HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

Schwarze Handschuhe, undurchsichtige Typen, verführerische Damen und stylische Kills.
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Prisma
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HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

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HATCHET FOR THE HONEYMOON


● IL ROSSO SEGNO DELLA FOLLIA / UN HACHA PARA LA LUNA DE MIEL / UNE HACHE POUR LA LUNE DE MIEL / RED WEDDING NIGHT (I|E|F|1970)
mit Stephen Forsyth, Dagmar Lassander, Jesús Puente, Femi Benussi, Luciano Pigozzi, Gérard Tichy, Pasquale Fortunato und Laura Betti
eine Produktion der Mercury Films | Películas Ibarra y Cía. | Pan Latina Films
ein Film von Mario Bava

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»I'm a paranoic!«


John Harrington (Stephen Forsyth) und seine Frau Mildred (Laura Betti) sind aufgrund ihres gemeinsamen und erfolgreich laufenden Modehauses für Brautmoden gut situiert, doch das Leben im Luxus birgt auch Schattenseiten. Während Mildred ihren Ehemann mit täglicher Verachtung straft und mit Zynismus zu demütigen versucht, geht John einem nicht zu kontrollierenden Zwang nach. Niemand ahnt, dass er als Serienmörder sein blutiges Unwesen treibt. Er tötet junge Frauen in Brautmontur mit einem Beil, um die Leichen wenig später für immer im Ofen seines Gewächshauses verschwinden zu lassen. Mit jedem weiteren Mord kommt er dem Ursprung seines Wahns näher, der sich verschlüsselt in der Vergangenheit befindet, doch das unbehelligte Metzeln hat bald schon ein Ende. Nicht nur dass sich der hartnäckige Inspektor Russell (Jesús Puente) an seine Fersen heftet, viel schlimmer ist, dass er plötzlich von einem Gespenst der Vergangenheit heimgesucht wird...

Ein unruhig wirkender Vorspann wühlt die schemenhaft gezeigten Bilder mit den Signalfarben Rot und Blau auf. Man ist sich sofort im Klaren darüber, dass sie noch eine besondere Bedeutung bekommen werden, zumal es auch der Titel zu versprechen scheint. Vollkommen gegensätzlich hierzu wirkt die ohrenschmeichlerische und fast beruhigende Musik von Sante Romitelli, sodass es aussieht, als verspreche auch der Film zahlreiche Gegensätze oder schwer zu ordnende Inhalte. Kleine derartige Gedankenspiele lässt ein Vorspann ja meistens zu, die Stabsangaben präsentieren sich in der Zwischenzeit wie ein bevorstehendes Gütesiegel, bis man schließlich in vollster Erwartung einen brutalen Mord illustriert bekommt. Anschließend wird man jedoch vollkommen unerwartet mit einer Off-Stimme konfrontiert, die in irritierender Art und Weise den Weg der Geschichte ebnet. Verschwommene Bilder passieren Revue, die Erinnerung des Mörders spielt sich teilweise mit Kindesaugen ab, sodass sich selbstredend ein für längere Zeit verborgenes Motiv psychologischer Art erahnen lässt. Die Rahmenbedingungen spielen sich im extravaganten Setting ab. Es sind gut situierte Verhältnisse, die eigentlich eine Ordnung haben sollten, allerdings ist das genaue Gegenteil der Fall. Das gerne verwendete Motiv der Spleens, Launen, Unzulänglichkeiten und der daraus resultierenden Zwänge der Hautevolee, wird kompatibel aufgeschlüsselt. Sexuell aufgeladene Spannungen und damit verbundene Defizite liefern oftmals nachvollziehbare, aber meistens doch abenteuerliche Schlüssel zu den dramaturgisch vorgefertigten Schlössern diverser Plots und es kommt auf das Geschick der jeweiligen Regie an, die teilweise komplexen Voraussetzungen in geregelte, wahlweise auch spektakuläre Bahnen mit Überraschungsmomenten zu lenken. Mit Mario Bava denkt man bereits im Vorfeld nicht an die halbe Miete, eher sieht man diesbezüglich einem Mietüberschuss entgegen, was allerdings zu beweisen wäre.

