DIE ABENTEUER DES KARDINAL BRAUN - Lucio Fulci

Wuselige, flotte und schlüpfrige Attacken auf die Lachmuskeln.
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Prisma
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DIE ABENTEUER DES KARDINAL BRAUN - Lucio Fulci

Beitrag von Prisma »




Heinz Rühmann

DIE ABENTEUER DES KARDINAL BRAUN


● OPERAZIONE SAN PIETRO / DIE ABENTEUER DES KARDINAL BRAUN / AU DIABLE, LES ANGES! (I|D|F|1967)
mit Uta Levka, Lando Buzzanca, Jean-Claude Brialy, Christine Barclay, Wolfgang Kieling, Herbert Fux und Edward G. Robinson
eine Produktion der Ultra Film | Roxy Film | Marianne Film | im Inter Verleih
ein Film von Lucio Fulci

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»Manchmal macht sich sogar der Teufel nützlich!«


Mafia-Boss Joe Ventura (Edward G. Robinson) und sein Ganoven-Liebchen Samantha (Uta Levka) wollen Rauschgift von Italien in die USA schmuggeln, welches sie in Michelangelos hoch versicherter Pietà verstecken, die in einem Museum ausgestellt ist. Doch einige der Verbündeten springen wegen Joes angeschlagenen Geisteszustandes ab, der Coup geht schief und die Skulptur kommt in die Hände einer Bande Gelegenheitsdiebe rund um Napoleone (Lando Buzzanca), der von ihrem Wert überhaupt keinen Begriff hat. Als Kardinal Braun (Heinz Rühmann) diese Nachricht erreicht, packt er die heikle Angelegenheit an und lässt sich auf eine spektakuläre Verfolgung quer durch das Land ein. Als er endlich auf den Verbrecher Ventura trifft, kommt es zu einer faustdicken Überraschung...

Falls man sich die berechtigte Frage stellt, wieso Heinz Rühmann einige Jahre nach den "Pater Brown"-Verfilmungen "Das schwarze Schaf" und "Er kann's nicht lassen" plötzlich unter Lucio Fulci Kardinal werden konnte, und mit Nachnamen nicht mehr Brown, sondern nun Braun heißt, sollte wissen, dass es sich bei diesem Beitrag um keine offizielle Fortführung der Reihe handelt. Eher darf von einer Anspielung auf die erfolgreichen Filme aus den Jahren 1960 und 1962 ausgegangen werden, um so viele Interessenten wie möglich zu rekrutieren. Ob man dem deutschen Inter-Verleih schließlich eine Art Etikettenschwindel vorwerfen kann, spielt hier allerdings keine wirkliche Rolle, denn "Die Abenteuer des Kardinal Braun" wurde seinerzeit mit gemischten Gefühlen aufgenommen und avancierte zu keinem großen Erfolg. Dieses Werk kann als Kriminal-Komödie klassifiziert werden, die vor allem wegen ihres italienischen Einschlags auffällt, und das nicht nur, weil in Rom und im Vatikan gedreht wurde. Auffallend ist zunächst einmal, dass Fulci auf viele, den Humor unterstützende Details Wert legt, die der Situationskomik bestenfalls zuträglich sind. Doch das Stehen oder Fallen eines Films muss oftmals an ganz anderen Stellen gesucht werden. In der Tat ist die Produktion von rein handwerklicher Seite her einwandfrei, doch leider schwächelt das Konstrukt aufgrund der zu kopflastigen Geschichte, außerdem daran, dass Spekulanten für einen weiteren Rühmann-Coup enttäuscht sein werden, da er hier allenfalls die nominelle Hauptrolle inne hat, einem jedoch als klassisches Zugpferd angepriesen wird. Letztlich ist die Qualität dieses verspielten Fremdkörpers außer der Reihe als wechselhaft zu bezeichnen, da sich einige zähe Strecken mit durchaus gelungenen Momenten abwechseln, wobei sich die allgemeine Tendenz eher als Durchschnitt abzeichnet. Vielleicht ist es im Endeffekt so, dass der Beitrag mit dem Problem zu kämpfen hat, dass keine Zielgruppe vollends bedient wird und sich die gesamte Konstruktion zwar entschieden, aber unterm Strich zu launisch gibt. Fans der einschlägig bekannten Italo-Komödie kommen kaum auf ihre Kosten, schließlich wird zu Verhaltenes in quasi allen Bereichen serviert.

