ZWISCHEN HASS UND LIEBE - Arthur Lubin

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Prisma
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ZWISCHEN HASS UND LIEBE - Arthur Lubin

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ZWISCHEN HASS UND LIEBE

● FOOTSTEPS IN THE FOG / ZWISCHEN HASS UND LIEBE (GB|1955)
mit Stewart Granger, Jean Simmons, Bill Travers, Ronald Squire, Finlay Currie, William Hartnell und Belinda Lee
eine Produktion der Frankovich Productions | im Verleih der Columbia
ein Film von Arthur Lubin

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»He looks so lost!«


Im Hause von Stephen Lowry (Stewart Granger) hat sich ein Todesfall ereignet. Seine wesentlich ältere Ehefrau starb plötzlich an einer Erkrankung. Inmitten der allgemeinen Anteilnahme wendet sich das Blatt allerdings für den Witwer, denn sein Hausmädchen Lily Watkins (Jean Simmons) hat alles andere im Sinn, als zu kondolieren. Die unscheinbar wirkende, aber ebenso achtsame junge Frau konfrontiert den Herrn des Hauses plötzlich mit einem Ultimatum, da sie herausfand, dass er seine Frau ermordet hat, und zwar mit Gift. Lily verlangt ab sofort eine exponiertere Stellung und besteht darauf, dass es neben ihr keine anderen Angestellten mehr geben solle. Lowry geht zunächst auf die Forderungen ein, doch Lily setzt ihn immer mehr unter Druck und geht schließlich zu weit. So plant Stephen Lowry, sich der unbequemen Erpresserin zu entledigen, und eine dichte Nebelnacht kommt dabei wie gerufen...

Arthur Lubins 1955 entstandenes Krimi-Drama "Zwischen Hass und Liebe" präsentiert sich von A bis Z genau so, wie man es von Produktionen dieser Zeit gewöhnt ist. Es handelt sich um einen aufwendigen Studio-Film, der mit satter Ausstattung und buchstäblicher Manie zum Detail glänzen kann. Wegen des Einstiegs, der die Beerdigung in strömendem Regen zeigt, übermittelt sich auch sogleich das gut aufgebaute Konzept des Films, welches dem Publikum den Mörder unmittelbar darauf folgend präsentiert, und im Endeffekt kann man es als erste gelungene Überraschung nennen, dass sich die Geschichte in eine erfrischend alternative Richtung bewegt. Die Aufmerksamkeit wird sofort durch das eigentümliche Verhalten des Hausmädchens Lily geweckt, bei der man sich nicht im Klaren darüber ist, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Jean Simmons liefert hier eine anzuerkennende Glanzvorstellung ab, denn sie nimmt ihren Chef in einen perfiden Würgegriff, mit dem das Publikum jedoch wenig Mitgefühl haben dürfte. Vielmehr bäumt sich die Sorge auf, dass es weitere Unschuldige wie sie erwischen könnte. Einige Jahre später hätte man beim Film aus einer derartig angelegten Rolle möglicherweise eine deftige psychische Störung kreiert, doch hier sieht man eine Frau, die mit unscheinbar-kindlicher und unschuldiger Naivität die Träume von unzähligen Frauen anspricht, nämlich dass sich die Chance ihres Lebens ergibt, die so nah erscheint, dass sie mit vollen Händen zugreifen könnte. Es geht um Anerkennung, einen Platz in der Gesellschaft, Fürsorge und Bestätigung. Dabei zeigt Jean Simmons allerdings keine Frau mit gestochen scharfem Verstand und eiskaltem Kalkül, denn sie agiert nur indirekt rücksichtslos, und letztlich ziemlich unbeholfen, da sich der Eindruck einer völlig unprätentiösen Frau aufdrängt, die manchmal nicht zu wissen scheint, dass sie entschieden zu weit geht.