Die Umgebung wirkt vor dem Hintergrund der Modebranche artifiziell, unwirklich, verschleiernd, sogar verlogen, das Honeymoon-Thema makaber, doch die zweifelhaften Protagonisten entsprechen mit einem Mindestmaß an Fantasie der hauseigenen Kreation Wirklichkeit. Früh vernimmt man eine typische Atmosphäre wie man sie von Mario Bava kennt, bei der man vor allem nachhaltig daran arbeitet, dass eben nichts greifbar wird und alles unberechenbar bleibt. Manchmal manifestiert sich der Eindruck, als kämen einem die Wände der Räume entgegen. In anderen Situationen werden sie als unendlich weit empfunden. Man fühlt sich dadurch beinahe delirierenden Eindrücken ausgeliefert. Hier wären die Karussellfahrten der Kamera, sowie die musikalische Untermalung, die manische bis aristokratische Klänge transportieren kann und die verwirrende Dialogarbeit, die die Aufmerksamkeit des Zuschauers effektiv zu unterwandern versucht zu nennen. Damit verbunden ist das direkte Ansprechen des Zuschauers, der den Lockrufen und Rechtfertigungen eines Wahnsinnigen folgt, bei denen er sich möglicherweise die landläufig verbreitete These durch den Kopf gehen lässt, ob der Teufel sich tatsächlich selbst beim Namen nennen würde. Das auf Hochtouren laufende Verwirrspiel wirkt im Endeffekt fordernd, strapaziös und im Anstrich der frühen 70er-Jahre erfrischend zugleich. Im Bereich der Kameraarbeit wird nach kurzer Spieldauer aus einer Tendenz ein tiefroter Faden, denn die überaus aufwändigen Bilder stellen eine wahre Pracht dar. Sie veredeln "Hatchet for the Honeymoon" in bemerkenswerter Weise. Die akribisch konstruierte Schönheit fällt schließlich vollkommen konträr zur eleganten Marschrichtung einem Beil zum Opfer, welches vielleicht treffender als Bumerang bezeichnet werden könnte. Der Verlauf entwickelt sich immer mehr zu einer einzigen Wahnvorstellung. John und der Zuschauer bekommen erhebliche Probleme, zwischen Trugbildern und Realität zu unterscheiden.

Als große Bereicherung für den Film ist niemand anders als der Kanadier Stephen Forsyth zu nennen, der hier in seinem erst zehnten, und leider bereits letztem Film zu sehen ist. Ihm droht, dass er die Funktion übernehmen könnte, gleichzeitig Täter und Opfer eines spannenden Experiments zu werden. Beim Thema Spannung müssen insgesamt zwar keine Superlative erfunden werden, denn der Verlauf nimmt sich den Luxus von langen, ausladenden Strecken. Es ist allerdings in den überwiegend dialogarmen Szenen die beißende Akustik, die an den Nerven zerrt. Der Plot überrascht mit einer indirekten Metamorphose des Hauptakteurs, in der er sich zwar keineswegs verändert, aber die Rahmenbedingungen für diesen merkwürdigen Eindruck sorgen. Schließlich passiert etwas beim Zuschauer, das man verhalten als genial bezeichnen darf, denn ganz unbestimmt, oder sogar kalkuliert, befindet man sich plötzlich auf der Seite des Wahnsinnigen, des Mörders, des Anti-Helden. Forsyth spielt die Fähigkeit klassisch aus, für Sympathien, um nicht zu sagen für Verständnis zu sorgen, was ihn groteskerweise sehr greifbar erscheinen lässt. Aber die Komplizenrolle des interessierten Publikums war schon immer eine der ertragreichsten und interessantesten Varianten in derartig gestrickten Filmen, die ohne jeglichen Whodunit auszukommen hatten. Die Darsteller wirken in "Hatchet for the Honeymoon" überaus funktionell, da die Beschreibung präzise aufgrund des latent vorhandenen, verwirrenden Elements überhaupt nicht recht greifen mag. Stephen Forsyth tut jedenfalls genau wie die meisten seiner Kollegen der Erwartung genüge, Teil des Haupt-Elements zu werden, nämlich des Dekors. Puppen, Gespenster, Getriebene und Verfolgte, im Personen-Roulette wird man alles in genügendem Maße ausfindig machen können. Eine wichtige Funktion übernimmt John's Ehefrau Mildred, die in Anbetracht aller Gewissheiten beunruhigende Züge annehmen wird.

