WITCH STORY, TANZ DER HEXEN TEIL 2 - Alessandro Capone

Nebelige Schlösser, mystisches Gewirre und blutiges Gekröse.
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Sid Vicious
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WITCH STORY, TANZ DER HEXEN TEIL 2 - Alessandro Capone

Beitrag von Sid Vicious »

Originaltitel: Streghe
Regisseur: Alessandro Capone
Kamera: Roberto Girometti
Musik: Carlo Maria Cordio
Drehbuch: Alessandro Capone, Rosario Galli, Jeff Moldovan
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12676_f.jpg (78.58 KiB) 1875 mal betrachtet
Helena und ihre kleine Tochter, Rachel, leben auf einem beschaulichen Anwesen in unmittelbarer Nähe des kleinen Städtchen Micanopy. Eines (mehr oder minder) schönen Tages werden das ländliche Idyll sowie das harmonische Zusammenleben von Mutter und Tochter jedoch gestört, da der aufgebrachte Dorfmob einmarschiert, Helena der Hexerei bezichtigt und sie bei lebendigem Leibe verbrennt. Fünf Jahrzehnte später macht sich eine Gruppe von Teenagern auf den Weg nach Micanopy, um ausgerechnet im Hause der Helena ihren Urlaub zu verbringen. Die Warnungen eines Pfarrers, dem sie während der Anreise begegnen, werden von den Urlaubern kollektiv belächelt und ignoriert. Da stellt sich der pfiffige Rezipient doch gleich die Frage, wer denn tatsächlich zuletzt lachen wird, und siehe da, frisch auf dem zum Relaxen auserkorenen Anwesen eingetroffen lässt der erste Todesfall auch nicht lang auf sich warten. Ist Helena zurückgekehrt, um Rache zu nehmen?

„Witch Story“ von Alessandro Capone ist einer der zahlreichen Hexen- respektive Haunted-House-Filme, die in Deutschland ab Mitte der 1980er bis weit in die 1990er hinein einem abstrusen Firmierungskonzept unterzogen wurden. Folglich vermarktete der deutsche Videoverleih den Film unter dem Titel „Tanz der Hexen - Teil 2“. Eine Firmierung, die (obwohl beide Filme nichts miteinander zu schaffen haben) auf Claudio Fragassos „Tanz der Hexen - Teil 1“ verweist, welcher, um die Verschlimmbesserung auf die Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen, wiederum der „House-Reihe“ zugeordnet wurde. Wer weiteres zum Firmierungstohuwabohu erfahren möchte, der sollte den (die X-Rated Veröffentlichung begleitenden) Audiokommentar von Kai Naumann, der detailliert auf dieses Thema eingeht, konsumieren.

Capones Hexen-Aufguss startet, wie es sich für ihn (den Film) sowie ähnlich gelagerte Produktionen (die im zuvor genannten Zeitraum produziert wurden) gehört, mit der erwarteten Konfektionsmusik. Mucke von der Stange, die nichts Außergewöhnliches vermittelt, allerdings eine Polyvalenz zu Eigen hat, welche die Kompositionen dazu befähigt, in zig weitere Vehikel dieser Machtart wie beispielsweise (VORSICHT SATIRE!) „La Casa 24“ oder „Horror House 42“ integriert zu werden. Und ein solcher, zahlreiche kostengünstig inszenierte Italo- wie US-Horror-Vehikel begleitende, Universal-Score wird zu 99% innert der jeweiligen Abspanncredits mit einem rockig, poppigen Klangkonstrukt, welches zudem ein zartes Ohrwurmpotential offeriert, finalisiert. Ich muss wohl nicht explizit erwähnen, dass „Witch Story“ ebenfalls von dieser Methode Gebrauch macht.

Ein weiteres genreübliches (dazu später mehr) Element bestätigen die stereotypen Charaktere, welche vom geistig limitierten Fettsack über den Brillenträger hin zum Schönling, zur Bitch und zum Final Girl strikt nach Schema F konstruiert wurden. Sofern meine Worte abwertend aufgefasst werden sollten, muss ich anbei darauf hinweisen, dass ich diese nicht zum Behufe eines negativen Kontexts verwende, ich suggeriere damit einzig, dass die Filmfiguren all das bedienen, was der Filmkonsument eh von ihnen erwartet. Dass die dazu auserkorenen Darsteller/innen nicht gerade mit schauspielerischen Qualitäten gesegnet wurden, spielt bei einem solchen Film eh keine die Slasher-Welt aus den Angeln hebende Rolle. Apropos Angeln, für einige der minderbegabten Protagonisten war ihr Mitwirken innert „Witch Story“ der einzige Filmauftritt, und da es sich mehrheitlich um gebürtige Amerikaner/innen handelt, wurden die Credits auch keiner zwanghaften - vielleicht von dem ein oder anderen Zuschauer erwarteten - Amerikanisierung respektive Angelsächsisierung (welche ja liebend gern innert italienischer Western beziehungsweise Gothic-Vehikel praktiziert wurde) unterzogen.