Doch stille Wasser sind tief - wie es so schön heißt. Es kommt ihr einfach nicht in den Sinn, dass es aussichtslos erscheint, dass das Kaninchen die Schlange verspeisen könnte, auch kann sie es nicht begreifen, in welcher Gefahr sie sich eigentlich befindet. Die Verkörperung dieser latenten Bedrohung wird eindrucksvoll von Stewart Granger dargestellt. Alles schien bis ins kleinste Detail durchdacht gewesen zu sein, und Gegner gab es augenscheinlich keine. Es entstehen daher beachtliche Momente, wenn Stephen Lowry plötzlich seinem grauen Hausmädchen gegenübersteht, die zum brüchigen Spiegel seiner versteinerten Miene wird, der noch gerade so seine Fassungslosigkeit dokumentieren kann. Lily fällt nicht mit der Tür ins Haus, als sie ganz subtil ihre vorsichtigen Forderungen stellt. Beinahe empfindet man es so, als entschuldige sie sich im selben Atemzug dafür. Lowry wirkt wie ein Mann, der gefährliche Gegner kennt, mit ihnen vertraut ist und im Zweifelsfall nicht gerade zimperlich mit Widersachern umzugehen pflegt. Sein Gesichtsausdruck wirkt jedoch plötzlich wie ein offenes Buch, was überraschend wirkt. Er sieht sich mit einer Gegnerin konfrontiert, die er niemals als solche identifiziert hätte und die seine Eitelkeit empfindlich bei den Hörnern packt. Als Zuschauer fragt man sich ebenfalls, ob er sie jemals überhaupt (als Frau) registriert hat, und ob es überhaupt schon irgendein Gespräch mit ihr gegeben hat, welches über ein »Sie können dann abräumen!« hinausgegangen ist. Das ungleiche Tauziehen spitzt sich also immer massiver zu, und der potentielle Verlierer dieses Spiels hat auch noch die besten Trümpfe in der Hand. Bei den Darstellern werden insgesamt recht wenige Sympathiepunkte vergeben, was der Geschichte einen erstaunlich greifbaren Charakter gibt. Stewart Granger wird mit tiefer Abscheu beäugt, da er sich alles, was er nun besitzt, mit den widerwärtigsten Mitteln erschlichen hat.

Jean Simmons provoziert einen peinlich berührenden bis mitleidigen Blick des Betrachters, obwohl man es sich verbieten möchte. Sie ist gefangen in ihren gefährlichen träumerischen Tendenzen, um das Sprichwort quasi neu zu definieren, dass derjenige, der sich in Gefahr begibt, definitiv darin umkommen wird. Der Rest der Crew sitzt passgenau und jeder Beteiligte liefert eine hohe Authentizität und Glaubwürdigkeit. Die spektakulärste Nebenrolle bekleidet die schöne und so aufregende Belinda Lee, die herzlich und erfrischend, aber in wichtigen Momenten auch resolut in diesem düsteren Szenario wirkt, allerdings schlägt es immer mehr in eine ungesunde Gutgläubigkeit um. Ihre Spiellaune ist mitreißend und ihre Erscheinung einfach nur atemberaubend. Die großen Stärken dieser Produktion sind zahlreich und schließlich im cleveren Aufbau und der darstellerischen Interaktion zu finden. Die Inszenierung verfügt insgesamt über eine latente Grundspannung, weil der Zuschauer von Anfang an zum Komplizen von Stewart Granger und Jean Simmons gemacht wird, außerdem folgen etliche Momente, die das Potential der Spannung optimal nutzen, um die Nerven des Zuschauers aufzureiben. Musikalisch mit einem kleineren Brillantschliff versehen, kommen über die gesamte Spieldauer keinerlei Längen auf. Die kontrastreichen Ortswechsel geben dem Szenario einen variablen Charakter, sodass Arthur Lubins Film eine bemerkenswerte Eigendynamik entwickelt. Das Finale ist mit einem Paukenschlag gleichzusetzen und liefert immer gern angenommene Überraschungen, etwas Ernüchterung und eventuell auch eine gewisse Genugtuung. Letztlich arbeiten die beiden Hauptfiguren mit Hochdruck daran, eine mögliche Vorhersehbarkeit erst überhaupt nicht aufkommen zu lassen. Sie wirken trotz transparenter Vorgehensweisen unergründlich und vor allem unberechenbar, was eine gehörige Portion Sicherheitsabstand hervorruft. Ein klassischer Volltreffer.

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