AMERICAN RIKSCHA - Sergio Martino

Nebelige Schlösser, mystisches Gewirre und blutiges Gekröse.
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Richie Pistilli
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AMERICAN RIKSCHA - Sergio Martino

Beitrag von Richie Pistilli »

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American Rikscha (D)
American risciò (IT)
Rickshaw (F)
American Rickshaw
American risciò
American Tiger


IT 1989

R: Sergio Martino
D: Mitchell Gaylord, Daniel Greene, Victoria Prouty, Donald Pleasence, Michi Kobi, Roger Pretto, Regina Rodriguez, Darin De Paul, Judy Clayton, Glenn Maska u.a.



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Deutsche Erstaufführung: 17.05.1990

Score: Luciano Michelini

Schnittbericht

Italo-Cinema.de

OFDb




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AMERICAN RIKSCHA erzählt die Geschichte des arglosen Studenten Scott (Mitchell Gaylord), der sich sein kostspieliges Ingenieurstudium als Rikschafahrer in Miami (!) finanziert. Als ihm eines schönen Abends von der entzückenden Striptänzerin Joanna (Victoria Prouty) das Angebot für ein paar angenehme Stunden zu Zweit unterbreitet wird, sagt Scott ohne groß zu überlegen zu und stürzt sich kopfüber ins vermeintliche Vergnügen, das auf einer nahegelegenen Jacht von statten gehen soll. Doch anstatt seiner Wollust freien Lauf zu lassen, wird Scott vielmehr das ahnungslose Opfer einer hinterhältigen Intrige des notorischen Voyeurs Jason Mortom (Gregg Todd Davis), der ihn aus einem geheimen Versteck heraus bei seiner halsbrecherischen Bettakrobatik zu filmen versucht. Doch leider schlägt der Plan fehl, so dass Mortom -bei dem es sich übrigens um den Sohn des stadtbekannten TV-Predigers Reverend Samuel Mortom (Donald Pleasence) handelt- nur wenige Minuten später ungehemmt den Ärger des angesäuerten Rikschafahrers zu spüren bekommt. Was folgt, ist eine handfeste Auseinandersetzung, bei der nicht nur ein geheimnisvoller Schlüssel aus dem Besitz des Spanners über Bord geht, sondern die auch zum Verlust seiner gerade erst aufgenommen VHS-Kassette führt. Kaum zu Hause angekommen, muss Scott zu seinem größten Entsetzen feststellen, dass es sich bei der gewaltsam konfiszierten VHS-Kassette um das falsche Videotape handelt - denn anstatt des vermeintlich aufgezeichneten Lustspiels enthält diese lediglich eine schlecht verständliche Beichte Mortoms, bei der es sich augenscheinlich auch um den verloren gegangenen Schlüssel dreht. Als Scott kurz darauf erneut die unheilvolle Jacht betritt, trifft ihn plötzlich der Schlag: Jason Mortom wurde zwischenzeitlich von unbekannter Hand eiskalt ermordet. Völlig entsetzt über den grausamen Fund tritt Rikschafahrer Scott schlagartig die Flucht von der mittlerweile lichterloh in Flammen stehenden Yacht an und gerät auch schon kurz darauf ins Visier der ermittelnden Polizeibehörde, die ihn von da an aufgrund der erdrückenden Beweislast als den hauptverantwortlichen Täter vermutet.


So weit, so gut - was aber Scott bis dahin noch nicht ahnt, ist, dass er zwischen die Fronten eines übernatürlichen Machtkampfs geraten ist, den sich der in Wahrheit vom Teufel besessene Reverend Mortom und eine an den Rollstuhl gefesselte Chinesin (Michi Kobi) fortgeschrittenen Lebensalters um die Vorherrschaft zwischen Gut und Böse liefern. Der Stein des Anstoßes ist dabei sehr böse, denn es handelt sich um eine Statue eines potthässlichen Warzenschweins, die im chinesischen Volksmund entsprechend auch als "der Stein des Bösen" bekannt ist. Und da der freundliche Rikschafahrer der alten Dame vor geraumer Zeit zufälligerweise aus einer misslichen Situation heraushalf, stellt sie diesen ohne sein Wissen unter ihren übermächtigen Schutz, den er von da an auch bitter benötigt - denn der geheimnisvolle Killer (Daniel Greene) befindet sich bereits ganz nah auf seinen Fersen. Bleibt also nur noch die Frage, ob es Scott letztendlich gelingen wird, den Wogen des übernatürlichen Machtkampfes unversehrt zu entfliehen oder wird er in diesen sang- und klanglos untergehen?



