Eva Bartok
● SEI DONNE PER L'ASSASSINO / 6 FEMMES POUR L'ASSASSIN / BLUTIGE SEIDE (I|F|D|MCO|1964)
mit Cameron Mitchell, Thomas Reiner, Lea Krüger, Claude Dantes, Arianna Gorini, Dante Di Paolo, Heidi Stroh, Giuliano Raffaelli, Franco Ressel, u. a.
eine Produktion der Emmepi Cinematografica | Les Productions Georges de Beauregard | Top Film | Monachia Film | im Gloria Verleih
ein Film von Mario Bava
Mario Bavas "Blutige Seide" zählt zu den Prototypen des Giallo-Genre und es ist auch nach Jahrzehnten noch überaus erstaunlich, wie sehr sich der wegweisende Charakter herausfiltern lässt, beziehungsweise richtiggehend in Reinkultur präsentiert wird. Im stilistischen Sinn ist somit durchaus eine Art Meisterwerk entstanden, das quasi gleichermaßen beispiellos war und bis heute auch beispielhaft geblieben ist. Die Wendung style over substance wurde für Mario Bavas Beitrag vielleicht nicht direkt erfunden, aber "Blutige Seide" ist in diesem Zusammenhang als Musterbeispiel und auch als ganz offenkundige Expertise zu sehen. Die Verpackung lockt das Publikum mit beinahe allen Farben dieser Welt an, startet grelle Ablenkungsmanöver und übertüncht die in Teilen durchschnittliche Geschichte sehr bestimmend. Der Verlauf kann vielleicht eher als eine visuelle Attacke angesehen werden, was mehr darstellt, als unter normalen Umständen zu erwarten wäre, aber das Wichtige ist, dass dieser Film auch nach so vielen Jahren immer noch phantasievoll, erfrischend, agil und einfach modern wirkt, wie eigentlich kaum ein anderer aus dieser Dekade. Der Plot hätte sich als hinkender Vergleich vielleicht in der seinerzeit entstandenen Edgar-Wallace-Reihe beim Edel-Mittelmaß wohlgefühlt, wenngleich die Reihe für derartig stilistische Revolutionen zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen ist. Wie man sieht, wird man bei "Blutige Seide" manchmal zu Vergleichen verleitet, aber vor allem dazu, nach seinesgleichen zu suchen. Zur hohen Stil-Dichte der Geschichte tragen die Beteiligten Charaktere bei, die in Form eines spektakulären Besetzungs-Karussells künstlich Gestalt annehmen.
Die aus Ungarn stammende Britin Eva Bartok - eine der telegensten und am besten bezahlten Darstellerinnen auf europäischem Parkett - stand mit "Blutige Seide" bereits vor dem Ende ihrer turbulenten Karriere, und es gibt viele Gründe, warum gerade dieser Auftritt zu einem ihrer einprägsamsten und besten avanciert ist. Bartok, die dem Empfinden nach mit zunehmendem Alter immer geheimnisvoller, aber vor allem auch immer schöner wurde, zeigt eine beachtliche Performance. Betrachtet man das Set, so wäre beinahe zu dem Schluss zu kommen, dass die Verpflichtung von Eva Bartok bestimmt kein Zufall gewesen sein kann, da sie sich in das artifiziell wirkende Umfeld nicht nur einfügt, sondern auf eigenartige Art und Weise wie geschaffen dafür wirkt. Haute Couture und Jet Set waren auch privat ihre Domänen, und so scheint ihr Image und die zu interpretierende Person miteinander zu verschmelzen, beziehungsweise die Voraussetzungen werden genau wie das Material Darsteller im Sinne aller Rahmenbedingungen dienstbar gemacht. Das Konzept Eva Bartok geht unter der Leitung von Mario Bava vollkommen auf. Wie bei allen anderen Charakteren auch, sieht man vornehmlich Oberflächlichkeit und künstliche Züge, die von Contessa Cristiana nahezu delegiert werden. Es handelt sich um eine recht interessante Variante, dass selbst die Schauspieler der Verpackung, oder der Silhouette des Films komplett untergeordnet erscheinen und lediglich wie hübsche Staffage wirken. Die Mannequins, die in der Agentur herumschleichen, wirken wie sprechende Schaufensterpuppen und die Auswahl der Darstellerinnen ist dabei perfekt, da man hauptsächlich auf Gesichtszüge achtete, die Markantes mit Zerbrechlichem vereinen.
Die Herren bedienen hier ein ähnliches Prinzip, da sie ausschließlich Stereotype zeichnen. Keiner von ihnen sticht besonders hervor, aber es ist ebenso wenig auf sie zu verzichten. Bemerkenswert ist, dass "Blutige Seide" für damalige Verhältnisse in allen Bereichen revolutionär erscheint, und es in vielerlei Hinsicht bis heute so geblieben ist. Der Film der Umkehrreaktionen besticht durch sein grelles Farbenspiel, Licht und Schatten symbolisieren Gefahr und Zerstörung, wirken aber gleichzeitig anziehend, ja nahezu verlockend. Das Artifizielle nimmt in diesem Szenario greifbare Gestalten an und Bava geht einen mutigen Schritt weiter, indem er sich eigentlich der Gesetze des S/W-Films und seinerzeit gängigen Formaten bedient, doch das Ganze wurde eben farblich angereichert, unterm Strich sogar optimiert. Die Bildgestaltung ist und bleibt in jeder Szene einfach umwerfend, denn es werden ungeahnte Konturen offen gelegt. Beinahe könnte man sagen, dass Reliefs erschaffen werden, die vielleicht heute noch nach Vergleichen suchen dürfen. Die flexible Kamera-Arbeit nutzt die Tiefe des Raumes optimal aus und das Detail-Bewusstsein ist bemerkenswert. Die vor allem eher klassische als ausgefallene Musik rundet das Geschehen sehr gut ab und das Ziel, Spannung zu erzeugen, wird definitiv erreicht. Man vergibt diesem Feuerwerk der visuellen Eindrücke seine Schwächen, die beispielsweise bei konventionellen Krimis wie ein langsam schleichendes Gift gewirkt hätten. Die Auflösung kommt dem Empfinden nach zu früh, und das Finale ist nicht stark genug, um diesen Eindruck zu überlagern. Isoliert man das Gerüst sowie die Geschichte an sich, bleibt eigentlich ein herkömmlicher wenn auch überaus verlässlicher Charakter zurück. Stilistisch und inszenatorisch gesehen, thront jedoch ein Meilenstein innerhalb eines Genres, dessen Farben niemals verblassen werden. Unterm Strich will auch die angemerkte Kritik hier nicht so recht greifen, wenn man bedenkt, dass das Konzept des Films eindeutig in eine andere Richtung geht. "Blutige Seide" sollte man als vornehmlich eleganten und zeitlosen Beitrag unbedingt gesehen haben.