MARGOT TROOGER

Leinwandsternchen und verkannte Stars im Blickpunkt
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Prisma
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MARGOT TROOGER

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MARGOT TROOGER

[* 02. Juni 1923 | † 24. April 1994]

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Prisma hat geschrieben:
Trotz zahlreicher Rollen in Kino-Filmen, die Margot Troogers Popularität im Endeffekt heute ausmachen, handelt es sich bei ihr um ein buchstäbliches Allround-Talent, vor allem der Fernsehauftritte, welche das Gros der Filmografie der bekannten Interpretin bilden, was ihr in Barcelona seinerzeit sogar eine Nominierung als weltbeste Fernsehschauspielerin einbrachte. Wenn man behauptet, dass Trooger wirklich jedem Kind bekannt sein dürfte, handelt es sich vielleicht um eine ältere Einschätzung, bezieht sie sich doch eher auf vorige Generationen, denn ihr markanter Auftritt als Fräulein Prysselius in "Pippi Langstrumpf" bleibt unvergessen-aufdringlich. Vom Typ her wirkt sie trotz einer auffälligen Wandlungsfähigkeit festgelegt, da sie im Spektrum unterschiedlicher Charaktere ihre eigene Marke anbietet und ihr Handwerk mit ganz hauseigenen Attributen auszustatten weiß. Ob als Dame von Welt, Persönlichkeit der gehobenen Gesellschaft, gewöhnliche Kriminelle, Frau der Weltgeschichte oder nur Kleinbürgerliche von Nebenan, Margot Trooger stellt jederzeit eine ernstzunehmende Kapazität dar. Ihr Handwerk liefert hochinteressante Studien der Gestik und Mimik, provokanter und dennoch so kultivierter Körpersprache und einer Schauspielkunst, die diesen Namen mehr als definiert, da sie individuell gefärbt aber ebenso an jegliche Situation angepasst zu sein scheint. Selten war eine Schauspielerin wahrzunehmen, die dem Empfinden nach so natürlich und selbstverständlich über den Dingen steht, wie sie.


Bei der 1923 in Thüringen geborenen Schauspielerin Margot Trooger handelt es sich wohl um eines der bekanntesten Gesichter des deutschen Nachkriegskinos, was nicht nur an ihrer quantitativen und qualitativen Leinwandpräsenz liegen mag, sondern sie spielte Rollen und entsprechende Charaktere zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Produktionen, die ein Millionenpublikum begeistern konnten. Wenn die Jahre langsam aber sicher vergehen, müssen Popularität und Bekanntheitsgrad vielleicht in der Relation der Zeit betrachtet werden, was die Karriere der Margot Trooger allerdings keineswegs schmälert. Obwohl sie längst kein unbeschriebenes Blatt mehr war, ihr Leinwanddebüt bereits 1949 feierte, muss ihr Auftritt als Marian Hastings in dem Durbridge-Straßenfeger "Das Halstuch" zweifellos als ihr endgültiger Durchbruch gewertet werden, ihre Cora Ann Milton in Alfred Vohrers beiden "Hexer"-Verfilmungen schlossen sich wenig später an und spielen in einer ähnlichen Kategorie. Das Spektrum der Interpretin umfasst nicht nur Kino und Fernsehen, sondern sie absolvierte auch erfolgreiche Bühnentourneen und konnte sich als Synchronsprecherin etablieren, zumal ihre weiche, wohlklingende und auf Pointierung achtende Stimme prädestiniert dafür erscheint. Betrachtet man die umfangreiche und vor allem entdeckungswürdige Filmografie der Schauspielerin, so zeigt sich eine merkliche Stringenz, da der deutsche und später auch internationale Film seine Erwartungen mit ihrer Tatkraft in entsprechenden Parts verwirklichen konnte. Ihre Karriere lässt sogenannte Jugendjahre in Film und TV vermissen, da sie nach Schule und Ausbildung erst mit Mitte 20 debütierte und auf dem Höhepunkt ihrer Karriere schon die Rolle der erfahrenen Frau glaubhaft transportieren sollte. Betrachtet man die Leinwandperson Margot Trooger drängt sich unweigerlich der Begriff Aura auf, die selbst bei nahezu eindimensionalen Rollen-Charakteren zu beobachten ist. Troogers ausgewiesene Markenzeichen sind Selbstbewusstsein und Nonchalance, in der Regel auch eine auffällige Selbstbestimmung der starken Frau von damals sowie eine teils geheimnisvolle Attitüde einer Dame, die andere gesellschaftliche Konflikte auszutragen wusste, als jüngere Kolleginnen.

