DAS RATTENNEST - Roberto Bianchi Montero

Peitschenhiebe, laute Explosionen, wilde Abenteuer und anderer Filmstoff aus Italien.
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Sid Vicious
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DAS RATTENNEST - Roberto Bianchi Montero

Beitrag von Sid Vicious »

Regisseur: Roberto Bianchi Montero
Kamera: Mario Mancini
Musik: Franco Micalizzi
Drehbuch: Leila Buongiorno, Richard Harrison
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Ein Mann, dessen Namen wir nicht erfahren, hat eine Autopanne. Weit entfernt von der Zivilisation führt ihn sein anschließender Fußmarsch in ein kleines Goldgräberdorf. Dort wird der Fremde von einer kleinen Schar gesellschaftlichen Abschaums, die ihn für einen Polizisten hält, mit entsprechend großer Abneigung empfangen. Doch der Fremde lässt sich nicht beeindrucken und nichts über seine Identität sowie seinen Ambitionen verlauten. Die Unsicherheit wächst und die negative Stimmung transformiert in abgrundtiefen Hass.

Mit „Das Rattennest“ hat Roberto Bianchi Montero das Kino zwar nicht neu erfunden, aber er definiert den Begriff „Asozial“ in einer besonders signifikanten Weise. Die von Russ Meyer, Joseph W. Sarno, Michael Findlay und weiteren Regisseuren zelebrierten Roughie-Dogmen, Gemeinschaftsfeindlichkeit und Gemeinschaftsschädlichkeit, werden von Montero revisionistisch betrachtet und einer neuen Bewertung unterzogen. Daraus resultiert ein Knäuel von unmenschlichen Parasiten, die regierende Positionen innert eines nicht offiziell existierenden Genres - dem Asozialenfilm - für sich beanspruchen.

Diese spezielle Menschengattung macht es sich in einem wie für sie gemachten Nest gemütlich, denn ihr Wirkungsfeld, ein kleines Goldgräberstädtchen, besteht aus den widerlichsten und dreckigsten Gebäuden der Filmgeschichte. Ein geschlossener Mikrokosmos in dem sich der Bodensatz der Gesellschaft pudelwohl fühlt. Ihr Chef (der König der Asozialen) ist der Kriegsdeserteur Gordon (Gordon Mitchell), der gemeinsam mit Carl eine Menge Gold an die Seite geschafft hat und dieses in einem der Bretterverschläge versteckt hält. Das Traumduo versorgt zudem die Dorfgemeinschaft mit Bier und Whiskey, selbsterklärend mit einem Preisaufschlag von 500%. Gordon und Carl schmeißen somit ungestört und äußerst erfolgreich den Laden, jedenfalls so lang bis ein Fremder auftaucht und für Unfrieden und Verwirrung sorgt, da die Jungs und das Mädel aus den Rattennest allesamt Dreck am Stecken haben. Eine Konstellation, die an ein klassisches Westernmotiv, man denke an „Auf der Kugel stand kein Name“ oder „Ein Fremder ohne Namen“, um nur die beiden bekanntesten Beispiele zu nennen, angelegt ist. Im Vergleich zu den genannten Westernbeispielen verzichtet Montero allerdings auf neutrale bzw. halbwegs „gute“ Charaktere. Seine Filmtypen sind allesamt vom Zivilisationsprozess überforderte Bestien, der gesellschaftliche Abfall, Gesetzlose, die laut Gordons Aussage „ihre eigene Mutter für ein paar Dollar auf den Strich schicken“. Innert einer solchen Gesellschaft stehen Auseinandersetzungen natürlich als Pflichtfach auf dem Stundenplan. Und wenn Kinderschänder, Mörder und Deserteur aufeinander treffen, dann schreit niemand Hallelujah, dann sollte man sich postwendend vom Hof machen. Doch Prügeleien, Sadismen und Beleidigungen sind längst nicht alles was die Rattennestagenda zu bieten hat, da das „Über Ich“ eines jeden Lumpenhunds nicht nur gravierende Schäden aufweist, sondern komplett entfernt wurde. Das Gesindel folgt demnach einzig seinen Trieben, und um den Druck in den Kesseln weiter anzuheizen, bringt Montero die Nymphomanin, Rita (Dagmar Lassander), ins Spiel, sodass es in den Hosen der Unholde und Missetäter extrem eng wird. Holla, die Waldfee!

