aquarium verantwortlich machen will, die auf den Alkoholkonsum der stellvertretenden Anstaltsleiterin anspielt, stellt Susanne Walter bloß und berichtet darüber, dass die Chefin der B nicht lesen und schreiben kann. Sie fühlt sich gedemütigt und in ihrer Autorität untergraben, da die Frauen ab sofort darauf herumreiten, dass sie nichts im Kopf habe und unbequeme Witze machen. »Kannst du nicht ein Mal deine dumme Grundschulschnauze halten?« Walter muss genau das aushalten, was sie am meisten hasst. Sie fühlt sich in die Enge getrieben, was sie wohlgemerkt gerne mit anderen veranstaltet, doch es steht Hilfe bereit, die nur angenommen werden müsste. Der Episoden-Titel "Freundinnen" beschreibt den Verlauf in mehrfacher Hinsicht sehr treffend, denn es gibt potenzielle, aktuelle und alte Spezies dieser Fraktion. Nur Walter und Vivi scheinen sich immer mehr voneinander zu entfernen, da Vivi allen Grund zur Eifersucht hat, immerhin kann Walter es nicht lassen, ihre Zellengenossin anzumachen. Die mangelnde Diskretion hierbei scheint ein altes Relikt und Einstellungssache aus ihren Single-Zeiten zu sein, sodass sich der Konflikt oder eine mögliche Trennung immer mehr anzubahnen scheint.

Susanne versucht es derweil, allen recht zu machen, doch stößt immer wieder an ihre Grenzen der selbst gewählten Neutralität. Dann kommt es wieder einmal zum Showdown zwischen Walter und Jutta Adler, die ihr ein Formular unter die Nase hält und dabei auffordert, vorzulesen, nachdem sie sich zuvor einen genehmigt hatte. Jutta droht mit Verlegung auf eine andere Station oder Bunker. Bei den Wortgefechten kommt es zu interessanten Schwenkvarianten der Kamera, die beide Gesichter im Profil abzulesen versuchen. Die Mimik, die Wut und den Hass; hervorragend! »Dann lies doch jetzt mal ganz genau, was du auf keinen Fall tun darfst, wenn du nicht rein willst. Na los! Entschuldige, jetzt hab ich doch völlig vergessen, dass du ne Vollidiotin bist!« Die Stimmung verdunkelt sich und es werden immer tiefer fliegende Torpedos abgeschossen, doch Walter bleibt trotz aller Wut schlagfertig und cool: »Gibts nicht auch Vorschriften für besoffene Schlusen? Wer von uns beiden ist denn der Versager? Du bist doch viel fertiger als ich! Was glaubst du, wie die Kaltenbach sich freuen wird, wenn sie erfährt, dass du die ganze Zeit besoffen bist? Da hast du doch endgültig ausgedient...« Die Adler verliert die Fassung und schmeißt Walter aus dem Büro, denn das hat gesessen, da zu viel Wahrheit mitgeschwungen ist. Insgesamt werden sehr emotionale Themen behandelt, die die Protagonistinnen der Vergangenheit etwas näher bringen. Vivi fragt bei der Direktorin nach einem Umgangsrecht mit ihrem Sohn Lukas, der bei Pflegeeltern untergebracht ist. Der Vater - in den Akten unbekannt, obwohl es sich um ihren eigenen handelt. Walter erzählt Susanne im Suff von ihren familiären Verhältnissen - ein Trauerspiel! Die 22. Folge bahnt insgesamt neue Konflikte an, die sich aus unerfüllten Wünschen, Hass, und Gemeinheiten zusammensetzen. Insbesondere Jutta Adler und Walter sind auf einem anscheinend unausweichlichen Kollisionskurs, der sich höchstwahrscheinlich in den nächsten Folgen forcieren wird. Wenn die Probleme der Nebenschauplätze noch hinzukommen, wird die jeweilige Regie alle Hände voll zu tun haben, die renitenten und aufgebrachten Frauen unter einen Hut zu bekommen.

