DAS SPUKSCHLOSS IN DER VIA VENETO - Antonio Pietrangeli

Wuselige, flotte und schlüpfrige Attacken auf die Lachmuskeln.
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Prisma
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DAS SPUKSCHLOSS IN DER VIA VENETO - Antonio Pietrangeli

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DAS SPUKSCHLOSS IN DER VIA VENETO


● FANTASMI A ROMA / DAS SPUKSCHLOSS IN DER VIA VENETO / NACHTSCHATTEN (I|1961)
mit Marcello Mastroianni, Belinda Lee, Ida Galli, Eduardo De Filippo, Vittorio Gassman, Tino Buazzelli, Claudio Gora und Sandra Milo
eine Produktion der Galatea Film | Lux Film | Vides Cinematografica | im Bavaria Filmverleih
ein Film von Antonio Pietrangeli

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»Sehen kann man sie nur, wenn man gestorben ist oder sich in Lebensgefahr befindet!«

Prinz Annibale di Roviano (Eduardo De Filippo) gilt in der Stadt als ziemlich eigentümlich, denn er behauptet seit jeher, dass er in seinem römischen Palazzo in friedlicher Koexistenz mit einigen Geistern lebt. Diese unsichtbaren Zeitgenossen sollen der Legende nach einige Verwandte sein, die eines gewaltsamen Todes zum Opfer gefallen sind. Alles könnte so friedlich sein, wenn nicht eines Tages schwerwiegende Veränderungen vor der Tür stünden. Durch eine Unachtsamkeit hat seine Durchlaucht einen Unfall, und schließlich soll das alte Schloss verkauft werden. Am gleichen Platz plant man die Errichtung eines hochmodernen Einkaufszentrums, was die beherbergten Geister in helle Aufregung versetzt. Als plötzlich auch noch die lebendige Verwandtschaft des Eigentümers in seinem Haus einzieht, muss ein zündender Einfall her, denn Annibales Neffe Federico di Roviano (Marcello Mastroianni) und seine lebenshungrige Freundin Eileen (Belinda Lee), haben den Erlös der bevorstehenden Veräußerung bereits großspurig verplant. Werden die Geister den drohenden Abriss ihres geliebten Stadtschlösschens verhindern können..?

Dieser leider in Vergessenheit geratene Beitrag von Antonio Pietrangeli kann nicht nur wegen des stimmungsvoll klingenden deutschen Titels für uneingeschränktes Interesse sorgen, sondern auch wegen der spektakulären Besetzung. So viel Wohlklang scheint durchaus einiges zu versprechen, und die Spannung steigt angesichts der Frage, ob dieser Film einen tatsächlich das Gruseln lehren kann. Schnell stellt sich hier jedoch heraus, dass der Name des Films den Gesamtverlauf nicht unbedingt charakterisieren wird, wie es letztlich so oft bei Verleihtiteln von diversen Filmen der Fall war. Wenn man sich als Zuschauer unmittelbar aufs Glatteis geführt fühlt, fehlt dabei in der Regel ein positives Überraschungsmoment, und es ist wahrscheinlich, dass sich eine gewisse Enttäuschung breit macht. "Das Spukschloss in der Via Veneto" stellt in diesem Zusammenhang eine beinahe revolutionäre Ausnahmeerscheinung dar, denn die Produktion von 1961 entpuppt sich als eine durch und durch gelungene Überraschung, oder im doppelten Sinn geistreiche Angelegenheit. Die Einordnung in ein bestimmtes Genre fällt insgesamt schwer, es kristallisieren sich zwar Anteile von überaus gepflegtem Grusel heraus, dies allerdings eher im komödiantischen Sinne. Außerdem tauchen sporadisch leicht dramatische, oder eher gesagt, melancholisch angehauchte Bruchstücke auf. Vielleicht trifft die Bezeichnung Grusel-Komödie am besten zu, wenn auch nur im weiteren Sinne, da Pietrangeli hier keineswegs die Absicht verfolgt, den Zuschauer in irgend einer Weise zu beunruhigen. Thematisch gesehen zeigt sich der Film als eher einfach gestrickt, doch durch die Anreicherung mit allerlei Finessen und einem Stab, welcher eine wahrhafte Symbiose untereinander einzugehen scheint, wird "Nachtschatten" - so der deutsche Titel der Video-Auswertung - zu einem kleinen Erlebnis.

