DER LINKSHÄNDER - Sergio Gobbi

Türkploitation, isländische Kannibalenfilme und alles andere aus Europa
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Maulwurf
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DER LINKSHÄNDER - Sergio Gobbi

Beitrag von Maulwurf »

Der Linkshänder
L'arbalète
Frankreich 1984
Regie: Sergio Gobbi
Daniel Auteuil, Marisa Berenson, Marcel Bozzuffi, Daniel Ubaud, Michel Beaune, Guy Di Rigo, Mohamed Ben Smail, Alex Descas, Joseph Momo, Didier Sauvegrain, Alain Aithnard, Frédéric Aubry


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OFDB

Seit Wochen ist kein Stoff mehr in die Stadt gekommen, und mittlerweile sitzt ganz Paris auf dem Trockenen: Der Rauschgiftnachschub ist weg! Die verschiedenen Banden in den Vorstädten, die normalerweise ihr Geld mit Dealen verdienen, werden langsam immer nervöser, und es reicht ein Funken, um einen Flächenbrand zu entfachen. Dieser Funken heißt Falco – Inspektor Falco vom Drogendezernat sieht endlich seine Chance den Sumpf aufzuräumen, und Paris von dem ganzen Abschaum zu befreien. Er schürt die Ressentiments der Gangs untereinander und provoziert einen Bandenkrieg: Vietnamesen gegen Schwarze, und die Neonazis, die mit Falco gemeinsame Sache machen, gegen alle. Das Sandkorn im Getriebe dieses Plans könnte Inspektor Vincent ein, der Falco nicht ausstehen kann, mit den Vietnamesen gut Freund ist, und mit dem Lockvogel Falcos, der Hure und Kokserin Marisa, eine Liebelei hat. Oder könnte es sein, dass Falco genau diese Beziehungen in sein Kalkül mit einbezogen hat?

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Manchmal ist es schon eigenartig, was die deutschen Filmverleiher aus Filmen machen. Da haben wir zum Beispiel einen ordentlich düsteren und harten Actionstreifen aus Frankreich, der im Original übersetzt DIE ARMBRUST heißt. Damit bezieht er sich auf die weibliche Hauptfigur, die im Wesentlichen zwei Körperteile hat: Einen Arm zum Fixen und eine Brust zum Geldverdienen. Zumindest stelle ich mir das so vor …

Der deutsche Verleih macht aus DIE ARMBRUST erstmal DER LINKSHÄNDER, womit die Bezugsfigur schon mal eine ganz andere ist. Das ist ungefähr so, als wenn Hitchcocks DIE VÖGEL umfirmiert werden würde in “DIE MÖWE JONATHAN”. Weiter stellt man fest, dass ja die Charaktere im Original oft keine Namen bzw. nur Spitznamen haben (etwa Armbrust), und gibt ihnen der Einfachheit halber die Namen der Schauspieler. Aus Armbrust wird Marisa, aus dem Anführer der Schwarzen wird Alex (weil der Schauspieler hat zufällig Alex Descas heißt) ... Mutmaßlich, damit die im Ghettoleben üblichen Beleidigungen nicht so furchtbar politisch inkorrekt daherkommen, so könnte ich mir das vorstellen. Denn wenn ein Vietnamese auf dem Schlachtfeld auf einen verfeindeten Schwarzen trifft, wird der ihn bestimmt nicht mit Vornamen ansprechen. Ist Ghetto-Sprech im Film wirklich erst mit PULP FICTION salonfähig geworden?

DER LINKSHÄNDER also. Die linke Hand wird ja allgemein als etwas Schmutziges angesehen, als etwas Unreines. In DIE LINKE HAND DES GESETZES von Giuseppe Rosati räumt Leonard Mann als Polizist unter dem Gesocks der Großstadt auf, genauso wie Falco in DER LINKSHÄNDER. Zwar wird Vincent ständig als Linkshänder angesprochen (was er ja auch ist), aber Falcos rechte Hand ist gelähmt, er ist also ebenso Linkshänder. Was die deutsche Betitelung des Films nicht gerade verständlicher macht, und bereits während der Sichtung die Frage aufwarf, welcher Linkshänder denn nun wohl die Hauptfigur sein mag.

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Denn eigentlich ist Falco der wesentlich interessante Charakter. Ein mieses und faschistisches Stück Polizist, der seine ganze eigene Idee von Recht und Ordnung hat, und nach vielen Dienstjahren den Krieg auf den Straßen nicht mehr sehen kann. Und es ist ein Krieg: Hier werden Bilder von Paris gezeigt, die eher an die Bronx nach einem Bombenangriff erinnern. Und so künstlich der Kampf der Gangs inszeniert ist, aber es ist und bleibt ein unter Umständen tödlicher Krieg, das zeigen schon die Startbilder vom toten Dealer, der auf einem Schuttplatz abgeladen wird.