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● FOLGE 23 | DIE BEWÄHRUNG (D|1998)
in den Hauptrollen: Barbara Freier, Katy Karrenbauer, Claudia Loerding, Cheryl Shepard und Franziska Matthus
mit Kristiane Kupfer, Annette Frier, Judith von Radetzky, Christine Schuberth, Heidi Weigelt, Thomas Engel, Egon Hofmann, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Roger Wielgus



Uschi erwischt Dagmar dabei, wie sie wieder einmal Drogen unter die Frauen bringen will und fordert sie zur Herausgabe des Stoffes auf. Als sie sich weigert, kommt es zu Handgreiflichkeiten, bis Uschi auf den Rand der Badewanne stürzt und ihr Gedächtnis verliert. Eine fatale Situation, immerhin soll Uschi in den nächsten Tagen vor dem Bewährungsausschuss aussagen, der eine Entscheidung zum Erlassen ihrer Reststrafe treffen soll. Die manipulative Dagmar gibt sich als ihre beste Freundin aus und warnt vor den anderen Insassinnen. Uschi wird immer unsicherer, zumal die Anstaltsleitung ihre schriftliche Stellungnahme für den Ausschuss hinterfragt...

»Frau König, Fakt ist doch, Sie haben die Geliebte Ihres Mannes erschossen und ihn selber schwer verletzt, ihn Dienstunfähig gemacht. Dafür sind Sie zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Und nur durch Ihre gute Führung und ihr Engagement ist es überhaupt denkbar, Ihnen ein Drittel der Strafe zu erlassen.« Frau Dr. Kaltenbach weist des Weiteren darauf hin, dass die Bewährungskommission einen persönlich verfassten Bericht über die Tat und die Zeit in Reutlitz erwarte, um zu ihren Gunsten stimmen zu können. Unter normalen Umständen wäre gerade Uschi König wie wohl keine andere in der Lage, eine derartige Stellungnahme zu verfassen und die Kommission gleichzeitig redegewandt und selbstreflektiert von ihrer Eignung für Hafterlass durch gute Führung zu überzeugen. Dumm bei der Sachen ist nur, dass Uschi sich gerade erst einmal orientieren und völlig neu ordnen muss, da sie rein gar nichts mehr von ihrer Tat weiß. Noch fataler ist, dass sie Dagmar vertraut, die für diese Misere erst verantwortlich ist. Dagmar Friese gehört ohne jeden Zweifel zum fiesesten Abschaum, den man in diesen Gefängnismauern finden kann; sie will Uschi die Bewährung versauen und alle Anzeichen sprechen sogar dafür. Wieder einmal ist zu betonen, welch exzellente Leistung Kristiane Kupfer hier anbietet, denn sie kriecht umher wie eine Schlange, die nach Beute sucht. Ihr momentanes Ziel ist Vivi, die sich gerade von Walter getrennt hat; eine gute Grundvoraussetzung, Vivi als Stammkundin für ihr Drogen-Portfolio zu gewinnen, da sie doch mal ausspannen und die Schlechtigkeiten im Knast vergessen solle. Nebenbei bringt sie Uschi so weit, sich von den anderen Frauen und ihren Freundinnen zu isolieren und ihr blind zu vertrauen, sich gemeinsam mit ihr um ihren wichtigen Bericht zu kümmern. Für das Publikum ist diese Tendenz schier unerträglich, denn eine derartige Defensive und Unsicherheit ist man von der König nicht gewöhnt. Niemand bemerkt die Amnesie, der Zuschauer hofft auf eine baldige Spontan-Remission und gleichzeitig darauf, dass Dagmar gut eins auf die Fresse kriegt, denn niemand in Reutlitz hätte es mehr verdient, als sie.

