DIE VERDAMMTEN PISTOLEN VON DALLAS - José María Zabalza

Staubige Dörfer, schweigsame Pistoleros und glühende Colts.
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Sid Vicious
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DIE VERDAMMTEN PISTOLEN VON DALLAS - José María Zabalza

Beitrag von Sid Vicious »

Originaltitel: Las malditas pistolas de Dallas
Deutsche Erstaufführung: 15. August 1967
Regisseur: José María Zabalza
Kamera: Edmondo Affronti
Musik: Gioacchino Angelo
Drehbuch: Luigi Emmanuele, Alain Raygot, H.S. Valdés, José María Zabalza
Darsteller: Fred Beir, Evi Marandi, Jesús Puente, Dina De Santis, Olivier Mathot, Luigi Ciavarro, Ángel Álvarez, Lucia Bomez, Roberto Messina, Andrea Fantasia, Stella Monclar, Andrea Aureli, Franco Daddi, Augusto Funari, Luis Induni

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Dallas wird seit geraumer Zeit mit steter Regelmäßigkeit von Outlaws überfallen. Der letzte Angriff forderte das Leben des Bankiers Mister Stone. Da die Bande nicht nur auf Bank-, sondern auch auf Postkutschenüberfälle fixiert ist, erhält eines der beliebten Reisevehikel (kurze Zeit nach dem Mord) den ungeladenen Besuch von Fast Draw und seinen Strauchdieben, welche die reisenden Ladies und Gentlemen zur Kasse bitten. Unter den beraubten Passagieren befindet sich Clay Stone, der Sohn des ermordeten Bankiers, der fortan auf den fahrbaren Untersatz verzichten und seine Reise nach Dallas zu Fuß fortsetzen muss. Endlich in der späteren TV-Heimat der Ewings und der Barnes´ angekommen erfährt Clay binnen kurzem von dem Mord an seinem Vater…

Der youtube Kanal - Grjngo - bietet eine Vielzahl von europäischen wie US-amerikanischen Western. Der überwiegende Teil des Programms ist mir freilich bekannt, denn ich konsumiere ja nicht erst seit vorgestern Westernfilme. Doch ab und an kann das Programm auch mich überraschen, da das Angebot gelegentlich einen Genrebeitrag offeriert, der meine IW-Suchliste um einen Eintrag reduziert, wie beispielshalber DIE VERDAMMTEN PISTOLEN VON DALLAS.

Ein von José María Zabalza inszenierter Western, der in der Bundesrepublik bisher nicht auf VHS, DVD oder Bluray veröffentlicht wurde und lediglich 1967 in den Lichtspielhäusern debütierte. Ergo drei Jahre nach seiner italienischen Uraufführung, welche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine ziemlich fade Angelegenheit reflektierte.

Der bundesdeutsche Inter Filmverleih respektive der Autor des Dialogbuchs und deren Interpreten (Martienzen, Leipnitz, Chevalier, Brückner als auch Ingrid van Bergen als Katy Dior) konnten dieser prognostizierten Fadheit allerdings Abhilfe verschaffen. Schließlich wird uns eine Synchronisation geboten, welche die „Spaß- und Gute Laune-Abteilung“ mit reichlich Kraftfutter versorgt. Ob Otto Normalverbraucher diese Art von Humor erfassen wird – sei dahingestellt. Ich hatte jedenfalls eine Menge Spaß und konnte auf diese Weise einen handlungsarmen wie absehbaren Western mühelos überbrücken und der deutschen Tonbearbeitung den verdienten Applaus spendieren.

Der Film legt mit einer Musik los, die einem der zahlreichen Western mit den Grinsrüben Roy Rogers oder Gene Autry entnommen sein könnte. Vielleicht wurde das Tonstück gar diesem unfangreichen Fundus entnommen? Denn irgendwie kommt mir die Melodie bekannt vor. Im Kontext von bekannter Filmmusik riet übrigens Max Steiner davon ab, Musik in einem Film zu verwenden, welche der Zuschauer respektive Zuhörer schon kennt, denn diese Praktik schmälert schlicht und ergreifend die Konzentration des Rezipienten. So plauderte Steiner aus dem Nähkästchen und berichtete von zwei Kinobesuchern, die sich während eines Lichtspiels darüber stritten, ob die darin gespielte Musik „An der schönen blauen Donau“ sei oder nicht. Kraft dieser nahezu unendlichen Diskussion wurde dem Ehepaar Steiner, das vor, neben oder auch hinter den Streitenden saß, der Kinobesuch ganz gewaltig vermiest. Eieiei, hoffentlich mussten die Steiners niemals einen Eastern oder geschweige denn einen Beitrag aus dem exploitativen türkischen Œuvre im Lichtspielhaus schauen, sodass ihnen ein Streitgespräch während der Aufführung von - Vorsicht Satire - TURKISH SCHATZINSEL über Max Steiners Leitmotiv aus DIE SOMMERINSEL erspart blieb.

