DER RANCHER VOM COLORADO RIVER - Primo Zeglio

Staubige Dörfer, schweigsame Pistoleros und glühende Colts.
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Sid Vicious
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DER RANCHER VOM COLORADO RIVER - Primo Zeglio

Beitrag von Sid Vicious »

Originaltitel: L'uomo della valle maledetta
Regisseur: Primo Zeglio
Kamera: Alfredo Fraile, Remo Grisanti
Musik: Francesco De Masi, Manuel Parada
Drehbuch: Edward Di Lorenzo, Eduardo Manzanos
Darsteller: Ty Hardin, Irán Eory, Piero Leri, José Nieto, John Bartha, José Marco, Rafael Albaicín, Tito García, Joe Kamel, Giovanni Petrucci, Phil Posner
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Gwen Burnett, die trotz des Widerstands ihres Vaters den Indianer Torito heiratete, wird von feindlichen Apachen entführt. Der jungen Frau gelingt jedoch die Flucht, welche sie in die endlose Prärie führt. Dort trifft sie auf den Cowboy Johnny Walscott, der sich fortan ihrer annimmt. Da Johnnys Liebesleben ebenfalls unter keinem guten Stern stand wie steht, kann er die schwierige Situation in der sich Gwen befindet gut nachvollziehen. Dieserhalb und desterwegen sucht er Gwens Vater (Sam Burnett) auf, um den Familienfrieden wiederherzustellen und Gwen eine sichere Zukunft auf Sams Ranch zu ermöglichen. Doch was wird aus Torito?

DER RANCHER VOM COLORADO RIVER ist Primo Zeglios erste (!) Westerninszenierung. Ob, wie bei der IMDb behauptet, tatsächlich Siro Marcellini an der Regie beteiligt ist, sei dahingestellt, da zumindest innerhalb der englischen Credits Zeglio (unter dem Pseudonym Omar Hopkins) als alleinverantwortlicher Regisseur genannt wird. Der Film enterte in der ersten Hälfte des Jahres 1964 die italienischen Lichtspielhäuser. Im selben Jahr (ca. 5 Monate später) sollte Primos zweite wie deutlich bessere Westernarbeit DAS GESETZ DER ZWEI folgen.

Aus diesen Worten werden Sie vermutlich enkodieren, dass DER RANCHER VOM COLORADO RIVER alles andere als eine Offenbarung reflektiert. Womit Sie zweifelsohne recht haben, denn der Film besitzt wenig Spannung und kann den Zuschauer nicht wirklich zu sich verführen. Der abstinente Nervenkitzel lässt sich evt. mit den derben Kürzungen, es wurden ca. 26 Minuten entfernt, begründen. Es lässt sich allerdings keine ungeschnittene Version des Films auftreiben, sodass diese Review auf der gekürzten englischsprachigen VHS-Version basiert. Genaue Informationen (ob es sich um die englische oder US-amerikanische VHS handelt) konnte ich nicht eruieren.

Das musikalische Leitmotiv aus den kreativen Federn von Francesco De Masi und Manuel Parada klingt nach meinem Ermessen deutlich nach jenen erfrischenden Klängen, die uns David Rose mit seinem HIGH CHAPARREL-Theme schenkte. Was kraft umrissener Akustik Gemeinsamkeiten mit US-amerikanischen Westernserien erlauschen lässt, wird durch das Mitwirken von Ty Hardin verstärkt. Hardin agierte in der frühen Phase seiner Karriere, ergo Mitte der 1950er, als Nebenfigur (Bronco Layne) in der TV-Serie CHEYENNE und später als Hauptfigur (vermutlich weil er beim Publikum überaus gut ankam) in der TV-Serie BRONCO. Pidax hat übrigens 12 der 26 im bundesdeutschen TV ausgestrahlten BRONCO-Episoden auf DVD veröffentlicht. Western-Fans sollten sich den Stoff auf jeden Fall drücken, denn Bronco verzichtet auf unnötige Fragen, haut seinen Kontrahenten hin und wieder was aufs Maul und schießt in jenen Momenten, in denen Western-Serien-Saubermänner wie die Cartwrights nur blödes Zeugs geschwätzt hätten.

Ein weiterer Filmbestandteil, der mich an den klassischen Westernserienstoff erinnert, ist eine Verfolgungsjagd (drei Apachen jagen Torito). Hier wurde nach jenem Muster gewerkt, wie es hierzulande nahezu jeder Wohnzimmer-Pistolero, der in den 1970ern aufwuchs, aus der WESTERN VON GESTERN-Reihe kennt. Das bedeutet im Klartext, dass die Montage innert der Actionmomente (Prügeleien und Verfolgungen) die handelsüblichen 24 Bilder pro Sekunde auf 18 Bilder (pro Sekunde) reduzierte, sodass dem austricksbarem Auge ein deutlich höheres Tempo vorgegaukelt wird.

Ein solches Tempo legt die Narrative freilich nicht vor. Obwohl der Film (bundesdeutsche Kinoversion wie der mir vorliegende VHS-Rip) anstatt der eigentlichen 107 nur 81 Minuten Laufzeit besitzt, plätschert er (der Film) ausdauernd vor sich hin. Spannung mag keine aufkommen und manch aufblitzende Ungereimtheit stärkt meine Vermutung, dass der mir vorliegenden Version ein kompletter Akt fehlt.

Die Grundidee zur eigentlichen Story ist übrigens gar nicht mal so übel und verdient unsere Aufmerksamkeit. Sie fußt in dem Annähren von Rot und Weiß, dem symbolischen Umarmen zweier Rassen, im Besonderen die Ehe zwischen der Ranchertochter Gwen Burnett und dem Indianer Torito.