Uschi geht es dreckig, Barbara Freiers Zeichnung der Lage ist hierbei hervorragend, auch wenn die Folge unter der neuen Regie von Roger Wielgus thematisch strapaziös ausgefallen ist. In der Zwischenzeit kommt es zu einigen von Dagmars künstlich angefachten Konflikten, da sie zahlreiche Lügen über die Mitinhaftieren verbreitet und eine dankbare Zuhörerin gefunden hat. Langsam aber sicher zeigen sich grelle Bilder in Uschis Erinnerung: Die Wohnung, die Dienstwaffe ihres Mannes, ein Paar, das sich im Bett vergnügt, doch alles bleibt wie ein Schleier, der sich vage an der Vergangenheit orientiert. Schemenhaft und verzerrt, irritieren sie den Zuschauer, aber das Puzzle muss sich wieder zusammenfügen, doch Dagmar holt zum entscheidenden Schlag aus, der das Pulverfass Station B hochgehen lassen könnte. Uschi ist die Überbringerin der fein gestrickten Lügenmärchen. Neue Kundschaft winkt, es gibt was gegen die Schmerzen. Folge 23 dient primär der noch dichteren Vorstellung von Uschi König und ihrer Tat. Wenn es um Emotionen geht, hatte sie sich in jüngster Vergangenheit auch im Knast nicht immer unter Kontrolle. Gleichzeitig wird ein neuer Weg mit ihr angedeutet; im Grunde genommen kommt es ja Folge für Folge zu neuen Wegweisern bezüglich der Storylines. In der Zwischenzeit buhlt Walter weiter ziemlich unbeholfen um Vivi, die ihr die betont kalte Schulter zeigt. Aber ist es wirklich aus? Die Friese arbeitet im Hintergrund ebenfalls am Ende dieser Beziehung, weil sie insgesamt mehr Fliegen mit einer Klappe schlagen will, als das tapfere Schneiderlein. Alles ist darauf ausgerichtet, ihren Tante-Dagmar-Laden der berauschenden Substanzen weiter auszubauen - ein Schleudersitz mit Walter und Uschi im Nacken. Hinten heraus ist es fünf vor 12, doch alles positioniert sich wieder so, wie es immer war. Zumindest sieht es so aus bis zur nächsten Folge - immerhin eilt man auf ein bevorstehendes Staffel-Finale zu. Regisseur Roger Wielgus liefert mit "Die Bewährung" einen guten Einstand in die Serie, die sich viel Mühe gibt, den Zuschauer in Spannungszustände zu versetzen, auch wenn die Action-Passagen hier etwas grobschlächtig ausgefallen sind.

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● FOLGE 24 | VERMISST (D|1998)
in den Hauptrollen: Cheryl Shepard, Katy Karrenbauer, Claudia Loerding, Dirk Mierau, Barbara Freier und Franziska Matthus
mit Marie-Ernestine Worch, Imke Barnstedt, Annette Frier, Heidi Weigelt, Kristiane Kupfer, Christine Schuberth, Thomas Engel, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Roger Wielgus



Marlies Teubner will mit allen verfügbaren Mitteln verhindern, dass ihre Enkelin Nina im Missbrauchsprozess um ihren Vater aussagt, um sein Andenken nicht zu beschmutzen. Susannes Schwiegermutter setzt Nina massiv unter Druck, bis diese aus Verzweiflung keinen anderen Ausweg mehr sieht, von zu Hause fortzulaufen. Susanne weiß sich nicht mehr zu helfen und startet eine Fernsehansprache, in der sie Nina bittet, wieder zurückzukommen. Als das Mädchen sich ein Herz fasst und in Reutliz anruft, um ihre Mutter zu sprechen, ändert sich leider nichts an der festgefahrenen Situation, denn sie fällt Jutta Adler in die Hände...

Die erste und seinerzeit überaus erfolgreich angelaufene erste Staffel von "Hinter Gittern - Der Frauenknast" neigt sich dem Ende zu, und in guter Serien-Manier bündelt sich die Brisanz der Geschichten, um in ein spektakuläres Staffelfinale zu münden. Susanne, die eine 15-jährige Haftstrafe wegen Mordes absitzen muss, ist hin- und hergerissen. Sie ließ ihre Tochter seinerzeit nicht vor Gericht über den sexuellen Missbrauch ihres Mannes an der gemeinsamen Tochter aussagen, um ihr weitere traumatische Erlebnisse zu ersparen, doch sie zweifelt mittlerweile am harten Strafmaß und vor allem ihrer eigenen Schwiegermutter, die Susannes Kinder permanent mit dem Verdrehen der Realität unter Druck setzt. Ein ähnlicher Fall, der in der Zeitung beschrieben wurde und nur ein Strafmaß von vier Jahren nach sich zog, lässt Marlies Teubner völlig kalt. »Der Fall liegt da völlig anders. Mit solchen Schandtaten hat mein Sohn nichts zu tun!« In der Zwischenzeit setzt Vivi Walter immer mehr zu, da sie eifersüchtig auf Susanne ist, die jedoch nur das Wohl ihrer Tochter im Sinn hat und mit dem ganzen Knast-Kram nichts zu tun haben möchte. Szenen zwischen Marlies und Nina geben reichlich Aufschluss über die unerträgliche Situation für das Mädchen, welches einfach nicht weiß, wie sie richtig handeln soll, da ihr täglich eingetrichtert wird, dass sie stets das Falsche tut. »Eins sage ich dir, ich werde Mittel und Wege finden, dir den Quatsch mit der Missbrauchslüge auszutreiben!« Susanne wird plötzlich zu Frau Adler ins Büro zitiert, die dort noch einen ordentlichen Schluck zur Brust genommen hat, um das auszuhalten, was sie vermutlich Leben nennt. Unsentimental und wenig verständnisvoll wirft sie Susanne die Nachricht über das Verschwinden von Nina vor die Füße - das Gespräch ist abrupt beendet. Verzweifelt sucht sie nach Möglichkeiten, ihre Tochter wiederzufinden, doch die diese sind im Knast und vor allem unter Jutta Adler begrenzt bis aussichtslos. Als Vivi von Susannes Schicksal erfährt, legt sie ihre Feindseligkeit kleinlaut ab und besinnt sich darauf, wie man ihrer Mitinsassin helfen kann. Die B hält also wie üblich zusammen, wenn eine bis zum Hals in der Scheiße steckt.