Innerhalb der hochkarätigen Besetzung findet man den Jetset des italienischen Kintopp von damals. Auf der Seite der Geister im Stadtschlösschen führt Marcello Mastroianni das illustre Treiben an, und im Verlauf der Geschichte wird man ihn sogar in drei verschiedenen Rollen zu Gesicht bekommen. Da der 1924 geborene Schauspieler stets eine sichere Bank darstellt, kann man sich auf gute und anspruchsvolle Unterhaltung gefasst machen. Reginaldo scheint das Geister-Dasein im Grunde zu schätzen, da er sich, genau wie seine Kumpanen, beim alten Prinzen wohlzufühlen scheint. Nur wenn er in der Nähe von schönen Frauen ist, sind dem leichenblassen Casanova die sehnsüchtigen Blicke anzusehen und es lässt sich erahnen, dass er doch wieder gerne unter den Heißblütern leben würde. Um sich die Zeit zu verschönern, wird Schabernack getrieben, auch ist immer wiederzusehen, dass jeder der Geister in der Via Veneto ganz eigene Spleens hat. Wenn Prinz Annibale von seinen unsichtbaren Bewohnern berichtet, und hinter vorgehaltener Hand als senil betrachtet wird, strengen Reginaldo und seine Freunde gerne kleine Demonstrationen an. Dem Klempner verschafft man wie von Geisterhand eben einmal schnell eine kalte Dusche, oder dem Bauingenieur, der Haus und Hof bedroht, wird die Teppichkante hochgehalten, sodass er ins Stolpern gerät. Hierbei entsteht eine herrliche Situationskomik die nicht nur zum Schmunzeln, sondern teilweise auch zum herzhaften Lachen verleitet und rein gar nichts mit albernem Klamauk zu tun hat. Ansprechende Leistungen fürs Herz und Auge liefern Belinda Lee, Ida Galli und Sandra Milo, die sehr geschickt im Sinne deutlicher Kontraste eingesetzt sind, auch Eduardo De Filippo, Tino Buazzelli und Vittorio Gassman bedienen dieses Konzept hervorragend, sodass es zu einem überaus runden Gesamtbild kommt.

Das ohnehin amüsante Grundgerüst wird vor allem durch die handwerklich sichere Umsetzung perfekt und sehenswert. Hinsichtlich des Schauspiels und der Interaktion bekommt man wahre Choreografien geboten, die erst durch die aufwendige Kameraführung und den punktgenauen Schnitt zu einem großartigen Spektakel werden. Bei Berührungen durch die unsichtbaren Bewohner des Hauses werden beim jeweiligen Pendant immer Reaktionen im Bild eingefangen, auch verschwinden die Gestalten im gleichen Setting plötzlich, und selbst die Tricks wirken für das Produktionsjahr ziemlich gelungen. Die Idee, dass der Zuschauer quasi auf der Seite der Geister steht und alles unmittelbar erlebt, greift spielend und bewirkt eine hohe Daueraufmerksamkeit. Was wäre ein derartiges Spektakel ohne eine stimmungsvolle Dialogarbeit? In diesem Zusammenhang ist es ist ganz bemerkenswert, wie das vorhandene Potential effizient genutzt wird. Reginaldo und seine Freunde hören den Personen nämlich nicht nur zu, sie kommentieren auch gerne einmal hemmungslos von der unsichtbaren Seite, sie erteilen Ratschläge und Tadel, lassen ihrem Unmut freien Lauf, sie lästern, machen Witze und lassen gerne auch Seitenhiebe vom Stapel. Häufig überschneiden sich Worte und Sätze, was im Film ja eher unüblich und sonst deutlich voneinander abgegrenzt ist, hier als Stilmittel jedoch vollkommen aufgeht. Für den Zuschauer sind diese sprachlichen Spitzen sehr willkommen und oftmals wird einem sogar aus der Seele gesprochen. Weitere Schützenhilfe am gelungenen Profil der Produktion leistet zum Beispiel die musikalische Anpassung, die hervorragende Bildgestaltung und Ausstattung, und natürlich die offensichtliche Liebe zum Detail. Antonio Pietrangelis Beitrag muss man einfach mögen, da das Konzept originell und leichtfüßig wirkt, und das Gesamtbild ein durch und durch heiteres Sehvergnügen vermitteln kann. Insgesamt stellt "Das Spukschloss in der Via Veneto" ein Festival der leichtfüßigen Unterhaltung dar, dass man sich unbedingt einmal angeschaut haben sollte.

