LAURA - Ovidio G. Assonitis

Peitschenhiebe, laute Explosionen, wilde Abenteuer und anderer Filmstoff aus Italien.
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Maulwurf
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LAURA - Ovidio G. Assonitis

Beitrag von Maulwurf »

Emmanuelle für immer
Laure
Frankreich/Italien 1976
Regie: Ovidio G. Assonitis, wobei die IMDB sagt: Emmanuelle Arsan & Roberto d’Ettore Piazzoli & Louis-Jacques Rollet-Andriane
Annie Bell, Al Cliver, Emmanuelle Arsan, Orso Maria Guerrini, Marianne Afchain, Vicky Asprin, Pierre Haudebourg, Bernardo Bernardo, Michele Starck


Emmanuelle für immer.jpg

OFDB
Italo-Cinema.de

Laura (Annie Bell) und Nicolas (Al Cliver) verlieben sich ineinander. Sie erleben gemeinsam und getrennt verschiedene erotische Abenteuer und entscheiden sich, zusammen mit einer Expedition von Professor Morgan (Orso Maria Guerrieri) in den philippinischen Dschungel zu fahren um das Volk der Mara zu suchen. Dort wollen sie in einer magischen Zeremonie ihre Erinnerungen verlieren und ein neues Leben beginnen.

Softsex-Filme haben es nicht einfach, vor allem die aus den 70-er Jahren. Wenn diese Filme im Spätprogramm der Privatsender laufen wirken sie aus heutiger Sicht immer billig und vor allem peinlich. Hölzerne Menschen in künstlich-luxuriöser Umgebung, die sich mit idiotischen Dialogen durch eine nur rudimentär vorhandene Handlung wurschteln und dabei sich des Öfteren mal nackt zu sehen sind. Wenn es mal ein wenig mehr zur Sache gehen soll wird abgeblendet oder gleich umgeschaltet zum Werbeblock für Telefonsex, bei dem es erheblich härter und wilder zugeht als im Film. Wenn man dann noch einen aktuellen Pornofilm danebenhält, in dem durchoperierte Fickroboter 120 Minuten lang Stehvermögen vorgaukeln und dem Zuschauer dabei einreden wollen dass dies ja völlig normal sei, dann sind die eher wie Schlaftabletten wirkenden Softcore-Rammler aus den 70-ern völlig abgemeldet.

Aus diesem Grund darf man sich diese Art Film eigentlich nur unter zeitgenössischen Gesichtspunkten anschauen. Das Porno-Verbot fiel in den meisten europäischen Ländern erst Mitte bis Ende der 70-er Jahre, und diese Art Film (also der HC) war dann noch lange anrüchig und wurde gesellschaftlich in hohem Maße geächtet. Privatfernsehen gab es noch nicht, und erotische Inspirationen mithilfe des eigenen Super-8-Projektors waren auch damals bereits nicht wirklich sexy. (Wie sexy ein Super-8-Film wirkt kann man sich in Radley Metzgers THE LICKERISH QUARTET anschauen, dann weiß man was für ein gigantischer Fortschritt die Videokassette war. Dies aber nur nebenbei.)
Durch den riesigen Erfolg der Emmanuelle-Filme mit Sylvia Kristel und später Laura Gemser ab etwa Mitte der 70-er Jahre gab es erstmals eine Möglichkeit sich erotische Ideen und Inspirationen für das eigene Liebesleben zu holen, ohne dabei ins Rotlichtviertel zu gehen und ohne sich schäbig fühlen zu müssen. In diesen Filmen konnte man schönen Menschen in schönen Umgebungen dabei zuschauen wie sie schöne Dinge tun. Und nichts anderes wollten diese Filme – sie wollten unterhalten, erotisch unterhalten, und das in einer Zeit, in der ein nackter Busen auf dem Titelbild des Sterns noch allenthalben Empörung hervorrief.

Wie gesagt, heute wirken diese Filme antiquiert und altbacken, dabei haben sie aber einen ganz eigenen Charme. Die Mädels sind keine hochgezüchteten 3-Loch-Stuten sondern vollkommen normal gebaute und vor allem attraktive Frauen außerhalb des Teenie-Alters, die Männer haben eine Brustbehaarung wie King Kong und müssen tatsächlich noch sowas Altmodisches wie Verführungskünste anwenden um zum Ziel zu gelangen, und die Settings sind meist exotisch und zeigen Landschaften die von Shangri-La meist nicht weit entfernt sind. Das heißt hier wird Unterhaltung geboten, und nichts als Unterhaltung. Keine Message, kein Anspruch, keine Action oder Gewaltexzesse (eine Ausnahme bestätigt die Regel), sondern entspannte 90 Minuten für Sie und Ihn. Mal ehrlich: Ist das denn etwas Schlechtes?