Ihre kalte und biedere Erscheinung wirkt neben all dem Glamour und ihrem um Einiges attraktiveren Ehemann wie ein zu beseitigender Fremdkörper, was natürlich Böses erahnen lässt. In unzähligen Genres hat man bereits die unterschiedlichsten schwarzen Witwen gesehen, das Problem war jedoch oftmals, dass leider noch ein Mann existierte. Unter der Voraussetzung, dass John diese ihn quälende, erniedrigende und neurotische Frau loswerden will, aber nicht die Möglichkeiten findet, zu einem zufriedenstellenden Ausstieg aus der Ehe zu kommen, scheint der Tod die einzige, und deshalb beste Lösung darzustellen. Eigenartigerweise fühlt man sich angesichts dieser Möglichkeit nicht in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Verständnis und Mitleid halten sich deutlich in Grenzen, was für die stichhaltige Leistung der Italienerin Laura Betti spricht, die ihrem Charakter Unerbittlichkeit und Angriffslust und ihrer Rolle folglich die nötige Tiefe einhaucht. Dagmar Lassander reiht sich sehr effektiv in dieses groß angelegte Diktat der Regie ein. Ihre über weite Strecken unscheinbare Darbietung steht einerseits vollkommen im Einklang mit der Geschichte, andererseits aber als quasi neutralisierender Ausgleich zu den bereits erwähnten Personen. Eine weitere attraktive Dame sieht man in persona von Femi Benussi, die trotz ihrer kurzen Rolle für deutliche Akzente steht. Die meisten Darsteller übernehmen nicht nur aufgrund ihrer knappen Auftrittsdauer komplett untergeordnete Funktionen, was gleichzeitig die größere Bühne für die Hauptpersonen frei macht. Erwähnenswert ist auch die Figur des Inspektors, der von Jesús Puente mit recht klassischen Zügen bei seiner konventionellen, aber ergiebigen Ermittlungsarbeit ausgestattet wird. Da sich das Feld im weiteren Verlauf etwas lichten wird, steigt die ohnehin große Konzentration nochmals in Richtung der Hauptrollen, die den Verlauf nicht nur prägen, sondern durch dynamische Darbietungen tragen.

Betrachtet man die psychologische Konturierung der Geschichte, findet man sich immer wieder in verzerrten Rückblenden und gedanklichen Windungen wieder. Sie werden wie ein Mosaik zusammengetragen, um Ahnungen der Zuschauer zu bestätigen oder sie zu verwerfen. Das Motiv scheint ziemlich schnell auf der Hand zu liegen, handelt es sich doch um einen Serienmörder, der das Fetischisieren seiner Taten betont. Wieder einmal ist es die dunkle Vergangenheit, die nur schwer zu rekonstruieren ist, aber des Rätsels Lösung verbirgt. Im Grunde genommen liefert die Geschichte ein relativ bekanntes Thema in unterschiedlichem Gewand, bei dem es ganz entscheidend auf die hier eingearbeiteten Finessen ankommt. Hass, der Liebe gleicht, Dysfunktion, Wahn oder Trauma fangen als Elixier der Story immer wieder an, spektakulär zu brodeln. Erneut zeigt sich eine recht bekannte Filmkrankheit, denn der ganz große Hammer bleibt aus, sollte in Form eines ambitionierten Twist dennoch Anerkennung finden. Diese Anmerkung soll den stringenten Verlauf und das selbstbewusste Auftreten von "Hatchet for the Honeymoon" aber keineswegs schmälern, denn schließlich bekommt man nach einer vermeintlich konventionellen Auflösung in einem überaus beunruhigenden Finale eine Art diffuse Prognose um die Sinne geworfen, die dem Empfinden nach wesentlich schlimmer als das bestialische Ende der Opfer wirkt. Da das Leben eben weiter geht, wird das altbekannte Heiratsversprechen »bis dass der Tod uns scheidet« herangezogen, und in zynischer Art und Weise umgekehrt. Mit Mario Bavas in schwarzen Humor getauchten Verwirrspiel auf Raten bekommt man schließlich insgesamt ein über weite Strecken beeindruckendes Filmerlebnis geboten. Es benötigt keine Einteilung in Schwarz und Weiß, birgt allerdings auch die leichte Gefahr, zu wenig Berührungspunkte preiszugeben, da sie sich nicht betont leichtfertig offenbaren.

