DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN - Guido Zurli

Nebelige Schlösser, mystisches Gewirre und blutiges Gekröse.
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Prisma
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DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN - Guido Zurli

Beitrag von Prisma »



DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN


● DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN / LO STRANGOLATORE DI VIENNA (D|I|1971)
mit Victor Buono, Karin Field, Franca Polesello, Carl Stearns, Sybil Martin, Hansi Linder und Brad Harris
eine Produktion der HIFI Stereo 70 KG | Neptunia Film | Regina Films | im Verleih der CS
ein Film von Guido Zurli

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»Fleisch ist Fleisch!«


Im Wien der Dreißiger Jahre wird der Metzgermeister Otto Lehman (Victor Buono) aus der Nervenheilanstalt entlassen, in die er seinerzeit von seiner eigenen Frau Hannah (Karin Field) gebracht wurde. Angeblich geheilt von Impulsivitätszuständen und Wahnvorstellungen, zieht der voyeuristisch veranlagte Metzger zum Unmut seiner Frau von zu Hause aus, da er ihre Nörgeleien nicht länger ertragen kann. Bei einem erneuten Streit dreht Otto eines Tages durch und erwürgt sie im Affekt. Die Leiche entsorgt er in der eigenen Metzgerei, indem er sie zu Wiener Würstchen verarbeitet. Schnell spricht sich das neue Aroma bei der ohnehin schon zufriedenen Kundschaft herum, bis der Laden richtig brummt. In der Zwischenzeit wird er sogar zum Exklusiv-Lieferanten der ansässigen Polizei, denn er gilt als bester Fleischer in Wien. Es ergibt sich unter diesen Voraussetzungen allerdings ein Problem, denn Lehman braucht schon bald neuen Nachschub. Als seine attraktive Nachbarin, die er immer durch das Fenster beim zu Bett gehen beobachtete, schließlich bei ihm um Unterschlupf bittet, tun sich neue Möglichkeiten auf...

Diese deutsch-italienische Co-Produktion von Regisseur Guido Zurli stellt unterm Strich eine hochinteressante Variante filmischer Experimentierfreudigkeit, da es zu einer besonderen Art der Wiener Melange kommt, die Horror-Elemente mit Teilen der Komödie kreuzt. Es ist erstaunlich, wie gut dieser Film zu unterhalten weiß. Der verheißungsvolle deutsche Titel leitet wie in so vielen Fällen vollkommen, wenn vermutlich auch genüsslich in die Irre, denn anstelle eines Nerven aufreibenden Schreckensstückchens bekommt das Publikum eine waschechte Groteske mit dem Hackebeilchen serviert, die einen enormen Spaß garantiert. Da Regisseur Zurli den Zuschauer hier nicht vordergründig das Fürchten lehren, ihm aber dennoch einen angenehmen Schauer über den Rücken jagen will, kommt es in ausgewählten Intervallen zu Szenen, die einem den Appetit verderben können. Geboten wird des Weiteren eine etwas andere Fleischbeschau, die letztlich mit ganz einfachen Mitteln funktioniert und von Anfang bis Ende sehr eingängig konstruiert ist. Im Wien der 30er Jahre spielend, lässt es sich die Produktion nicht nehmen, allerhand Sehenswürdigkeiten zu zeigen, etliche Szenen sind außerdem mit Wiener Walzer und charakteristischen Klängen untermalt, und die deutsche Synchronisation überrascht mit österreichischem Dialekt, der für ganz besondere Pointen und humorige Momente sorgen wird. Das personifizierte Grauen der Geschichte poltert in Form von Victor Buono durch die wackligen Kulissen, dabei jedoch alles andere als auf leisen Socken.

Er ist der verrückte Metzger, der von seiner Frau in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde, aber mittlerweile als geheilt gilt. Buonos Erscheinung sorgt für eine sehr hohe Glaubwürdigkeit, die auch die erforderliche Bedrohung transportiert. Den Fleischer nimmt man ihm alleine aufgrund seiner Konstitution schon ab, wenngleich er mit seinem gemütlichen, beinahe behäbigen Wesen eigentlich recht unscheinbar wirkt, zumindest bis zu den Situationen, in denen ihm sämtliche Sicherungen durchbrennen und er überschüssigen Kräften und Aggressionen freien Lauf lässt. Mit irrem Blick wetzt er die Messer, sodass ganz beachtliche Momente entstehen. Einen ersten derartigen Ausbruch muss leider seine Frau Hannah miterleben, die ihn gängelt und demütigt, wo sie nur kann. Ob die fließbandartigen Vorwürfe gerechtfertigt sind oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle, da es zu einer derartigen Initialzündung kommen musste. Die hoch verehrte Karin Field beweist in dieser Rolle ihr komödiantisches Talent und wieder einmal eine weitgehend dynamische Interpretation, die allerdings eher wie eine Nebenrolle wirkt, da neben Victor Buono jeder in die zweite Reihe verfrachtet wirkt. Ihre Ermordungsszene artet zu einem der stärksten Momente der gesamten Inszenierung aus, als sie plötzlich mit aufgerissenen Augen und weit heraus gestreckter Zunge zu sehen ist. Die weitere und eher unscheinbar agierende Besetzung zeigt sehr erbauliche Leistungen, die die Geschichte sehr gut unterstützen, was man vor allem von Dauerbrenner Brad Harris und seiner schönen Partnerin Franca Polesello sagen kann.