Bei LAURA liegt der Fall nun allerdings ein klein wenig anders. Der Sexanteil ist hier ausgesprochen gering ausgefallen, tatsächlich besteht die Erotik hier nicht aus mehr oder weniger ausgedehnten Rubbelszenen, sondern aus kleinen Momenten Nacktheit, aus fast intim wirkenden und dabei witzigen Ideen. So geht Laura in einer Szene in einem knappen Hemd spazieren und trägt dabei kein Höschen, was die Männerwelt Manilas halb in den Wahnsinn treibt. Die Kamera zeigt Laura dabei zwar, aber sie hält nicht auf das Objekt der Begierde sondern ist immer in Bewegung. Sie huscht über Laura, zeigt in einer fließenden Bewegung die Reaktionen der Umgebung, die unbändige Freude Nicolas’, und immer wieder die kleinen Momente einer unten nackten Annie Belle. Und so wird tatsächlich mehr Erotik erzeugt als in einer Einfach-nur-draufhalten-Sequenz, welche der Phantasie keinen Platz mehr lässt.

Was LAURA ebenfalls von der Masse der damaligen Erotikstreifen unterscheidet ist, dass hier tatsächlich eine Aussage gemacht wird. Beide Protagonisten kommen geistig aus dem Umfeld der Hippie-Bewegung und versuchen auch im Jahr 1976 noch Liebe zu leben. Beide sehen die Probleme der aktuellen Welt und fühlen sich in dieser Welt nicht mehr heimisch. Nicolas erklärt immer wieder, dass er Liebe sucht und, wenn er sie sieht, filmt um sie festzuhalten, und dass er glücklich sei wenn seine geliebte Laura glücklich ist. Er hat kein Problem wenn sie mit anderen Männern schläft, weil sie dann glücklich ist, und er sich in ihren Körper versetzt und dann ebenfalls glücklich ist. Laura wiederum sucht tatsächlich Shangri-La, das Tal der Glückseligen, in dem Liebe das einzige Gebot ist. Wer mit dieser Aussage nichts anfangen kann sollte um LAURA einen gewaltigen Bogen machen, wer aber dieser ursprünglichen Hippie-Forderung nach dem Miteinander anstatt dem Gegeneinander folgen mag, der ist hier goldrichtig.

Zugegeben, die Dialoge sind vor allem im letzten Drittel irgendwann reichlich dümmlich-schwülstig, und die Drehbuchautorin Emmanuelle Arsan hat sich selbst einige richtig idiotische Zeilen in den Mund gelegt. Da muss man dann einfach weghören und sich stattdessen den Landschaftsaufnahmen wie aus einem IMAX-Naturfilm hingeben. Die nackte Annie Belle vor einem riesigen Wasserfall, DAS ist die perfekte Erotik! Auch ganz ohne Gerammel …
Stichwort Filmaufnahmen: Seltsamerweise musste ich oft an den 4 Jahre später gedrehten CANNIBAL HOLOCAUST denken. Wir haben hier ein paar Europäer, darunter eine zeigefreudige junge Frau, die von einem Einheimischen geführt in den Dschungel gehen um Filmaufnahmen zu machen. Es werden Gespräche über Todesahnungen geführt, und der Dschungel ist, bei aller Schönheit, offensichtlich nicht immer das Paradies für das man ihn im ersten Augenblick halten kann. Ich würde mal sagen, dass Ruggero Deodato sich seine Grundidee hier geholt hat. Und wenn der einheimische Guide mit einem gefesselten Erdferkel auf den Schultern finster schaut, dann ahnt man erst recht Schlimmes …
Die Kameraarbeit ist vor allem in der ersten Hälfte des Films wirklich hervorragend. Die ersten drei Sexszenen fallen einfach aus. Wenn es zur Sache gehen soll wird abgeblendet und erst nach dem Akt wieder eingeblendet. Nicht einmal Nacktheit ist hier ein Thema. Stattdessen kommt dann irgendwann der Augenblick in dem Nicolas und Annie die bei diesen Szenen entstandenen Filme schneiden und dabei Lust aufeinander bekommen. Und so läuft dann im Hintergrund die vorher nicht gezeigte erotische Szene vom früher, während die beiden sich im Vordergrund küssen. Ein wahnsinnig spannender und intensiver Moment, wenn Laura im Hintergrund immer näher heranschwimmt und sich selbst beim Küssen im Vordergrund beobachtet. Filmisch absolut überzeugend und spannend gemacht, eine wunderschöne und sehr erotische Spannung baut sich auf – und auch hier behaupte ich mal ganz frech, dass diese Footage-Einbindung Deodato als Ideenvorlage gedient haben könnte.

LAURA ist also in erster Linie ein Relikt aus der Hippie-Zeit, das Aussteigerträume bedient und den schönen Körper Annie Belles vor traumhaften Naturkulissen zeigt. Wer mehr will muss woanders hinschauen. Dies ist ein Film, den man sich mit einer Freundin in einer sehr warmen Nacht mit leichten Cocktails und noch leichterer Kleidung anschauen kann um sich zu entspannen und zu träumen. Nicht mehr. Aber vor allem auch nicht weniger!

6/10

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