Die Karriere belegt eine außergewöhnliche Kontinuität, die letztlich von einer Erkrankung unterbrochen wurde, denn die Schauspielerin litt an unheilbarer Lungenfibrose, bis sie sich im Jahr 1977 ins Privatleben zurückzog, nachdem ihre Auftritte zunehmend sporadischer geworden waren. Dem Empfinden nach hatte das Business immer passende Angebote für sie parat, ihre Beteiligungen sind stets Grund genug, sich einen Film überhaupt anzuschauen. Eine Festlegung auf bestimmte Rollen fand nur indirekt statt, was vor allem an Troogers Image gelegen haben dürfte, auch wenn ihre Parts oft unterschiedlich gefärbt oder von der Anlegung her konträr wirken. Am Ende blieb das Handwerk jedoch dasselbe. Die Zeit veränderte schließlich die thematischen Anforderungen, vielleicht auch die persönlichen Wünsche, sodass es immer wieder Parts zu erleben gibt, die man von der reizvollen Blondine vielleicht nicht erwartet hätte, auch wenn man ihr jegliche Anforderung jederzeit zutraut. Margot Trooger, deren 1955 geborene Tochter Sabina ebenfalls Schauspielerin ist, wurde über die Jahre mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, die letztlich einen Gradmesser ihrer Popularität darstellten. Doch wie sehen die individuellen Stärken der Margot Trooger bei aller Wandlungsfähigkeit und Dynamik eigentlich aus? Die Schauspielerin kann überwiegend in Rollen glänzen, die einen doppelten oder gleich mehrfachen Boden erfordern. Selbst Parts, die weniger dramaturgische Schärfe besitzen, erfahren eine natürliche Aufwertung im Rahmen schauspielerischer Dominanz und Intuition, dem Zuschauer etwas mehr als das Erforderliche geben zu wollen. Trooger wirkt meistens auffällig kultiviert, emotional zurückhaltend, was sie schließlich unnahbar erscheinen lässt; man kann ihr nur schwer in die Karten schauen. Auf der anderen Seite sind auch kühl kalkulierende, kleinbürgerliche oder gebrochene Frauen zu sehen, die unübersehbare strapaziöse Tendenzen aufzubauen wissen. Jedes Wiedersehen mit der Darstellerin bringt schlussendlich Premium-Eindrücke hervor, und es stellt sich als lohnende Aufgabe heraus, sie trotz ihrer Bekanntheit näher kennenzulernen. Ein Jahr vor ihrem Ableben im Jahr 1994 brachte Margot Trooger ihren beachtlichen Lyrikband "Sommerwiesen, Winterwälder – Gedichte vom Dasein" heraus.

