WESTERN JACK - Luigi Vanzi

Staubige Dörfer, schweigsame Pistoleros und glühende Colts.
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Sid Vicious
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WESTERN JACK - Luigi Vanzi

Beitrag von Sid Vicious »

Originaltitel: Un uomo, un cavallo, una pistola
Regisseur: Luigi Vanzi
Kamera: Marcello Masciocchi
Musik: Stelvio Cipriani
Drehbuch: Tony Anthony, Roberto Infascelli, Giuseppe Mangione
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In einem Städtchen (und dessen Umfeld) nahe der amerikanisch/mexikanischen Grenze regieren En Plein und seine Desperados. Als diese den Postinspektor, Ross, töten, kommt zufällig ein Fremder vorbei, der drei der Gesetzlosen an die Anmeldetheke des Satans verweist, die Papiere des Postinspektors einsackt und sich fortan als eben dieser vorstellt. Seine Ambitionen sind allerdings nicht von Gerechtigkeitssinn geprägt, denn der Fremde wittert eine große Menge Gold, welches er liebend gern in seine Satteltaschen packen will.

Tony Anthony kehrte ca. sieben Monate nach der Erstaufführung von „Ein Dollar zwischen den Zähnen“ als Fremder in die italienischen Lichtspielhäuser zurück. Für den bundesrepublikanischen Kinoeinsatz wurde er diesmal nicht vom großartigen Klaus Kindler, sondern vom noch großartigeren Michael Chevalier (dessen Stimme einem unendlichen Tongedicht gleicht) gesprochen, sodass der deutschen Bearbeitung eine besonders schmackhafte Würze verliehen wird. Eher unglücklich, um nicht unpassend zu schreiben, wirkt hingegen die Wahl, Raf Baldassarre (Chrysler) mit Barney Ernie Geröllheimer sprich Gerd Duwner zu besetzen

Während der Filmauftaktsphase wird dem Publikum, neben extrem schnellen Zooms, auch gleich eine typische Filmformel offeriert, die von den meisten Beobachtern nur beiläufig erfasst wird. Drei Gesetzlose (mit denen sich der Fremde anlegt) stürzen demgemäß nach ihrer Eliminierung in frisch geschaufelte Gräber respektive in einen Abgrund. Diese „Sturzflüge“ in die Tiefe werden als allegorische Bestrafung gedeutet und suggerieren natürlich den Absturz in die Hölle. Aber beachten Sie: der Gute beziehungsweise der Held beziehungsweise der Antiheld dürfen zwar erschossen werden, aber niemals in die Tiefe stürzen. Bei Nichtbeachtung werden nämlich sämtliche Konventionen auf den Kopf gestellt, denn genannte Personenkreise haben den Harry Angel-Sturz in Louis Cyphres ausgebreitete Arme nicht verdient!

Mit der Jagd nach Reichtum lässt sich der Fremde mit einer Bande von gefühlskalten und brutalen Desperados ein. Der Kampf gegen eine Übermacht, welcher den Antihelden in diverse knifflige Situationen befördert, aus denen er sich jedoch immer wieder herauswinden kann. Dass die Halunken sich gegenseitig reinlegen und einhergehend einen internen Missmut anheizen, kommt ihm (dem Fremden) natürlich gelegen. Dokumentiert wird das Geschehen von einem Prediger, den man als den einzigen Vertrauten des Fremden suggerieren kann und der sich als eine Art Hofnarr vorstellt. Auf diese Weise zieht er zwar das Gelächter der Desparados auf sich, kann jedoch deren Aggressionen entgehen. Ein gerissener (von Ihnen bestimmt nicht unterschätzter) Bursche, der einerseits gut ins Spiel passt und andererseits gut (von Marco Guglielmi) verkörpert wird. Auch weitere Kurzauftritte wie die von Ettore Manni als Lieutenant Stafford sowie Silvana Bacci als Jura können das Gesamtwerk bereichern. Silvana sieht übrigens klasse aus und sollte allen IW-Experten als das am Holzpfahl gefesselte Opfer innert „Django, der Rächer“ bestens bekannt sein.

Doch nun zu unserer Reflektorfigur, dem Fremden (Tony Anthony ist großartig), der unter anderem eine bestens abgestimmte Dosis Selbstironie liefert. So scheint er beispielsweise an den Anforderungen eine Zigarette zu drehen, beinahe zu resignieren. Und als er das seltsame Tabakkonstrukt letztendlich fertig gestellt hat, schnippt er dieses, nach einem unschmackhaften Lungenzug, in den Wüstensand. Ein nicht unwichtiger Faktor, da der Fremde mit dieser (etwas unbeholfen wirkenden) Handlung dem Bild des knallharten und unfehlbaren Antihelden widerspricht. Folglich gibt er dem Zuschauer das Gefühl, es wesentlich besser zu können, wodurch sich dieser in einer überlegenen Position wiegt. Dieser Klugscheißermodus hält beschriebenen Mechanismus allerdings nur so lang aufrecht, bis sich der Fremde schlussendlich auf die Tugenden des typischen Antihelden besinnt und ebenso gefühlskalt, wie seine Kollegen, zur (blutigen sowie bleihaltigen) Konfliktlösung ansetzt.

Ungeachtet seiner Haupt- und Reflektorfigur hält sich das Gesamtkonstrukt übrigens von den Techniken der Filmparodie, wie Überziehung, Verkleinerung, Verlagerung, fern. Letztgenannte Formel findet stattdessen im dritten „Stranger-Film“ „Der Schrecken von Kung-Fu“ ihre Anwendung, da die Ingredienzien des Italo-Western nach Asien verlagert werden, um dort mit denen des Jidai-geki zu kollidieren.

Fazit: Mit der Aussage „Well, heiliger Mann. Wir werden in Moon Village heute ein wenig Hölle spielen“ läutet der Fremde (s)einen Akt der Beseitigung ein, der allerdings nicht dem Rachemotiv, sondern dem Wunsch nach Reichtum geschuldet ist. Unter dem Strich bleibt ein kurzweiliges Gesamtprodukt, das bis in die kleinsten Rollen gut besetzt ist. Für die harten IW-Kerle ist „Western Jack“ selbstverständlich ein Pflichtprogramm, alle anderen dürfen allerdings auch gern reinschauen.
https://italo-cinema.de/italo-cinema/item/western-jack
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Il nero
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Re: WESTERN JACK - Luigi Vanzi

Beitrag von Il nero »

Keiner steht so drauf wie der Tony Anthony sich in seinen Filmen irgendwie foltern zu lassen :mrgreen:
Das wird in den Stranger Filmen oder auch Blindman richtig zelebriert
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Sid Vicious
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Re: WESTERN JACK - Luigi Vanzi

Beitrag von Sid Vicious »

Irgendwie mag er es. Und die eigentliche Tortur verkommt dabei zur Lapalie. Im Dritten treibt er zum Ausgleich die Japaner in die Verzeiflung. Tony Anthony ist klasse, einfach ein sympathischer Typ.
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Anti-Hero
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Re: WESTERN JACK - Luigi Vanzi

Beitrag von Anti-Hero »

Am schlimmsten kassiert allerdings Robert Woods :)
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Sid Vicious
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Re: WESTERN JACK - Luigi Vanzi

Beitrag von Sid Vicious »

Trotz der Schläge die er einstecken musste, ist er wahrscheinlich der netteste Typ, den es bei Facebook gibt.
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