»Heute Morgen gegen fünf Uhr wurde die Leiche eines etwa zwölfjährigen Mädchens gefunden. Alle Anzeichen deuten auf ein Gewaltverbrechen hin. Bisherige Ermittlungen haben weder über die Identität des Opfers noch über den Hergang des Verbrechens klare Erkenntnisse gebracht. Die Polizei bittet die Bevölkerung um sachdienliche Hinweise. «So lautet die Radio-Durchsage beim Frühstück, doch Susanne bricht zunächst nicht zusammen, sondern stellt aggressive Forderungen bei Frau Adler. »Sie haben keine Kinder, nein, Sie können gar keine Kinder haben, Sie kaltes gefühlloses Monster!« Wenigstens taucht just in diesem Moment die Anstaltsleitung Frau Dr. Kaltebach wieder auf, um Susanne sachdienlich zu helfen. Die Projektionsfläche Kind packt auch in dieser Episode gnadenlos zu, sodass der Zuschauer in eine Atemlosigkeit verfällt, die auch bei bestimmten Insassinnen zu beobachten ist. Beängstigend spielt Imke Barnstedt als Susannes Schwiegermutter, deren Gebärden gefühlskalt, abgebrüht und realitätsfern wirken. Das Publikum hasst sie, also hat die Berlinerin alles Erdenkliche gegeben, um ihre Rolle glaubhaft auszubuchstabieren. Das Gleiche tut Claudia Loerding, die nicht nur eine endlich in Reutlitz anrufende Nina mit ihrem üblichen Befehlston vergrault, sondern auch die ausgehende Gefängnispost durchliest, um sich dabei zu belustigen Als Zuschauer ist man sich nach zwei Dutzend Folgen immer noch nicht recht im Klaren darüber, ob man sie niederträchtig finden oder Mitleid mit ihr haben soll. Die helfenden Kräfte - also die ausgewiesenen Guten - bündeln sich, um der unerträglichen Situation endlich ein Ende zu bereiten, um letztlich dafür zu sorgen, dass das mitfiebernde und bislang recht strapazierte Publikum etwas Balsam für die Seele bekommt. Dennoch sollte man sich auf diesem kleinen Triumph nicht ausruhen, denn am Ende verbleiben genügend Widerstände der üblichen Verdächtigen und wie gesagt steht immerhin das Staffelfinale ins Haus. Regisseur Roger Wielgus packt die Folge richtig da publikumswirksam an, deutet bei dieser Gelegenheit die niemals enden wollenden Konflikte hinter diesen Knastmauern an, die für den breiten Erfolg verantwortlich sind.

