● FOLGE 36: TOD EINES LADENBESITZERS (D|1971)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Curt Bois, Werner Kreindl, Hans Herrmann Schaufuss, Fritz Rasp, Margarethe von Trotta, Lisa Helwig, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Staudte
Ein alter Mann steht vor dem Spirituosen-Sortiment und hat dieselben glänzenden Augen, wie sie Kinder haben, wenn sie vor dem Süßigkeiten-Regal stehen. Doch diese beinahe unschuldig wirkende Situation wird plötzlich durch einen Zwischenfall und einen unangenehmen Ladenbesitzer gestört, der den alten Herrn vor die Türe setzt und entnervt abschließt. Plötzlich geschieht ein Mord, der in Standbildern lediglich von den Schreien des Opfers untermalt wird. Schnell führt die Spur in das nicht weit entfernt liegende Altenheim, und die Ermittlungen werden sich sowohl als interessant, als auch schwierig erweisen, weil es die Polizei mit Gegenspielern zu tun bekommt, die ohnehin nichts mehr zu verlieren haben. Schnell stellt sich heraus, dass das Drehbuch mit uralten Konflikten der Generationen jonglieren möchte, so wie es die Dialoge mit der Erfahrung älterer Menschen tun, welche in diesen Fällen nicht mehr das höchste, sondern das offenbar einzig verbliebene Gut dieser Menschen im goldenen Käfig darstellt. Die Angst, ausgedient zu haben, die Furcht vor dem Abstellgleis, oder besser gesagt vor der Endstation, dem Wartezimmer zum Jenseits, wird quasi stillschreiend thematisiert, doch die besseren Lösungen haben nun stets die jüngeren Generationen parat. Das Szenario wirkt unter der Regie von Wolfgang Staudte überaus grotesk. Durch Mord und Polizei scheinen sich alle Beteiligten belästigt zu fühlen, die Heimleitung kommt ins Rudern, weil die mühsam aber unerbittlich aufgebaute Tagesstruktur gestört wird, das Bild nach außen beschädigt werden könnte. Ansichten und Befehlston kommen dem Umgang in einer Kaserne gleich, welcher von lebenden Toten nur noch resigniert oder unbeteiligt quittiert wird. Die überspitzte Darstellung soll bestenfalls auf Missstände hinweisen und schlimmstenfalls die Realität simulieren, doch reicht es wegen vermeintlichen Kleinigkeiten schon für Mord? Kommissar Keller und seine Leute werden ein Liedchen davon singen können, dass sie bereits wegen viel weniger bemüht werden mussten, und man es zum Teil kaum fassen konnte, wozu die Klientel im Zweifelsfall fähig sein kann.
Die Heimleitung wird von Werner Kreindl ausgezeichnet dargestellt. Mit Wendungen wie »alle Vergünstigungen werden gestrichen!«, oder »alte Leute haben ein anderes Verhältnis zur Realität!«, fällt er binnen kürzester Zeit als überaus unbequeme Instanz auf. Die außerordentliche Situation macht ihn dennoch sichtlich nervös und er fühlt sich von der neuen Unordnung bedroht, denn sie kommt einfach zu spontan für ihn. Bei den älteren Herrschaften fällt im Besonderen Curt Bois auf, der das erfahrene Sprachrohr einer kompletten Mannschaft glaubhaft darzustellen weiß. Da man hier versucht hat, alle Generationen abzudecken und in dieser Farce zu Wort kommen zu lassen, ist noch der kurze Auftritt von Margarethe von Trotta erwähnenswert, die ihren Großvater in das Seniorenheim bringt, beziehungsweise einfach abstellt. Obwohl kein Leerzimmer, sondern nur noch ein einzelnes Bett frei ist, lässt sie ihn zurück, da sie den alten Herrn sonst wieder mit sich nehmen müsste. Kommissar Keller geht sachlich und zielstrebig vor, vergisst es jedoch in keinem Moment, den Senioren mit Respekt und Verständnis gegenüberzutreten. Was ihm und dem Zuschauer so eigenartig erscheint, ist, dass der Mord keinerlei Bestürzung bei irgend jemandem auslöst, sondern eher Solidarität und beinahe eine neue Agilität. Der Heimleiter wittert eine Meuterei und geht mit verschärften Methoden vor, um die renitenten Gäste in die Schranken zu weisen. Die Eindrücke überschlagen sich. Folge 36 ist insgesamt schön fotografiert worden und überrascht mit einer eigenartigen beißenden und kontrakt wirkenden Musik, die nicht zum Geschehen passen möchte. Wolfgang Staudte inszeniert letztlich nicht uninteressant, jedoch basiert diese Folge, aus der man das Möglichste herausgeschlagen hat, auf Unwahrscheinlichkeiten und kippt thematisch gesehen zum Ende hin leider erwartungsgemäß um; darüber kann auch die ziemlich spannend inszenierte finale Sequenz nicht hinwegtäuschen. Zu viele dumpf klingende, unangenehm formulierte Untertöne, und eine entgleiste Absolution für ein Verbrechen haben insgesamt schließlich nicht überzeugen können.