Krimi-Anhänger werden ebenfalls zu selten klassisch bedient, allerdings gewinnt man in einem Kernbereich durchgehend, nämlich bei den international zusammengecasteten Interpreten, die sich aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und der teils amüsanten Klischee-Variationen sehen lassen können. Die eigentlichen Hauptrollen teilen sich Darsteller wie Jean-Claude Brialy oder Lando Buzzanca, die im deutschen Vorspann in die Zweite Reihe gereicht wurden. Buzzanca spielt Napoleone, einen eigentlich liebenswerten Kleinkriminellen, der der gesamten Handlung in den meisten Fällen seinen Stempel aufdrücken kann. Vielleicht nicht mit den brillantesten darstellerischen Fähigkeiten gesegnet, sorgt er aber - wie viele seiner Kollegen auch - für angemessene Situationskomik, ohne dabei das Fass zum Überlaufen zu bringen. Heinz Rühmann bereichert das Geschehen nach erst ziemlich genau vierzig Minuten, was sehr schade ist, da er eine derartige Anforderung erfahrungsgemäß sehr stichhaltig prägen konnte. Außerdem war es ihm stets möglich, seine unter Umständen breit angelegte Screentime nahezu auszureizen, falls er in vollkommen auf ihn zugeschnittenen Formaten zu sehen war. Auch hier scheint durchaus alles auf seine Person abgestimmt zu sein, jedoch handelt es sich bei diesem Eindruck womöglich eher um die Wahrnehmung der deutschen Zuschauerseite, als um die der italienischen, französischen, oder welcher auch immer. Heinz Rühmann bleibt aufgrund einer soliden Leistung in Erinnerung und stattet Seine Eminenz mit Besonnenheit und Milde aus. Dennoch hätte es unterm Strich ein bisschen mehr sein dürfen. Auch für kleinere Affronts der augenzwinkernden Art lässt er sich bereitwillig einspannen, ohne jedoch ein Fass der Kritik aufzumachen. Die Jagd nach der Pietà gestaltet sich insbesondere im letzten Drittel der Geschichte als turbulent und ereignisreich und es kommt zu mehreren Pannen, was die Maschinerie letztlich am laufen hält. Sehr unterschiedlich angehauchte und daher für Abwechslung sorgende Leistungen sind des Weiteren von Jean-Claude Brialy, einer Art Gigolo und Hochstapler mit gutem Kern, Wolfgang Kieling und Herbert Fux, die die andere Seite des Gesetzes wie so oft und vorzüglich bedienen, sowie Edward G. Robinson, der hier sehr eigenwillige, ja, beinahe denkwürdige Register als Joe Ventura ziehen darf.

Seine Darstellung einer Art Al-Capone-Verschnitts, der aus der gleichen Zeit stammen könnte, aber längst nicht mehr über das gleiche Format verfügt, da er einst zu viele ungesunde Schläge über den Schädel bekam, ist als einer der sicherlich gelglücktesten Einfälle der Story zu nennen. Immer wenn er ein dreifaches Klopfen hört, verfällt er ins Stadium eines treuen Schoßhundes, der weder bellen noch beißen kann, daher nur noch brav mit dem Schwanz wedelt. Dies macht sich seine verführerische Partnerin Samantha zunutze, die ihn dann permanent wie eine Schachfigur wahlweise ins Aus schiebt. In persona der wie immer umwerfenden Uta Levka, bekommt die Geschichte durch sie diskreten Sex-Appeal und einen Hauch der sieben Todsünden verliehen, was als Randerscheinung im Tauziehen mit der Kirche einen passenden Eindruck macht. Mit allem, was sie naturgemäß zu bieten hat, spielt sich die Deutsche somit immer wieder in den Vordergrund und hinterlässt womöglich die eindeutigste Duftmarke in diesem bunten Treiben. Der Weg zum Finale gestaltet sich ausladend und drängt sich beinahe mit Action-Überschuss auf, jedoch kommt man in den Genuss einiger gelungenen Überraschungen, die schließlich versöhnlich wirken. Alles in allem ist "Die Abenteuer des Kardinal Braun" ein bemüht kurzweiliger Vertreter der Krimi-Komödie geworden, dem man seine teils ungünstige Dosierung in christlicher Nächstenliebe verzeihen möchte, zumal ein gewisser Charme nicht zu leugnen ist. Zwar ist es so, dass die meisten Augen hier wohl trocken bleiben werden, aber man verfolgt das teilweise grotesk gefärbte Geschehen zumindest mit Aufmerksamkeit, im besten Fall vielleicht sogar mit Vergnügen. Bevor es rasant zugeht, darf sich der geneigte Zuschauer allerdings auf Strecken zu behäbigen Tempos gefasst machen, bis die Launen des Schicksals sich treffen und die Vergangenheit Kapriolen schlagen darf. Ein gut aufgelegtes Ensemble hingegen beweist Fingerspitzengefühl und Ausdauer, ohne dabei allzu sehr zu strapazieren, was man von der musikalischen Begleitung allerdings nicht gerade sagen kann. Aus den genannten Gründen ist dieses ambitionierte Experiment letztlich als gelungen zu bezeichnen, vorausgesetzt, man kann den strahlenden Nimbus der vorhergegangenen Filme ausblenden und weitgehend auf Vergleiche verzichten. Falls es nicht gelingt, verliert Lucio Fulcis Beitrag erfahrungsgemäß enorm an Substanz.