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● MARGOT TROOGER als KATHARINA in
NUR TOTE ZEUGEN SCHWEIGEN (D|E|I|1962)



»Ich halte Grog für die Schlüsselfigur. Ohne ihn können sie diesen Fall nicht klären!« Beinahe ungläubig wird der Hinweis der Varieté-Choreographin Katharina zur Kenntnis genommen und die bislang spürbare Vehemenz der ermittelnden Beamten scheint bis auf Weiteres auf Eis gelegt zu sein. Derartig verheißungsvolle Behauptungen müssen zunächst einmal geordnet werden, konnten sie dem Zuschauer doch einen spürbaren Schauer über den Rücken treiben, denn Katharinas Hinweis, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gebe, fällt nicht unbedingt in die Kategorie der ausgemachten Abwegigkeiten. Die Krimi-Karriere der Interpretin Margot Trooger kam sicherlich in dem Straßenfeger "Das Halstuch" ins Rollen, bis sie fortan zu den mitformenden und immer wieder gebuchten Größen dieses Genres zählte. Wie das Hamburger Abendblatt in einer Kritik zum Film bescheinigte, sehe man die Schauspielerin hier in besonders interessanter Studie, was den Nagel völlig auf den Kopf trifft. Zwar handelt es sich um keine Hauptrolle im Geschehen, aber dennoch um die Rolle, die das mysteriöse und oft übernatürlich wirkende Element befeuert wie keine andere. Sporadisch in den Katakomben des Varietés zu sehen, ahnt man, dass die geheimnisvoll wirkende Blondine zum alten Inventar des Hauses gehört, folglich über alles und jeden informiert ist. Ihren ersten Paukenschlag versetzt Trooger beim kollektiven Verhör der Mitarbeiter des Theaters, als sie plötzlich aus dem Dunkel und förmlichen Nichts auftaucht. Sie gibt kryptische Andeutungen zu Protokoll, spottet im Umkehrschluss über die Erhebungen der Polizei - die eine Frau wie sie als Verrückte abstempeln würde - da sie sich ihrer Ansicht nach nicht um die wichtige und richtige Instanz in diesem Mordfall kümmern: die verschwundene Bauchrednerpuppe des Ermordeten. Für Katharina steht außer Frage, dass es sich um den einzigen Zeugen handle, immerhin war die Puppe namens Grog das zweite Ich des tot aufgefundenen Künstlers. Von Katharina geht eine eigenartige Art des Mitgefühls für ihren Kollegen aus, zumal sie offensichtlich der Ansicht bleibt, dass dunkle Mächte am Werk sind.

In Verbindung mit Margot Troogers unverwechselbarer Stimmfärbung entstehen hier mitunter die großen kleinen Momente des Szenarios, die durch ihr anschließendes Gespräch mit der Polizei abgerundet werden. Hier zeigen sich beinahe esoterische, mindestens aber geheimnisvolle Schwingungen, wenn man sie bei ihrer täglichen Arbeit stört. Des Weiteren ist aber auch der unbeirrbare Wille einer Frau zu bemerken, sich nicht von anderen aus dem Konzept oder von ihrem Weg abbringen zu lassen. Margot Troogers Erscheinung hebt sich rein optisch gesehen von ihren Kolleginnen Eleonora Rossi Drago und Mara Cruz durch die Kühle ihrer Aura ab, jedoch nicht ohne auf ihr unbändiges Temperament zu verweisen. Katharina erweckt den Eindruck, vollkommen über den Dingen zu stehen, auch ihre Beteiligung an der Aufklärung des Falles würde die Polizei ihrer Ansicht nach ein bedeutendes Stück weiterbringen. »Ich verdächtige nicht gerne, ich überführe lieber. Das sollten sie auch tun!«, hört man sie Inspektor Kaufmann abfertigen, was nichts anderes zeigt, dass sie die konventionelle Arbeit der Beamten nicht nur missbilligt, sondern für völlig ergebnislos hält. Sie verweist auf die verschwundene Bauchrednerpuppe und hält die mysteriöse Spannung erneut aufrecht, indem sie auf das Übernatürliche der Angelegenheit verweist. Auftritte von Margot Trooger sind stets besonders und fallen durch eine seltene Ausnahme-Intensität auf, die sich über gleich mehrere Bereiche definiert. Die kurzen und intervallartigen Auftritte der blonden Dame in Schwarz formen die Marsch- und Stilrichtung dieses hauptsächlich unterschätzten Films in ganz eigentümlicher Art und Weise. Wenn die Suche nach dem vermeintlichen Augenzeugen Grog immer noch läuft, sich Margot Trooger aber längst wieder in die geheimen und deswegen Sicherheit bietenden Winkel des Varietés zurückgezogen hat, bleibt eine denkwürdige und verstärkende Leistung in einer Geschichte, die es für einen Kriminalfilm blendend versteht, ein mystisches Element zu entwerfen und darüber hinaus aufrechtzuerhalten. Trooger empfiehlt sich außerdem für bekannte Rollen, die anschließend noch kommen sollten.

