THE RIFFS - DIE GEWALT SIND WIR - Enzo G. Castellari

Peitschenhiebe, laute Explosionen, wilde Abenteuer und anderer Filmstoff aus Italien.
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Sid Vicious
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THE RIFFS - DIE GEWALT SIND WIR - Enzo G. Castellari

Beitrag von Sid Vicious »

Originaltitel: 1990: I guerrieri del Bronx
Herstellungsland: Italien
Erscheinungsjahr: 1982
Regie: Enzo G. Castellari
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Ann soll mit Einritt ihrer Volljährigkeit die Manhattan Cooperation erben. Doch die junge Frau will nicht vor den Karren von schmutzigen Geschäften gespannt werden. Ergo beschließt sie ihrem reichen Elternhaus auf Nimmerwiedersehen zu sagen und sich dorthin zu begeben, wo es wahrscheinlich alle verwöhnten Püppchen aus der High Society hinzieht: In die Bronx! Jenem Fleckchen New Yorker Boden, der vom menschlichen Abschaum regiert wird und wo der Tod erfahrungsgemäß reiche Beute einfährt. Im Ghetto angelangt wird das Mädel postwendend von Golan und seiner Gang, die Rollers, gejagt, denen sie dank eines couragierten Einsatzes von Trash, dem Leader der Riffs, so eben entkommen kann. Derweil ist man bei der Manhattan Cooperation über Anns Flucht alles andere als amused und schickt Hammer, Ex-Cop wie Psychopath zugleich, in die Bronx, um Ann zurückzuholen.

Wenn der Postmann zweimal ballert, dann ist es für die „Ratten der Bronx“ an der Zeit asap in Deckung zu gehen. Uns Zuschauern soll es recht sein, denn Enzo G. Castellari lässt die Puppen wild tanzen und führt uns in das zum Entstehungszeitpunkt von „The Riffs“ noch acht Jahre entfernte Jahr 1990. Das Jahr, in dem der einst liebliche Singsang von einer besseren Zukunft in brutale Gitarrenfanfaren, Marke Discharge, transformierte. Das Jahr, in dem sich die Schlachten der verfeindeten Gangs (mit dem Ziel, die Vorherrschaft über die Bronx zu gewinnen) auf dem Höhepunkt befinden. Der Abschaum der Gesellschaft zerfleischt sich gegenseitig. Wer nicht die kaltblütig genug und bereit zu töten ist, der hat jenes blutrote Morgengrauen zum letzten Mal erblickt, denn die Bronx liefert den Chorknaben keine Gelegenheit, ihr winselndes „Ave Maria“ vorzuträllern. Schließlich sind sie alle nur einem Maestro verpflichtet: Dem Tod! Und derjenige, der die Bronx im Alleingang von den parasitären Gangmitgliedern befreien will, der kann und muss total verrückt sein! Eine Forderung wie Vorraussetzung, welcher der ehemalige Polizeibeamte Hammer (Vic Morrow) im vollen Umfang gerecht wird.

Vic Morrow konnte mit seiner Darbietung als Schulrebell Artie West („Die Saat der Gewalt“, 1955) einen festen Patz in meinem Herzen erobern. Der ganz große Erfolg blieb diesem sympathischen Raubein jedoch leider vergönnt. Bei „The Riffs“ gibt Vic jenen umrissenen, hinterlistigen wie durch und durch menschenverachtenden Ex-Polizeibeamten Hammer. Stets einen makabren Spruch auf den Lippen, macht sich dieser auf den Weg, um die Millionenerbin Ann zu finden und um (ganz nebenbei) die Bewohner der Bronx auszurotten. Unterstützung erhält er von „Klumpfuß“ Hot Dog (Christopher Connelly). Ein wirklich fescher Zeitgenosse, der in eine schicke Armeejacke gehüllt ist, die er wahrscheinlich Gordon (Mitchell), einem der Kernasis in Roberto Bianchi Monteros „Rattennest“ (ITA, 1974) geklaut hat. Ein nahezu traumhaftes Outfit, mit dem man in jeder bundesrepublikanischen Asozialensiedlung (der 1980er Jahre) zum Popstar gekürt worden wäre.

