BLUE EYES OF THE BROKEN DOLL - Carlos Aured

Schwarze Handschuhe, undurchsichtige Typen, verführerische Damen und stylische Kills.
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Prisma
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BLUE EYES OF THE BROKEN DOLL - Carlos Aured

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BLUE EYES OF THE BROKEN DOLL


● LOS OJOS AZULES DE LA MUÑECA ROTA / THE BLUE EYES OF THE BROKEN DOLL (E|1974)
mit Paul Naschy, Diana Lorys, Eduardo Calvo, Eva León, Inés Morales, Antonio Pica, Luis Ciges und Maria Perschy
eine Produktion der Profilmes
ein Film von Carlos Aured

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»You look too much like a whore!«


Gilles (Paul Naschy) ist zu Fuß in Nordfrankreich unterwegs und auf der Suche nach Arbeit. Als er von Claude (Diana Lorys) aufgesammelt wird, die ihm auch noch einen Job in ihrem Haus anbietet, willigt er ein. Claude lebt zusammen mit ihren Schwestern Yvette (Maria Perschy) und Nicole (Eva León) in einer Villa mit weitläufigem Besitz und sie hat von ihren Schwestern keine Hilfe zu erwarten. Nicole stürzt sich von einem ins nächste erotische Abenteuer und Yvette ist an den Rollstuhl gefesselt. Nach Gilles' Ankunft ereignen sich brutale Morde an jungen Frauen, die immer unter der gleichen Voraussetzung passieren. Die Damen müssen blond sein und blaue Augen haben. Schnell gerät der Fremde unter Universalverdacht, bis auch Inspektor Pierre (Antonio Pica) ihn ins Visier seiner Ermittlungen nimmt. Ist Gilles tatsächlich der wahnsinnige Killer..?

Der spanische Regisseur Carlos Aured hat in seiner etwas mehr als zehnjährigen Schaffensperiode zwar keine Unmengen an Filmen vorzuweisen, allerdings befinden sich darunter ein paar Genre-Perlen, die heute einen gewissen Kultstatus genießen. Mit diesem rein spanischen Vertreter des Giallo, blickt man zunächst auf einen überaus wohlklingenden Filmtitel, der sich in vielversprechender Art und Weise als Vorbote für ein besonderes Filmvergnügen empfehlen möchte. Ein Mann ist auf der Flucht vor den Altlasten der eigenen Vergangenheit, die ihn jedoch mental immer wieder heimsucht. Wie das verkorkste Schicksal es will, landet er in einer geheimnisumwitterten Villa, in der etliche eigenartige bis aufreizende Personen zu finden sind. Die Regie hält sich an die Architektur des klassischen Giallo, sodass viele gerne gesehene Elemente sehr früh für eine aufgeheizte atmosphärische Dichte sorgen können. Bleibt man bei den Charakteren, so stellen sich insbesondere die Damen selbst vor, ohne jedoch zu viel von sich preiszugeben. Zumindest im Zweifelsfall. Viele Details, sowie schöne Sets und Schauplätze lassen eine scheinbare Idylle zu, die sich jedoch durch ein unbekannt mitschwingendes Element aufhebt und es ist von vorne herein klar, dass die dunkle Vergangenheit sich mit der rätselhaften Gegenwart kreuzen wird. Das im Giallo gerne verwendete Thema Makellosigkeit, für das sich insbesondere sehr attraktive Darstellerinnen zur Verfügung stellen, wird in "The Blue Eyes of the Broken Doll" ebenfalls umgekehrt, schließlich zeigen sich körperliche Einschränkungen gleich in doppelter Potenz, denen möglicherweise noch eine Art Schlüsselfunktion zukommen könnte. Der Verlauf nimmt sich den ausgiebigen Luxus von Zeit, doch man hat es keinesfalls mit einem Dahinplätschern zu tun, sondern mit der sorgsamen Kreation aus Geheimnis und Spannung, bis nach etwa erst 45 Minuten ein Phantom zuschlägt und die bösen Vorahnungen bestätigt.