Es erweist sich als abendfüllende Aufgabe, "Der Würger kommt auf leisen Socken" einer bestimmten Genre-Schublade zuzuordnen, da es sich bei dieser Geschichte und all ihren kruden Figuren und Aktionen doch um einen sehr geistreichen Rundumschlag handelt, was durchaus erfrischend wirkt. Die teils bizarren Inhalte und die überspitzt agierenden Charaktere präsentieren sich sehr stilsicher und können mit feinem Humor, aber auch sanftem Schrecken überraschen. Reduziert man die derben Eindrücke alleine auf ihre Mechanik, wird man mit einer blanken Horror-Vorstellung konfrontiert. Die Schockmomente des Films werden größtenteils durch die Blume serviert, somit in der Fantasie des Publikums weiter ausgemalt. Dass die Opfer zu Wiener Würstchen verarbeitet werden und reißenden Absatz finden, ist einerseits originell, genau wie den verrückten Metzger bei dieser Arbeit zu beobachten, doch andererseits ruft diese Verbildlichung einen augenzwinkernden Ekel hervor. Die wenig prominent in den Fokus gestellte Kriminal-Geschichte wirkt schließlich ebenso heiter bis denkwürdig, bis die Story in einem kleinen, aber überaus gelungenen Showdown gipfeln darf. Gewisse Vorhersehbarkeiten stören hier überhaupt nicht, auch dass wohl nur ein überschaubares Produktionsbudget zur Verfügung gestanden hat, kann für kein weiteres Entsetzen sorgen und vermittelt sogar einen gewissen Charme. Mit sehr gut aufgelegten Darstellerinnen und Darstellern sowie aussagekräftigen Bildern bringt der italienische Regisseur Guido Zurli seinen beinahe abenteuerlichen Flick sicher über die Ziellinie. Richtig klasse!

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Prisma
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Re: DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN - Guido Zurli

Beitrag von Prisma »



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● KARIN FIELD als HANNA LEHMANN in
DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN (D|I|1971)



Guido Zurlis "Der Würger kommt auf leisen Socken" sollte das mehr oder minder dreckige Dutzend bei Karin Fields Filmen vollenden, und es handelt sich thematisch und inszenatorisch gesehen schon um eine Ausnahmeerscheinung im Rollen-Orbit der attraktiven Interpretin. Field hat einen Typ Frau darzubieten, der weit weg von all den abgründigen weiblichen Charakteren der vergangenen Jahre zu finden ist, immerhin handelt es sich um eine waschechte Groteske oder Horror-Komödie erster Güte, die durch und durch in Schwarzen Humor getaucht ist. Karin Field beugt sich diesem Konzept überraschend schnell und völlig dynamisch, kann dabei für besonders eindrückliche und witzige Akzente sorgen. Unterlegt mit Wiener Schnauze, also den passenden Dialekt, entstehen völlig groteske und denkwürdige Momente mit Hanna Lehmann, die ihren Mann aus der Irrenanstalt abholt, da er angeblich wieder geheilt sei. Wer daran glaubt, dürfte naiv sein, doch das Kalkül der Metzgersfrau geht ein bisschen weiter, denn sie erhofft sich einen gebrochenen Mann vorzufinden, dessen Reste sie einfach aufkehren kann. Dem Vernehmen nach hat sie die Einweisung selbst veranlasst, immerhin soll es einige Vorfälle mit ihrem Mann gegeben haben, die sich potenziell hinter den vorgehaltenen Händen der Zuschauer wiederholen könnten. Karin Field skizziert eine Klatschtante aus dem Bilderbuch, und das mit Bravour. Sie ist ständig besorgt darum, was die Nachbarn von ihr und ihrem irren Mann denken könnten, außerdem sollte das Geschäft des Lebensstandards wegen gut laufen, da die Frau in den immer noch besten Jahren noch lange nicht in routinierter Ehe verkommen will. Ihr Man frönt allerdings der Fleischeslust, indem er Fleischwaren in der Metzgerei zerlegt, oder die wohlgeformte Nachbarin durch das Fenster beobachtet. Die Ehe besteht nur noch auf dem Papier, doch Frau Lehmann lässt nicht locker. Sie möchte ihren Gatten mit aller Gewalt verändern, in Fasson bringen, brechen, sodass es zu einem Dasein kommen kann, wie sie es sich vorstellt. Es geht um das Ansehen im Karree, um gesellschaftliches Renommee und darum, die Nase wieder etwas höher tragen zu können, als aktuell.

