DAS BÖSE UNTER DER SONNE - Guy Hamilton

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Prisma
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DAS BÖSE UNTER DER SONNE - Guy Hamilton

Beitrag von Prisma »




Peter Ustinov

DAS BÖSE UNTER DER SONNE


● EVIL UNDER THE SUN / DAS BÖSE UNTER DER SONNE (GB|1982)
mit Jane Birkin, Colin Blakely, Nicholas Clay, James Mason, Roddy McDowall, Sylvia Miles, Dennis Quilley, Diana Rigg, Maggie Smith und Emily Hone
eine Produktion der EMI | Titan Productions | Mersham Productions | im Verleih der Tobis Filmkunst
nach dem gleichnamigen Roman von Agatha Christie
ein Film von Guy Hamilton

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»Man kann Tote nicht verleumden!«


Auf einer griechischen Mittelmeerinsel kommt es zu einem ausgelassenen Treffen mehrerer Mitglieder der besseren Gesellschaft; doch ist dieses Zusammenfinden auch rein zufällig? Meisterdetektiv Hercule Poirot (Peter Ustinov) hat das Verschwinden eines wertvollen Diamanten aufzuklären und schon bald stellt sich heraus, dass er genau am richtigen Ort angekommen ist. Die ehemalige Broadway-Ikone Arlena Marshall (Diana Rigg) wird tot aufgefunden und es handelt sich eindeutig um Mord. Interessant bei Poirots Ermittlungen ist die Tatsache, dass so gut wie jeder der Anwesenden einen Grund gehabt hätte, die verhasste Diva ins Jenseits befördern, schließlich ging sie mit ihren Mitmenschen nicht gerade zimperlich um. Zwar besitzt jeder Verdächtige ein Motiv, aber ebenso ein Alibi. Wer hat den Mord verübt, den eigentlich niemand begangen haben kann?

Guy Hamiltons Poirot-Verfilmung gilt als Klassiker der ausgeklügelten Kriminal-Unterhaltung, immerhin lag der Produktion eine Romanvorlage der britischen Schriftstellerin Agatha Christie zugrunde. Bevor man sich unter der brennenden Sonne zum angekündigten Rendezvous mit dem Bösen wiederfindet, beginnt die Geschichte unter völlig konträren klimatischen Bedingungen, denn die Polizei findet eine Frauenleiche in britischen Nebel-Gefilden, welche über den kompletten Film nicht zugeordnet werden kann. Wenige Augenblicke später erhält Hercule Poirot den Auftrag der London Trojan Insurance Company, das Verschwinden eines Diamanten aufzuklären, was zur Rechtfertigung für den Insel-Urlaub werden wird. Regisseur Hamilton spielt die Strahlkraft der zur Verfügung stehenden imposanten Schauplätze gleich aus und kreiert eine Bildgewalt, die zum Aushängeschild dieser hochkarätig besetzten Produktion wird. Was sich zunächst wie ein Urlaub anfühlt, wird schon bald durch die Allüren der sich stets inszenierenden Diva Arlena Marshall flankiert, die alles daran setzt, diejenigen, die sie noch nicht hassen, vom Gegenteil zu überzeugen. Dieses Stilmittel der Präsentation des designierten Opfers auf einem silbernen Tablett sorgt für eine gewisse Verlässlichkeit, doch wer die hier federführende Schriftstellerin kennt, weiß, dass es zu einem verwirrenden Twist-Festival kommen wird, bei dem der Schein mehr trügen wird, als man zunächst selbst ordnen kann. Bei "Das Böse unter der Sonne" handelt es sich um einen satt und opulent ausstaffierten Film, dessen Liebe zum Detail in allen Himmelsrichtungen wahrzunehmen ist, egal wie der Wind gerade weht. Ein Luxus-Hotel zieht hier offenbar naturgemäß die solventesten, eitelsten, intrigantesten und unausstehlichsten Gäste an, doch diese Aufeinandertreffen scheinen alles andere als Zufallslaunen zu sein. Jeder von ihnen hat eine offene Rechnung mit dem Ex-Star Arlena Marshall zu begleichen, oder besser gesagt, fast jeder.