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Während des fortschreitenden Niedergangs der italienischen Filmindustrie im Laufe der 80er Jahre gestaltete es sich für die renommierten Genrefilmmacher zunehmend schwieriger, adäquate Filmproduktionen im eigenen Land auf die Beine zu stellen, da nicht nur die dazu benötigte Infrastruktur mittlerweile zu großen Teilen völlig am Boden lag, sondern Filme auch vornehmlich nur noch für die allerorts aufblühende TV-Landschaft produziert wurden. Dies führte wiederum dazu, dass so verdienstvolle Regisseure wie Umberto Lenzi, Ruggero Deodato, Enzo G. Castellari oder Sergio Martino damit begannen, ihre Filmproduktionen nach Amerika zu verlagern, wo dann solch filmische Stilblüten wie beispielsweise NIGHTMARE BEACH, BLACK ZOMBIES, NEON KILLER oder SEIN HÄRTESTER GEGNER entstanden. Zwar wirken die meisten Werke dieser Zeit im Vergleich zu den Genrefilmhochglanzproduktionen der glorreichen 50ern, 60ern und 70ern weitaus günstiger und oftmals halbgar produziert, aber ein gewisser Unterhaltungswert kann auch diesen teils sonderbar scheinenden Spätwerken nicht abgesprochen werden. Und als einer der Höhepunkte dieser Zeit kann dann auch AMERICAN RIKSCHA angesehen werden, den ich mir übrigens gerade erst kürzlich zum ersten Mal zu Gemüte führte.


Eines gleich vorweg: Trotz einer sehr geringen Erwartungshaltung konnte mich Sergio Martinos ungwöhnlicher Genre-Mix insgesamt recht positiv überraschen, zumal seine inszenierte Geschichte jenseits von Gut und Böse angesiedelt ist. Keine Ahnung, was Sergio Martino zur Bewerkstelligung seines aus mehreren Genres inkludierten Films genau eingenommen hatte, denn sein 1989 entstandenes Spätwerk AMERICAN RIKSCHA vereint nicht nur Elemente des Thriller-, Action-, Horror-, und des fantastischen Films, sondern wartet neben einer höchst konfusen Geschichte -die übrigens noch eine Vielzahl weiterer Nebenhandlungsstränge aufweist- auch mit einer handvoll Darsteller auf, von denen einer mimenstarrer als der andere wirkt. Fatale Voraussetzungen für einen vergnüglichen Filmabend möchte man da meinen, aber zu meiner größten Überraschung funktioniert dieses filmische Wirrwarr letzten Endes nicht nur einwandfrei, sondern bietet auch noch als stimmiges Gesamtpaket einen ordentlichen Unterhaltungswert.


Werfen wir einen Blick auf die Besetzungsliste, die sich vornehmlich aus US-amerikanischen Darstellern zusammensetzt: An vorderster Front läuft sich der ehemalige olympische Goldmedaillengewinner 'Mitchell Jay Gaylord' in der Rolle des kimbleartigen Rikschafahrers 'Scott Edwards' die Seele aus dem Leib, wobei der erfolgreiche Turnakrobat sogar als Filmdarsteller eine für seine Verhältnisse passable Leistung an den Tag legt. Dabei war seine Beteiligung an AMERICAN RIKSCHA bereits sein dritter Ausflug ins Schauspielfach, nachdem er 1984 im Rahmen der olympischen Spiele als Geräteturner sowohl die Goldmedaille im Teamwettberwerb als auch Silber und zweimal Bronze in Einzelwettkämpfen errang. Danach tauchte Gaylord lediglich noch in ein paar Erotik-Thrillern auf, bevor er sich dann als Kommentator bei Turnsportübertragungen und später als Finanzberater seine Brötchen verdiente. Gejagt von der Polizei, einem geheimnisvollen Killer und jeder Menge übernatürlicher Kräfte muss Mitchell Gaylord in AMERICAN RIKSCHA alles daran setzen, um seinen Kopf wieder irgendwie aus der bereits fast bis zum Anschlag zugezogenen Schlinge zu befreien. Unterstützung erhält er dabei durch die reizende Stripteasetänzerin 'Joanna Simpson', die im vorliegenden Fall von der Einwegdarstellerin 'Victoria Prouty' ansehnlich verkörpert wird. Und wie so oft in solchen Filmen, wird aus anfänglicher Abneigung irgendwann gegenseitige Zuneigung, woraus dann wiederum eine Partnerschaft hervorgeht. Und in dieser behält Mitchell Gaylord fortan nicht nur während eines gemeinsamen Duschvergnügens die Hosen an...