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Richie Pistilli
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Re: DIE ABENTEUER DES KARDINAL BRAUN - Lucio Fulci

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Die Abenteuer des Kardinal Braun (D)
Operazione San Pietro (IT)
Au diable, les anges! (F)
Operación San Pedro (ES)
Operação S. Pedro (BRA)
Operation St. Peter's


IT / D / F 1967

R: Lucio Fulci
D: Lando Buzzanca, Jean-Claude Brialy, Heinz Rühmann, Edward G. Robinson, Uta Levka, Herbert Fux, Wolfgang Kieling, Christine Barclay, Dante Maggio, Giovanni Ivan Scratuglia u.a.



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Deutsche Erstaufführung: 13.02.1968

Synchronkartei

Filmportal

Italo-Cinema.de

Score: Armando Trovaijoli & Ward Swingle

Locationvergleich

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OFDb



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"Manchmal macht sich sogar der Teufel nützlich..."


Mitten am helllichten Tag stiehlt eine Gaunerbande Michelangelos berühmte Statue Pietà aus dem Petersdom. Was die Gauner jedoch nicht bedacht haben ist, dass die Statue wegen ihrer großen Bekanntheit unverkäuflich ist. Die Pechvögel verkaufen die Statue schließlich an den amerikanischen Gangsterboss Joe Ventura (Edward G. Robinson). Mit diesem Coup plant er sein großes Comeback. Zwischenzeitlich hat sich Kardinal Braun (Heinz Rühmann) im Vatikan der Aufklärung des Falls angenommen. Der Gottesmann mit dem untäuschbaren kriminalistischen Instinkt, setzt dabei seinen ganz eigenen Fahndungsapparat aus Priestern und Nonnen ein um den Gaunern das Handwerk zu legen. Eine wilde und lustige Jagd geht los ... (Quelle: AnixeHD.tv)


- "Eminenz, ihr seid noch besser organisiert als die Mafia."
- "Wir sind ja auch 2000 Jahre älter, mein Sohn."


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Nachdem ich mir Fulcis gaunerhafte Vatikan-Komödie vor einiger Zeit zum zweiten Mal angeschaut hatte, wurde der Film wenige Tage später für das diesjährige Terza Visione angekündigt, infolgedessen ich zunächst die Leinwandpräsentation abwarten wollte, bevor ich etwas zu dem Film schreibe. Leider lieferte die Cineteca DW Griffith aus Genua entgegen der zuvor mitgeteilten Fassungsangaben eine rotstichische Filmkopie im falschen Bildformat, so dass sich die Festivalveranstalter spontan dazu entschieden, DIE ABENTEUER DES KARDINAL BRAUN durch URLATORI ALLASBARRA zu ersetzen, bei dem Lucio Fulci ebenfalls Regie führte. Schade.