Die Szenerie ist mit einer erotischen Offensiv-Spannung aufgeladen, die sich ganz auffallend bemerkbar macht, weil sie sich quasi selbst hinauszögert, bestimmte Personen außen vor lässt und sich nur in kurzen Eruptionen entlädt. Grundlegend wird auf feine Ästhetik gesetzt und es zeigen sich daher fast ausschließlich ansehnliche Bilder, die ein besonders hochwertiges Profil kreieren werden. Der geneigte Zuschauer erwartet in einem derartigen Beitrag selbstverständlich auch blutige Kontraste, die sich schließlich einstellen. Allerdings muss hier angesichts typischer Seheindrücke ein gutes Stück umdisponiert werden, da eine wenig geschmackvolle Strategie mit dem Fließen echten Blutes gefahren wird. Was mit einer Taube anfängt, die gegen die Windschutzscheibe des Wagens der weiblichen Hauptperson prallt und durch eine befremdlich-prosaische Mechanik von ihrem Leben befreit wird, geht über das Zerkleinern eines Huhns in der Küche weiter und gipfelt schließlich in einer sprudelnden Blut-Fontäne, als einem Schwein die Kehle durchgeschnitten wird. Natürlich hinterfragt man ganz offen die Bedeutung, beziehungsweise Notwendigkeit dieser ziemlich unbehaglichen Veranschaulichungen, doch gerade dadurch entsteht hier ein pechschwarzer und schwer isolierter Nimbus, der die Inkompatibilität und eine mentale Unausgeglichenheit der Personen charakterisiert. Also können sich naturgemäß die eigenartigsten, beziehungsweise grausamsten Dinge abspielen, denn einige der Herrschaften werden in diesem Zusammenhang noch zum Angriff übergehen. Auf musikalischer Ebene erlebt "The Blue Eyes of the Broken Doll" eine sehr starke Unterstützung durch die Themen von Juan Carlos Calderón, die durch konträre Einsätze zum Gezeigten teilweise aufs Glatteis führen möchten, aber genauso strapaziöse Formen annehmen können, da zum Beispiel ein abgewandeltes und immer wiederkehrendes Thema des französischen Kinderliedes "Frère Jacques" zu hören ist, bis sich hochspannender Sleaze anschließt.

Schwarze Handschuhe greifen also nicht nur nach dem Leben, sondern gleich nach allem, womit es am schnellsten beendet werden kann. Die Opfer sind junge hübsche Damen, die dem Titel des Films eine makabre Aussage mitzugeben wissen, doch das Motiv bleibt bis zuletzt im Verborgenen, obwohl es aufgrund zahlreicher Hinweise viel Anlass zur Spekulation gibt. Da die Geschichte über sehr gute Darsteller verfügt, kommt es in diesem technisch einwandfreien Film zu formvollendeten Momenten. Da sich Horror-Ikone Paul Naschy die Ehre gibt, ist man als Zuschauer hin- und hergerissen zwischen Skepsis und Verständnis, doch mit dem Spanier erlebt man eigentlich so gut wie nie eine Art klassisches Urvertrauen. Gilles ist die personifizierte Vergangenheit ohne Zukunft und bleibt eine der hochgradig undurchsichtigen Komponenten der Geschichte. Dabei wirkt Naschys Leistung sehr intensiv und gut ausbalanciert, was sich auch insbesondere über seine geheimnisvolle Partnerin Diana Lorys sagen lässt, die eine wirklich begeisternde Performance aufs Parkett legt. Weitere ansprechende Darbietungen zeigen Antonio Pica, als resolut wirkender Inspektor, oder Eva León, die mit ihren unstillbaren Gelüsten in die Manege steigt. Besondere Erwähnung soll der Österreicherin Maria Perschy als Yvette zukommen, die zu jener Zeit längst ein Begriff auf dem spanischen Markt war. Die im Vorspann erwähnte, besondere Mitwirkung ihrerseits, rundet das Geschehen durch die Kunst des Wechselspiels ab. Eine besonders glaubwürdige Entourage. Bevor der Film des Rätsels Lösung offenbart, kommt es noch zu zahlreichen Intervallen, die wirklich sehenswert sind und im Endeffekt hat man es bei "The Blue Eyes of the Broken Doll" mit einem überraschend starken, vor allem originellen und extravaganten Vertreter des Giallo zu tun, der seine Erfüllung in der erfolgreichen Unterhaltungs-Mission und einem gut konstruierten Verlauf mit passendem Finale findet, das erwartungsgemäß gleich mehrere Kehrtwendungen bereit hält. Überzeugend!

