MARGARET LEE

Leinwandsternchen und verkannte Stars im Blickpunkt
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Prisma
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MARGARET LEE

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MARGARET LEE

[* 04.August 1943]


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Wikipedia hat geschrieben:
Lee besuchte die Italia Conti Theatre School in London und wurde während eines Aufenthalts in Paris für den italienischen Film entdeckt. Während der 60er Jahre war sie an einer großen Zahl italienischer und internationaler Produktionen beteiligt. Es handelte sich meist um Abenteuer- und Agentenfilme, wie sie zu dieser Zeit besonders beliebt waren. In diesen Streifen trat sie vorwiegend als Verführerin auf, häufig wurde sie auch selbst Opfer eines Verbrechens. Auch in den beiden Edgar-Wallace-Filmen Das Rätsel des silbernen Dreieck und Das Gesicht im Dunkeln wirkte sie mit. In insgesamt 11 Filmen spielte sie an der Seite des deutschen Schauspielers Klaus Kinski. 1975 wurde Lee in Schottland wegen Totschlags an ihrem Cousin, der sie sexuell missbraucht haben soll, zu einer Haftstrafe verurteilt. Nach ihrer Entlassung kehrte sie 1981 in Italien zum Film zurück, konnte aber nicht mehr an ihre früheren Erfolge anknüpfen.


Die britische Schauspielerin Margaret Lee wurde unter dem bürgerlichen Namen Margaret Gwendolyn Box geboren und begann ihre Ausbildung zur Schauspielerin in der Italia Conti Academy of Theatre Arts in London. Lee startete ihre Karriere in Italien und profitierte von der dort florierenden Filmindustrie, die nicht nur sehr ergiebig Filme produzierte, sondern auch immer auf der Suche nach neuen, schönen Gesichtern war. Hier gelang der jungen Interpretin der endgültige Durchbruch in Produktionen, die mitunter ein größeres Kino-Publikum erreichen konnten, was ihr somit einen immer deutlicheren Bekanntheitsgrad einbrachte. Mitte der Sechziger Jahre, auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, tauchte Margaret Lee in einer großen Anzahl sogenannter Eurospy-Filme auf, in welchen sie so gut wie immer die gleichen Frauenrollen zu interpretieren hatte: die femme fatale, die verführerische Gefahr oder das schmückende Beiwerk der traditionell männlichen Hauptrollen. Margaret Lee war zu dieser Zeit sehr häufig in Produktionen des Produzenten Harry Alan Towers zu sehen, außerdem arbeitete sie später mehrmals unter dem spanischen Regisseur Jess Franco, dessen Beiträge es heute vereinzelt zu einem gewissen Kultstatus bringen konnten, von ihren Rollen bei Edgar Wallace ganz zu schweigen. Die schöne Britin kann als eine der Viel-Spielerinnen bezeichnet werden, die in einer Spanne von 1965 bis 1970 unermüdlich und beinahe wie am Fließband arbeitete, es in diesem Zeitraum auf eine Anzahl von weit über vierzig Produktionen brachte, was eindrucksvoll dokumentiert, dass ihr Typ und ihre Präsenz gefragt waren. Anfang der 70er Jahre stagnierte die bislang so ausfüllende Karriere jedoch deutlich, bis sie schließlich nach Großbritannien zurückkehrte, wo sie verschiedenen übereinstimmenden Angaben nach 1975 zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Totschlags verurteilt wurde. Der Versuch, sich im Anschluss wieder in ihrem einst so ergiebigen Beruf zu etablieren, scheiterte, sodass sich Margaret Lee leider bereits 1985 aus dem Filmgeschäft zurückzog. Ihr Bekanntheitsgrad fußt aufgrund ihrer dynamischen Einsatzgebiete, die sich nahezu durch alle Film-Genres ihrer Zeit ziehen.

