DAS HAUS MIT DEM DUNKLEN KELLER - Lamberto Bava

Schwarze Handschuhe, undurchsichtige Typen, verführerische Damen und stylische Kills.
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Percy Lister
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DAS HAUS MIT DEM DUNKLEN KELLER - Lamberto Bava

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"Das Haus mit dem dunklen Keller" (La casa con la scala nel buio) (Italien 1983)
mit: Andrea Occhipinti, Lara Naszinski, Anny Papa, Stanko Molnar, Valéria Cavalli, Michele Soavi, Fabiola Toledo, Giovanni Frezza, Marco Vivio u.a. | Drehbuch: Dardano Sacchetti und Elisa Briganti | Regie: Lamberto Bava

Der Komponist Bruno erhält von der Regisseurin Sandra den Auftrag, die Musik zu ihrem neuen Horrorfilm beizusteuern und mietet sich zu diesem Zweck ein ruhig gelegenes Haus. Bald bekommt er Besuch von seiner Nachbarin Katia, die ihr Tagebuch liegenlässt, in dem sie Andeutungen über ein furchtbares Geheimnis der Vormieterin Linda macht. Als Katia spurlos verschwindet und die betreffenden Textpassagen von einem Unbekannten aus dem Notizbuch herausgerissen werden, sucht ihre Freundin Angela nach ihr, doch sie ereilt das gleiche Schicksal wie Katia. Bruno schöpft aufgrund von Blutspuren im Garten und auf der Hintertreppe den Verdacht, dass beide Frauen Opfer eines Mordes geworden sind und vermutet die Ursache dafür in ihrer Bekanntschaft mit Linda....

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Wie Regisseur Lamberto Bava in einem Interview sagte, gefiel ihm der englische Titel "A Blade in the Dark" sogar besser als der italienische Originaltitel. Die Assoziationen, die das Publikum mit einem Haus mit einer im Dunkeln verborgenen Treppe verbindet, deuten mehr in Richtung Gothic-Thriller, dabei handelt es sich bei dem Schauplatz um eine helle, moderne Villa mit einem weitläufigen Kellerbereich, der durchaus als Wohnraum genutzt werden hätte können - keinerlei Spuren von Moder, Verwesung oder Unrat. Der Schrecken findet deshalb nicht in heruntergekommenen Kammern, die seit langem unbenutzt sind, statt, sondern wird durch einen unheimlichen Besucher ins Haus gebracht. Hierbei profitiert der Schauplatz besonders von seiner offenen Struktur, den ebenerdigen Zimmern, in die das Böse ohne Schwelle gleiten kann, ohne dabei gesehen zu werden. Einen Vorsprung gewinnt die Angst durch die Prätitelsequenz, in der das Unheil im Tiefgeschoss lauert, in einem dunklen Schlund, der das pausbäckige blonde Kind verschlingt. Mit diesen Vorzeichen im Hinterkopf wartet der Zuschauer auf die Fortsetzung und Klärung der nicht weiter erläuterten Bluttat. Die subjektive Kamera engt den Blickwinkel während der Ausführung der Taten ein und treibt die Angst der Opfer vor sich her, während die Ausweglosigkeit mit jedem neuen Mord zunimmt. Ursprünglich als TV-Film mit Werbeblöcken geplant, entschieden sich die Verantwortlichen dann doch dagegen, den blutigen Taten Einlass in die italienischen Wohnzimmer zu gewähren und Bava schnitt den Film für eine Kinoauswertung entsprechend um. Die ruhige Ahnungslosigkeit des Komponisten Bruno flankiert die kalte Struktur der Morde auf angenehme Weise, weil mit diesem Stilmittel betont wird, dass es in einem Giallo kein Entrinnen gibt. Die Regeln eines klassischen Kriminalfilms werden außer Kraft gesetzt und die Gewissheit einer Lösung im Sinne des Zuschauers kann nicht garantiert werden. Die Tradition des Giallos sieht vor, dass der (männliche) Protagonist meist ohne Polizei ermittelt und so obliegen die Nachforschungen Andrea Occhipinti, der seine Rolle mit bemerkenswerter Ruhe und Stringenz ausfüllt. Er lässt sich von den tätlichen Angriffen auf seine Arbeit und dem Verschwinden mehrerer Frauen nicht beirren und verfolgt eine Spur, von der er glaubt, dass sie die Hintergründe der Ereignisse ans Licht bringen wird. Lara Naszinski als seine Freundin sorgt durch ihre partielle Abwesenheit selbst für Ungereimtheiten und ist ihrem Partner keine Unterstützung.