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● MARGOT TROOGER als ADELE KOENEN in
TATORT - WODKA BITTER-LEMON (D|1975)



»Ich bin Frau Koenen!« Mit bissiger, aber vor allem hochmütiger Selbstverständlichkeit rückt Adele Koenen ihren Stand im Haus und Familienbetrieb zurecht, als sie von Kommissar Haferkamp befragt wird, warum ihre Schwägerin, angeheiratete Frau Koenen, nicht am Familienrat teilgenommen habe. Zuvor konnte man als Zuschauer bereits einigen Streitigkeiten und Zurechtweisungen beiwohnen, die in der Villa Koenen offenbar an der Tagesordnung zu sein scheinen, denn die Akzeptanz für die wesentlich jüngere Frau ihres Bruders scheint schlicht und einfach nicht vorhanden und vorgesehen zu sein. Die Ablehnung setzt sich aus mehreren Komponenten wie beispielsweise einem Generationenkonflikt, mangelnder Unterwürfigkeit und sogar der auffälligen Attraktivität der jugendlich wirkenden Kontrahentin zusammen, die die Tochter des Hauses zu dem Schluss kommen lässt, ihre Schwägerin Petra passe nicht zu ihnen. In diesem "Tatort"-Klassiker handelt es sich um einen von Margot Troogers letzten Auftritten, bevor sie sich hauptsächlich krankheitsbedingt ins Privatleben zurückziehen musste, in einem späten Interview sogar darauf verwies, dass es schwer für sie sei, auf Altersrollen verzichten zu müssen. Obwohl der Betrieb von dem hier Mordverdächtigen Martin Koenen geführt wird, ist zu erkennen, wer eigentlich die Strippen zieht und die Kontrolle über alles und jeden in Händen hält. Dass die offenbar ledige Adele nicht auf diesem Posten sitzt, hat nur den ganz einfachen Grund, da sie kein Mann ist. Ihren Bruder hält sie für schwach, von Emotionen geleitet und leicht beeinflussbar, was sie sich allerdings zunutze macht. Ihm gegenüber wirkt sie beinahe mütterlich, lobend oder tadelnd, gewährt unterm Strich jedoch an der Etikette orientierte Narrenfreiheit. Dass ein ermordetes Lehrmädchen aus dem Betrieb Herrn Koenen in den Radius der Hauptverdächtigen manövriert, ist trotz aller Winkelzüge nur schwer wegzudiskutieren. Margot Trooger fährt ihre Betriebstemperatur herunter, versucht abzuwiegeln und zeigt sich der Polizei gegenüber zähneknirschend kooperativ. Alles muss daran gesetzt werden, einen Skandal zu vermeiden, der die Reputation beschädigen würde.