Das böse Zauberwort aber fiel bereits: Die Künstlichkeit. Den Franzosen ist in den 80ern nach und nach ihre Fähigkeit abhanden gekommen, geerdete und spannende Actionfilme zu drehen. Belmondo wollte nur noch Komödien, Delon wurde älter und stereotyper, und danach kamen oft nur noch halbherzige Versuche, die Klasse der spannenden Filme der zwei vorhergehenden Jahrzehnte zu kopieren. Werke wie DER BULLE VON PARIS aus dem Jahr 1985 atmen den künstlichen Geist der späten New Wave, haben aber mit echten Bildern der Straße nichts mehr zu tun, und erinnern eher an Plastic Betrand als an The Clash. DER LINKSHÄNDER kann sich durch die Wahl der abgefuckten Schauplätze vor dieser Falle gerade noch retten, aber die einzelnen Szenen wirken oft geradezu herzerweichend in ihrer Märchenhaftigkeit. Die Behausung der Neo-Nazis schaut trotz der herumstehenden Flaschen irgendwie fast gemütlich aus (Wer kann sich noch an FORMEL 1 erinnern, die Videoparade des bayerischen Fernsehens in den 80ern, mit heimeligen Ölfässern und lauschigem Trümmerambiente? Genau so!), und das Fabrikgelände der Vietnamesen könnte auch als schickes Loft oder als Begegnungsstätte für Asien-Fans durchgehen. Nur die Bilder der Straßenzüge, der Häuser, des Ghettos – die knallen in ihrer dreckstarrenden Verfallenheit tatsächlich rein, und zeigen einen Bezug zur Wirklichkeit.

Aber auf der anderen Seite: Wer braucht in einem Actionfilm einen Bezug zur Wirklichkeit? Die 17-jährige Tochter hat sich kürzlich beschwert, dass SKYFALL “voll unrealistisch” sei ... Und eigentlich meckere ich gerade nicht anders, nur mit mehr Worten.

Also versuche ich es mit weniger Worten: Marcel Bozzuffi spielt seine ganze Erfahrung aus und ist definitiv die Hauptfigur die den Film rockt. Daniel Auteuil wirkt oft etwas überfordert, und ist noch Lichtjahre von seinen gigantischen Leistungen in den Filmen von Olivier Marchal entfernt. Marisa Berenson ist die Sympathieträgerin, die restlichen Figuren sind Kanonenfutter, und ansonsten gilt, dass nach etwa 15 Minuten Laufzeit klar ist, wer den Film überleben wird und wer nicht. Die Actionszenen sind solide und in ihrer Härte gut gemacht, die Charaktere sind platitüdenhaft, die Musik passt undsoweiterundsofort ...

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Ein ordentlicher Actioner der ordentlich unterhält, aber niemals wirklich die Sterne vom Firmament holt.
So viele Worte für so wenig Fazit. Geht aber den Personen in DER LINKSHÄNDER ähnlich: Da braucht es nicht viele Worte, da wird ordentlich hingelangt, da werden Messer und Pistolen gezückt und die Fronten sind klar. Und ich mache das jetzt nicht anders: Der Film bekommt das Attribut „Gute Unterhaltung“, bleibt in der Sammlung und wird immer wieder mal angeschaut. Punkt.

7/10

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Richie Pistilli
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Re: DER LINKSHÄNDER - Sergio Gobbi

Beitrag von Richie Pistilli »

Deutscher Trailer:


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Sid Vicious
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Re: DER LINKSHÄNDER - Sergio Gobbi

Beitrag von Sid Vicious »

Die DVD ist mir bei A. Mazon zu teuer und die ofdb nervt mich mit unendlichen Wartezeiten. So kann ich nur kraft des Trailers mutmaßen, dass DER LINKSHÄNDER in das Kinojahr 1984 als unterhaltsamer Unfug einzog.

Karneval-Punks und Fasching-Faschisten scheinen auch am Start zu sein. Und einige wollen gar wie Bruce Lee um sich treten...
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Richie Pistilli
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Re: DER LINKSHÄNDER - Sergio Gobbi

Beitrag von Richie Pistilli »

Spätestens Übermorgen erhältst Du die zugesagte Übersicht ;)

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Sid Vicious
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Re: DER LINKSHÄNDER - Sergio Gobbi

Beitrag von Sid Vicious »

Richie Pistilli hat geschrieben:
Di., 09.01.2024 17:41
Spätestens Übermorgen erhältst Du die zugesagte Übersicht ;)
Aaaah. Sehr geil!
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