Wenn man sich die Filmrezensionen im Netz durchliest, so kommt Lucio Fulcis Gaunerkomödie in den meisten Fällen gar nicht gut weg. Den einen ist der Film zu albern, den anderen wiederum zu unlustig. Wieder andere messen den Film mit der ursprünglichen Pater Braun-Filmreihe oder bewerten ihn losgelöst im Kontext des Rühmann- oder Fulci-Œuvres. Mir persönlich sagt die seichte Machart des Films zu, die mit allerhand Albernheiten angereichert wurde, ohne dabei auf stimmungsabflauende Kalauer-Sprüche zurückzugreifen. Eine turbulente Komödie, die aber keinesfalls als Teil der Pater Braun-Filmreihe angesehen werden sollte, sondern vielehr als Nachfolger von Dino Risis UNSER BOSS IST EINE DAME, den dieser ein Jahr zuvor erfolgreich in die Kinos brachte. Nachdem die erste Hälfte des Films einen eher unaufgeregten Handlungsverlauf aufweist, steppt in der zweiten Hälfte der Bär, denn was die rasanten Stuntszenen angeht, dürfen sich Rémy Julienne und sein Team gegen Ende des Films ungehemmt austoben, wozu sie in gewohnter Weise Autos und Motorräder nutzten. Neben einer hervorragenden Kamerarbeit, die von keinem Geringeren als Erico Menczer (im deutschen Titelvorspann auch liebevoll Erich Menczer genannt) stammt, sind es die beteilgten Schauspieler und Schauspielerinnen, die den vorliegenden Film sehenswert machen. Während der italienische Darsteller Lando Buzzanca überzeugend den Kleinkriminellen Napoleone verkörpert, der Franzose Jean-Claude Brialy den Möchtegern-Cassanova Cajella. Ihnen gegenüber stehen Edward G. Robinson, Herbert Fux, Wolfgang Kieling und die aufreizende Uta Levka, die als Mafia-Bande den Kleinkriminellen ihre erbeutete Pietà wieder abjagen wollen. Dann wäre da aber auch noch Heinz Rühmann, der in der Rolle des Pater Erik Braun ebenfalls noch ein Wörtchen mitzureden was, was den zukünftigen Verbleib der wertvollen Pietà anbelangt. Waswiederum die Filmmusik angeht, so klingt diese nicht zwar außergewöhnlich, birgt aber auch zugleich die Gefahr, einen mit der Zeit in den Wahnsinn zu treiben.


Ein Vergleich zwischen der deutschen Kinofassung und der italienischen Originalfassung ergab, dass Letztere eine Szene mehr enthält. Diese zeigt eine Hochzeitsfeier am Traualtar, als den Priester inmitten der Zeremonie die Nachricht über den Diebstahl der Pietà erreicht. Also bringt er die Trauung im Blitzverfahren zu Ende, um sich daraufhin der Jagd nach der wertvollen Statue anzuschließen. In der deutschen Fassung sieht man den Priester nur noch mit seinem Motorrad aus dem Innenhof der Kirche rauschen.


Fazit: "Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat."


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Impressionen der fehlenden Hochzeitsszene:
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Filmplakate:
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Filmmusik und Filmausschnitt:
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Prisma
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Re: DIE ABENTEUER DES KARDINAL BRAUN - Lucio Fulci

Beitrag von Prisma »



Lucio Fulcis "Die Abenteuer des Kardinal Braun" separat oder wie jetzt unmittelbar nach den beiden "Pater Brown"-Verfilmungen hintereinander zu sehen, macht im Grunde genommen keinen Unterschied, denn es kommt vielleicht eher auf die eigene Grundeinstellung bezüglich des Films an, der die Möglichkeiten besitzt, ganz gut funktionieren zu können, wenn man ihm die entsprechenden Chancen einräumt. Gleich zu Beginn sei betont, dass es sich stets als strapaziös herausstellt, die Musik der Veranstaltung zu ertragen, allerdings hat die Produktion als eigenständige Vertreterin der Mehr-Produktionsländer-Komödie etliche Vorteile zu bieten, die zumindest unterhaltsam waren. Da wäre die mit zahlreichen Versatzstücken versehene Geschichte und all ihre Beteiligten, die sich ziemlich gut für allen möglichen Klamauk einspannen lassen und die Zeit nicht selten kurzweilig vertreiben. Turbulenzen und Tempo machen sich unter Fulcis Regie bezahlt, auch wenn man nach dem Finale wohl resümieren muss, weitaus besser inszenierte Komödien dieser Mache zu kennen. Nichtsdestotrotz ist auch dieser Flick immer man wieder gerne gesehen, vor allem weil Lando Buzzanca, Edward G. Robinson, Jean-Claude Brialy oder Uta Levka jeweils auf ihre spezielle Art und Weise auf den Putz hauen dürfen.

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