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● FOLGE 25 | FALSCHES SPIEL (D|1998)
in den Hauptrollen: Claudia Loerding, Katy Karrenbauer, Barbara Freier, Dirk Mierau, Cheryl Shepard und Franziska Matthus
mit Kristiane Kupfer, Annette Frier, Ana Fonell, Judith von Radetzky, Christine Schuberth, Isabella Schmid, Rainer Frank sowie Wolfgang Finck
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Bodo Schwarz



Die Frauen von Station B sind schockiert und aufgebracht, da sie von der Vergangenheit heimgesucht werden. Ein Beamter der Justizbehörde soll die bauliche Substanz des Gefängnisses überprüfen, doch es scheint, als sei er nur vor Ort, um in dem lägst abgeschlossenen Fall Zöllner zu ermitteln. Viel schlimmer für die Frauen ist jedoch, dass er einem Toten zum Verwechseln ähnlich sieht. Jutta Adler wird von der Gefängnisleitung erneut ermahnt, ihren Alkoholkonsum im Dienst in den Griff zu bekommen. Als sie dem Gast aus der Justizbehörde zum ersten Mal gegenübersteht, fällt sie plötzlich in Ohnmacht...

Die Reutlitzer Schleuse öffnet sich, es ist einem so, als kenne man den schwerfälligen Gang des Mannes irgendwo her, der gerade den Gefängnishof betritt, doch es wird noch nicht gleich verraten, um wen es sich handelt. Beim Kameraschwenk auf sein Gesicht erkennt man die Fratze, welche die Frauen so unmenschlich tyrannisiert, gedemütigt und missbraucht hatte. Zöllner is back! Auf dem Hof ist Dagmar - dessen Mörderin - die Erste, die ihn erkennt und es kommt zu blutigen Flashbacks mit dem Mann, den das Publikum so gehasst hat. Simultan nimmt Jutta Adler einen ordentlichen Schluck in ihrem Büro zu sich, bis Frau Dr. Kaltenbach über die leere Flasche stolpert. »Ich brauche die Flasche nur zum Blumengießen!« Anscheinend hat Frau Adler bei den täglich aufkommenden, billigen Ausreden ihrer Klientel gut aufgepasst. Als Zuschauer ist man verwirrt über den Herrn, der Gerhard Zöllner in so frappanter Art und Weise ähnlich sieht, doch es stellt sich schnell heraus, dass es sich um seinen Zwillingsbruder Karl-Heinz handelt, der ein ebenso fieses Arschloch sein dürfte. So denkt man zumindest, als klargestellt wird, warum er sich in Reutliz herumtreibt. Es handelt sich um einen Beamten der Justizbehörde, da ein bauliches Gutachten über das Gefängnis erstellt werden soll. Jutta verliert bei dieser Gelegenheit übrigens das Bewusstsein. Man ahnt bereits jetzt, dass wesentlich mehr hinter Zöllners Auftauchen stecken dürfte. Die Frauen glauben Dagmar zunächst nicht, bei Vivi kommen die schrecklichen Erinnerungen der Vergewaltigung wieder hoch, aber das Fazit lautet, dass der verhasste Schließer tot sei. Sein Bruder taucht wenig später unbefugt in der Damendusche auf, in der sich Vivi gerade befindet, und es kommt zum Eklat, der die erste Zurechtweisung durch die Anstaltsleitung nach sich zieht, was übrigens auch für den Alkoholkonsum vom »Geier« gilt. Dem Beamten der Justizbehörde scheint es egal zu sein, da man sich an den vielsagenden Titel dieser Episode erinnert. Es liegt auf der Hand, dass er primär den Mord an seinem Bruder aufklären will. Die Frauen sind daher alarmiert, immerhin gibt es einige von ihnen, die sehr Tief in diesen Fall involviert sind.