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alan_cunningham
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Re: HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

Beitrag von alan_cunningham »

Sehr schön geschrieben. Du hast dich wirklich mit dem Film auseinandergesetzt. Ist einer meiner liebsten Bavas :)

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Prisma
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Re: HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

Beitrag von Prisma »

alan_cunningham hat geschrieben:
Mo., 12.07.2021 12:47
Ist einer meiner liebsten Bavas :)

Ich mag "Hatchet for the Honeymoon" auch sehr, und überhaupt ist bei Mario Bavas Beiträgen nicht selten ein ganz anderes inszenatorischer Ansatz festzustellen, der vielleicht auch mehr in die Tiefe gehen will. Wenn ich das so formuliere, soll das die Konkurrenz überhaupt nicht abwerten, denn da gibts zahlreiche Äquivalente, die ebenso überzeugen, aber Bava packt seine Geschichten mit Vorliebe handschriftlicher und plastischer an, auch wenn ich manche seiner Filme bei ersten Ansichten sogar als kompliziert empfunden hatte. Nach meinem Empfinden verlangt Bava schließlich eine andere Aufmerksamkeit ab und gibt sich oftmals nicht mit passiven Berieselungstaktiken zufrieden, was gleichzeitig dazu führt, dass ich vergleichsweise seltener zu seinen Filmen greife.

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alan_cunningham
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Re: HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

Beitrag von alan_cunningham »

Der hartnäckige Inspektor Russell erinnert mich (ohne Witz) wirklich an Columbo mit seinem ständigen Auftauchen und Fragen :D
Muss wohl Zufall sein, denn zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gab es nur den ersten Pilotfilm mit Columbo :shock:

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Prisma
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Re: HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

Beitrag von Prisma »

alan_cunningham hat geschrieben:
Mi., 14.07.2021 10:05
Der hartnäckige Inspektor Russell erinnert mich (ohne Witz) wirklich an Columbo mit seinem ständigen Auftauchen und Fragen

So weit hergeholt finde ich das gar nicht. Ich baue diese gedankliche Brücke sogar ziemlich häufig, was allerdings oft nicht viel mit einer tatsächlichen Ähnlichkeit mit "Columbo" zu tun hat, sondern mit dem bloßen Befragungsstil der Verdächtigen, vor allem der obligatorischen letzten Frage. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob Peter Falk in der Serie schon am Werk war, oder an sie noch gar nicht zu denken war. Ist halt ne ziemlich prägnante Sache, die sich da etabliert hat. Von daher verstehe ich den Vergleich vollkommen. :)

Percy Lister
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Re: HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

Beitrag von Percy Lister »

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"Hatchet for the Honeymoon" (Il rosso segno della follia / Un hacha para la luna de miel) (Italien / Spanien 1969)
mit: Stephen Forsyth, Laura Betti, Dagmar Lassander, Jesùs Puente, Femi Benussi, Antonia Mas, Alan Collin, Gerard Tichy, Veronica Llimera, Fortunato Pascuale, Silvia Lienas, Monserrat Ribas, José Ignacio Abadaz u.a. | Drehbuch: Santiago Moncada, Mario Musy und Mario Bava | Regie: Mario Bava