Die Verbindung von Rot und Weiß reflektiert in den Westernlichtspielen sowie in der amerikanischen Historie ein immer währendes Tabu. Denn eine weiße Frau, die - sei es unter Zwang oder nicht - bei den Indianern lebt(e), galt im rassistischen Süden wie im puritanischen Norden nicht mehr als Weiße. Die daraus folgenden Konsequenzen können wir beispielsweise in den Filmen ZWEI RITTEN ZUSAMMEN (Elena wird nach ihrer Rückkehr in die Welt der Weißen geächtet) sowie natürlich DER SCHWARZE FALKE (Ethan will seine Nichte Debbie unter allen Umständen töten, um primär sich selbst sowie sekundär Debbie von der Schande zu reinigen) beobachten. Die freiwillige wie unfreiwillige (Beispiel: Menschenraub) Verbindung einer weißen Frau mit einem roten Mann warf halt deutlich mehr Hass in die Waagschale als es die dito verachtete Verbindung zwischen einem weißen Mann (Squawmann) und einer roten Frau vermochte. Ausnahmen gab es allerdings bei den Trappern, die man eh als Zivilisationsflüchtlinge beschreiben kann und die ebendarum problemlos eine Squaw in ihr Herz schließen und mit ihr Kinder haben konnten. Weitere Ausnahmen lassen sich unter den Cowboys und Ranchern im Rinderreich (jene Ära zwischen 1965 und 1890, die Ära in der der gesamte Steppengürtel der USA vereinnahmt wurde, was zugleich den Auftakt einer neuen amerikanischen Viehindustrie bedeutete) finden. Granville Stuart, ein Rinderkönig aus Montana, ehelichte ebenso eine Indianerin als auch James Olive sowie der Mitbegründer der Montana-Viehzucht wie Verfasser der Autobiografie „We pointed them North“: Teddy Blue Abbott.

Wie bereits erwähnt, wird bei DER RANCHER VOM COLORADO RIVER die Eheschließung zwischen einem Indianer und einer Ranchertochter zentralisiert. Jener rote Mann, Torito, passte sich übrigens den puritanischen Vorstellungen der Weißen problemlos an. Er lebt in ihrer Welt, hat sich dort eine Farm aufgebaut - wird dennoch von Roten wie Weißen gleichermaßen verachtet. Torito ist ein educated indian. Jemand der beispielsweise eine weiße Erziehung oder weiße Bildung oder evt. beides genossen hat und demgemäß zwischen zwei Stühlen Platz nimmt, was ihn in der Welt der Weißen wie in der Welt der Roten als Außenseiter etikettiert. Ein Außenseiter, der demgemäß auch nicht von seinem Schwiegervater Sam Burnett akzeptiert wird. Somit steht eine explosive Konstellation, der man kraft des berühmten wie berüchtigten Feuerfunken zum großen Knall verhelfen könnte. Doch auf die erhoffte Explosion warten wir vergeblich. Stattdessen wird geschwätzt, aber wenig gesagt. Doch wehe Johnny Walscotts kleine Tochter kommt ins Spiel, dann erblüht schlagartig jener Kitsch, der nach meinem Ermessen keinem italienischen Western gut zu Gesicht steht.

Es ist simpel enkodierbar, dass DER RANCHER VOM COLORADO RIVER Zeglois erste Westerninszenierung ist. Denn jene inszenatorischen Defizite, die sein Debüt charakterisieren, stellt der Regisseur kraft seiner folgenden (von Mal zu Mal besser geratenen) Westernarbeiten (DAS GESETZ DER ZWEI, DIE VIER GEIER DER SIERRA NEVADA wie KILLER, ADIOS) erfolgreich ab. In diesem Kontext muss allerdings noch erwähnt werden, dass Zeglio beim RANCHER ein minimales Budget zur Verfügung stand. Das Indianerdorf besteht aus zwei Zelten und drei Kriegern, die man vermutlich mit der Aussicht auf eine heiße Portion Spaghetti Bolognese vom Bahnhof weglockte, damit sie weniger böse, aber selten dämlich (mit schief sitzender Perücke) in die Kamera starren. Auch bei den Requisiten und Kulissen wurde alles andere als sorgfältig gearbeitet. Es fehlt die Liebe zum Detail oder zumindest der gute Wille, um eine solche Zuneigung zu saturieren.

Fazit: Das ewige Spiel zwischen wie um Rot und Weiß, die Umarmung zweier Rassen, die auf die Geburt des neuen Menschen für eine neue und bessere Welt hoffen lässt, nimmt einen äußerst zähen Verlauf und kratzt phasenweise penetrant am unwillkommenen Kitsch. Wer allerdings gern zwischen den Zeilen liest, der könnte hinter der banalen Verpackung gar eine rassistische Message entdecken, welche besagt, dass der einzig gute Indianer eben jener Indianer ist, der seinen Traditionen gänzlich abschwört und von Stund an wie ein Weißer lebt. Die erfolgreiche Zivilisierung fordert demgemäß die Eliminierung einer alten Lebensweise, die Lebensweise der native americans. So mutet es beinahe sarkastisch, dass ich die Besprechung mit einem Zitat schließe, dass - mit Blick auf das Ende der Apachen - ausgerechnet von John Wayne (!) in seiner Rolle als Hondo (MAN NENNT MICH HONDO) getätigt wurde:

„End of a way of life. Too bad, it was a good way.”


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