RAPTUS - EROS E THANATOS - Marino Girolami

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Richie Pistilli
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RAPTUS - EROS E THANATOS - Marino Girolami

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Raptus (IT)
Eros e Thanatos (IT)


IT 1969

R: Marino Girolami
D: Folco Lulli, Enzo Andronico, Silvio Bagolini, Caterina Barbero, Piero Lulli, Daniele Vargas, Krista Nell, Maurizio Merli, Marcello Bonini Olas, Nuccia Belletti, Pierre Cressoy, Giampiero Littera u.a.



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Italienische Erstaufführung: 1969

Locationvergleich

Score: Piero Umiliani

Cineromanzo (S. 32-42)

Videozetaone (Bildbericht)

Cinecensura: Zensurbericht #1 -- #2

IMCDb

OFDb




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Nach einem heißen Stelldichein mit einer 17-jährigen Prostituierten wird diese am nächsten Tag leblos, an einem Pfosten gefesselt, vorgefunden. Infolge einer erdrückenden Beweislast rückt daraufhin der 21-jährige Franco Adami (Umberto Liberati) nicht nur ins Visier der Polizei, sondern landet auch kurz darauf auf der Anklagebank des zuständigen Strafgerichts. Da ihm sein Anwalt D'Orazio (Edoardo Toniolo) in seinen Augen als unfähig erscheint, entzieht er diesem das Mandat, um es dem erfahrenen Strafverteidiger Montani (Folco Lulli) neu zu vergeben, der fortan die folgende Verteidigugsstrategie verfolgt: Wenn es ihm gelingt, in der Verhandlung erfolgreich einen psychologischen Trick anzuwenden, dann könnte er seinen Mandanten gegebenfalls vor einer lebenslangen Haftstrafe bewahren. Stattdessen würde ihm die Unterbringung in einer forensischen Nervenheilanstalt ermöglicht, denn wie es scheint, weist Franco Adami psychopatische Wesenszüge auf, die dringend einer fachspezifischen Behandlung bedürfen.





Ein merkwürdiger Film, den Marino Girolami im Jahr 1969 unter dem Pseudonym Jean Bastide inszenierte, denn was zunächst als Justizthriller anmutet, wandelt sich recht schnell in einen pseudohaften Reportfilm, der das Handeln psychisch gestörter Straftäter beleuchtet. Dabei kommen aus heutiger Sicht lang überholte Erklärungsmuster zum Einsatz, mit denen der Regisseur das verwerfliche Treiben der gezeigten Täter zu ergründen versucht. Gepaart mit pseudowissenschaftlichen Ansätzen werden im weiteren Verlauf solch heiße Eisen wie beispielsweise Pädokriminalität angefasst, wobei Silvio Bagolini einen pädosexuellen Täter verkörpert, der sich an der minderjährigen Tochter seiner Nachbarn vergeht. Der vornehmliche Grund für seine pädophile Disposition soll laut den Filmemachern, wie auch bei den meisten anderen gezeigten Filmbeispielen, in verschiedenartigen Kindheitstraumen verankert sein, welche bei den jeweiligen Tätertypen im Laufe ihrer frühen Sozialisation durch Familien- oder Autoritätspersonen verursacht wurden. So weit, so gut, bestünde da nicht die Ungewissheit, ob Girolami mit seinem Film ein ernsthaftes Ziel verfolgte oder ausschließlich ausbeuterische Zwecke bedienen wollte? Ich vermute mal beides, was das Ganze aber nicht weniger erschwert, denn neben der verstörenden Handlungsebene eröffnet sich dem Zuschauer eine Filmkuriosität, die in dieser Form nur zur damaligen Zeit entstehen konnte.


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So ist es auch kaum verwunderlich, dass es der Film mit seiner ursprünglichen Laufzeit von 96 Minuten von der Zensurbehörde abgelehnt wurde. Erst nach zähen Verhandlungen gelang es den Verantwortlichen, dass der Streifen in einer gekürzten 78 Minute-Fassung doch noch seine Genehmigung fand. Während die Filmlänge am 07.05.69 noch 2520m betrug, verkürzte sich das Ganze in der zensurbehördlichen Erstinstanz am 25.09.69 auf 2184m, bis schließlich am 17.10.69 nur noch 2127m übrig blieben. (Quelle).