Trooger ist während ihrer Darbietung gleich in mehreren Funktionen gleichzeitig zu sehen, da sie sich ihrem jeweiligen Gegenüber anpasst wie ein Chamäleon. Ihre Schwägerin möchte sie aus dem Hinterhalt verschlingen wie ein Insekt, Kommissar Haferkamp beruhigen wie ein naives Kind, ihren Bruder halbherzig maßregeln, um unmittelbar klarzustellen, dass sie alles in die Hand nehmen wird. Frau Koenen ist mit ihren Aufgaben vertraut, was sich auch im anberaumten Familienrat zeigt. Ihr wäre es viel zu vulgär, sich selbst für die Übernahme der Familiengeschäfte vorzuschlagen, sodass sie diesen Gedanken erst bei allen fabrizieren muss, wobei sie wohl tatsächlich die fähigste Person für diesen Posten darstellen dürfte. So umgeht Adele die Familienstatuten und gesellschaftlichen Vorgaben ohne sich emanzipieren zu müssen, denn es bleibt keine andere Wahl. Als ihr Name fällt, sagt sie nichts, nimmt dies nur hochzufrieden zur Kenntnis. Zuvor konnte das Publikum Margot Trooger bereits an allen erdenklichen Fronten kämpfen sehen, doch sie verliert ihre persönliche Hauptaufgabe niemals aus den Augen, nämlich ihre eigene Schwägerin abzuwickeln. Die Verachtung beruht auf Gegenseitigkeit, die Erfahrung speist sich aus höchst unterschiedlichen Quellen und zeitlichen Intervallen, die Wahl der Angriffe und Gegenangriffe bleibt indirekt, wenngleich auch weniger subtil. Kommissar Haferkamp bleibt skeptisch, was Verunsicherung hervorruft, denn er lässt sich nicht mit Goldkanten-Phrasen einlullen. So kommt es zu Kosten-Nutzen-Entscheidungen und Adele Koenen zeigt sich kooperativ in den Verhören, die sie jedoch gerne als Bühne für die Diskreditierung ihrer Schwägerin benutzt. Zwischen Margot Trooger und Claudia Amm entwickelt sich in diesem Zusammenhang eine interessante Dynamik und Spannung, die jederzeit hochkochen und explodieren könnte. Eines haben die beiden ungleich wirkenden Frauen jedoch gemeinsam, denn sie lassen sich kaum einschätzen, was sie neben anderen Personen natürlich in den Kreis der Verdächtigen rückt. Antworten gibt es im Hause Koenen eigentlich nicht zu finden, allerdings Motive, die nur gedeutet werden müssen.

Für Margot Trooger handelte es sich um die einzige Arbeit der Saison 1975, bevor sie zwei TV-Produktionen später leider aus dem Beruf ausschied. Da sich "Tatort"-Krimis einer sehr hohen Beliebtheit erfreuten, die Interpretin außerdem beim Publikum sehr bekannt oder viel mehr anerkannt war, handelt es sich bei dieser Episode um die letzte größere Station in ihrer erfüllten Karriere. Sie kann hier nochmals fulminant beweisen, mit welcher schauspielerischen Kapazität und Ausnahmeerscheinung in Sachen Diktion und Dominanz man es zu tun hat. Margot Troogers Episoden-Hauptrolle scheint zunächst dazu platziert zu sein, um die bestehenden Hierarchieverhältnisse im Hause Koenen kennenzulernen. Ihrer Mutter gegenüber, die offensichtlich nicht mehr alles vom Meissener Porzellan im persönlichen Schrank zu haben scheint, wirkt sie kurz angebunden, behandelt sie abwiegelnd, jedoch nie ohne Verlust des Respekts. Adele weiß, was sie ihr zu verdanken hat, weiß aber ebenso gut, was sie alles durch ihre Mutter verwehrt bekommen hat. Eines schönen Tages wird sie die Stelle der alten Frau einnehmen, doch vielleicht ist sie bis dahin selbst seine solche. Ihrem Bruder gegenüber bleibt sie stets mütterlich wirkende Schwester, die Lob und Tadel variiert beziehungsweise gut dosiert. In der Hierarchie folgt ihre Schwägerin ihres Erachtens hinter der Dienerschaft; Adele ist sich sicher, dass sie nur an das Vermögen will, außerdem ist ihr Bruder unglücklich in seiner Ehe. Ihre Verantwortung dabei sieht Adele Koenen nicht. In "Wodka Bitter-Lemon" bietet Margot Trooger unter und über dem Strich ihr bekanntes Repertoire an und vereinnahmt noch einmal eine späte größere Bühne. Diese Frau hat Stil, selbst wenn sie stillos werden muss, die steht über den Dingen, sogar wenn sie in die Enge getrieben wird, außerdem kommt es zu einer bemerkenswerten Anpassungsfähigkeit, die Situationen nicht nur beeinflusst, sondern diese erst fabriziert. Insgesamt gesehen handelt es sich trotz der Schwere der Lage um eine hochkonzentrierte, teils denkwürdige und in Bezug auf darstellerische Kompetenzen leichtfüßige Interpretation in Ketten, welche die Messlatte für genau solche Gastauftritte in der Serie sehr hoch anlegt.

