● DAS GESICHT IM DUNKELN / A DOPPIA FACCIA (D|I|1969)
mit Klaus Kinski, Christiane Krüger, Sydney Chaplin, Annabella Incontrera, Luciano Spadoni, Günther Stoll, Barbara Nelli und Margaret Lee
eine Produktion der Rialto Film Preben Philipsen | Mega Film | Colt Produzioni Cinematografiche | im Constantin Filmverleih
ein Film von Riccardo Freda
Bei "Das Gesicht im Dunkeln" handelt es sich bereits um die 29. Edgar-Wallace-Verfilmung der Rialto Film, und Riccardo Fredas Beitrag stellt einen Schnitt in der Kontinuität der Serie dar. Aufgrund der mageren Zuschauer-Resonanz von nur 600.000 Besuchern in der Bundesrepublik, wurde die Reihe bis auf Weiteres eingestellt. Beim Durchleuchten des schwachen Geschäftsergebnisses kann man mehrere Gründe anführen, doch letztlich stehen wohl der vergleichsweise harte Stilbruch und die teils holprige Inszenierung hauptsächlich im Vordergrund. Inszenatorisch blieb unter dem italienischen Regisseur leider zu viel Potential ungenutzt, was sehr schade ist, hat man es doch immerhin mit einem der interessantesten Stoffe des Wallace-Film-Universums zu tun. Aber wie sagt man so schön? Gedreht ist gedreht und man sollte sich lieber auf die positiven Seiten dieser Geschichte konzentrieren, um zu sehen, dass es für den geneigten Zuschauer ein Leichtes sein kann, sich mit diesem Beitrag anzufreunden. Komplette Veränderungen offeriert die verlangsamte, aber dennoch sehr intelligente Erzählstruktur, die bis dato im Dunstkreis der Verfilmungen eher beispiellos war. Klar ist andererseits auch, dass dieser Film nach dem unermüdlich laufenden Wallace-Fließband in vielerlei Hinsicht quasi wie ein Kulturschock gewirkt haben muss, wenngleich man vollkommen dem Zeitgeist entsprechend inszenierte. Das Fehlen von beispielsweise gebräuchlichem Humor schadet der Produktion zwar keineswegs und hebt den harten, beinahe sterilen Charakter ergiebig hervor, aber der Vorwurf, "Das Gesicht im Dunkeln" habe mit Wallace nichts mehr gemein, ist möglicherweise einzuräumen, kann aber nach allen Spielereien auch als Kompliment aufgefasst werden, und zwar insofern, dass hier nach allen vorhergegangenen ergebnislosen Versuchen des Etablierens einer wirklich neuen Richtung ganze Arbeit geleistet wurde. Als End-Sechziger durfte daher eine ordentliche Prise Sex nicht fehlen, der gar nicht so sehr auf spekulativer Basis abgehandelt ist. Freda bietet Schauwerte, die insgesamt als Mosaiksteinchen der Geschichte angesehen werden können und gewiss nicht aus überflüssiger oder selbstzweckhafter Art mit eingebaut wurden.
Klaus Kinski nahm mit diesem Film und einer alles ausfüllenden Hauptrolle seinen Abschied von Edgar Wallace. In beinahe 10 Jahren brachte er es auf eine beachtliche Anzahl von 16 Auftritten und gehört somit zu einer der bekanntesten Größen der langjährigen Reihe. Die Anlegung seiner Rolle ist im Endeffekt nicht der ganz große Überraschungs-Coup geworden, da gewisse Feinheiten in der Dramaturgie, der Ausarbeitung, und notwendige Finessen in der Darstellung fehlen. Dieser Eindruck wird zusätzlich durch sein streckenweise reibungsloses Agieren und die eher platte Dialog-Arbeit vermittelt. Klaus Kinski wirkt insgesamt nicht so, als lege er einen darstellerischen Kraftakt hin, was wohlgemerkt nicht der Rolle geschuldet ist. Dabei ist die Idee, ihn als zweifelhaften Protagonisten zu präsentieren, ein sinnvoller Einfall angesichts des Verwirrung stiftenden Themas gewesen. Dutzendfach gab er den Wahnsinnigen, den Irren, Mörder oder den Helfershelfer; wieso also sollte er nicht auch hier den Plan gehabt haben, seine Frau zu ermorden? Es wird zwar versucht, John Alexander erst gar nicht großartig als Sympathieträger in Erscheinung treten zu lassen, aber die Konzentration auf seine Person, und der Eindruck eines Komplotts, ist einfach zu groß, als dass man begründete Zweifel haben könnte. Hinzu kommt, dass "Das Gesicht im Dunkeln" erstmalig ungewöhnlich übersichtlich besetzt ist, sodass theoretische Möglichkeiten bei der Täterfindung ausbleiben. Dennoch kann man sich recht gut auf Klaus Kinski einlassen. In vielen Situationen arbeitet er die erforderliche Zerrissenheit heraus und auch die impulsiven und teilnahmslosen Tendenzen eines in die Enge getriebenen Mannes sind nachvollziehbar. Offensichtlich war John nie abgeneigt, diverse Liebschaften zu unterhalten, was ein aufrichtiges Gefühl zu seiner Frau in Frage stellt. Besonders in diesen Szenen mit Christiane Krüger und Barbara Nelli wird indirekt angedeutet, dass auch John im Zweifelsfall zu außerordentlichen Mitteln greifen kann. Egal ob Kinski hier schlussendlich Gut oder Böse bedient, es dürfte selbst für Kritiker des Films etwas Nützliches bei dieser Leistung dabei sein.