Das herzerwärmende Geträller, welches DIE VERDAMMTEN PISTOLEN VON DALLAS einleitet und mich zur Schilderung dieser Anekdote verleitete, begegnet uns über die gesamte Spielzeit immer wieder. Selbst die emsige Frau mit dem Bügeleisen sowie der Filmheld geben die Melodie summend oder pfeifend zum Besten. Gewonnen wird der interne Song Contest allerdings von Fast Draws Outlaw-Ensemble. Deren befremdlich wirkende Gesangs- und Tanzeinlage kommt einer Mixtur aus „The Sons of the Pioneers“, „The Marx Brothers“ als auch „Laurel und Hardy“ gleich. Was hat das denn bitte schön in einem italienischen Western zu suchen? Ruhig Brauner, der Film wurde halt 1964 inszeniert und lief gerade mal drei Monate nach Leones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR in den stiefelländischen Kinos an, sodass sich der typische IW-Look und seine schmutzigen Antagonisten noch nicht lang im Rampenlicht der Öffentlichkeit aufhielten. Da war es eben gang und gäbe, dass sich die südeuropäischen Regisseure am US-Western orientierten und ggf. auch mal in den Westernproduktionen der 1930er und 1940er nach Anreizen suchten, um diese in die Gestaltung einzubringen.

José María Zabalza ließ darüber hinaus (s)einen speziellen (!) Humor in die Inszenierung einfließen, welcher von der positiv bekloppten deutschen Synchronisation additional befruchtet wird. Um meine Einschätzung zu verdeutlichen folgend einige Beispiele:

- Als Fast Draw und seine Halunken in Dallas einreiten und pausenlos schießen, kommt Estelles kleiner Bruder (ca. 7 Jahre) hoch motiviert und in Cowboymontur aus dem Saloon gerannt, nimmt seine Spielzeugknarre und schreit Peng, Peng (die Montage wurde übrigens so clever konstruiert, dass nach dem Peng, Peng-Rufen ein Kutscher getroffen vom Kutschbock fällt). Estelle ist das zu bunt und sie fordert den Dreikäsehoch auch umgehend auf Ruhe zu geben, da gemäß ihrer Aussage schon genug geknallt wird.

- Mit dem Moment in dem die Bardame Katie Dior von Fast Draw gefangen genommen wird, wird Katie fortan von den Galgenstricken nur noch Sexbombe genannt.

- Der Held (Clay Stone) und Mister Goodwin (der für Clays Vater als Kassierer tätig war) stellen fest, dass sie sich von früher kennen. Die Erkenntnis begeistert die zufälligen Gesprächszeugen dermaßen, dass sie kräftig applaudieren und simultan Bravo rufen.

Warum schreibe ich eigentlich immer Held und nicht Antiheld? Weil Clay Stone rein gar nichts von einem Antihelden zueigen hat. Er ist adrett gekleidet und sollte er seine Kompetenzen überschätzen, dann lässt sich sein Handeln mit dem Dienst an der Allgemeinheit rechtfertigen. Clay Stone ist ein durch und durch sauberer Zeitgenosse (und definitiv kein Antiheld). Sein Darsteller Fred Breir erschien übrigens ganz selten auf der Leinwand und war stattdessen in einer Flut von TV-Serien auf der Mattscheibe zu sehen. Freds Konterfei wirkt nach meinem Dafürhalten ziemlich langweilig, womit er sich der Inszenierung von DIE VERDAMMTEN PISTOLEN VON DALLAS anpasst. Denn ohne die deutsche Synchronisation und dem speziellen Humor ist Zabalzas erste Westernarbeit vermutlich ein Schnarcher, da der Funke, die Suche nach dem Oberschurken, einfach nicht auf mich überspringen und somit auch nicht das Oberstübchen erhellen konnte.

Fazit: Zabalzas 1964 fertig gestellter Western hat nichts mit den späteren italienischen Westerninszenierungen, in denen dreckige Westerner ebenso dreckige Methoden anwenden, gemein. Stattdessen tritt ein fescher Bankierssohn ins Zentrum des Geschehens, um ein Verbrechen aufzuklären, die Bürger von Dallas von einer alles andere als furchteinflößenden Verbrecherbande zu befreien und schlussendlich die Hochzeitsglocken erklingen zu lassen. Die Story, die problemlos unter dem Motto „Western von Gestern“ ablaufen könnte, ist zwar bewährt als auch nicht verkehrt - ihre Umsetzung jedoch nicht wirklich gelungen, da die zum Mitfiebern aktivierende Spannung abstinent ist. Als Entschädigung werden die eine oder andere bekloppte Kuriosität sowie eine dito bekloppte bundesdeutsche Synchronisation offeriert.
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