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Der nächste im Bunde ist 'Daniel Greene', ein US-amerikanischer Schauspieler, der sich zunächst seinen Lebensunterhalt als Nebendarsteller in amerikanischen TV-Serien verdiente (u.a. FALCON CREST, DAS A-TEAM, DER DENVER-CLAN, AGENTIN MIT HERZ, REMINGTON STEELE), bevor er dann 1983 erstmals unter der Regie von Sergio Martino die gleichnamige Hauptrolle in dessen terminatorhaften Cyborg-Rip Off PACO - DIE KAMPFMMASCHINE DES TODES übernahm. Daraufhin folgten mit SPECIAL AGENT HAMMER und STRYKER II zwei Kooporationen mit Enzo G. Castellari, bevor er sich dann wiederum 1988 erneut unter die Fittiche Sergio Martinos begab, um mit diesem gemeinsam den durch den Erfolg der ROCKY-Filmreihe inspirierten Boxerfilm SEIN HÄRTESTER GEGENER abzudrehen. Im kurz darauffolgenden AMERICAN RIKSCHA verkörpert Daniel Greene einen gnadenlosen Killer, der als religiöser Fanatiker unbehelligt seinen selbsterwählten BLUTIGEN PFAD GOTTES beschreitet. Dabei legt der recht ungelenke Darsteller eine dermaßen wuchtige Darbietung aufs Parkett, dass stellenweise sogar seine grimmige Mimenstarre etwas aufgelockert wirkt, was aber wiederum auf seine ständige Schlagfertigkeit augenscheinlich keinerlei Auswirkung hat - denn seine bewährten Argumente sind seine beiden Fäuste, die der ahnungslose Rikschafahrer während des Filmverlaufs auch mehrfach zu spüren bekommt. Im darauffolgenden Jahr sollte Daniel Greene dann noch zwei weitere Male für Sergio Martino als Darsteller vor der Kamera stehen - und zwar in den beiden Filmen HÖLLE DER VERDAMMTEN und CODE CONDOR.


Die denkwürdigste Darbietung stammt aber zweifelsfrei von dem verdienstvollen Schauspieler 'Donald Pleasence', der in AMERICAN RIKSCHA den infernalen Fernsehprediger 'Reverend Mortom' verkörpert. Dabei muss er sich nicht nur als grüngesichtiger Damenverführer präsentieren, sondern sich auch noch einen spektakulären Zweikampf mit einer siamesischen Hauskatze und einer handzahm wirkenden Schlange liefern, der ihn fast an die Grenzen seiner übernatürlichen Leistungsfähigkeit bringt. Der Gipfel des Unfassbaren stellt aber schließlich das unbeschreibliche Finale dar, in dem Donald Pleasence dann sprichwörtlich "die Sau rauslässt": In Anbetracht dieser unglaublichen Szene musste ich mir zwanghaft die Frage stellen, warum in aller Welt ein solch renommierter Schauspieler die vorliegende Rolle annahm, nachdem dieser das bereits fertige Drehbuch -an dem übrigens kein geringerer als der erfolgreiche Drehbuchautor und Regisseur Sauro Scavolini mitgewirkt hat- durchgelesen hatte. Die Antwort darauf lieferte Sergio Martino in einem Interview, das übrigens als Bonus auf der kürzlich erschienenen BD/DVD von Cinestrange Extreme enthalten ist: Eigentlich sollte die finale Szene, die in einem kleinen Theater abgedreht wurde, mit einer ordentlichen Dosis an Effekthascherei angereichert sein; aber am Tag des Drehs stellte das Produktionsteam zu ihrem größten Entsetzen fest, dass die Effektapparaturen, mit denen ein infernaler Sturm hätte erzeugt werden sollen, aufgrund ihrer überdimensionalen Ausmaße nicht durch die Türen des Theaters passten. Um aber keine kostbare Drehzeit zu verschwenden, schrieb Martino das Drehbuch nach bester italienischer Filmproduktionsmanier kurzerhand um, wodurch Donald Pleasence wiederum anstatt einen infernalen Sturm auf die anwesenden Gläubigen loszulassen nun zunächst unaussprechliche Grunz-Laute von sich gibt; bevor er sich schlussendlich auch noch vollumfänglich in ein höchst höllenfürstliches Warzenschwein verwandelt. Einer der kuriosesten Momente im italienischen Genre-Kino der späten 80er, den man als Liebhaber solch filmischer Eigentümlichkeiten unbedingt gesehen haben sollte.


Fazit: Ein sowohl kurzweiliges als auch übernatürliches Filmvergnügen, das im letzten Drittel sogar geübten Italophilen die Kinnlade herunterklappen lässt.



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