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Richie Pistilli
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Re: BLUE EYES OF THE BROKEN DOLL - Carlos Aured

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Die Blauen Augen der zerbrochenen Puppe (D)
Blue Eyes of the Broken Doll (D)
Gli occhi azzurri della bambola rotta (IT)
Les yeux bleus de la poupée cassée (F)
Los ojos azules de la muñeca rota (ES)
Blue Eyes of the Broken Doll
House of Psychotic Women
The House of Doom

ES 1974



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Spanische Erstaufführung: 05.08.1974

Deutsche DVD-/BD-Premiere: 28.08.2020 [Subkultur-Entertainment]

Synchronkartei

Italo-Cinema.de

Score: Juan Carlos Calderón

OFDb

Screenshots entstammen der DVD



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"Unter gewissen Umständen ist das Leben nicht mehr lebenswert."


Auf der verzweifelten Suche nach Arbeit, verschlägt es den Ex-Sträfling Gilles in ein abgelegenes Dorf im Norden Frankreichs. Nachdem er bei den Bewohnern kein Glück hatte, wird er unterwegs von der attraktiven Claude mitgenommen, die zusammen mit ihren Schwestern ein riesiges Familienanwesen verwaltet und rein zufällig eine helfende Hand für die schweren Arbeiten benötigt, ganz besonders, da Yvette an den Rollstuhl gefesselt ist. Gilles nimmt den Job dankend an und bekommt auch gleich in dem Haus ein Gästezimmer hergerichtet. Als einziger Mann im Haus, umgeben von drei wunderschönen Frauen, kann er sich nichts Besseres wünschen, doch parallel zu seiner Ankunft beginnt in dem Ort eine Mordserie, welche eine blutige Schneise in die Ruhe schlägt. Die Opfer sind jung, blond und grausam verstümmelt: Ihre blauen Augen herausgerissen, die Körper bestialisch zugerichtet!
Schnell gerät der vorbestrafte Neuankömmling ins Visier der Polizei und Gilles tut alles dafür, die Ermittler mit seinem seltsamen Verhalten in ihrem Verdacht zu bestätigen. Als die bildhübsche Krankenschwester Michelle dazustößt, um das Leid der paralysierten Yvette zu lindern, gerät die bis dahin idyllische Welt der Schwestern endgültig ins Wanken. Michelle ist jung, blond und hat blaue Augen. Die perfekte Beute des geheimnisvollen Killers, dessen Mordgelüste nun keine Grenzen mehr kennen! (Quelle: Subkultur-Entertainment)




Im August 1974 in Spanien als LOS OJOS AZULES DE LA MUÑECAS ROTA im Kino uraufgeführt, folgte im April 1976 unter dem reißerischen Titel HOUSE OF PSYCHOTIC WOMEN der Kinoeinsatz in den Vereinigten Staaten, für den sich letztlich kein Geringerer als Independent-International Pictures verantwortlich zeigte. Ettliche VHS- und DVD-Veröffentlichungen später, veröffentlichte Subkultur-Entertainment das Filmjuwel erstmals als deutsche Synchronfassung, die wiederum in Zusammenarbeit mit Bodo Traber entstand.