»Ach so, Sie glauben, wenn sie mich zur Alkoholikerin stempeln, werden Sie mich los. Warum suspendieren Sie mich denn nicht gleich vom Dienst?« Der Konflikt zwischen Anstaltsleitung und Stellvertretung schwelt und kann zu keinem gemeinsamen Nenner gebracht werden. In der Zwischenzeit fallen die Frauen über den neuen Zöllner her, bedrohen ihn und wollen ihn alle machen; Jutta greift ein. Doch auch dieser Herr ist offensichtlich mit allen Wassern gewaschen und kommt mit einer ganz speziellen Prüfungsanweisung nach Reutliz, was sich jedoch erst später herauskristallisiert. Zunächst geht es mit wohlgemerkt untersagten Privat-Ermittlungen weiter. »Ihr Bruder war ein Stück Scheiße, er hat uns hier alle wie den letzten Dreck behandelt. Ausgenutzt, durchgevögelt fürn paar Mark oder mit Gewalt!« Dies gibt beispielsweise Dagmar zu Protokoll und lenkt alles Weitere auf Jutta Adler. Also beißt sich Zöllner an ihr fest, die verwundbar und empfänglich für billige Annäherungsversuche ist, zumal diese beeindruckt war, wie unverfroren Zöllner mit der Kaltenbach geredet hat. So bildet sich die Adler ein Zöllner 2.0 ein und der Zuschauer bekommt Mitleid mit dieser einsamen und zutiefst verzweifelten Frau, zumindest bis zu ihren nächsten Schandtaten. Es ist kaum auszuhalten, wie die Adler ihm auf den Leim geht, aber es ist wieder einmal genügend Alkohol im Spiel. Bei einem Tête-à-Tête wird es ernst, aber nicht so wie zunächst vermutet: »Jetzt spiel mir bloß kein Theater vor, du versoffene Ziege!« Zöllner fliegt achtkantig aus der Wohnung, nachdem er Jutta als Komplizin für Drogengeschäfte im Knast beschuldigt hatte. Aber das war noch nicht alles, weil noch ein anderes Gespenst über Reutlitz zu beobachten ist. Bei Folge 25 handelt es sich um einen frühen Klassiker der Serie, der über alles verfügt, was der Zuschauer verlangt. Regisseur Bodo Schwarz inszeniert spannend und provokant, schickt dabei die besten zur Verfügung stehenden Pferde in die Manege, die dieses Spektakel einfach nur zur perfekten Unterhaltung werden lassen; allen voran Wolfgang Finck. "Falsches Spiel" stellt sich somit als vollkommen richtig heraus und bleibt nur schwer zu toppen.

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● FOLGE 26 | TRAUMHOCHZEIT (D|1998)
in den Hauptrollen: Barbara Freier, Katy Karrenbauer, Dirk Mierau, Cheryl Shepard, Claudia Loerding und Franziska Matthus
mit Isabella Schmid, Rainer Frank, Annette Frier, Christiane Reiff, Judith von Radetzky, Imke Barnstedt, Marie-Ernestine Worch, Kristiane Kupfer, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Bodo Schwarz



Daniel macht Lollo einen unerwarteten Heiratsantrag und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Die Trauung soll in Reutlitz stattfinden. Jutta Adler hält jedoch rein gar nichts von der Verbindung einer Kriminellen mit einem Polizisten und findet etwas heraus, dass die bevorstehende Eheschließung torpediert. Lollo ist bereits verheiratet; laut deren Aussagen handelte es sich dabei nur um eine Scheinehe, die allerdings niemals geschieden wurde. Daniel kommen ernste Zweifel, ob die Verbindung allen Widrigkeiten standhalten würde. Kann Lollo ihn noch vom Gegenteil überzeugen?

»Soweit ich weiß, wird das die erste Hochzeit in Reutlitz sein. Endlich mal ein erfreuliches Ereignis!« Erinnert man sich an die vielen Komplikationen, die es bislang im Knastalltag gegeben hat, so wirken die Worte von Frau Dr. Kaltenbach wie eine Ansage, zumal alles Weitere mit Frau Adler besprochen werden soll, die sicherlich kaum an einem reibungslosen Ablauf interessiert sein dürfte. »Frau Kühne hat in der Eile eine Winzigkeit übersehen, oder sollte ich lieber Frau Badouri zu Ihnen sagen?« Aufgrund ihres ironischen Tons merkt man der Adler deutlich an, dass ihr beim Überbringen derartiger Hiobsbotschaften einer abgeht, immerhin war sie ohnehin gegen diese Verbindung, da die Kriminellen für sie der letzte Dreck sind. Erinnert man sich an den Titel der Episode des Staffel-Finales, so wittert man jedoch Höhenluft, allerdings dürfte es ein steiniger Weg bis zum Traualtar werden. In der Zwischenzeit kommt es zu den gleichen Problemen zwischen Susanne Teubner und ihrer Schwiegermutter, die keineswegs an einer Aussage ihrer Enkelin gegen ihren Sohn interessiert ist. So lässt sich sagen, dass auch in Reutlitz wohl täglich das Murmeltier grüßt und es Dämpfer und Preller an allen Ecken und Enden gibt. »Du glaubst doch nicht, dass der Bulle auf ne abgegraste Weide zieht, vergiss es!« Lollo wird von den Frauen nicht gerade aufgebaut, hat aber noch die Anstaltsleitung in der Hinterhand, die Frau Adler mit ins Boot nimmt, deren Verständnis sich auch mit den üblichen Drinks vor, während und nach der Arbeit nicht ändern wird. In dieser Episode wird erneut auf die Missstände im Strafvollzug hingewiesen: gekürzte Gelder, Personalmangel und unklar voneinander abgegrenzte Zuständigkeitsbereiche, was sich jedoch auf zahlreiche Branchen übertragen ließe. In Reutlitz wird ein anschaulicher Kontrast zwischen der Chefin des Ladens und deren Stellvertreterin aufgebaut, da die eine wirklich helfen will, ambitioniert ist und einen konkreten Begriff vom modernen Strafvollzug hat, während ihre Kontrahentin nur auf Schikane aus ist und den Frauen Probleme machen möchte, die normalerweise vielleicht überhaupt nicht existieren würden.

