MARISA MELL
[* 24. Februar 1939 | † 16. Mai 1992]
Das Lexikon der deutschen Filmstars hat geschrieben:Ihr blasses Gesicht mit den übergroßen, dunklen Augen, dem schwarzen Haar und dem breiten, sinnlichen Mund prädestinierte sie für Verführerinnen. Und die spielte sie auch. Da sie darunter jedoch auch eine Leidensgeschichte und feine Nuancen ausdrücken konnte - und zunehmend wollte - drängte sie in die Charakterrollen, die man ihr im deutschen Kinoschaffen nicht gab. Sie ging ins Ausland und spielte die großen Signoras, Senioritas, Madams mit Grazie, Grandezza und ihrem berühmten hintergründigen Lächeln.
Marisa Mell hat auf den Wert ihres Namens bezogene Klassiker gedreht, ist daher in und über Fankreise hinaus auch heute noch in bestenfalls spektakulärer Erinnerung geblieben, allerdings blieb ihr der ganz große internationale Wurf verwehrt, da sie dem Empfinden nach zu leichtfertig mit der Auswahl ihrer Rollen war. Im deutschsprachigen Film hätte sie ohne jeden Zweifel wichtige Vakanzen ausfüllen können, was zu ein wenig mehr Glanz und Extravaganz verholfen hätte, doch hierzulande machte sie eher fernab des Films von sich reden und so wurde ihr Name in speziellen Dekaden eher in der Klatschpresse warm gehalten. Marisa Mells erste Gehversuche im Film erweisen sich als gekonnt und überaus gelungen, denn sie bietet innerhalb geforderter Schablonen stets eigene Nuancen und den unbändigen Willen an, nichts dem Zufall zu überlassen und nicht als irgend eine von vielen zu den Akten gelegt zu werden. So war sie in angesagten und temporär geschätzten Formaten zu sehen, die letztlich von unterschiedlicher Qualität waren. Hierbei ist zu beobachten, dass sich das von vorne herein schauspielerich hohe Niveau sukzessive steigern ließ, bis es zu Premium-Produktionen kam. Insbesondere der italienische Film verliebte sich in dieses schöne und wandlungsfähige Geschöpf und gab ihr die Rollen, die ihr zustanden. Ab sofort war Marisa Mell in Hochglanzproduktionen zu bewundern, die ihren Namen gerne als (Co-)Aufhänger verwendeten, doch wie bereits erwähnt, blieb der ganz große Coup leider aus. Der Markenname Marisa Mell nutzte sich Mitte/Ende der 70er Jahre ab, und es begann ein künstlerischer Abstieg, der auch durch die verfügbaren Rollen bedingt war. Gerade in diesen Jahren zeigte sich ganz offensichtlich, dass sich ihre Stärken zu eklatanten Schwächen entwickelten, da die Schauspielerin sich nicht mehr neu erfinden konnte, oder man sie erst gar nicht auf experimenteller Ebene sehen wollte. Gefangen in einem Rollen-Abonnement, gelang es Mell nicht mehr, das letzte Drittel ihrer Karriere auszustaffieren, sodass sich überwiegend Auftritte ausfindig machen lassen, die keine große Relevanz besitzen.
Denkt man über die typischen Mell-Movies nach, fallen einem schnell ein paar Beiträge aber vor allem Lucio Fulcis "Nackt über Leichen" und Mario Bavas "Gefahr: Diabolik!" ein; Produktionen, die das Material Schauspielerin optimal inszenieren. Marisa Mell scheute sich nicht vor imaginärem Körperkontakt mit dem Publikum und zeigt dementsprechend gerne, was sie zu bieten hat. Als die Filmauswahl sprärlicher, die Konstitution schwächer und die Zeiten einfach anders wurden, ist überliefert, dass Marisa Mell sehr frustriert über ihre Situation gewesen sein muss, aber auch nicht mehr aus ihrer gerne für den Fan präsentierten Haut hinaus konnte. So ist und bleibt die Auseinandersetzung mit ihrer besonders vielfältigen Filmografie mehr als interessant, in welcher sich nicht selten hochinteressante Beiträge verbergen. Im Großen und Ganzen rückte das reichlich vorhandene schauspielerische Talent in die zweite Reihe, um bestenfalls auf die besondere Ausstrahlung und Schönheit der Österreicherin aufmerksam zu machen. Besonders in ihren frühen Filmen agiert Marisa Mell mit einer unverbrauchten Leidenschaft, Selbstverständlichkeit und Intensität; Faktoren, die selbst schwächere Geschichten aufzuwerten wissen. Leider sind die meisten ihrer frühen Filmproduktionen weitgehend unbekannt und in Vergessenheit geraten, wie viele später entstandene Flicks übrigens auch, die oft große Überraschungen bereithalten. Charakteristisch ist und bleibt ihr oft unbändiges Temperament und ihre Kunst des Verführens, allerdings zeigt sich auch eine melancholische Note in ihrem erhaben wirkenden Wesen, sozusagen in Form einer eigenartigen Grund-Traurigkeit die sie allerdings nur als Ahnung präsentiert und sich dabei selten in die Karten blicken lässt. Marisa Mell konnte nachweislich alles spielen, wenngleich sie sich dem Empfinden nach nicht in jedem Genre zu Hause oder besonders wohl fühlte. Am Ende ihrer Karriere lief leider nicht mehr viel zusammen, sodass man sich hauptsächlich an ihre schönsten Rollen in voller Blüte erinnert, die etliche Filme durch ihre Präsenz erst mit einem besonderen Aushängeschild ausstatten konnten.