PRAY TO GOD AND DIG YOUR GRAVE - Edoardo Mulargia, Demofilo Fidani

Staubige Dörfer, schweigsame Pistoleros und glühende Colts.
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Sid Vicious
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PRAY TO GOD AND DIG YOUR GRAVE - Edoardo Mulargia, Demofilo Fidani

Beitrag von Sid Vicious »

Originaltitel: Prega Dio... e scavati la fossa!
Regisseur: Edoardo Mulargia
Kamera: Franco Villa
Musik: Marcello Gigante
Drehbuch: Nino Massari, Edoardo Mulargia, Corrado Patara, Fabio Piccioni
Darsteller: Robert Woods, Jeff Cameron, Selvaggia, Cristina Penz, Paco Hermandariz, Carlo Gaddi, Léa Nanni, Simonetta Vitelli, Carmelo Artale, Calisto Calisti, Vito Cipolla, Lino Coletta, Celso Faria, Paolo Figlia, Fedele Gentile, Mario Pennisi, Giovanni Ivan Scratuglia, Tommy Roy, Fabian Cevallos, Virgilio Ponti, Demofilo Fidani, Joe Sentieri
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Mexiko im Jahre 1889: Das Volk leidet unter der diktatorischen Knute des Porfirio Diaz. Der Groll wächst zwar tagtäglich, aber jeglicher Mut zur Auflehnung wird unmittelbar von der kollektiven Angst ausgemustert. Trotz der aussichtslosen Lage beschließen Asunción und Ignacio, das Gesetz zu brechen und das misanthropische Recht der ersten Nacht zu missachten. Folglich machen sie sich aus dem Staub, um dem sexhungrigen Don Enrique das Frischfleisch zu versagen. Doch ihr Weg endet schnell, denn Don Enriques Häscher spüren die Flüchtigen auf und töten sie. Als einer ihrer Angehörigen, Fernando Camayo, von den Morden erfährt, folgt auf den Schock der Drang nach Vendetta. Um diese erfolgreich in die Tat umzusetzen, versucht Fernando die Ausgebeuteten und Unterdrückten gegen den Großgrundbesitzer aufzuhetzen und bittet einen alten Bekannten, den mittlerweile zum Desperado transformierten Cipriano, um Hilfe. Werden sie gemeinsam das Land von dem unbarmherzigen Tyrannen befreien können?

Mittels einiger Fotografien sowie einer Texteinblendung erfahren wir, dass der anstehende Film im Mexiko des Jahres 1889 spielt. Es ist die Zeit, in der der Diktator Porfirio Diaz das Land beherrschte. Jener Diaz verzeichnet die längste Herrschaftsdauer (die mit einer vierjährigen Unterbrechung von 1876 bis 1911 währte) eines Diktators in der lateinamerikanischen Geschichte. Die soziale Entwicklung des Landes erhielt später (man denke in diesem Kontext an das Idealbild einer Diktatur, die Transformationen der profanen Zeit in eine sakrale Zeit) den zynischen Slogan „selektive Prosperität“. Da mir auf Anhieb kein Film einfällt, der sich mit der Amtszeit des Diktators auseinandersetzt, ist es sehr schade, dass PREGA DIO… E SCAVATI LA FOSSO nicht das historische Potential ausnutzt und stattdessen als einer der zahlreichen wie handelsüblichen Rache-IW agiert.

Es geht jedoch vielversprechend los. Das Ius primae noctis, jenes Recht der ersten Nacht, wird thematisiert und von einer betroffenen Familie nicht akzeptiert. Der damit verknüpfte sozialkritische Aspekt verraucht allerdings schnell, da das Streichholz, welches mir kraft seiner kurzzeitigen Entflammung die Hoffnung auf einen außergewöhnlichen Western bescherte, nicht die auf Licht und Wärme angewiesene Wunderlampe erreicht.

Trotzdem hinterließ PREGA DIO bei mir einen außergewöhnlichen Eindruck, den ich anhand der folgenden Beispiele konkretisieren möchte:

- Eine Vergewaltigung beschränkt sich auf einen Kuss - evt. ist es auch eine Mund zu Mund-Beatmung.
- Eine Prügelei wurde mit der Handkamera in der Halbtotalen fotografiert, sodass der beschwipste Ausdruck einen leichten Schwindel in mir erzeugte.
- Ein mehr oder minder flammender Aufruf zum Aufbegehren wird von den Adressaten, einige Mexikaner, anstatt mit erwarteter Euphorie mit statuenhaften Gebärdenspielen reflektiert.
- Die Gestaltungen von Rückblenden wie Überblendungen wirken sehr bizarr.

Es riecht meines Erachtens mehr nach Fidani und weniger nach Mulargia.

Womit ich auch gleich bei einer Frage angelangt bin, die bis dato nicht eindeutig beantwortet wurde: Wer führte denn nun verflucht noch mal Regie bei PREGA DIO… E SCAVATI LA FOSSO? Fidani oder Mulargia?