Da sich viele dieser Filme inszenatorisch und stilistisch ähneln oder sogar kreuzen, taucht Margaret Lee immer wieder als äußerst gerne gesehenes Gesicht in diversen Haupt- und Nebenrollen auf. Viele ihrer Rollen beschränken sich nicht selten auf eine kurze, wenngleich exponierte Auftrittsdauer, was durchaus belegt, dass sie als Zugpferd fungieren konnte, und dass ihr Bekanntheitsgrad in vielen Produktionen als einer der Aufhänger genutzt werden konnte. Schaut man sich Margaret Lee einmal gezielt an, so besteht kein Zweifel daran, warum sie der zeitgenössische Film so sehr hofierte und letztlich auch brauchte. Über ihre Attraktivität und das sich immer deutlicher formende Image, das ja zunächst auf eine zweite Marilyn Monroe angelegt gewesen sein soll, welches sie aber glücklicherweise wieder abschütteln konnte, lässt sich kaum streiten. Die Darstellerin vereint alle notwendigen Voraussetzungen, um das Publikum zu überzeugen und gewissermaßen auch anzulocken. Was bei Margaret Lee allerdings unbedingt im Vordergrund steht, ist das Großthema Ausstrahlung, welches nicht selten in eine eigenartig abweisende Aura münden konnte. Eine merkwürdige Mischung aus offensiver Verführung und grundeigener Melancholie lassen sie überaus faszinierend wirken, allerdings konnte sie in ihrem breit angelegten Repertoire beispielsweise auch die waschechte Komödiantin oder durchtrieben Kriminelle hervorragend abrufen. Dass sie trotz dieser unterschiedlichen Möglichkeiten und Anforderungen dem dem Empfinden nach zu häufig die gleichen Rollen spielte, lässt jedoch keineswegs Eintönigkeit aufkommen, denn Margaret Lee wirkt stets solide und interessant genug, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ihr ernster, nachdenklicher Typ, bei dem einem ein Lächeln oft wie Schauspielerei oder eine Choreografie vorkam, offeriert ein faszinierendes Gesamtpaket. So bleibt Margaret Lee, bei der es im zeitgenössischen Film quasi unmöglich erscheint, an ihr vorbei zu kommen, mehr als nur eine angenehme Erinnerung, da sie in ihren vielen Filmen stets präsent wirkt und für nachhaltige Eindrücke sorgen kann, die das Anschauen entsprechender Filme oft zu einem kleinen Erlebnis werden lassen.

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● MARGARET LEE als HELEN ALEXANDER in
DAS GESICHT IM DUNKELN (D|I|1969)



Riccardo Fredas Edgar-Wallace-Beitrag "Das Gesicht im Dunkeln" wartet mit einer Reihe von unterschiedlich angelegten Frauenrollen auf, von denen auf ihre bestimmte Art und Weise jeweils eine Bedrohung für den Protagonisten der Geschichte ausgeht. Wie jede ihrer Kolleginnen, hat auch Margaret Lee eine sehr kurze Erscheinungsdauer, jedoch wird gerade ihr das Privileg der Dramaturgie zuteil, die Geschichte aus dem Off dominieren zu können. Helen Alexander kam ganz offensichtlich bei einem fingierten Autounfall ums Leben, doch gewisse Anzeichen deuten darauf hin, dass sie möglicherweise noch am Leben ist. So sieht ihr Ehemann John sie beispielsweise in einem Pornofilm, der nach ihrem tödlichen Crash gedreht worden sein muss. Von handwerklicher Seite wurden somit etliche von Helens Markenzeichen mit in das Szenario integriert, die beim Zuschauer ebenfalls Zweifel aufkommen lassen. Die Strategie, eine totgeglaubte Person quasi wie einen dunklen, aber stets präsenten Schatten über dem Szenario schweben zu lassen, hat sich so gut wie immer als effektives Stilmittel herausstellen können und die Suche nach dem Phantom kann beginnen, somit das Elixier eines Films bilden, so wie hier auch. Helen Alexander wird trotz ihrer wenigen Szenen schnell und nachhaltig integriert und charakterisiert. Zu diesem Zweck kommt es der Produktion zugute, eine überzeugende Expertin wie Margaret Lee mit an Bord zu haben. Nach dem 1966 entstandenen "Das Rätsel des silbernen Dreieck", in dem sie ebenfalls eine kürzere Rolle zu spielen hatte, sieht man interessiert bei ihrem Wallace-Ausstand zu, den sie perfekt löst, da die Rolle optimal skizziert wurde. Ihre erste Szene ist wegweisend und bezeichnend für das momentane Verhältnis zu ihrem Mann, denn die attraktive Millionärin lässt sich in der Badewanne von ihrer Freundin Liz verwöhnen und man spricht ganz offen darüber, dass die Trennung unmittelbar bevorsteht.