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Prisma
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● BELINDA LEE als EILEEN in
DAS SPUKSCHLOSS IN DER VIA VENETO (I|1961)



Die Riege der Filme mit Belinda Lee ist wegen ihres frühen Todes naturgemäß nicht übermäßig lang, bietet aber dennoch viele hochinteressante Rollen, von denen einige noch zu entdecken sind. Diese Produktionen jedoch nur auf die Beteiligung von Belinda Lee zu reduzieren, wäre ungerechtfertigt, was insbesondere für "Das Spukschloss in der Via Veneto" gilt, da diese Komödie eines der großen vergessenen Highlights des italienischen Kinos darstellt. Die schöne Britin ist in dieser originellen Geschichte zwar überaus nett anzusehen, zeigt sich darüber hinaus in guter Spiellaune und erfreut auch einmal mit ihrer komödiantischen Seite, aber es ist und bleibt dieser bemerkenswert leichtfüßige Film, der die Hauptattraktion darstellt, seine weibliche Hauptrolle somit auch in die zweite Reihe verfrachtet. Belinda Lee fällt hier zunächst durch einige optische Veränderungen auf, sodass man nach Auftritten wie beispielsweise der feuerroten Messalina oder der blonden Rosemarie Nitribitt schon zweimal hinschauen muss, um sie überhaupt zu erkennen. Die schwarzhaarige und verführerische Eileen ist hier also ein gewolltes Abziehbild der modernen Frau dieser Zeit geworden, resolut, selbstbewusst und schlagfertig. Auch wird sie in der "Via Veneto" als erotischer Blickfang eingesetzt, der nicht gerade sparsam mit den eigenen Reizen umgeht, und die Kunst des Verführens ihr Eigen nennt. Belinda Lee scheint alleine aus diesen Gründen wie geschaffen für diesen Auftritt zu sein, obwohl die weibliche Konkurrenz hier gewiss nicht schläft. Die Britin hat im Films beispielsweise eine Szene in der Badewanne, die allerdings von unten bis oben voll mit Schaum, also Fantasie ist, sie ist häufig in knappen Ensembles zu betrachten und man darf einen Blick auf ihren nackten, vom Schaumbad glänzenden Rücken werfen, was für das Produktionsjahr ein bisschen mehr als das Übliche darstellt.

Dies klingt für heutige Verhältnisse nach einem Hauch von Nichts, doch es ist zu bedenken, dass der Film im Jahre 1961 entstanden ist. Die Rolle von Belinda Lee ist insgesamt schon sehr stark auf einen gewissen Star-Bonus angelegt, den sie zu jener Zeit ohne jeden Zweifel innehatte. Sie wird im Vorspann an zweiter Stelle - und somit noch vor dem Filmtitel "Das Spukschloss in der Via Veneto" genannt, bereichert das Geschehen allerdings erst ziemlich spät, und hat daher auch recht wenig Screentime, die vornehmlich Marcello Mastroianni vorbehalten ist. Bezüglich der Sympathien des Publikums und der Wichtigkeit der Rolle, sieht mal Lees Kollegin Sandra Milo in deutlichem Kontrast, was übrigens für die gesamte feminine Unterstützung in dieser Geschichte gilt. Dennoch zieht sie mit allen anderen an einem Strang und sorgt für aufrichtiges Schmunzeln und einige Lacher. Hierbei handelt es sich schon um ein interessantes Kontrastprogramm, sah man die englische Interpretin doch hauptsächlich in Rollen, die in andere Richtungen führten, allerdings die gleiche Schauspiellaune erforderten. Schwierigkeiten könnte vielleicht ihre deutsche Synchronstimme machen, da es sich um einen schwerwiegenden einfach nicht auszublendenden Fall der Assoziation mit einer anderen Rolle handelt. Belinda Lee wird hier nämlich von Marianne Wischmann gesprochen, die kaum zu ihrem Typ passt und gleichzeitig permanent an Raquel Ochmonek aus "Alf" denken lässt, wenngleich die Leichtigkeit der Dialoge lobenswert ist. Wie dem auch sei, es handelt sich insgesamt um eine weitere schöne Rolle der schönen Interpretin, und es ist absolut sicher, dass sie auch weiterhin dazu animieren wird, die Filmografie zu vervollständigen, um weitere Highlights zu entdecken. Eileen überrascht mit einer sehr interessanten Wandlungsfähigkeit, Belinda Lee mit auffälliger Schauspiellaune, und der Zuschauer wohl mit einem deutlichen Kopfnicken.



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