Diese illustre Gesellschaft besteht aus bis zum Überlaufen beschriebenen Blättern, sie hassen sich gegenseitig wie die Pest, da sie aus demselben Holz geschnitzt sind, und genau wissen, dass die Gegenseite nur auf einen guten Moment wartet, den anderen abzuservieren, vorzuführen, zu demütigen oder vielleicht sogar zu ermorden. Leichen im Keller scheint es jedenfalls genug zu geben. Eine derartige Clique bekommt ihre vollkommene Überzeugungskraft durch eine hochkonzentrierte Weltstar-Besetzung, die hier keinerlei Wünsche offen lässt. Hinter Peter Ustinov, und noch vor dem Titel, wird die Entourage in alphabetischer Reihenfolge genannt, da es sonst unmöglich wäre, jedem gerecht zu werden. "Chez Daphne" - was sich zunächst anhört wie ein gewöhnliches Bordell, entpuppt sich als luxuriöses und nicht minder feudales Hotel für Reiche und Schöne, oder die es einmal waren. Ihr Verhalten ist meist unterster Schublade, und die Manege wird spätestens dann freigegeben, als Miss Marshall alias Diana Rigg auftaucht, jedoch zu niemandes Überraschung bereits mit allen Gästen bekannt ist. Die Damen bekommen ihre schamlosen Star-Neurosen zu spüren, Stutenbissigkeit versteht sich wie von selbst, und mit den meisten Herren dürfte die Fassade von Welt ohnehin schon intim gewesen sein. Diana Rigg spielt die ehemalige Hollywood-Diva mit Bravour, lässt mit einem Augenzwinkern einen zutiefst vulgären Charakter hervorschimmern, der lediglich in teure Roben und schmeichlerisches Make-up gehüllt ist. Ihre Allüren haben Methode und eilen ihrem zweifelhaften Ruf voraus, sodass man es mit einer absolut begeisternden Leistung von Diana Rigg zu tun bekommt, die alles dafür tut, um ihren potenziellen Mörder zu reizen und jeden in Verdacht zu bringen, dieser sein zu können. Catfights trägt eine unerhört gut aufgelegte Maggie Smith mit ihr aus, deren Hotel zum Schauplatz eines Mordes wird. Die Dialogarbeit setzt Akzente, die passgenau sitzen und in Erinnerung bleiben, doch dies gilt nicht nur punktuell, sondern generell.

Möchte man diejenigen Personen aufzählen, die weniger ins Auge fallen, fällt einem beim besten Willen nicht viel ein, denn die Schauspiellaune ist auf höchstem Niveau wahrzunehmen. Ob James Mason und Sylvia Miles als Ehepaar Gardener, das sich mit bitterem Zynismus und eigens erfundener Gleichgültigkeit die Zeit vertreibt, oder Mr. und Mrs. Redfern alias Nicholas Clay und Jane Birkin, bei denen sich die ernsthafte Frage stellt, warum sie sich auf dieses Arrangement namens Ehe überhaupt eingelassen haben, alle sind genau wie Roddy McDowall, Dennis Quilley oder Colin Blakely absolut oder nur halb-absolut verdächtig. Peter Ustinov als Hercule Poirot überzeugt wie gewohnt mit Angemessenheit in den Bereichen Distanz, subtilem Humor und Respekt seinen Verdächtigen gegenüber. Dabei wirkt seine Spürnase wie gehabt unfehlbar, sodass er den Fall von hinten aufrollen und das unübersichtliche Puzzle zusammenfügen kann. Nicht alles wirkt immer vollkommen, was sich noch nicht einmal auf die Erhebungen bezieht, sondern auf den Gehilfen namens Zufall. Außerdem liegen die Karten am Ende klarer als die strahlende Sonne auf dem Tisch, wobei man sich natürlich fragt, wie es zu solchen Schlüssen kommen konnte. Der Kriminalfall an sich ist hochinteressant inszeniert und bereitet eine nahezu erhabene Spannung, die sich auf Eruptionen zur richtigen Zeit konzentriert. "Das Böse unter der Sonne" ist sicherlich eine der besten Poirot-Adaptionen und ein clever aufgebauter und intelligent gelöster Kriminalfall, der sich zum Ende hin eine Überraschung in doppelter Potenz vorbehält. So bleibt diese Geschichte nicht ausschließlich ein Topscorer der Erstsichtung, sondern man kann ihn auch viele Male erneut anschauen, ohne dass es in irgend einer Weise zu schwächeren Eindrücken als zuvor kommt. Wenn der Killer überführt ist und Hercule Poirot zu seinem vornehmsten Recht der lückenlosen Aufklärung kommt, bleibt ein Film, dessen Hochkarätigkeit ohne Halbwertzeit in allen Bereichen auffällig und völlig logisch bleibt.

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Sid Vicious
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Re: DAS BÖSE UNTER DER SONNE - Guy Hamilton

Beitrag von Sid Vicious »

Auch hier passt alles zusammen. Der Humor ist gar köstlich - Herkjuless Pärrett vielleicht nur eine Erfindung des bundesdeutschen Tonstudios, aber einfach nur herrlich.
BildBildBildBildBild

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Prisma
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Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DAS BÖSE UNTER DER SONNE - Guy Hamilton

Beitrag von Prisma »



Das falsche Aussprechen des Namens von Hercule Poirot oder dass er als Franzose bezeichnet wird, ist ein netter Running Gag und verleitet immer wieder zum Schmunzeln. Auf die Spitze getrieben wurde es - wie ich finde - von einer hemmungslosen und stets betrunkenen Angela Lansbury in "Tod auf dem Nil". :mrgreen:

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