Schnell wird der Zuschauer mit weiteren Informationen durch Helens Stiefvater versorgt, der ihren Egoismus, ihre Wesenskälte und Eigenwilligkeit hervorhebt und im Endeffekt nicht gerade schmeichelhaft von ihr spricht. Dass man auch über die Vermögensverhältnisse aufgeklärt wird, liefert gleichzeitig ein Blanko-Motiv für den später folgenden, tödlichen Unfall, der ganz nach Wallace-Manier mörderische Hintergründe hat. Trotz weniger Szenen Margaret Lees kann man von einer gut strukturierten Rolle sprechen, die ihre Schlüsselmomente gebündelt und flüssig hervorbringt. Ein Gespräch zwischen Helen und John beim Pferderennen charakterisiert die momentane Ehe-Situation sehr gut, man spricht offen über ihre Freundin und das Verhältnis zu seiner Sekretärin, aber auch darüber, dass es zu einem Schlussstrich kommen wird. Vor allem hier zeigen sich die Kompetenzen der Margaret Lee sehr gut. In ihrem Verhalten zeigt sich ein Ausdruck von Rücksichtslosigkeit und Kälte, beinahe sachlich und emotionslos erklärt sie ihrem Mann die neuen Voraussetzungen und nennt bei dieser Gelegenheit Liebe und Finanzen gleichzeitig in einem Atemzug. Im Grunde genommen wird eine ganz klassische Schablone des Krimis, beziehungsweise eine Form der Opferrolle bedient, denn Verbrecher und Verbrechen werden förmlich vom Opfer selbst herausgefordert. Der Kreis der Verdächtigen hält die Erinnerung an die jeweilige Person schließlich am Leben und hier ist es sogar Helen selbst, da sie trotz ihres Verschwindens omnipräsent bleibt. So ist letztlich zu sagen, dass Margaret Lee ihre feine Schlüsselrolle sehr nachhaltig und beeindruckend prägt, weil sich das anvisierte, verwirrende Element über sie entfalten kann. Übrigens sollte hier auch nicht unerwähnt bleiben, dass Margaret Lee in "Das Gesicht im Dunkeln" in einer geheimnisvollen Schönheit zu sehen ist, wie sie vielleicht kein zweites Mal in dieser Auffälligkeit wahrzunehmen war. Zweifellos einer ihrer interessantesten Auftritte!

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● MARGARET LEE als ALICIA GRAY in
DER HEXENTÖTER VON BLACKMOOR (D|E|I|FL|1970)



Nach einer arbeitsintensiven Saison 1969, fand sich Margaret Lee in Jess Francos "Der Hexentöter von Blackmoor" in einer klassischen supporting role wieder, beziehungsweise einer solchen, die sich im Rahmen eines Populärthemas am temporären Markt orientierte. Die englische Interpretin ist aus dem europäischen Kino nicht wegzudenken, da sie dem zeitgenössischen Film so gut wie jedes Opfer bringen konnte, was sich in dieser Produktion besonders deutlich zeigt. Mit Lees Alicia Gray erlebt man strapaziöse Szenen, wenngleich die Exposition ihre grausamen Blüten eher in der Fantasie des möglicherweise entrüsteten Zusehers treibt, da Lord-Richter Jeffries' willige und vielmehr noch brutale Helfershelfer sich nach Herzenslust an der Frau und anderen vergehen. Das Szenario bietet nur wenige Szenen mit Margaret Lee an, in denen die Schauspielerin auch kaum Dialoge hat, zunächst unbeschwert mit ihrem Freund, der jedoch gleich Jeffries Schwertern zum Opfer fällt. Der Schuldspruch wird schnell aber vor allem haltlos gesprochen: Alicia ist eine Hexe. Zumindest muss es so sein, schließlich hat sie sich mit einem Mann eingelassen, der der Maschinerie Jeffries ein Dorn im Auge war. Unter seiner Schreckensherrschaft scheint es wohl nur Schuldige zu geben, was allerdings wenig verwunderlich ist, immerhin hat auf der Folter noch jeder gestanden. Es folgt ein Schauprozess der barbarischsten Sorte, der die von vorne herein zurecht gebogene Wahrheit ans Tageslicht fördern soll. Zunächst muss Alicia allerdings noch das Dunkel des Kerkers kennenlernen, außerdem sie dazugehörenden Folter-Utensilien. Man hört Schreie und die Streckbank wird unerbittlich bedient, ihr geschundener Körper erzählt die traurige Geschichte der neuen Art der Wahrheitsfindung, bei welcher der Zweck alle Mittel heiligt. Mit Heiligen hat es Lee allerdings nicht zu tun, denn Howard Vernon und Werner Abrolat leisten als Folterknechte ganze Arbeit.