John Harrington und seine vermögende Frau Mildred leben in Paris, wo ihre Firma einen guten Namen für exklusive Brautmoden hat. Ihr Anwesen bildet den perfekten Rahmen für das Geschäft mit der Sehnsucht nach ewiger Liebe und Verbundenheit und niemand ahnt, dass sich hinter der Fassade Abgründe auftun. John hat bereits mehrere seiner Kundinnen getötet und in seinem Ofen verbrannt, das Verhältnis zu seiner Frau ist hingegen schon lange abgekühlt. Mit jedem Mord kommt er dem Geheimnis seiner Kindheit näher, das er aufdecken muss, um seinen Seelenfrieden zu erlangen.....

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Die Eleganz der Bilder besticht in der gelungenen Symbiose mit Sante Maria Romitellis kraftvoller Musik und erlaubt es dem Film, sich an seiner eigenen Schönheit zu laben. Opulente Schauplätze, leuchtende Farben und großzügige Kamerafahrten unterstreichen den Wunsch nach Ästhetik, dem die männliche Hauptfigur mit seinen Gucci-Hemden und der Liebe zu edlen Rosen frönt. Schöne Menschen, die Mokassins aus butterweichem Leider, kühle Seidenblusen und verspielte Gürtel tragen, schreiten leichtfüßig durch ihre elegante Raffaello-Welt, in der der Sommer nie zu Ende geht. Dabei nährt sich unterbewusst die Gegenwart aus der Vergangenheit; treten Schuldgefühle und Zweifel wegen verblasster Erinnerungen zutage und bereitet die Asche der Opfer den Boden für üppiges Wachstum strahlender Flora. Offene Aussprachen bleiben aus, dafür übt man sich in Andeutungen und Beschuldigungen und verdrängt die Stunde der Wahrheit bis es zu spät ist. Die Morde als Zweck der Aufklärung ähneln einem Perpetuum mobile, das fast feierlich zelebriert wird. Skrupel kennt der Täter keine, achtet er doch als Narziss nur auf sein eigenes Seelenheil. Das Vorspiel gestaltet sich in immer gleicher Choreografie, wobei die Opfer der gefährlichen Spinne fast willenlos ins Netz gehen. Wie treffend sind hier die Worte von Raymond Durgnat, der über Bava-Vorbild Hitchcock sinnierte: "Nicht Brutalität an sich ist die Quintessenz des Horrorfilms, sondern erotische Brutalität." So wähnt sich die jeweilige Frau als Auserwählte des traurigen, einsamen Mannes und tanzt mit ihm ihren letzten Tanz. Die Fähigkeit, trotz der eindeutigen Tötungsabsichten Empathie auslösen zu können, sticht als bemerkenswertes Attribut hervor und hebt den Frauenmörder von den meisten seiner Kollegen ab. Durch die subjektive Kamera und die Offenheit gegenüber dem Publikum, kommt es bis zu einem gewissen Grad zur Identifikation mit der Hauptfigur. Als Herrscher in seinem kleinen, aber exquisiten Reich erhält er Zugeständnisse, die man einem weniger attraktiven Täter aus der Unterschicht nicht machen würde. Die Dekadenz der Reichen - so scheint der Film zu suggerieren - äußert sich in Schrullen, welche die Normalsterblichen nicht begreifen müssen. Faszinierend sind sie allemal. So wahrt selbst die Polizei einen vornehmen Abstand und belässt es zunächst bei Verhören, die im gemütlichen Plauderton geführt werden. Der Blick des Zuschauers schweift währenddessen genießerisch über getrimmte Rasenflächen, tastet glänzende Stoffe ab und sucht unruhig nach einem Pferdefuß, der den Hauptdarsteller zum Straucheln bringen könnte.

