GHOSTHOUSE - Umberto Lenzi

Nebelige Schlösser, mystisches Gewirre und blutiges Gekröse.
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Percy Lister
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Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

GHOSTHOUSE - Umberto Lenzi

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"Ghosthouse" (Original: "La casa 3") (Italien / USA 1988)
mit: Lara Wendel, Greg Scott, Mary Sellers, Ron Houck, Kate Silver, Martin Jay, Kristen Fougerousse, Donald O'Brian, Willy M. Moon, Alain Smith, Susan Muller, William Jay Devaney, Robert Champagne, Ralph Morse, Hernest McKimnoro u.a. |
Drehbuch: Cinthia McGavin | Regie: Umberto Lenzi (unter dem Pseudonym Humphrey Humbert)

Der Amateurfunker Paul empfängt eines Nachts eine unheimliche Botschaft von einem Mann, der sich in Todesangst befindet. Zusammen mit seiner Freundin Martha versucht Paul den Sender zu orten, was ihnen auch gelingt. Die Funkanlage, von welcher der Notruf abgesendet wurde, befindet sich auf dem Speicher eines seit vielen Jahren leerstehenden Hauses. Der Mann, dessen Stimme zu hören war, steht jedoch plötzlich vor Paul und leugnet, einen Hilferuf abgesetzt zu haben, obwohl er zugeben muss, dass auf dem Tonband seine Stimme zu hören ist. Er verbringt zusammen mit ein paar Freunden einen Urlaub im Wohnmobil und der Garten des verlassenen Hauses schien ihm ein geeigneter Rastplatz zu sein. Als die Gruppe das Haus erkundet, sieht sie sich bald mit unerklärlichen Phänomenen konfrontiert, die von einer sonderbaren Melodie und der Erscheinung eines weißgekleideten Mädchens begleitet werden. Doch das Mädchen ist seit zwanzig Jahren tot....

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Die Faszination, welche Horrorfilme auf das Publikum ausüben, vor allem, wenn parapsychologische Elemente im Spiel sind, erklärt sich nicht nur aus den Schockeffekten, die den brutalen und abrupten Tod eines Menschen zeigen, sondern auch aus den beunruhigenden Ängsten, die sich aus der Frage nach dem tieferen Sinn ergeben. Die Existenz des Übernatürlichen, die im Genrefilm nach Gewaltverbrechen traditionell sichtbar wird, erschüttert das Sicherheitsgefühl des Zuschauers und lässt ihn hilflos zurück, weil Geistern und Dämonen nicht mit den üblichen kriminalistischen Polizeimethoden beizukommen ist. Neben physischen Attacken, die auf die Protagonisten des Films verübt werden, ist es der emotionale Stress, der den Beteiligten zusetzt und sie zunehmend empfänglich macht für kalkulierte Schocks, welche die geistige Stabilität der Personen ins Wanken bringen sollen. Oftmals wurde das Drehbuch so konzipiert, dass der Zuschauer keine Gelegenheit erhält, über die Logik der Vorgänge nachzudenken. Die Furcht hält ihn ebenso gefangen wie die Leinwandfiguren und verhindert dadurch, dass Abläufe hinterfragt werden. Eine Reihe von wiederkehrenden Elementen dient der Identifikation mit dem Ambiente, wobei sich das Unheil aus diesem Gesetz der Serie speist und rechtfertigt. Bereits die Ankündigung eines neuen Todesfalls löst dadurch im Publikum den gewünschten Schrecken aus, dem es machtlos und dennoch wider besseren Wissens auf einen Ausweg hoffend, beiwohnt. Das Stilmittel der abnehmenden Gewalt im Laufe der Spielzeit resultiert aus einem Vorsprung, den das erste, zumeist detailliert gezeigte Verbrechen, liefert. Ist die Phantasie des Zusehers erst einmal aktiviert, nimmt sie dem Regisseur einen Teil der Arbeit ab.

Ein beliebtes Sujet des Geisterhaus-Films ist die Verkörperung des Bösen durch ein unschuldig aussehendes Kind, wobei dem Zuschauer vor Augen geführt wird, wie unberechenbar eine Unmündige bzw. ein Unmündiger ist, verkörpert sie oder er doch Verletzlichkeit, was das Kind im moralischen Sinn unantastbar macht. Die Vernichtung eines solchen Abgesandten des Bösen ist daher mit ungleich mehr Skrupeln verbunden als es die Tötung eines ebenbürtigen Gegners darstellen würde. Das Dämonische mischt sich bei den "Marionetten des Teufels" stets mit einer Aura der Schutzbedürftigkeit, was es schwer macht, ihnen mit der angemessenen Entschlossenheit entgegen zu treten. Die Frage nach der Ursache des Spuks erhält durch die Beteiligung eines Kindes eine tragische Komponente. Die Bedrohung wird durch den Umstand, dass ein junges Leben frühzeitig ausgelöscht wurde, noch gnadenloser und lässt sich mit den üblichen Mitteln nicht abstellen. Henrietta Bakers anklagende Präsenz leitet jeden Todesfall ein und wohnt der grausamen Tat als stumme Beobachterin bei. Der Clown fungiert dabei als Katalysator ihrer Aggressionen und erledigt das, was einem braven Mädchen im puritanischen Umfeld des amerikanischen Kleinstadt-Milieus untersagt war. Der unerschütterliche Glaube an die Heiligkeit der Familie führt zu einem Tunnelblick, der blind für menschliche Fehler und Unvollkommenheiten macht und den Blick für die Schwachstellen dieser gesellschaftlichen Keimzelle so lange verschließt, bis es dann zu einer - für die Außenwelt unverständlichen - Tragödie kommt. Deshalb wirken die beiden ersten Morde besonders brutal, weil hier ein Gefüge auseinander bricht, das eigentlich Schutz und Geborgenheit dienen sollte.