Hier bietet Jess Franco neben der bildlichen Veranschaulichung auch einige Kostproben der Ausweglosigkeit der Gefangenen an. Abstruse Behauptungen werden als Wissenschaft verkauft, wie beispielsweise, dass Hexen keine heißen Eisen mögen würden. Auch Alicia schreit um ihr Leben, als sie gebrandmarkt wird, was als eindeutiger Beweis dieser These ausgelegt wird. Auch dass sie einen Toten zum Bluten bringen könne, erscheint weniger überraschend zu sein, schließlich stocherte der Henker zuvor damit auf und in Alicia Gray herum. Am Ende war jeder geständig, so dürfte wohl das traurige Fazit dieser unmenschlichen Tortur lauten, und Margaret Lee passt sich den doch ungewöhnlichen Gegebenheiten sehr gut an. Jess Franco legt hier erneut großen Wert auf die Totale, sodass Margaret Lee und ihre Kolleginnen zu ungewöhnlich vielen Zooms kommen. Alicias traurige Augen sprechen somit eine eindeutige Sprache, doch ungewöhnlicherweise ist keine Hysterie zu erkennen, auch kaum Angst. In manchen Szenen erscheint es beinahe so, als habe sie den Ernst der Lage noch gar nicht begriffen, außerdem ist das Leben wegen des gewaltsamen Todes ihres Freundes ein Stück weit vorbei, bevor es denn tatsächlich vorbei ist. Der Urteilsspruch ist hart und unmissverständlich: Tod auf dem Scheiterhaufen. Regisseur Franco fällt insbesondere im Umgang mit Margaret Lee durch die optimale Nutzung begrenzter Möglichkeiten auf, was sich ausschließlich auf zeitliche Aspekte bezieht, da Margaret Lee die unbarmherzige Bühne an ihre Kollegin, Filmschwester und Freundin Maria Rohm übergibt. Im Rahmen dieser Voraussetzungen setzt Lee gezielt ein paar kleinere Pointen und spielt sich vor allem in das Gedächtnis des Zuschauers, da sie Beschützerinstinkte anspricht, denen die Geschichte nicht gerecht werden kann. So vereint sie Dramatik und gebündelte Emotionen sehr überzeugend, um den Film zumindest einen kleineren Stempel aufzudrücken.

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MARGARET LEE als GINA in
DAS RÄTSEL DES SILBERNEN DREIECK (D|GB|1966)



Auch in dieser 25. Edgar-Wallace-Verfilmung der Nachkriegsgeschichte findet sich der Zuschauer in einem unübersichtlichen Umfeld wieder, das genügend Schlupfwinkel für kleine Ganoven und schwerkalibrige Verbrecher zu bieten hat. Das Ambiente Zirkus weist dabei ganz klassisch auf ein von den Herren der Schöpfung dominiertes Terrain hin, gleichgültig zu welcher Seite man blickt. Die Verteilung signifikanter Frauenrollen ist in "Das Rätsel des silbernen Dreieck" übersichtlicher ausgefallen, sodass man lediglich das Vergnügen mit den beiden britischen Schauspielerinnen Suzy Kendall als Natascha und Margaret Lee als Gina bekommt. Lee übernimmt einen auffällig ambivalenten Part, der sich deutlich von dem ihrer Landsfrau Kendall abgrenzt. So sind so gut wie keine Berührungspunkte zwischen den beiden Blondinen festzustellen, denn solche pflegt Gina ausschließlich zu Männern, und dies in offensichtlich wahlloser Art und Weise. Gina definiert sich über jeden Mann, der sie interessiert und den sie für sich gewinnen kann, sodass ihr in Windeseile ein bestimmter Ruf voraus eilt, der sie jedoch nicht zu kümmern scheint. Sie verhält sich betont leger und scheint dementsprechend leicht zu haben zu sein. Zu glauben, sie sei eine leichte Beute für jeden, stellt bei genauerer Betrachtung nur die halbe Wahrheit dar, denn Gina verliert schnell das Interesse an ihren Spielzeugen, was ihr eifersüchtiger Freund Mario nicht nur andeutet, sondern auch an eigenem Leib erfahren hat. In intimen Situationen sieht man die in einer Aura aus Leichtfertigkeit und Hochmut schimmernden Artistin mit einem anderen Mann, der jedoch unkenntlich bleibt, um den Ursprung für die Wichtigkeit von Margaret Lees Rolle und das tragische Ende von Gina zu ebnen, quasi ganz frei nach dem Motto und in Anlehnung an einen später entstandenen deutschen Krimi: »Ich schlafe mit meinem Mörder«. Plötzlich entwickelt sich aus einer unverbindlichen Affäre eine liaison dangereuse, denn Gina entdeckt per Zufall das Versteck von einem Satz auffälliger Wurfmesser, was ihr Schicksal besiegeln wird.