Stephen Forsyth gelingt es relativ rasch, eine Verbindung zum Zuschauer herzustellen. Durch die Anwesenheit von Laura Betti, die in der Rolle der strafenden, befehlenden Frau mehr Mutter als Ehefrau darstellt, wächst das Verständnis für seinen Wunsch nach Rückzug in sein eigenes Reich, das wie das verbotene Zimmer der Kindheit geheimnisvoll und verführerisch zugleich wirkt. Die Poesie, welche sich in diesen Szenen ausdrückt; die Zärtlichkeit, die John den Kleiderpuppen entgegenbringt und die Überladenheit der Räume lassen die Seele des Zusehers baumeln und zeigen, dass hier nicht einfach eine Geschichte erzählt wird, sondern dass sie die nötige Zeit erhält, sich zu entfalten. Die Ehe an sich erfährt kein gutes Zeugnis, sind doch mindestens zwei Bräute in spe nur halbherzig bei der Sache und nicht abgeneigt, sie bereits prämatrimonial mit ihrem Hochzeitsausstatter zu brechen. Der Individualismus wird in dieser Produktion zum höchsten Gut erhoben, wahre Freundschaft und Solidarität sucht man vergebens. Der Film wird als Kunstwerk inszeniert und entfernt sich bewusst von den aktionslastigen Reißern, die auf billige Effekte und einen schnellen Adrenalinkick beim Publikum setzen. Viel wichtiger als der Tötungsakt selbst, ist das langsame Abwickeln der Vorbereitungen und die Aufarbeitung nach der Tat. Dagmar Lassander als neues Mannequin bringt Eigenschaften mit, die den anderen Frauen bisher fehlten: Selbstbewusstsein, ein offenes Ohr, Mut und Beharrlichkeit. Im Gegensatz zur passiven Femi Benussi, die sich fast schlafwandlerisch durch die Kulissen bewegt, tritt Lassander sicher auf und lässt sich nicht völlig von Forsyth blenden. Die Idee, Laura Betti als Ehefrau gleich in mehrfacher Ausführung auftreten zu lassen, verdichtet die Spannung und verleiht der Handlung eine ungewöhnliche Note. Die Geisterelemente sind dezent genug, um nicht unglaubwürdig zu wirken und sorgen immer wieder für unerwartete Wendungen. Im Gegensatz dazu erahnt man die Hintergründe um das Kindheitserlebnis sehr bald und so gibt es am Ende nicht die große Enthüllung, sondern nur eine Bestätigung. Einen sehr guten Job erledigt Jesùs Puente als Kriminalbeamter, der kontinuierlich am Fall dranbleibt und sich eine Strategie ausgedacht hat, die letztendlich erfolgreich sein wird. Die wunden Punkte der Hauptfigur sind der Stoff, aus dem Tragödien gemacht werden und so fasziniert "Hatched for the Honeymoon" vor allem jene, die selbst zu Schwermut neigen. Die herrlichen Bilder, in denen der Film schwelgt, hallen noch lange nach. Ein Film wie ein Gedicht von Charles Baudelaire: verstörend, provokant und von einer morbiden Schönheit.

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Richie Pistilli
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Re: HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

Beitrag von Richie Pistilli »

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"Ich bin John Harrington, 30 Jahre alt und Paranoiker. Paranoiker, ein reizendes Wort, klingt so interlektuell. Tatsache ist, dass ich verrückt bin. Anfangs war ich darüber erschrocken und verärgert, aber mittlerweile amüsiert mich mein Zustand - und ich kann ausgezeichnet damit leben. Kein Mensch ahnt auch nur, dass ich verrückt und ein gefährlicher Mörder bin. Weder Mildret meine Frau, noch die Angestellten meines Modehauses. Und natürlich schon gar nicht unsere Kunden [...] Ich habe inzwischen fünf junge Frauen getötet. Drei von ihnen habe ich im Ofen unseres Treibhauses verbrannt. Carol, Mary, Margaret. Sie waren sehr nett, und sehr attraktiv. Ich habe nur ein Problem, ich kann nicht aufhören. Ich muss weiter töten, auch wenn ich es manchmal nicht gern tue. Aber immer wenn ich die Schritte höre, diese vorsichtigen, heimlichen Schritte, weiß ich, dass ich töten muss. Und ich werde so lange weiter töten, bis ich die Wahrheit kenne."