Offensichtlich inspiriert von der italienischen Giallo-Welle inszenierte Carlos Aured 1974 einen ebensolchen Genrevertreter in der spanischen Variante, wobei sich das Ergebnis keinesfalls hinter den Vorbildern aus Italien verstecken muss. Nachdem Carlos Aured gemeinsam mit Paul Nashy das Drehbuch verfasste, schlüpfte Letzterer in die Rolle des Schauspielers, der vor der Kamera den Haupttdarsteller verkörpern darf, während Aured seinen Platz hinter der Kamera einnahm. Als Ergebnis resultierte ein Giallo, der so manches Vorbild aus Italien eiskalt im Regen stehen lässt, denn Aureds Film verfügt nicht nur über einen ausgeklügelten Plot, sondern überzeugt auch mit einer beeindruckenden Bildkomposition, die obendrein stilsicher mit wohligen Farbakzenten angereichert wurde. Der Dreh- und Angelpunkt des Films ist ein geschmackvoll eingerichtetes Landhaus, in das es Paul Nashy in der Rolle des Ex-Sträflings Gilles verschlägt, nachdem er kurz zuvor in der Dorfkneipe 'Chez Caroline' einen entsprechenden Hinweis erhielt - denn Gilles sucht Arbeit, die ihm schließlich die drei reizenden Landhausbesitzerin auch gewähren. Claude, die älteste der drei nicht ganz sauberen Schwestern, empfindet ihr Selbstbild aufgrund eines körperlichen Makels als abstoßend, zu dem auch eine klobig wirkende Handprothese zählt. Ihre beiden jüngere Schestern sind aber auch nicht ohne, denn während sich Nicole als eine nymphomanisch veranlagte Sklavin ihrer Triebe entpuppt, ist die von Maria Perschy gespielte Schwester, Yvette, infolge einer Nervenlähmung an den Rollstuhl gefesselt. Während ihr behandelnder Facharzt Dr. Phillipe der Meinung ist, dass der Ursache ihres Leidens ein psychosomatisches Problem zugrunde liegt, das mit einer abgestimmten Psychotherapie gelöst werden kann, zweifelt Claude erheblich an dieser These. Und Paul Nashy? Der scheint sich im Kreis der reizenden Damen dermaßen pudelwohl zu fühlen, dass er nach und nach mit jedem einzelnen Geschwisterteil auf enge Tuchfühlung geht. Dumm nur, dass zur gleichen Zeit mehrere Morde geschehen, für die Gilles letztendlich als potenzieller Täter ins Visier des emsigen Inspektors Pierre gerät, der den Fall schnellstmöglich aufklären möchte.


Das Erzähltempo des Films startet zunächst gemächlich, wobei der Zuschauer im Unklaren gelassen wird,wohin die unheilvolle Reise schlussendlich hingeht. Je weiter der Handlungsverlauf fortschreitet, desto mitreissender wirkt das Geschehen auf den weiterhin ahnungslosen Zuschauer, bis ihm schließlich am schmerzvollen Ende die Auflösung des raffinierten Plots quasi explosionsartig um die Ohren fliegt. Was die ausgefallene Filmmusik von Juan Carlos Calderón anbelangt, so würde ich diese als ein wenig verwunderlich bezeichnen. Neben einem Happy-Music-Sound, mit dem der Film eröffnet wird, erklingen gerade bei den Mordzenen Kompositionen, die vor Ironie nur so triefen. obendrein wurden als Kernstück der Filmmusik verschiedene Variationen des allseits bekannten 'Bruder Jakob' verwendet, deren Spannbreite von unheimlich über hypnotisierend bis hin zu einer am Ende hin versöhnlich klingenden Variante reichen. Hinzu gesellt sich ein prächtiges Kunstblutrot und fertig ist das kleine Filmjuwel, für dessen Veröffentlichung ich SK äußerst dankbar bin.


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