Fortan muss sie als sozusagen unwissende Mitwisserin völlig begründet in Angst leben, den solche Personen leben bekanntlich gefährlich. Es folgt der erste Mordanschlag, doch noch kann niemand die Zusammenhänge ordnen. Ab diesem Zeitpunkt geht Margaret Lees Schlüsselfunktion in dieser ursprünglich in Farbe gedrehten Produktion voll auf, und hierbei wirkt die Gestaltung recht interessant, denn eigentlich müsste die Mörderhand zuschlagen, bevor sie überhaupt zur Schlüsselfigur werden kann. Zuvor wurde immer wieder ihr eindeutiger Lebenswandel thematisiert, den diejenigen, die sich am meisten wünschten Teil davon zu sein, am lautesten anprangern. Margaret Lee stattet ihre Rolle derweil mit allen ihr zur Verfügung stehenden Finessen der Weiblichkeit aus, sodass sich ein nicht übersehbarer Erotik-Faktor einstellt, der dem Szenario sogar gut stehen will. Verführung und Gefahr gehen unter Lee eine nicht nur hinlänglich bekannte, sondern bedeutende Allianz ein, da das eine ohne das andere nicht existieren kann und sich gegenseitig bedingt. Die Rolle der Gina kann im Verlauf als Blickfang und designiertes Kanonenfutter angesehen werden, falls man sie ausschließlich funktionell betrachtet. Zwischen den Zeilen wird jedoch eine eigensinnige Tragik befeuert, da sie als unschuldiges Opfer eines für sie vollkommen unbekannten oder sogar unbegreiflichen Spiels über die Klinge springen muss. Bei ihrer täglichen Arbeit schützte sie stets die Zielsicherheit ihres Partners, des Messerwerfers Mario, der seine Akkuratesse vor der Drehscheibe unter Beweis stellen konnte. Der Unbekannte, der seine Morde unter dem Zeichen des silbernen Dreiecks verübt, braucht nur einen Versuch, um seine Opfer zur Strecke zu bringen und sorgt für die eigentliche Ironie des Schicksals für Gina, da seine Präzision den üblichen Schutz einfach umkehrt. Letztlich hat man es mit einer sehr gut durchstrukturierten kleinen Rolle zu tun, die im Kreis der Leidtragenden des Mörders am meisten auffällt, da es sich bei Gina trotz all ihrer Halsstarrigkeit und Fehlentscheidungen um eine gut platzierte Sympathieträgerin handelt.

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MARGARET LEE als GWENDOLYN in
DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY (D|I|GB|1970)



