Rocker sterben nicht so leicht
(La lunga spiaggia fredda)
IT, 1971
Regie: Ernesto Gastaldi Musik: Stelvio Cipriani Darsteller: Robert Hoffmann, Mara Maryl, Riccardo Salvino, Walter Maestosi, Joshua Sinclair, Claudio Trionfi, Fabian Cevallos, u.v.m.
Inhalt: Ein junges Ehepaar Jana (Mara Maryl) und Harry (Walter Maestosi) will dem Alltag entfliehen und verbringt ein Wochenende in ihrem Strandhaus. Es dauert nicht lange da stehen vier verruchte Biker vor ihrer Tür und gewähren sich handfesten Einlass. Gewalt und Psychospiele nehmen ihren Lauf…
Kurzkritik: Wer etwas mit Filmen wie "Verflucht zum töten" (La settima donna, 1978) oder "Neun Gäste für den Tod" (Nove ospiti per un delitto, 1977) anfangen konnte, ist bei "Rocker sterben nicht so Leicht" (La lunga spiaggia fredda, 1971) genau richtig, auch wenn dieser die anderen beiden weit übertrifft. Es ist eine von Ernesto Gastaldiss wenigen Regiearbeiten, zeigte er sich sonst als DER Mann für gute Drehbücher in den 60er und 70er Jahren des italienischen Genre-Films verantwortlich: Arizona Colt (1966), Sartana (1966), Frauen bis zum Wahnsinn gequält (1970), Der Berserker (1974), Die Gewalt bin ich (1977) um nur wenige zu nennen, sehr häufig arbeitete er auch mit Sergio Martino zusammen.
Aufgrund der einem Kammerspiel anmutenden Szenerie kommt der Film mit nur sechs Darstellern aus. Wir sehen Mara Maryl, die hauptsächlich in Gastaldis Filmen zu sehen ist, Walter Maestosi, Robert Hoffmann, sowie Riccardo Salvino, Joshua Sinclair und Fabian Cevallos. Die Musik stammt von Stelvio Cipriani, am Drehbuch hat neben Gastaldi und dessen Stamm-Kollegen Vittorio Salerno noch Alberto Cardone mitgewirkt. Für die Kamera zeigt sich Benito Frattari verantwortlich, der seinerseits an Klassikern wie "Mondo Cane" (1962) und "Addio, Onkel Tom!" (1971) beteiligt gewesen ist.
Der Film kommt mit nur einer Location aus, der des langen Strandes samt Ferienhaus und Biker-Zelt, was durchaus für ein niedriges Budget spricht. Es ist schon eine beklemmende Atmosphäre die entsteht und das obwohl der lange Strand und die endlose Weite des Meeres eigentlich eher die Freiheit symbolisieren. Wir werden Zeuge des Konflikts zwischen dem Gutbürgertum in Form des jungen Ehepaares und anarchistischen Hippies, ähnlich wie bei Dennis Hoppers Meisterwerk "Easy Rider" (1969), wenn auch mit weniger dramatischen aber ebenfalls sehr tragischem Ende. Gastaldi nimmt sich viel Zeit für die Ausgestaltung der zwischenmenschlichen Elemente, die dadurch entstehende Spannung untereinander, und zelebriert diese regelrecht.
Eine zu Unrecht vergessene Perle, die in beiden deutschen Fassungen (Kino & VHS) leider gekürzt ist.
Rocker sterben nicht so leicht (D)
Death Company (D)
La lunga spiaggia fredda (IT)
Terreur sur la plage (F)
Våldets strand (SWE)
The Lonely Violent Beach
IT 1971
R: Ernesto Gastaldi
D: Robert Hoffmann, Mara Maryl, Riccardo Salvino, Walter Maestosi, Joshua Sinclair, Fabian Cevallos, Claudio Trionfi
Wo immer sie auftauchen auf ihren Höllenmaschinen, verbreiten sie Angst und Schrecken. Rasende Motorräder in wilder Jagd. Ständig auf der Flucht vor dem Gesetz und auf der Suche nach unendlicher Freiheit. Bei einem Wochenendurlaub wird ein junges Ehepaar (Mara Maryl und Walter Maestosi) von einer wilden Rockerbande (Robert Hoffmann, Joshua Sinclair, Riccardo Salvino und Fabian Cevallos) überfallen. Der Anführer dieser ‘Death Company’ vergewaltigt die junge Frau. Trotz des Verbrechens fühlt sich die junge Frau zu diesem hartgesottenen Rocker hingezogen. Aber Rivalität unter den Bandenmitgliedern entfacht einen unaufhaltsamen Kampf auf Leben und Tod – Verdammt und verloren bis in die Ewigkeit. [Quelle: Sunshine Pictures]
Ernesto Gastaldis ROCKER STERBEN NICHT SO LEICHT stellt quasi die italienische Antwort auf die Bikerfilmwelle dar, die Ende der 60er in den Vereinigten Staaten ihren Anfang nahm.