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● INTERVIEW MIT MARGOT TROOGER aus
SOMMERWIESEN WINTERWÄLDER - GEDICHTE VOM DASEIN



In dem Lyrikband "Sommerwiesen Winterwälder - Gedichte vom Dasein", der im Jahr 1994 bei R. S. Schulz erschienenen ist, kann ein interessantes Interview mit der Interpretin Margot Trooger gefunden werden, das 1979 von dem Redakteur Wolfgang Polte geführt wurde. Anstelle eines Vorwortes gibt Margot Trooger einen offenen Einblick in die Zeit nach ihrer Schauspielkarriere, die sie krankheitsbedingt bereits 1977 beenden musste, da sie an unheilbarer Lungenfibrose litt.

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● MARGOT TROOGER als BELLA MANNINGHAM in
GASLICHT (D|1960)



»Du warst so gut und warst ganz mein, alle Liebe war wieder da!« Voller Euphorie wirft Bella Maningham sich ihrem Gatten vor die Füße und träumt offen davon, dass die erst vierjährige Ehe wieder in gütliche Bahnen gelenkt werden kann, doch sie blendet dabei völlig aus, dass sie mit einem unverbesserlichen Zyniker und Kriminellen verheiratet ist, der sich einen perfiden Plan ausgedacht hat, sie in den Wahnsinn zu treiben. Bella hält trotz Demütigungen, Kränkungen und der Eiseskälte ihres Mannes an diesem Traum der Perfektion fest, immerhin scheint es sich bei ihr um eine Frau zu handeln, die alleine vollkommen unfähig wäre, alleine leben zu können, zumal es ihre schlechtere Hälfte pausenlos suggeriert. Margot Trooger und Dieter Borsche steigen hier buchstäblich in den Ring und es scheint ein Kampf unter völlig unterschiedlichen Kräfteverhältnissen zu sein. Sie ist eine träumerische Optimistin, die selbst bei völlig offensichtlichen Affronts gegen sich die Schuld nie bei ihrem Gegenüber sucht. Ist sie hysterisch, oder wurde sie über die Jahre gesehen dazu gemacht? Ihr Mann unterstellt ihr eine Art des Verfolgungswahns, der ausschließlich seine Erfindung ist. Lob und Tadel folgen in immer gleichen Intervallen, doch halten sich zugunsten der Maßregelung keine Wage. Immer wenn Bella wohlwollende Worte des Wolfes, der Kreide gefressen hat, vernimmt, wirft sie sich ihm an den Hals, wie eine Tochter dem Vater. Doch sie wird permanent zurückgestoßen. Die Interaktion von Trooger und Borsche ist fein abgestimmt, es bilden sich scharfe Gegensätze, die Bella in die Position der Bemitleidenswerten drängen. Man fragt sich, wie sie diese Hölle nur aushält. Ihr Gatte billigt, dass sie von der Bediensteten, die ihm schöne Augen macht, vorgeführt wird. Plötzlich fehlt ein Bild an der Wand - sie ist es angeblich gewesen, da Bella mittlerweile an ihrem eigenen Verstand zweifelt. Er flößt ihr irgend eine obskure, namenlose Medizin ein, damit sich ihr Zustand bessere; Mrs. Maningham macht alles mit, was nach kurzer Spieldauer beinahe unerträglich für den ebenso leidenden Zuschauer wird, doch man wartet auf die erhoffte Vergeltung und dass sich das Blatt endlich wenden möge.