„The Riffs - Die Gewalt sind wir“ kredenzt seinem Publikum eine Story, die ihre Ambitionen aus „Die Klapperschlange“ und „The Warriors“ zieht. Seine Pro- und Antagonisten lassen sich grob als eine optische Mixtur aus Punk-Rocker und Biker umschreiben. Wie man es von den stereotypen Antihelden des Endzeitfilms, welche sich gegenseitig zerfleischen, halt gewohnt ist. Gesetze gibt es schon lang nicht mehr, und wenn sie dennoch hervorkieken, dann nur, um anschließend gebrochen zu werden. „In der Bronx gehört der Tod“, wie Trash es unmissverständlich umschreibt „zum Alltag“. Dementsprechend bekommen wir einige harte und teilweise auch brutale Kämpfe geliefert. Während dieser Auseinandersetzungen fungieren der am Ellbogen befestigte Metallstachel, die im Stiefel eingebaute Messerklinge, Sensen an den Achsen eines Bikes sowie zahlreiche Flammenwerfer als die fiesen Utensilien eines fortwährend feurigem Spektakels. Jene, das skizzierte Rambazamba flankierenden, Actionsequenzen wurden einer guten Inszenierung unterzogen und mit den für Castellari typischen Zeitlupenaufnahmen, dem Verharren in einem bestimmten Moment, bereichert.

Doch Gewalt ist (selbst in der Bronx) freilich nicht die richtige Lösung, und wer seine Hirnzellen nicht auf Gedeih und Verderb versoffen hat, der wird dieses - früher oder später - auch erkennen. Trash, der Anführer des Riffs, und Orgi, der Anführer der Tigers, avancieren somit zu unseren Identifikationsfiguren. Doch der faire Herdenführer hat sich immerzu mit den Neidern, die sich bevorzugt in den eigenen Reihen aufhalten, herumzuschlagen. Swan schlägt sich bei „The Warriors“ mit Ajax rum und Trash bekommt es bei „The Riffs“ mit Hank (Joshua Sinclair) zu tun. Eie Figur, die John Lennons Konterfei nicht unähnlich ist und die mittels einer Dienstuniform der Waffen-SS (in Feldgrau) den Nazi-Chic der Punk-Avantgarde zur Schau trägt. Ein überaus cooler Ränkeschmied, der für die außergewöhnliche Würze innert der Bandeninternen Grabenkämpfe sorgt. Das bedeutet: Gefährliche Zeiten für Trash, der sich derart stocksteif durch den Film bewegt, als hätte er einen Besenstil verzerrt. Trash hat allerdings den Durchblick und weiß, dass der Frieden in der Bronx nur möglich ist, wenn er sich mit Orgi (gespielt von einem großartigen Fred Williamson) und seinen Tigers verbündet. Diese illustre Schar wird von Hammer und den Bossen der Manhattan Cooperation als asoziales Pack gesehen, sodass wir auch schon bei den Themen Faschismus und Rassismus, welche beim Endzeitfilm (z.B. „Rush 1 und 2“, „Riffs 2“) eine nicht unbedeutende Rolle spielen, angelangt sind. Was der Faschismus den Rassisten anbietet, ist das Ausmerzen von Randgruppen, ohne dabei auf die Meinung der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Der Ex-Cop Hammer reflektiert notabene einen Paraderassisten wie aber auch einen Anarchisten (da er sich nicht an die Anweisungen seiner Vorgesetzten hält), dem wirklich alles scheißegal ist. Hammer will töten, er will die Bronx ausrotten und steht innerhalb des Finales in gar diktatorischer Pose von höhnischem Gelächter eskortiert über dem Schlachtfeld.

Neben Bandenkrieg, Verrat und coolen Charakteren setzt Castellari darüber hinaus auf eine klitzekleine Liebesgeschichte, die allerdings kein (ansonsten wäre es echt peinlich) Happy End in Aussicht stellt. Der Unterschied der sozialen Schichten (Ann und Trash) wird nur am Rande erwähnt. Mehr wäre auch tödlich, denn Castellaris Inszenierung verfolgt nun wirklich keine ästhetisch-moralischen Ziele. Die Kritiker zeigten sich (nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsache) weniger mit dem Film zufrieden und hauten ihm den einen oder anderen Verriss um die Ohren. Mein Favorit lässt sich im „Lexikon des Science Fiction Films“ ausmachen. Ronald M. Hahn und Volker Jansen (zwei ganz besondere Stümper) haben ihr gesamtes Aggressionspotential in Worte beballt und eine Breitseite abgeschossen, die selbst US-Brigadegeneral Douglas MacArthur vor Neid erblassen lassen würde:

„Zuschauer deren IQ unter 47 liegt, werden angesichts dieses wüsten Kampfgetümmels in Begeisterungsstürme ausbrechen.“

Wow! Ach was, Doppel-Wow!! Warum fallen mir eigentlich nicht solche Brüller ein? Wahrscheinlich weil sie schon seit mehr als 40 Jahren aus der Mode sind. Nach meinem Dafürhalten lässt sich „The Riffs“ allerdings viel präziser, eingängiger und vor allem auch liebevoller umschreiben. Und zu diesem Zweck verweise ich auf ein Zitat aus einem sehr geilen Film („Deadly Outlaw Rekka“) von Takashi Miike, welches Castellaris „Riffs“ bestmöglich reflektiert:

„Rock 'n' Roll!”
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