Die Handlung im „Rattennest“ gestaltet sich bescheiden und Spannung mag auch nicht so recht aufkommen, denn bereits zu Beginn wird ein Spoiler präsentiert, der den Rezipienten zur richtigen Lösungseinschätzung verhilft. But who cares? Schließlich lebt der Film nahezu bravourös von seinen extremen Charakteren, deren Scharmützel und den daraus eskalierenden Situationen. Dazu gesellt sich eine gute deutsche Synchronisation, die entsprechend asozial zu Werke geht und unter anderem den gehbehinderten Fremden unzählige Male aus Krüppel tituliert.

Montero hat mit „Eine Frau für sieben Bastarde“, so der geile Originaltitel, ein cineastisches Miststück geschaffen, welches mir die Kinnlade fortwährend nach unten fallen lässt. Der Film liefert ein Lumpenpack, welches man nicht mehr als Protagonisten bezeichnen kann, denn selbst die Reflektorfigur, der Fremde (Richard Harrison), hat es faustdick hinter den Ohren. Resümierend lässt sich der Film als eine Mischung aus Western, Thriller und Exploitation suggerieren. Eine Genremixtur, die mit dem Gestank sämtlicher Müllhalden zwischen Nord- und Südpol garniert wurde. Wer sich diesem asozialen Treiben hingeben kann - der wird vorzüglich unterhalten.
https://italo-cinema.de/italo-cinema/it ... ennest-das
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Richie Pistilli
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Re: DAS RATTENNEST - Roberto Bianchi Montero

Beitrag von Richie Pistilli »

Den Film müsste ich mir auch unbedingt mal wieder ansehen...

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Richie Pistilli
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Re: DAS RATTENNEST - Roberto Bianchi Montero

Beitrag von Richie Pistilli »

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Gemeinsam mit dem bereits etwas ramponierten Richard Harrison habe ich mich am letzten Wochenende endlich dazu aufgerafft, dem verwegenem Nest erneut einen Besuch abzustatten, in dem sich der pathologisch gestörteste Abschaum eingefunden hat, den das niedere Genrekino aus bella Italia kennt. Antonio Casale, Luciano Rossi, Gordon Mitchell, Ivano Staccioli und Luciano Bartoli hauen als psychopatische Primaten dermaßen ekelhaft auf die Kacke, dass nach dem Film als allererstes ein ausgiebige Dusche angesagt war. Am heftigsten erwischte es dabei aber die reizende Dagmar Lassander, die ihre Rolle augenscheinlich nur im Suff ertrug. Ein abscheulicher Stumpfsinn, den man um es überhaupt glauben zu können unbedingt gesehen haben sollte.


Kann zufällig jemand etwas zur Qualität der DVD sagen?
Oder noch besser: Gleich ein paar Screenshots der DVD posten, damit ich einen Bildvergleich anfertigen kann ;)

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Dschallogucker
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Re: DAS RATTENNEST - Roberto Bianchi Montero

Beitrag von Dschallogucker »

bitteschön
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ist leider falsch herum, also das 1. Foto ist im Film am weitesten hinten

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Sailing Video
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Re: DAS RATTENNEST - Roberto Bianchi Montero

Beitrag von Sailing Video »

Hatte die Mr. Banker DVD vor ein paar Monaten schon geschaut. Scheint zumindest kein bloßer vhs rip zu sein, sondern eine stellenweise ziemlich abgenutzte ital. widescreen fassung mit einigen frame cuts diente hier als vorlage. Die alte dt. Vhs war laut Terror Führt Regie Buch noch in vollbild. Konnte ich mit leben für den Preis, auf jeden fall um Welten besser als das stacco Debakel von aberle media.