Die mangelnde Solidarität und das Unverständnis zwischen den Liebenden macht aus ihnen ein Paar ohne besondere Merkmale; ein Paar, dem das Drehbuch deshalb den Schutz entzieht, der die Helden des Films üblicherweise vor Schaden bewahrt. Die Unfähigkeit, sich zu artikulieren, wird als potenzielle Gefahr gezeichnet. Die handelnden Personen reden aneinander vorbei, verschließen sich oder verschweigen wissentlich Wesentliches. So erhält das geheime Tagebuch des ersten Mordopfers eine gewichtige Rolle, bleibt jedoch in seinen Andeutungen vage, obwohl es doch ein Hüter der Wahrheit sein sollte und die Schreiberin bekennt, sich niemandem sonst anvertrauen zu können. Ebenso redet Bruno bei Giulia ins Leere, während sie ihm verschweigt, dass sie es mit ihrer Verpflichtung am Theater nicht so genau nimmt. Diese Verwässerung der zwischenmenschlichen Beziehungen bereitet den Boden für die rücksichtslosen Taten eines Einzelgängers, der das Vakuum ausnutzt, das sich in seiner Umgebung auftut. Einer Umgebung, in der er sich unauffällig durch den Alltag zu manövrieren versucht, wobei seine unverbindliche Freundlichkeit nur eine Maske ist, die seine wahren Gedanken verbirgt und ihm zu einem bürgerlichen Ansehen verhilft. Die Taten werden mit großer Geduld in einem kontinuierlichen Spannungsaufbau inszeniert, wobei die Einsamkeit des Schauplatzes bereits eine latente Bedrohung darstellt, weil sie mit dem Wissen um die Mordbereitschaft eines Unbekannten einhergeht. Der Zuschauer hält den Atem an, weil er weiß, dass die Zerstörungswut des Täters jederzeit losbrechen kann. Die verzweifelte Raserei des zweiten Mordes gipfelt in einigen harten Szenen, bei denen die Kamera hautnahe Zeugin der Vernichtung eines Menschenlebens wird und der Blutpegel dementsprechend in die Höhe steigt. Obwohl diese Momente den Film nicht dominieren, verleihen sie ihm ein nachhaltiges Gefühl der Unsicherheit und der Anspannung der Nerven. Als ausgleichend beruhigend erweist sich das harmonische Spiel von Andrea Occhipinti, der neben Anny Papa Sympathieträger des Giallos ist. In einer Umgebung der fortwährenden Bedrohung sind diese Charakterzüge nicht hoch genug einzuschätzen und verleihen dem Film einen positiven Fixpunkt. Durch die dezente Farbgebung und die eleganten Interieurs macht der mit bescheidenen Mitteln produzierte Streifen einen hochwertigen und fast zeitlosen Eindruck. Hochspannung in idyllischer Umgebung liefert Bavas Film in beeindruckenden Bildern und einer Geschichte, die dem Zuschauer Raum für Interpretationen lässt. Die zugrunde liegende Motivation des Täters spiegelt seelische Abgründe wider, die sich zur Gefahr für ihre Umgebung ausweiten und ihren Ursprung in der Vergangenheit finden, was ein beliebtes Sujet des Genres ist.

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