»Streng dich nicht an, liebes Schwesterchen. Es ist doch bekannt, dass dich die Malerei tödlich langweilt und dass dich nur die Maler reizen!« Wenig betroffen von den zynischen Worten ihres Bruders, bewegt sich Gwendolyn von ihm und seinem Geschäftspartner, dem Maler Basil Hallward weg, um die Entdeckung des Tages oder vielleicht ihres Lebens zu machen. Überwältigt beobachtet sie den jungen Dorian Gray, der wieder eine Sitzung bei dem befreundeten Maler hatte. Da Herkunft, Stand, Reputation und Vermögen es ihr in der Regel ermöglichen, alles zu bekommen, was sie sich in den Kopf gesetzt hat, ist ihr Jagdtrieb geweckt, und sie bekommt den Mund wegen der Schönheit und Vollkommenheit ihres Gegenübers gar nicht mehr zu. Margaret Lee erscheint in eleganten, aber ebenso provokanten Roben, die Blicke auf sich ziehen, und es wird einem bereits in ihrer ersten Einstellung klar, dass es sich bei ihr um die richtige Wahl handelt. Sie macht kein Geheimnis aus ihrer unbändigen Lust, so viele Affären wie möglich zu haben, doch es ist fraglich, ob Dorian sich auf die wesentlich erfahrenere und auffordernde Frau einlässt. Es klingt beinahe schicksalsträchtig, dass es nicht die vielen unterschiedlichen Männer waren, die sie für immer verdorben haben, sondern ihr eigener Bruder, der keines tiefgründigen oder zynischen Kommentars verlegen ist. Gwendolyn versucht sich hin und wieder desselben Handwerks, doch sie kommt in Intensität und Wirkung nicht an ihren bissigen Mentor heran. In der besseren Gesellschaft ist dessen Schwester längst berüchtigt, aber nicht gefürchtet, was ihr einige Freibriefe ausstellt. Der Zuschauer betrachtet sich die attraktive Dame, denkt dabei an ihr Anvisieren Dorians und ob ihr Plan letztlich aufgehen wird. Die Screentime Lees ist ganz in der Mode damaliger europäischer Produktionen als supporting role recht übersichtlich, aber pointiert, sodass sie eine Figur darzustellen hat, die im Gedächtnis bleiben wird. Margaret Lee ist quasi auf dem in die Länge gezogenen Höhepunkt ihrer Karriere zu sehen und überrascht hier in unbändiger Fasson und mit verschlagener Attitüde.

Bei Gwendolyn handelt es sich zweifellos um eine hinterlistige Person, bei der es nicht immer ganz klar wird, ob sie die Jagd mehr reizt als die Beute. Mit Dorian Gray kommt sie schnell und ganz selbstverständlich ins Geschäft, immerhin entstammen beide der gleichen gelangweilten Gesellschaft. Als ob es in der Familie bliebe, entwickelt sich eine statische Affäre, die Regisseur Dallamano jedoch im überwiegend Hintergrund ablaufen lässt, sodass Gwendolyn zu einer der anziehenden Nebenfiguren und somit einem Zahnrad des vergifteten Schicksals dieser Geschichte wird. Margaret Lee ist hier bemerkenswert schön, auffällig gelöst und betont leichtfertig, wozu auch ihre von Oscar Wilde gegebene Aura beiträgt, und es handelt sich sicherlich um eine ihrer interessantesten und ziemlich prickelnden Darbietungen dieses Zeitfensters. Margaret Lee verkörpert hier die personifizierte weibliche Verführung und darf unter Massimo Dallamanos diskretem Deckmantel einige sehr erotische Szenenabfolgen interpretieren, die - eingehaucht in Licht- und Schattenspiel oder vertuschende Schleier - besonders ästhetisch wirken. Mit fortschreitender Zeit zeigen sich jedoch auch ihre verborgenen Begierden, die etwas von ihrer zunächst geheimnisvoll anmutenden Aura nehmen, da diese Wünsche anscheinend doch zu sehr von dieser Welt oder aus jenen Kreisen zu sein scheinen. Es ist erstaunlich genug, dass diese Ausstrahlung überhaupt aufzukommen vermag, immerhin liegen die Karten mehr als deutlich auf dem Tisch - zumindest was ihre Person angeht. Margaret Lee bietet ein völlig anderes Konzept Frau und Schauspiel an, als ihre ebenso umwerfenden Kolleginnen Maria Rohm, Eleonora Rossi Drago, Isa Miranda, Beryl Cunningham oder Marie Liljedahl, und überzeugt einfach nur auf ganzer Linie; ein Umstand, der allerdings nicht grade neu ist. In den endenden 60er Jahren und den beginnenden Siebzigern übernahm die vielseitige Britin ohne jeden Zweifel ihre spektakulärsten, weil schönsten Rollen, was einem Film wie "Das Bildnis des Dorian Gray" unterm Strich eine der vielen Kronen aufsetzt. Am Ende bleibt nur die Frage, wer eigentlich wen verdorben hat.

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