Ich kann mich noch ganz genau an meine allererste Sichtung von HATCHET FOR THE HONEYMOON erinnern, bei der es spätestens nach diesem köstlichen Eröffnungsmonolog bereits um mich geschehen war. Einfach nur herrlich! Stephen Forsyth verkörpert den traumatisierten John Harrington nicht nur äußerst bravourös, sondern wirkt in dieser Rolle auch perfekt besetzt. Monologisierende Psychopathen begeisterten mich 'in Filmen' irgendwie schon immer, wobei John Harrington noch zusätzlich einen mächtig an der Klatsche hat - und zwar in bester Bava-Manier!


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HATCHET FOR THE HONEYMOON zählt für mich zu den Top-Werken Mario Bavas, denn sowohl die Geschichte des edelmännischen Maniacs, der infolge eines heftigen Kindheitstraumas angehende Bräute meuchelt als auch die Cinematographie im Ganzen sind einfach nur traumhaft. Hinzu kam ein gutes Gespür bei der Auswahl seiner Schauspieler*innen, denn sämtliche der Rollen sind einfach nur perfekt besetzt. Dagmar Lassander wirkt in der Rolle des schlagfertigen Brautkleid-Modells durchweg bezaubernd, zumal HATCHET neben FEMINA RIDENS und FRAUEN BIS ZUM WAHNSINN GEQUÄLT zu den drei edelsten Filmen zählt, an denen sie während ihrer Schauspielkarriere mitwirkte. Ebenso überzeugend entpuppt sich die Darbietung von Laura Betti, die ihrem abgelegten Ehegelöbnis bis weit über den Tod hinaus unaufhörlich treu bleibt. Femi Benussi darf zwar wieder mal nur eine für sie typische Nebenrolle ausfüllen, wobei sie in dieser aber außergewöhnlich edel glänzt. Hinzu gesellen sich eine bildschöne Fotografie, eine erstklassige Filmmusik, Inspektor Colombo und eine verstörende Puppenstube - was will man mehr?


Fazit: Traumadramatisch gut!



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Prisma
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Re: HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

Beitrag von Prisma »

Richie Pistilli hat geschrieben:
Mo., 02.08.2021 21:11
Ich kann mich noch ganz genau an meine allererste Sichtung von HATCHET FOR THE HONEYMOON erinnern, bei der es spätestens nach diesem köstlichen Eröffnungsmonolog bereits um mich geschehen war.

Ich kann mich leider nur selten an Erstsichtungen und die dabei aufgekommene, eigene Stimmung erinnern, aber ich bin immer froh, wenn das noch ein bisschen präsent ist. Hauptsächlich bei Filmen, die vor Jahren lange gesucht waren, aber bei "Hatchet for the Honeymoon" kann ich mich auch noch gut erinnern, komischerweise hauptsächlich wegen Laura Betti. Lag wahrscheinlich an ihrer eigenwilligen Kreation und dem genüsslich aufgezogenen Kontrastprogramm. Wenn ich über Gialli nachdenke, fällt mir auf, dass ich kaum mehr Erinnerungen an erste Begegnungen habe, was vielleicht am damaligen, blitzschnellen Konsum lag.

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Richie Pistilli
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Re: HATCHET FOR THE HONEYMOON - Mario Bava

Beitrag von Richie Pistilli »

Die Schauspieler*innen gingen an mir in der ersten Runde gänzlich vorbei, da mich von Beginn an die betörende Atmosphäre, der ironische Off-Kommentar des wahnsinnigen Hauptprotagonisten, Bavas ironische Humorspitzen sowie die traumhafte Bildgestaltung in ihren Bann zogen. Mit den Darsteller*innen setzte ich mich dann erst in der zweiten Runde auseinander ;)

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