Basierend auf einem Drehbuch, an dem neben Gastaldi auch Alberto Cardone und Vittorio Salerno mitwirkten, erzählt der Film die Geschichte eines Ehepaares, das ihr Wochenende in einem abgelegenen Strandhaus verbringen möchte. Besser gesagt, möchte eigentlich nur Harry das Wochenende in dem Strandhaus genießen, wohingegen ihn seine Ehefrau Jane wohl oder übel begleitet, denn sie ist von der Monotonie ihres Ehelebens angeödet. Während also Harry gut gelaunt seine unglücklich wirkende Ehefrau mit seiner Kochkunst bezirzen möchte, spaziert Jane viel lieber halbnackt den Strand entlang, um dem schnöden Eheleben wenigstens für kurze Zeit zu entfliehen. Am Abend kommt es dann zur Erfüllung der ehelichen Pflichten, wobei sie das Liebesspiel leidenschaftslos über sich ergehen lässt. Doch bereits am nächsten Tag ändert sich ihr trostloses Leben von jetzt auf gleich, denn vier grimmig dreinschauende Rocker schauen plötzlich zur Tür des Strandhauses herein. Was von da an folgt, entpuppt sich für die Beiden als der reinste Terror. Während sich der Kopf der Bande, Fred, ungefragt mit Jane amüsiert, geht Harry sprichwörtlich durch die Hölle, denn nachdem ihn die drei anderen Gangmitglieder gequält und erniedrigt haben, muss er auch noch feststellen, dass Jane bereits seit längerer von seinem spießgeselligen Dasein angeekelt ist. Und als wäre das alles noch nicht genug, fühlt sich Jane zu allem Überfluss auch noch zu Fred hingezogen.
"Damals waren wir ein bunter Haufen, fröhliche Hippies.
Jetzt sind wir Rocker, hart und brutal."
Soweit, so gut, aber was von da an folgt, hätte ich mir niemals träumen lassen: Fred, der sich ebenfalls ein wenig zu Jane hingezogen fühlt, quälen plötzlich Gewissensbisse, denn er muss sich zwischen Liebe und Verrat entscheiden. Obwohl er zunächst in den Schoß seiner Bikerfamilie zurückkehrt und Jane somit Harry überlässt, kommt es in den Reihen der Rocker zu unüberwindbaren Spannungen, an deren Ende ein halbtoter Fred auf den Wellen des Meeres treibt. Entgegen der Annahme seiner drei sauberen Kollegen überlebt der schwerverletzte Fred jedoch das Bad im Meer. Mit letzter Kraft gelingt es ihm, sich erneut in das Strandhaus zu retten, in dem auch Jane und Harry weiterhin festsitzen. Wer jetzt aber meint, dass der Film an diesem Punkt für Jane und Fred mit einem Happy End abschließt, der ist völlig falsch gewickelt, denn der stellt sich somit erneut die Wahl, wobei aber der entthronte Bandenführer letztendlich die falsche Entscheidung trifft. Spätestens ab diesem Zeitpunkt stellt sich dann auch die Frage, ob das Ganze vielleicht nicht eher als Parodie angelegt ist, denn Fred lebt in einer Realität, die der gegebenen Lebenswirklichkeit diametral widerspricht. Das Ergebnis: Ein tragisches Ende, bei dem es nur Verlierer gibt.
Inszenatorisch wirkt Gastaldis Film wie eine Art Kammerspiel in vier Akten, dessen Wirkungssttäten sich auf das Strandhaus sowie den Meeresstrand und die nahe gelegene Dünenlandschaft beschränken. Eins der zentralen Highlights stellt dabei die Bildgestaltung von Benito Frattari dar, die sowohl wunderschön fotografierte Landschaftsaufnahmen bietet als auch eine versierte Kameraführung, die mit zahlreich vertretenen technischen Finessen überzeugt. Hinzu gesellen sich gut aufgelegte Schauspieler, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten äußerst interessante Darbietungen zum Besten geben. Während Walter Maestosi und Mara Maryl, die damalige Ehefrau von Ernesto Gastaldi, das ungleiche Ehepaar verkörpern, spielt Robert Hoffmann den Kopf der gesetzlosen Rockergang, die auf ihren bunt-lackierten Motorrädern ganze Landstriche unsicher machen. Leider bekommt ihm das Intermezzo mit Mara Maryl nicht besonders, aufgrund dessen er nämlich in einen elementaren Gewissenskonflikt stürzt, den er von da mit pseudo-philosophischen Erklärungsmustern zu bewältigen versucht. Das Ganze wirkt nicht nur äußerst grotesk, sondern trägt auch zu einigen heiteren Stimmungsmomenten bei, die sich der grimmige Film trotz seiner ungestümen Aufgebrachtheit bewahrt hat. Was die deutsche Synchronfassung anbelangt, so wurde diese mit erstklassigern Sprechern besetzt. Leider entpuppen sich sowohl die deutsche Kinofassung als auch die VHS-Fassung als gekürzt. Die deutsche VHS-Fassung, die unter dem bekloppten Titel DEATH COMPANY auf den Markt gebracht wurde, lässt neben Gewaltspitzen auch den kompletten ersten Akt missen, in dem bereits ausgiebig auf die Eheprobleme von Jane und Harry eingegangen wird. Letztlich fehlen die kompletten ersten 10 Minuten, die wiederum die Anfahrt, Ankunft sowie der leidenschaftslose Beischlaf zwischen den beiden gefühlsverduselten Eheleuten beinhalten. Abgerundet wird das Spektakel mit einer erstklassigen Filmmusik von Stelvio Cipriani, die ich mir auch immer wieder gerne anhöre. Was jetzt noch fehlt, ist eine adäquate BD dieser filmischen Besonderheit, von der es in dieser Form kein zweites Werk gibt. Bin schwer begeistert.