„Es wird höchste Zeit, dass sie den Unterschied zwischen Gut und Böse lernt.“

Dieses (zu Beginn des Films getätigte) Zitat erweckte in mir eine Hoffnung, welche der Film schlussendlich leider nicht erfüllte. Der Film liefert zwar das Ausgangsmaterial für die ewige Fehde zwischen dem Guten und dem Bösen, allerdings wird dieser Rohstoff nicht angemessen weiterverarbeitet, sodass ein spärliches, eher halbgares Produkt an den Endverbraucher transportiert wird. Der Ansatz ist ordentlich und die einhergehenden Bemühungen auch als wohlwollend etikettierbar, dennoch erhält die Thematik nicht die Fülle, welche der Zuschauer unbedingt benötigt, um erfolgreich in ein umrissenes Gut und Böse Motiv (welches die Positionen seiner Pro- respektive Antagonisten emsig chargierenden lässt) einzusteigen.

Zudem ist „Witch Story“ einer der (nebenbei erwähnt, sehr amerikanisch wirkenden) Filme, die du an einer beliebigen Stelle per Pausentaste unterbrechen und ad hoc den weiteren Filmverlauf runterbeten kannst, weil dessen Inhalt zig Mal innert des Horrorgenres und seiner Untergruppen im Stile der Tagespresse abgehandelt und abgehakt wurde, sodass freilich nichts Außergewöhnliches passieren wird, da eben alles bereits besprochen ist. Was allerdings nicht absehbar und zugleich äußerst angenehm mutet, sind die zahlreichen Zitate, die dieses Vehikel in sich trägt, sodass am „Muttertag“ der „Exorzist“ zum „Tanz der Teufel“ lädt und dank Onkel „Tenebrae“ und Tante „Suspiria“ ein „Inferno“ heraufbeschwört. An diesen, die Vorbilder adelnden, Bildkompositionen gibt es übrigens nichts auszusetzen, denn der Kameramann liefert unter anderem mit der Zuhilfenahme stets fruchtender Techniken wie der Tiefenschärfe einen guten Job ab.

Alessandro Capones´ Inszenierung zentralisiert (ähnlich dem genannten und alle naselang zitierten Raimi-Vehikel) als Schauplatz ein Haus, in dem der Ursprung allen Übels wurzelt und das Geheimnis jener dunklen Schatten der Vergangenheit und deren Gespenster beherbergt. Was „Witch Story“ obendrein in den Schauplatz einfließen lässt, ist das - ich habe es ja schon mehrfach zart angedeutet - Slashermotiv, welches zahlreiche Dumm-Teens in die Todesfalle tappen lässt. Das parallele Zusammenspiel von Gegenwart und Vergangenheit wirkt allerdings wenig ausgereift und das Fahnden nach dem Schlüssel, der den Zugang zu des Rätsels Lösung ermöglicht, mündet schlussendlich, ähnlich der japanischen Hierioglyphik, die zwei Begriffe zu einem transformieren lässt, im bekannten, beiliebten und von manchen Klugscheißern (Vorsicht, ich erwisch´ euch alle!) auch belächelten Spiegelmotiv, sodass den Suchenden auf diese Weise der Eintritt zum entscheidenden Kampf gegen die Hexe ermöglicht wird.

Fazit: Wenn der Lynchmob am hellichten Tage die Fackeln anzündet (lest mal „Endstation Gänsehaut“ vom Keßler, der hat ein paar Anekdoten zu dem Thema „Fackeln und Mob“ in petto), dann hat das beileibe nichts Gutes zu bedeuten, da die Hure des Satans (von den Vorstadtfaschisten sowie vom anstehenden Höllenfeuer provoziert) den obligatorischen (Asa Vaida-)Fluch ausspricht, der sie (Hexe Helena) zur Rückkehr aus dem Reich der Toten bemächtigt, um anschließend das zu machen - was halt alle bösen Hexen so machen… Folglich liefert der fünfte Monat des Jahres nicht das sprichwörtlich Neue, das ihm erwartungsfroh und immerzu nachgeträllert wird. Aber er (nicht der Wonnemonat, der Film, konzentrieren Sie sich endlich mal!) reflektiert all das, was wir über die Jahre aus zahlreichen Slashern, Hexen- und Haunted-House-Filmen kennen und gegebenenfalls auch schätzen gelernt haben. So steht unter dem Strich ein fleißig zitierendes Crossover, welches durchaus zu unterhalten weiß.
https://italo-cinema.de/italo-cinema/item/witch-story
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