Eigentlich wollte ich schon vor längerer Zeit etwas über den Film schreiben, was dann aber aufgrund der schwierigen Thematik immer wieder aufgeschoben wurde. Zumindest hatte ich mir bereits eine aus dem italienisch übersetzten Beitrag zu den jeweiligen Schnittfassungen abgespeichert, dessen Quelle mir aber in der Zwischenzeit entfallen ist.


"Mehr zu den verschiedene Filmfassungen: Wie in dem Buch 'Visioni proibite' von Curci & Di Rocco ausführlich beschrieben, wurde EROS E THANATOS von der Zensur rundweg und entschieden abgelehnt. Anschließend reichten die Filmemacher eine selbstgeschnittene und leicht überarbeitete Neufassung mit dem Titel RAPTUS ein. Die Zensoren genehmigten diese Version mit noch weiteren Kürzungen widerwillig. Einige der Aufnahmen, die der Zensor angeordnet hatte zu streichen, wie beispielsweise die Szene, in der ein Mörder den toten Körper des Opfers streichelt (zu sehen im dazugehörigen Fotoromanzo auf den Seiten 32 - 43), fehlen in der neu aufgetauchten Kopie. Andererseits sind hier einige der Szenen vorhanden, die die Filmemacher angeblich zur Besänftigung der Zensurbehörde selbst gekürzt hatten (beispielsweise eine Auspeitschungsszene)."


Die im Cineromanzo aufgezeigten Szenen betriffen in erster Linie die Episode mit Piero Lulli, in der er als feueraffiner Gilberto sadistische Spiele mit gefesselten Frauen zelebriert, bei denen unablässig Glut und Hitze zum Einsatz kommen. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich Brief und Siegel darauf beschwören, dass diese Episode von Renato Polselli gedreht wurde, denn sowohl die sadistische Fantasien als auch die Überdrehtheit der Filmfiguren sowie die psychedelische Farbgebung erinnern unweigerlich an das entfesselte Kino des ungekrönten Maestros. Eine weitere Verbindung zu Polselli stellt dessen Stammschauspieler Marcello Bonini Olas dar (SOLO DIO MI FERMERÀ, ULTIMATUM ALLA VITA, DAS LUSTHAUS TEUFLISCHER BEGIERDEN, DAS GRAUEN KOMMT NACHTS, RITI, MAGIE NERE E SEGRETE ORGE NEL TRECENTO, RIVELAZIONI DI UNO PSICHIATRA SUL MONDO PERVERSO DEL SESSO und QUANDO L'AMORE È OSCENITÀ), der in der Rolle eines erzkonservativen Priesters maßgeblich das Kindheitstrauma Gilbertos zu verantworten hat, welches mit Zeit immer sadistischere Züge annahm. Hinzu gesellen sich neben einem Zitat von Marcuse, mit dem der Film sogleich eröffnet wird, auch zahlreiche Vorträge über die psychoanalytische Theorie von Eros und Thanatos, die der von Daniele Vargas gespielte Anstaltsleiter seinen beiden wissbegierigen Gästen (Folco Lulli und Pierre Cressoy) während einer ausgedehnten Führung hält, die in seiner psychiatrischen Anstalt vonstattengeht.


Neben Folco Lulli, der überzeugend den Strafverteidiger Montani spielt, sollte auch noch der von uns allen geschätzte 'Superbulle' Maurizio Merli seine Erwähnung finden, der in einer kleinen Nebenrolle als Journalist dreimal kurzzeitig in Erscheinung tritt. Die jazzloungige Filmmusik stammt von keinem Geringeren als Piero Umiliani, von der lediglich 'Venire a dirmi ciao' als ein einziger auf der Rückseite einer 45-RPM -Single veröffentlicht wurde.


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Italienischer TV-Bericht:
(Interview mit Marino Girolami)



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