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Richie Pistilli
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Re: DAS RATTENNEST - Roberto Bianchi Montero

Beitrag von Richie Pistilli »

Dschallogucker hat geschrieben:
Mo., 27.06.2022 21:08
bitteschön


Vielen, lieben Dank :hut:

Im Direktvergleich zur VHS-Fassung sieht das Bild der DVD doch ein wenig besser aus:


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Sailing Video hat geschrieben:
Mo., 27.06.2022 22:33
Hatte die Mr. Banker DVD vor ein paar Monaten schon geschaut. Scheint zumindest kein bloßer vhs rip zu sein, sondern eine stellenweise ziemlich abgenutzte ital. widescreen fassung mit einigen frame cuts diente hier als vorlage.


Klingt angesichts der Screenshots plausibel.



Sid Vicious hat geschrieben:
Mi., 09.12.2020 00:06
Eine Konstellation, die an ein klassisches Westernmotiv, man denke an „Auf der Kugel stand kein Name“ oder „Ein Fremder ohne Namen“, um nur die beiden bekanntesten Beispiele zu nennen, angelegt ist. (...) Resümierend lässt sich der Film als eine Mischung aus Western, Thriller und Exploitation suggerieren


Laut Richard Harrison hatte sich dieser für das Drehbuchschreiben von Stadt in Angst (Bad Day at Black Rock) inspirieren lassen :shock:
(Quelle: Eurocrime-Doku)

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Prisma
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Re: DAS RATTENNEST - Roberto Bianchi Montero

Beitrag von Prisma »



Nicht häufig hat man vielleicht einen Film wie Roberto Bianchi Montero "Das Rattennest" zu Gesicht bekommen, der es dem Publikum auf so ungenierte Art und Weise leicht macht, die meisten der Hauptpersonen zu hassen und sie abgrundtief scheiße zu finden. Im richtigen, also völlig herunter gekommenen, beziehungsweise verschissenen Ambiente, dürfen sich subversive Emotionen potenzieren, bei denen sich eher herausstellt, dass es sich um Triebe der untersten Schublade handelt. Man will sich das Leben gegenseitig zur Hölle zu machen. Man hinterfragt nicht viel, wie diese Herrschaften sich finden konnten und wo andere herkommen, es entspricht vielleicht einfach der Vorsehung, dass sie sich letztlich finden mussten, um sich die Köpfe einzuschlagen. Bevor es allerdings soweit ist, gehen Dialoge und Wendungen hervor, die den interessierten Zuschauer erfreuen und anheizen, mehr Spektakel zu verlangen. Im sogenannten Rattennest braucht man niemanden der wirklich Ekel und Abscheu erregenden Personen zu bitten, ordentlich draufzuhalten, denn dieser Abschaum der Menschheit kann gar nicht anders, als sich von seiner ätzendsten Seite zu präsentieren. Gemessen an diesen Höhlenmenschen, extrem abstoßend dargestellt von Gordon Mitchell, Antonio Casale, Ivano Staccioli oder Luciano Bartoli, kommen einem die Charaktere von Richard Harrison, Andrea Checci oder Dagmar Lassander - die hier vielleicht die größte Überraschung in der Rolle der allerletzten Hure darstellt - wie verkrustete Heilige vor. Inszenatorisch wird viel Dreck aufgewirbelt, es ist keine Zeit für die schönen oder ästhetischen Dinge des Lebens, sodass der Verlauf auf seine verachtende Art irritiert. "Das Rattennest" ist ein besonderer Ritt durch die Hölle des Goldfiebers geworden, in der es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis der erste Gestörte sich aus seiner nicht vorhandenen Zwangsjacke befreien kann. Ein furchtbar trostloses aber auch schwer unterhaltsames Konglomerat aus allen erdenklichem Abartigkeiten.

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Sid Vicious
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Re: DAS RATTENNEST - Roberto Bianchi Montero

Beitrag von Sid Vicious »

...und wenn man mag, dann kann man evt. Linien zu Jean-Paul Sartres "Geschlossene Gesellschaft" ziehen.
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