Die wichtigsten Gastrollen ent- oder bekleiden hier die Damen. Neben Klaus Kinski, um den die komplette Geschichte ausführlich herum konstruiert wurde, fallen die Auftritte daher ziemlich knapp aus. Margaret Lee spielt Helen, die man bereits in ihrer ersten Einstellung quasi in flagranti erwischt, als sie sich von ihrer Freundin Liz im Badezimmer verwöhnen lässt. Natürlich sind diese Szenen, genau wie die des in kurzen Sequenzen gezeigten Porno-Films, nur brav und gezügelt angedeutet, da schließlich auch die Vermarktung unter Edgar Wallace ins Haus stand. Die kurze Zeit vor Helens Abreise reicht also gerade aus, um die wichtigsten Charakterzüge und Attribute vorzustellen, die für den Verlauf zur Assoziationskette werden. Gezeigt wird daher ihre Narbe, der auffällige Ring und das noble Zigarettenetui, ihr Hund, die Pelze und ihre abweisende Art John gegenüber. Außerdem bekommt man den auffälligen Schlager von Nora Orlandi zu hören, den Helen unentwegt abspielt. Dass sie John im Ernstfall als Alleinerben eingesetzt hat, ist eigentlich schwer nachzuvollziehen und die entsprechende Dialog-Passage unlogisch: »Ich habe selbstverständlich an deine Zukunft gedacht. Ich habe dich als Alleinerben eingesetzt, du wirst sorgenfrei leben können!« Sinnvoller wäre es gewesen, den Dialog in eine vollkommen andere Richtung aufzubauen und zwar insofern, dass Helen, die ja anfangs mit ihrem Mann glücklich gewesen sein soll, was die Sequenz im Ski-Urlaub, die in der deutschen Version leider entfernt wurde, andeutet, ihren Mann davon unterrichtet, dass er in nächster Zeit als Universalerbe gestrichen werde, da sich die privaten Rahmenbedingungen von Grund auf geändert haben. Interessanterweise spricht Ilse Pagé, die ja bis im Vorgängerfilm noch Sir Johns respektive Sir Arthurs Sekretärin Miss Finley spielte, und diese Rolle häufiger gab, die Synchronstimme von Lee. Eine angenehme Tatsache, doch leider sind die Gespräche größtenteils flach und wenig ausgefeilt. Margaret Lee verabschiedet sich schnell aus dem Geschehen, doch der Verdacht wird geschürt, dass sie noch am leben ist. So bleibt sie bis zum Finale in Erinnerung und durch diesen recht gelungenen "Melissa-Effekt", wird eine solide Grundspannung aufgebaut. Es bleibt noch zu erwähnen, dass man die Britin selten so atemberaubend schön gesehen hat.
Der Rest der Crew wird kurz, aber angenehm abgerundet. Christiane Krüger als Christine überzeugt mit ihrer frechen und freizügigen Art, Sydney Chaplin als arrogant und zielstrebig wirkender Geschäftsmann stellt ebenfalls eine Bereicherung dar. Auf der Ermittlerseite fällt die Strategie des vergleichsweise untergeordneten Handelns durch Günther Stoll und Luciano Spadoni auf, die wenig ausführlich abgehandelt wird, wobei Stolls italienischer Kollege deutlichere Akzente als er setzen kann. Annabella Incontrera und Barbara Nelli als sporadische Erscheinungen wirken durchaus angenehm, erfahren allerdings auch keine groß angelegten Entfaltungsmöglichkeiten. Abgesehen von den Crash-Szenen des Rolls-Royce und des Jaguar, sind leider weitere inszenatorische Schlampereien aufzuspüren, auch wenn es sich meistens nur um Kleinigkeiten oder sogar Belanglosigkeiten handelt, die allerdings zu einem Gesamtbild beitragen. Bei den Szenen des Pferderennens handelt es sich beispielsweise um schlecht einkopiertes Archiv-Material, wobei die Montage insgesamt recht holprig wirkt. Hin und wieder werfen Teile des Film-Equipments Schatten, wie etwa Mikrofone, Accessoires fehlen nach dem nächsten Schnitt und vollkommen bezeichnend sind einige Szenen, die urplötzlich von Tageslicht zur Dunkelheit wechseln. So eilt dem Film sein Ruf, etwas trashy zu sein, immer wieder voraus. Dennoch ist die Bildgestaltung in vielen Bereichen sehr gelungen, edle Dekors und prächtige Farben bestimmen die Szenerie immer wieder. Die Prunkstücke steuerte allerdings Nora Orlandi mit ihren überragenden Musik-Themen bei, die "Das Gesicht im Dunkeln" von Anfang bis Ende auf überaus stimmige Art und Weise begleitet und prägt. Für die Edgar-Wallace-Reihe waren derartige Kompositionen bis zu diesem Zeitpunkt einfach nur beispiellos und sollten es trotz alternativer Klänge in den letzten beiden Filmen auch bleiben. Als fester Bestandteil der Serie ist Riccardo Fredas Adaption nicht wegzudenken, wenngleich es sich ohne jeden Zweifel um einen sehr untypischen Beitrag handelt. So wird dieser Film häufig dafür verantwortlich gemacht, dass die Wallace-Reihe durch ihn ihren Todesstoß bekam, allerdings ist dieser Zeitpunkt vermutlich schon eher zu finden. Wie dem auch sei, "Das Gesicht im Dunkeln" kann letztlich von sich behaupten, dass einer der unkonventionellsten Beiträge daraus geworden ist, der auf seine Weise unheimlich viel Courage, Atmosphäre und einen eigenwilligen Charakter vermittelt. Trotz einiger Abstriche bei der Inszenierung bleibt also ein Film mit Giallo-Fragmenten zurück, der nachhaltig überzeugen kann - vorausgesetzt er bekommt die Chance dazu.