Marco Giusti behauptet in seinem Buch „Stracult - Dizionario dei film italiani“, dass Robert Woods ihm mitteilte, Fidani hätte Regie geführt, was Woods einem IW-Fan via Telefongespräch bestätigte. Ein anderer IW-Fan behauptet jedoch, dass ihm Woods (auf welchem Weg auch immer) mitteilte, dass Mulargia als Regisseur und Fidani als Produzent verantwortlich zeichnen, was wiederum vom Co.-Drehbuchautoren Fabio Piccioni bestätigt wurde. Konträr dazu beteuert die zuständige Cutterin Piera Bruni, dass sie Mulargia niemals am Set von PREGA DIO gesehen hätte. Fidani selbst verkündete in einem Interview, dass PREGA DIO - und nicht wie allgemein angenommen BEKREUZIGE DICH, FREMDER - seine erste Regiearbeit benamst.

Innert dieses Wirrwarrs bastelte Marco Giusti die Theorie, dass es ursprünglich Mulargias Film war und Fidani, der PREGA DIO für Mila Cinematografica produzierte, denselben von Mulargia abkaufte. Die Produzentenrolle übernahm - so teilte es Fabio Piccioni mit - Fidani von Corrado Patara, der den Job vermeintlich nur aus dem Grunde annahm, weil er auf Cristina Penz (spielt im Film die Consuelo) scharf war. Scheinbar war Pataras Werben vergeblich, sodass er schnell das Feld räumte und Fidani hernach in das laufende Projekt einstieg. Nebst allen Spekulationen gilt es als ziemlich sicher, dass Fidani die Szenen in denen er und seine Tochter Simone auftreten, selbst inszenierte. Es erhärtet sich demzufolge der Verdacht, dass Fidani die Regie von Mulargia übernahm, anschließend ein paar Szenen (unter seiner Regie) hinzufügte und die Postproduktion überwachte. Was schlussendlich für Fidani und für Mulargia spricht, sodass beide Prsonen für die Regie verantwortlich zeichnen könn(t)en. Im Zuge dieser Theorie konnte man (wer auch immer) Robert Woods folgende Aussage entlocken: „I believe that PREGO DIO was co-directed by Demofilo and Edoardo, but I actually don´t remember, who got the final credit for it...”.

Es existiert notabene das Gerücht, dass Fidani das Ende komplett neu gestaltete. Wenn ich mir das finale Duell anschaue, so sehe ich ein gut inszeniertes Pistolenduell, das von einer rasanten Montage und unnachgiebigen Paukenschlägen dominiert wird. Auch wenn dieses Duell wie seine einhergehend aufsteigende Spannung in Windeseile vorüber sind, meine ich eher die die Handschrift von Mulargia als die von Fidani zu erkennen, demgemäß kann wie mag ich mich nicht dem besagten Gerücht anschließen.

Die Filmmusik, die man ja Marcello Gigante zuschreibt, wirkt auf mich wie lapidare Konfektionsmusik, die dem Musikarchiv entnommen wurde. Das passt irgendwie nicht zu Gigante. Ich habe in diesem Zusammenhang und zwecks einhergehender Abklärung in Gigantes Tonschöpfungen zu BEKREUZIGE DICH, FREMDER, DAS LETZTE GEWEHR, WANTED - JOHNNY TEXAS und SCHNELLER ALS 1000 COLTS reingehört und kann ruhigen Gewissens behaupten, dass die Musikstücke ordentlich komponiert wurden und den jeweiligen Filmen dito ordentlich zu Gesicht stehen. Gut arrangierte Musik kann (!) einen Film zusammenhalten und ihn mit Tempo versorgen, was bei PREGA DIO allerdings nicht wirklich funktionieren mag, da der Score einschläfernd wirkt. Im Gesamtkontext möchte ich nun für noch mehr Unklarheit sorgen und stelle in Frage, ob Gigante tatsächlich für den PREGA DIO-Score verantwortlich zeichnet?

Fazit: PREGA DIO… E SCAVATI LA FOSSO beginnt äußerst vielversprechend. Doch die latent vorhandenen sozialkritischen Ambitionen, die Verurteilung der mexikanischen Diktatur und die einhergehende Dekadenz der Haziendabesitzer, nutzen die falsche Abbiegung und landen in der oft zitierten Sackgasse. Und wie es in etlichen Italo-Western nun mal üblich ist, macht sich das Vehikel auf den Weg, um auf den ausgetretenen Pfaden des Rache-Themas zu reisen. Was schlussendlich dabei raus gekommen ist, hinterlässt einen bestenfalls durchschnittlichen Eindruck, sodass der Film mehr mit seinen filmhistorischen Unklarheiten als mit seinem Inhalt für Aufsehen sorgt, was Sie ja problemlos aus meiner vorangegangenen Besprechung enkodieren können.
https://italo-cinema.de/item/pray-to-go ... your-grave
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