Die Erwartungshaltung des Zuschauers wird bereits in den ersten Minuten bedient und äußert sich in einem Präludium des Grauens, das die Atmosphäre des Hauses für immer vergiftet. Angesichts der deutlich gezeigten Morde wundert es nicht, dass die Produktion viele Jahre lang indiziert war und erst in jüngerer Zeit wieder für ein jugendliches Publikum freigegeben wurde. Die Handlung erhält durch die deutliche Sprache des Auftaktverbrechens einen Gruselbonus, der wie ein schwerer Schatten über dem Geschehen liegt und weitere Geschehnisse dieser Art geradezu zu rechtfertigen scheint. Der Ruf, der einem Mordschauplatz anhaftet, widerspricht jedem rationalen Denken, doch die unterbewusste Furcht, die sich durch die Aura der Örtlichkeit auf den Besucher überträgt, lässt sich durch Argumente nicht tilgen. Die Originalität der gewählten Vernichtung entspricht dem, was sich das Publikum von einem vielseitigen Regisseur wie Umberto Lenzi erwartet. Einen angenehmen Tod hat keines der Opfer zu erwarten, wobei in der Wahl der Methoden kreativ vorgegangen wird - vom blubbernden Milchbad bis zum Fallbeil ist alles dabei. Die Spannung kocht auf einem gleichbleibenden Niveau, weil in ruhigen Momenten investigativ hinter die Dinge geschaut wird und jene Informationen vermittelt werden, nach denen der kriminalistisch geschulte Zuschauer verlangt. In diesem Zusammenhang kann man durchaus von einer angestrebten Logik sprechen, die der Geschichte plausible Erklärungen liefert und Vorgänge begreifbar macht. Die Horroreffekte stellen die Schmerztoleranz des Publikums auf die Probe, weil sie deutlich und ungeschönt zeigen, was einfaches Handwerkszeug außerhalb seines Einsatzgebiets für Schäden anrichten kann.

Lara Wendel, die zum Entstehungszeitpunkt dieser italienisch-amerikanischen Co-Produktion bereits durch einige berüchtigte Film-Rollen Aufmerksamkeit erregt hatte, präsentiert sich hier nach "Midnight Ripper" erneut als gejagte Sympathieträgerin, deren Normalität und Ernsthaftigkeit sie aus dem typischen Achtziger-Jahre-Umfeld herausheben. Im Zusammenspiel mit Greg Scott erhält die Handlung jenen wichtigen deduktiven Ansatz, der dem Film Struktur verleiht und verhindert, dass er zur reinen blutigen Effekthascherei ausartet. Die beiden Darsteller schaffen es relativ schnell, Interesse für ihr Anliegen zu wecken und das Publikum um sie bangen zu lassen. Während Lara Wendel einen bodenständigen und handfesten Charakter entwirft, konzentriert sich ihre junge Kollegin Kristen Fougerousse auf die Vermittlung einer ätherischen Aura, deren bösartige Gedanken wie Donnerblitze einschlagen. Die Figur des geisteskranken Hausmeisters erscheint im Vergleich dazu plump und unnötig. Es scheint, als hätte sich Lenzi mit dem Holzhammer dagegen absichern wollen, dass die Momente zwischen den Morden zu sehr mit konstruktivem Dialog ausgefüllt werden. Das Haus stellt eine stimmige Kulisse für die verstörenden Ereignisse dar und vermag ein Unbehagen zu vermitteln, das sich aus der Weitläufigkeit der Räume und der Schlupfwinkel ergibt. Freilich repräsentiert die großzügige Bauweise vergangener Tage stets eine Dekadenz, die Hochmut und Eigensinn spiegelt, die auf die Gefahren eines autarken Lebens fernab der Gemeinschaft hinweisen. In dieser Hinsicht kann "Ghosthouse" allein durch die Kombination von Ursache und Wirkung profitieren, die mit genretypischen Zutaten angereichert, für (An-)Spannung sorgt.

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