»Wissen Sie, was sie sind? Eine alte, vertrocknete Jungfer, die es nicht ertragen kann, wenn andere glücklich sind!« Lollo provoziert die Adler in ungünstiger Art und Weise und weckt sozusagen schlafende Geier, droht bei dieser Gelegenheit auch noch damit, dass sie bald mit einem Polizisten verheiratet ist, dessen Kontakte sehr gut seien. Der »Geier« fühlt sich getroffen und lässt ein Fax verschwinden, welches alles in geregelte Bahnen bringen könnte. Ansonsten geht es von inszenatorischer und dramaturgischer Seite wieder einmal routiniert zu und es kommt zu vielen beiläufigen Ideen, die gut bei der Stange halten können. Die Frauen zeigen sich erfinderisch, wenn sie etwas durchziehen wollen, die Schließer lassen sich hier und da mit Leichtigkeit manipulieren und bei dieser Gelegenheit klammert man sich an die Hoffnung und Gewissheit, dass es in deutschen Gefängnissen dann doch nicht so zugeht, wie hier suggeriert wird. Aber es geht um Unterhaltung, also sind alle noch so abenteuerlichen Mittel erlaubt. Natürlich hofft man auf einen gelungenen, großen Knall fürs Staffel-Finale, doch alle Anzeichen stehen nur dafür, dass es etwas sentimentalen Balsam für die Seele geben wird. Angenehm ist, dass selbst die bislang zu Hassobjekten hochstilisierten Personen ihre humanen und zerbrechlichen Seiten zeigen dürfen und so kommt es zu einer sehr bewegenden Szene zwischen Claudia Loerding und Judith von Radetzky, die von Freundschaft, Vertrauen und Potenzial erzählt, indem alle Probleme des täglichen Lebens und des Alltags im Knast für ein paar Augenblicke beiseite geschoben werden. Natürlich sind auch wieder Dagmars Drogen-Geschichten und andere Aktionen an der Tagesordnung, um auf die immer währenden Kämpfe auf Station hinzuweisen, denn schließlich soll es mit der Serie ja noch ein paar Jährchen weitergehen. Am Ende sollen die Sentimentalen unter den Zuschauern zufriedengestellt werden, sodass "Traumhochzeit" lediglich zu einer Episode unter vielen geworden ist, deren rührselige Anteile im Vordergrund stehen. Spannend bleiben daher vor allem die Gedanken an den weiteren Verlauf der Serie, der mit Staffel 1 wirklich einen extrem guten Start erwischt hat.

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Re: HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST

Beitrag von Prisma »



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● WOLFGANG FINCK als GERHARD ZÖLLNER / KARL-HEINZ ZÖLLNER in
HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST (D|1997/98)



