LO SPETTRO - Riccardo Freda

Nebelige Schlösser, mystisches Gewirre und blutiges Gekröse.
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Maulwurf
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LO SPETTRO - Riccardo Freda

Beitrag von Maulwurf »

Lo spettro
Lo spettro
Italien 1963
Regie: Riccardo Freda
Barbara Steele, Peter Baldwin, Leonard Elliott, Harriet Medin, Reginald Price Anderson, Carlo Kechler, Elio Jotta, Umberto Raho


The ghost.JPG

OFDB
Italo-Cinema.de

Vor vielen Jahren war Dr. John Hichcock (Elio Jotta) ein bekannter Arzt, der auf dem Höhepunkt seines Ruhmes die schöne Margaret (Barbara Steele) heiratete. Nun ist er ein Wrack. Ein Krüppel, der im Rollstuhl halbseitig gelähmt vor sich hin vegetiert und sich in seinem Haus in Schottland von der Welt weitgehend zurückgezogen hat. Neben seiner treuen Haushälterin Catherine (Harriet Medin) hat er hauptsächlich Kontakt zu Dr. Livingstone (Peter Baldwin), der ihn mit Hilfe einer Curare-Kur wieder herstellen möchte. Diese Kur sieht so aus, dass Dr. Livingstone zuerst Curare spritzt und anschließend ein Gegengift injziiert, damit Hichcock nicht stirbt.
Es kommt was kommen muss, die junge und schöne Barbara und der junge und ehrgeizige Dr. Livingstone haben ein Verhältnis miteinander. Eigentlich steht ihrer Liebe nur Dr. Hichcock im Wege, also wird er eines Tages kurzerhand ermordet. Nun wäre der Weg frei für das junge Liebespaar, allerdings hat Dr. Hichcock sein Geld nicht seiner liebenden Frau vermacht, was so schon mal nicht geplant war. Und dann sind seit dem Tod Hichcocks auch noch seltsame Geräusche zu hören. Schatten gehen umher, und eine Stimme ist zu hören - Die Stimme Dr. Hichcocks …

Wir befinden uns in einem Raum mit wenig Licht. Die Einrichtung ist übervoll und viktorianisch, was das Zimmer sehr klein und eng werden lässt. Vielleicht hatten die Möbel und die Tapeten in einem früheren Leben einmal bunte Farben, aber jetzt weicht jede Erinnerung an Dinge wie Leben oder Licht vor der Schwärze des Raumes zurück. In den Ecken lauern Schatten, dunkle Schatten, die nur darauf warten das magere Licht zu verschlingen. Die Decke ist nieder, und alles in allem ist die Atmosphäre in diesem Raum düster und drückend. Be-drückend. Geradezu klaustrophobisch. Kein Raum für Menschen die gerne Lachen, oder die an schöne Dinge denken. Schöne Erinnerungen werden hier nur mit Hilfe von Gin wachgehalten, die Gegenwart ist schwarz und leer.

Oder mit anderen Worten: Willkommen in der gotischen Welt der italienischen Gruselfilme der frühen 60-er Jahre. Ich gebe zu, dass diese Welt für mich noch recht neu ist, und eigentlich hatte ich einen klassisch-gotischen Film à la MASCHERA DEL DEMONIO erwartet, mit halbzerfallenen Ruinen und finster dreinblickenden Gespenstern. Aber auf dieses dichte und spannende Kammerspiel war ich nicht vorbereitet. Schon das Figurenquartett Ehemann – Ehefrau/Geliebte – Betreuer/Geliebter - Haushälterin sorgt für eine stickige und von Misstrauen durchdrungene Atmosphäre. Man belauert sich gegenseitig, und keiner kann sicher sein dass er nicht gerade beobachtet wird - diese Art Stimmung herrscht im Haus vor, und verstärkt wird dieser Eindruck dann durch die dichten und vollgestellten Settings, durch Einsatz der Zimmerdecke (welche die Klaustrophobie in einem Film immer steigert), sowie den Umstand dass das Haus kaum verlassen wird. Selbst die wenigen Außenaufnahmen zeigen keine Freiräume oder gar den Himmel, stattdessen ergeht man sich unter herbstlichen Bäumen oder auf dem Friedhof. Die Stimmung ist immer wie Montag morgen auf der Arbeit, die Hauptpersonen sind durchwegs gereizt, und unter dem Begriff „Liebe“ stelle zumindest ich mir etwas ganz anderes vor als Dr. Livingstone und Margaret.

Somit kommt LO SPETTRO ganz klar nicht aus der Tradition des Grand Guignol, es gibt keine Überzeichnungen oder übertriebene Plattitüden. Stattdessen ist die Beziehung der Hauptpersonen untereinander sowie zur Außenwelt sehr klar und geradezu abgezirkelt dargestellt, das völlige Fehlen von Humor oder positiven Identifikationsfiguren fällt im Gegensatz zu anderen Schauerfilmen der Zeit positiv auf. Und anders als die klaustrophobische und dichte Stimmung im Haus bewegen sich die Figuren kalt und klar, ist hier die Stimmung untereinander eher unterkühlt.

Was ich damit eigentlich sagen will: LO SPETTRO ist kein gotisch-altertümlich wirkendes Schauermärchen mit Vampiren und Hexen, sondern eine kalte und spannende Charakterstudie mit Einsatz übernatürlicher Elemente. Dank den wirklich guten Darstellern (neben Barbara Steele bleibt vor allem die US-Amerikanerin Harriet Medin in Erinnerung, die in dieser Zeit in Europa öfters solche Rollen gab) funktioniert der Film auch heute noch. Vor allem die letzte Viertelstunde lässt sich zwar früh erahnen, lässt den Zuschauer dann aber doch frösteln.

Gesehen wurde die die englische Version auf der französischen DVD von Artus Films. Das Bild ist recht dunkel und wirkt eher wie eine bessere VHS, was den heutigen Sehgewohnheiten sicher nicht entsprechen mag, aber dem Film sehr gut tut. Was in HD hochaufgelöst vielleicht nur ein müdes Lächeln hervorbringen würde, ist hier dunkel und bleibt dunkel. Sinister. Und auch die verwaschenen Farben bleiben matt, was erheblich zur Stimmung des Films beiträgt. Ich bin mir gar nicht mal sicher, ob ich LO SPETTRO in einer besseren Version sehen möchte, in dieser Version jedenfalls ist ein sinster-spannender Abend garantiert.

7/10

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