Über die schauspielerische Qualität zu sprechen, sei wie Eulen nach Athen tragen - so einst Bernhard Wicki in einem Interview über seine Frau Agnes Fink. Dasselbe gilt gerade hier in buchstäblicher Weise auch für die Leistung von Margot Trooger, die eine Anpassungsfähigkeit bis zur Selbstaufgabe anbietet. Ihr Antagonist Dieter Borsche, dessen Schauspiel zwingend und einfach nur als überragend zu bezeichnen ist, bringt seine Partnerin an den Rand schauspielerischer Sphären, die mit Intuition, Emotion, Dynamik und völliger Loslösung gefüllt sind. Trooger ist in einem Wechselbad der Gefühle zu beobachten, doch es ist mehr als das. Ihre mentale, psychische Stabilität ist empfindlich getroffen, sie spielt überschwänglich-hysterisch, um anschließend in Zustände der Starre und Resignation zu verfallen. Diese darstellerische Mehrfachanforderung, die viel mehr ein ständiges und vor allem unmittelbares hin- und herspringen in Kontrasten darstellt, macht Troogers Leistung so interessant und intensiv zugleich. Selbst als die Beweise auf dem Tisch liegen, dass sie es mit einem Lump und Ehebrecher zu tun hat, verfällt sie in den Verteidigungsmodus und will Wahrheiten nicht anerkennen, stellt sich ganz selbstverständlich vor ihren Mann, indem sie sich als Schuldige auf einem Silbertablett serviert. Selbst das Publikum möchte diese Frau wach rütteln, ist aber gleichermaßen von dieser außerordentlichen Darbietung gefesselt, die selbst für die Bühne qualifiziert gewesen wäre. Die Interpretin spielt in hohem Maße mit ihrer Gestik und Mimik, passt ihre Stimme und Stimmung jeglicher Situation an. Am Ende hofft man inständig, dass sie ihre guten Karten ausspielen wird, doch man zweifelt. So ist ihr schnell eine gewisse Naivität oder gar Einfältigkeit unterstellt, doch es handelt sich um keine dumme Frau. Im Gegenteil: Sie ist mit den Maximen des Frauseins in einer Art und Weise vertraut, die ihr Mann schlicht und einfach nicht verstehen, folglich auch nicht ertragen kann. "Gaslicht" stellt in Margot Troogers Filmografie ein echtes Highlight dar, zumal zusätzliche Nuancen ihres Könnens zutage kommen, die innerhalb festgelegter Anforderungen oft nicht gefragt waren.

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● MARGOT TROOGER als DINAH PAWLING in
DAS VERÄTERTOR (D|GB|1964)