Der Lübecker Interpret Wolfgang Fink ist bekannt aus diversen Formaten, insbesondere aus dem Serienbereich und sollte die Messlatte für abartig veranlagte Schließer im Jahr 1997 sehr hoch anlegen. Somit ist sein Gerhard Zöllner quasi als Prototyp für alles anzusehen, was die Reutlitzer Frauen noch aushalten mussten. Dagmar Friese, Insassin und gleichzeitig seine Komplizin bei Drogengeschäften im Knast, charakterisierte ihn im Gespräch mit dessen Zwillingsbruder kurz und präzise: »Ihr Bruder war ein Stück Scheiße, er hat uns hier alle wie den letzten Dreck behandelt. Ausgenutzt, durchgevögelt fürn paar Mark oder mit Gewalt!« Mit diesen drastischen Worten hat die Insassin sicherlich nicht zu viel versprochen, denn Zöllner quälte, terrorisierte und demütigte die Frauen, wo es nur ging. Sein unsentimentaler und brutal inszenierter Abgang nach acht Folgen dürfte daher keine einzige Träne beim Publikum hervorgerufen haben, jedoch als episch in die Geschichte der Serie eingegangen sein. Man weiß nicht viel Privates über den Mann mit dem stechenden Blick, eigentlich nur, dass er verheiratet ist und für ne Mark und ne noch schnellere Nummer im Knast stets zu haben ist. Um sich abzusichern, bändelt er mit Jutta Adler an, der zu diesem Zeitpunkt kommissarischen Anstaltsleitung, um seine miesen Geschäfte auf sicheres Terrain zu bringen. Mit Gerhard Zöllner erlebt man drastische Szenen im Rahmen erschreckender Gewalt an Schutzbefohlenen: Vergewaltigungen, das Zusammenschlagen einer Insassin, Drogenhandel und Zuhälterei. Auch Jutta Adler, gefangen in tiefer Frustration und Einsamkeit, kann als eines seiner Opfer beschrieben werden, denn er verarscht sie von hinten bis vorne. Selbst nach seinem Verschwinden und dessen aufgedeckten Tod glorifiziert sie ihn als Kollegen mit Biss und Prinzipien, sodass man beinahe denkt, der Adler sei nicht mehr zu helfen. Als er Drogengeld abschreiben muss, pumpt er Jutta um ein paar Tausender an, um sie anschließend wie Scheiße zu behandeln.

Es ist kein Wunder, dass die Frauen ihn hassen wie die Pest und nach seiner Todesnachricht nichts als Erleichterung wahrzunehmen ist; zu viel hat er beispielsweise Vivi, Kathrin oder Martina angetan und es dürfte eine hohe Dunkelziffer an Übergriffen existieren. Wolfgang Finck ist sich nicht zu schade, jede Schandtat plastisch darzustellen, was teils für Bestürzung sorgt, auf der anderen Seite aber auch eine hohe Glaubwürdigkeit im Reutlitzer Märchenwald hervorruft. Bei einer Meuterei gerät er in eine Geiselnahme und es ist verwunderlich, dass die Frauen ihn nicht in der Luft zerfetzen, aber man braucht ihn schließlich für das Durchdrücken der Forderungen. Als Zöllner nach seinem Tod wieder in Form eines Zwillingsbruders im Gefängnis auftaucht, kommt es zu unangenehmen Gänsehautmomenten, Ohnmacht, Hysterie und blanker Angst, dass man den Mord noch einmal von vorne aufrollen, die Schuldigen dementsprechend zu fassen bekommen könnte. Im Rahmen seiner Doppelrolle, also zwei eigentlich verschiedenen Charakteren, spielt Wolfgang Finck eigentlich das gleiche völlig ätzende Gemüt eines durch und durch verkommenen Zeitgenossen in Uniform oder Anzug, dem andere scheißegal sind. Seine Leistung wurde hier bereits als überaus konzentriert beschrieben und vielleicht sogar mutig, denn immerhin soll es Zuschauer geben, die Rolle und Privatperson nicht voneinander trennen können. Dieses mehrfolgige Intermezzo in den Reutlitzer Knastmauern ebnet das Profil des widerlichen, perversen Schließers, dessen Referenzen von Gerhard Zöllner in Stein gemeißelt wurden: Er sollte korrupt, kriminell veranlagt, gewaltbereit und völlig rücksichtslos sein. In den Jahren sollten viele von ihnen auftauchen, auch weibliche Pendants, doch Wolfgang Fink bleibt trotz seiner wenigen Auftritte prägend in Erinnerung. Zudem handelt es sich um den ersten Mord hinter Gefängnismauern, der auch etliche Folgen danach noch für Spannung sorgen kann. Fahr zur Hölle, Zöllner! Chapeau, Wolfgang Finck!

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