Karin Fields Outfits und Ensembles sind der Zeit der 1930er-Jahre angepasst, und es wirkt teilweise urkomisch, wenn sie im Dialekt lospoltert und auf ihrem Mann herumhackt. Insgeheim denkt man sich, dass sie doch ein bisschen mehr piano vorgehen sollte, immerhin wirkt Partner Victor Buono doch jederzeit so, als könne er ordentlich ausrasten, aber die Blondine mit der frechen Schnauze gibt keine Ruhe, biss sie ihren Mann nicht nur nervt und brüskiert, sondern auch erniedrigt, ihn sogar verrückt nennt. Karin Fields Expertise in dieser Produktion beweist ganz eindeutig ihre komödiantischen Kapazitäten, die hin und wieder in Filmen abgerufen werden sollten. Karin Fields Screentime in dieser in Vergessenheit geratenen Schwarzen Komödie ist auf eine gute halbe Stunde begrenzt, bis sie von der Titelfigur ins Reich der Erinnerungen verfrachtet wird. Dabei entstehen grotesk wirkende Szenen, betrachtet man alleine die Art der Inszenierung. Dargestellt als Wurzel allen Übels funktioniert die Deutsche richtig gut, man bemerkt vor allem vergleichsweise, dass sich die Produktion sehr darum bemüht, sie nicht allzu sexy und aufreizend wirken zu lassen, was aufgrund der hysterischen Typisierung auch mit Leichtigkeit aufgehen will. Field erweist sich als Allround-Talent, welches in wesentlich mehr Metiers eingesetzt werden konnte, als in den hinlänglich bekannten. Hier hinterlässt sie eine teils urkomische Note, aber auch eine nervtötende, sodass man wenig Mitleid mit der permanent mäkelnden und nörgelnden Dame empfindet, auch wenn es ihr endgültig an den Kragen geht. Ihr Einsatz in den vier Wänden des verrückten Metzgers, dessen Geschäftsideen noch in ganz Wien bekannt werden sollen, kann als durch und durch geglückt bezeichnet werden, da sie sich dem leichtfüßig-morbiden Konzept des Films bedingungslos, aber vor allem gewinnbringend anpasst und das Szenario mit einer Performance bereichert, die man sicherlich nicht alle Tage von der umtriebigen Dame zu sehen bekommen hat. Unter Guido Zurlis Regie bleibt schließlich eine seltene Etappe in ihrer Karriere zurück, die nicht allzu oft bedient werden sollte, da sich ihr filmisches Schaffen auf andere Schwerpunkte konzentriert hat.



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Sid Vicious
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Re: DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN - Guido Zurli

Beitrag von Sid Vicious »

Den habe vor 5 oder 6 jahren mal geschaut und als höchst unterhaltsam in Erinnerung behalten.

Besonders die Dialoge hatten es mir angetan. Selten wurde das Wort "Narrenhaus" so wunderschön ausgesprochen. Ich meine, das Grinsen in den Mundwinkeln blieb mir während der gesamten Sichtung erhalten. Ich mag diesen sarkastischen Humor sehr gern.
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Prisma
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Re: DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN - Guido Zurli

Beitrag von Prisma »

Sid Vicious hat geschrieben:
Di., 15.08.2023 11:33
Den habe vor 5 oder 6 jahren mal geschaut und als höchst unterhaltsam in Erinnerung behalten.

Meine Premiere erfolgte vor vielen Jahren wie so häufig auf Toppic-VHS, nachdem ich mir den fett in "Das neue Lexikon des Horrorfilms" markiert hatte. Obwohl der deutsche Titel ja gewaltig in die Irre leitet, und Victor Buono laut durch die Kulissen poltert, war ich keineswegs enttäuscht vom Gesamtergebnis, das ja wirklich originell und in vielerlei Hinsicht buchstäblich köstlich ausgefallen ist. Im Lexikon stand zur Abwechslung einmal nichts Abwertendes: »Das alles klingt mächtig horribel, ist es aber kaum: Die Story ist als Groteske angelegt, die manchen Lacher hervorruft.« Die Synchronisation macht hier wirklich Spaß, vor allem weil die Messer gewetzt werden, da es ein bisschen zu sehr frei Schnauze zugeht. Man nehme etwa Karin Field als Corpus Delicti. :mrgreen:

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Sid Vicious
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Re: DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN - Guido Zurli

Beitrag von Sid Vicious »

Ich habe es in ganzer Pracht.
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Re: DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN - Guido Zurli

Beitrag von Prisma »



Ah, Du hast das Lexikon auch als Nachschlagewerk, super! Mir hat es schon viele schöne Filme beschert, die oft niederschmetternden Kritiken darf man in den meisten Fällen überhaupt nicht ernst nehmen, oder besser noch als Anreiz ansehen. :mrgreen:

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