Margot Trooger feierte ihre größten Publikumserfolge in dem 1962 entstandenen Straßenfeger "Das Halstuch" und in Alfred Vohrers "Der Hexer", in welchem sie als Cora Ann Milton einen beispiellos fulminanten Einstieg in die Serie verbuchen konnte. Ihre Verpflichtung in dieser anschließend hergestellten deutsch-britischen Co-Produktion stellt somit eine völlig logische Konsequenz dar, um anschließend erneut in "Neues vom Hexer" mitzuwirken. Drei Rollen in unmittelbar aufeinanderfolgenden Filmen konnte letztlich kaum eine andere Kollegin verbuchen, was alleine aus diesem Grund schon erwähnenswert ist. Doch zurück zu ihrer hier dargestellten Dinah Pawling, bei der es sich laut Aussagen ihres Chefs und Komplizen Albert Lieven alias Trayne um eine Dame handelt. Margot Troogers Interpretation ist wie so häufig geprägt von einer damenhaften Erscheinung und ganz magischen Aura, die hier allerdings einige Lockerungen erfahren wird. In bestimmten Situationen legt sie nicht nur ihre unsentimentale Maske ab, sondern gleichzeitig ihre Diskretion, was sie ein wenig nahbarer erscheinen lässt, allerdings nur für ihren jungen Liebhaber, der gnadenlos in ihrem eigenen Plan verheizt werden sollte. Dinah ist über jedes kleinste Detail des bevorstehenden Kronjuwelenraubes orientiert, entscheidet mit über Leben oder Tod, falls sie es für richtig hält. »Und ich kenne seinen Plan Punkt für Punkt!«; eine Aussage, die hellhörig werden lässt, da die Wallace-Reihe derartige Generalvollmachten eher für die männlichen Kollegen vorbehalten sollte. Von daher kann alleine aus diesem Grund von einem ganz besonderen weiblichen Part gesprochen werden, der wie alle von Margot Troogers Auftritten bei Wallace den Status von etwas ganz Besonderem besitzt, und zwar auf allen erdenklichen Ebenen. Die Architektur einer Trooger-Rolle ist stets bemerkenswert, zehrt sie doch von einer leichtfüßigen Art zu spielen, die jedoch nie lose oder vage wirkt. Ihre Schlagfertigkeit ist berüchtigt, ihre damenhafte Erscheinung verliert sich niemals in Allüren oder Eitelkeiten, sondern sie pflegt über den Dingen zu stehen, ohne dabei herablassend zu wirken.

Bei Wallace und insbesondere hier bedeutet dies, dass sie vielleicht mehr als alle anderen über alles und jeden Bescheid weiß, was sie dennoch nicht in den Radius einer gewöhnlichen Kriminellen rückt, sondern ihr einen eigenartigen Sympathie-Status einräumt. Dinah Pawling zeigt bei aller Perfektion und Choreografie nur einen Fehler: Sie hat ein aufkommendes Gefühl für ihre eigene Schachfigur nicht kommen sehen. Dies erscheint nicht weiter tragisch zu sein, da sie kühl und pragmatisch in andere Richtungen kalkulieren kann, somit zum bedeutendsten Offizier dieser Verbrecher-Bande wird, in der sie nicht nur Prokura, sondern auch den längeren Atem sowie die besten Nerven von allen besitzt. Es ist beeindruckend, Troogers doppeltes Spiel im Rahmen einer Präzisionsdarbietung zu beobachten; alles sitzt perfekt, von der Frisur bis zur Gestik und Mimik. Bei Dinah Pawling gehen schlicht und einfach irgendwann die Möglichkeiten aus, sich einer minutiös kalkulierten Situation anzupassen, die außer Kontrolle gerät. Analysiert man die Funktion ihrer Figur von Anfang bis Ende, so lässt sich feststellen, dass sie als sicherstes und zuverlässigstes Zahnrad in der Maschinerie etabliert ist. In einem Nebensatz erwähnt Dinah, dass ihre Beziehung zu Trayne momentan rein geschäftlich sei, was zumindest andeutet, dass die effektiven Waffen einer Frau einzusetzen weiß. Mit dem soeben aus dem Zuchthaus Dartmoor befreiten Sträfling Graham beginnt sie eine Affäre und teilt ihr Wissen, was sich zu nichts anderem als einem Schleudersitz entwickeln kann. Des Weiteren haben sich die Positionen verändert, denn die normalerweise begehrte Frau verliert ihre Ansprüche, da sie es plötzlich ist, die begehrt und dementsprechend bereit ist, alles für ihren jüngeren Liebhaber zu tun. Es ist von Anfang an fraglich, ob sich bei Graham jemals ein aufrichtiges Gefühl gegenüber Dinah entwickelt hat, aber sie werden partners in crime und l'amour. Zur Zeit der Produktion befand sich Margot Trooger auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und es sollten noch viele breit beachtete und wichtige Rollen hinzukommen, die sie auch heute noch in lebhafter Erinnerung konservieren.

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