SENZA VIA D'USCITA - Piero Sciumè

Schwarze Handschuhe, undurchsichtige Typen, verführerische Damen und stylische Kills.
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3769
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

SENZA VIA D'USCITA - Piero Sciumè

Beitrag von Prisma »




Marisa Mell   Philippe Leroy   in

SENZA VIA D'USCITA


● SENZA VIA D'USCITA / LA MACHINATION / LAS FOTOS DE UNA MUJER DECENTE / NO WAY OUT (I|F|E|1970)
mit Roger Hanin, George Rigaud, Nando Tavella, Enzo Di Pietro, Vicente Roca und Lea Massari
eine Produktion der American Motion Pictures of Italy | Les Films de l'Epée | Órbita Films
ein Film von Piero Sciumè


Bild BildBild
BildBild Bild

»Mio bambino!«


Der Bankier Gilbert Mardeau geht wie üblich jeden Morgen zur Arbeit bis er dort einen Anruf von seiner Frau Michèle bekommt. Verzweifelt schildert sie ihm am Telefon, dass ihr gemeinsames Kind spurlos aus seinem Zimmer verschwunden ist, während sie kurz alleine die Wohnung verlassen hatte. Michèle wurde vom gegenüber liegenden Häuserblock heimlich beobachtet und fotografiert und wenig später bestätigt sich der Verdacht mit einem Anruf: Eine hohe Lösegeld-Forderung geht ein, doch was sollen die Eltern nur unternehmen. Eine nahe liegende Lösung scheint in Gilberts Beruf zu liegen, da er in der Bank an größere Summen herankommen könnte. Wird er in dieser außerordentlichen Lage selbst zum Verbrecher werden? In dieser ohnehin schon ausweglos erscheinenden Situation tauchen jedenfalls weitere Komplikationen und Wendungen auf, mit denen niemand gerechnet hätte. Kann eine Katastrophe verhindert werdern..?

Dieser, von Marisa Mells damaligem Lebensgefährten Pierluigi Torri produzierten Film von Piero Sciumè wird gleich zu Beginn von einer eigenartig kalten und bedrückenden Atmosphäre dominiert. Gekonnt wird das öffentliche Leben in aussagekräftigen Bildern eingefangen und hinter den Kulissen einer modernen Stadtwohnung leben Michèle und Gilbert Mardeau mit ihrem kleinen Sohn. Das Verhältnis des Ehepaares erscheint vom ersten Moment an angespannt und irgendwie leer zu sein, man hat sich nicht sehr viel zu sagen und es herrscht eine hohe Distanz zwischen den beiden. Der Alltag erfährt eine beinahe mechanische Schilderung, dem die hübsche Frau durch Träumen und Abwesenheit zu entkommen zu versucht. So bringt die Regie den Zuschauer unmittelbar in die Geschichte ein und der Aufbau gestaltet sich bereits nach kurzer Spielzeit als sehr exemplarisch und gut aufgebaut. Der Banker verlässt das Haus und erledigt seine tägliche Pflicht auf der Arbeit und bei seiner Geliebten, seine Frau wird vom gegenüberliegenden Dach eines Hauses observiert und fotografiert, und dabei lässt es sich die Regie nicht nehmen, Marisa Mells schönes Gesicht und ihren makellosen Körper in Strecken von Nacktszenen, Groß- und Nahaufnahmen einzufangen. Bei aller anfänglich empfundenen Ruhe und Unempfindlichkeit bahnt sich angesichts der angedeuteten Dreieckskonstellation ein Clash an, die wenigen Informationen für den Zuschauer werden durch die Gegenwart und später Rückblenden erweitert. Man erwartet also förmlich eine Reise durch die Psyche der Protagonisten und deren heimliche Abgründe, außerdem erweist sich das Thema Kindesentführung ohnehin immer als greifendes Stilmittel, um den Zuschauer nachhaltig zu schockieren und die Beteiligten der Geschichte an ihre Grenzen zu bringen.

Etliche Filme dieser Zeit hatten es sich quasi zur vornehmsten Aufgabe gemacht, insbesondere ihre Hauptdarstellerinnen mit sehr interessanten bis bedeutenden Rollen auszustatten und sie in allen Belangen zu hofieren. Marisa Mell war zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, außerdem im Frühling ihrer Schönheit angekommen, so dass es nur vollkommen logisch erscheint, dass Regie, Drehbuch und Kamera alles daran setzten, ihre Hauptdarstellerin so exponiert als möglich in Erscheinung treten zu lassen. Und es ist ganz offensichtlich, Marisa Mell strahlt hier eine ganz besonders anziehende Note aus, vor allem wurde auch Wert auf wesentlich mehr Tiefgang im Rahmen ihres darzustellenden Charakters gelegt. Selten hat man eine so verträumte und nachdenkliche Rolle von ihr gesehen und ihre Präsenz dominiert den kompletten Verlauf in traumwandlerischer Art und Weise. Auch stand sie hier für reihenweise erotische Einstellungen zur Verfügung, die im Sinne des Films eine hohe Ästhetik fordern. Das Szenario lässt sehr lange offen, bei welcher Person es sich um eine Schlüsselfigur handeln dürfte, so dass dem Verlauf eine eigenartig nervenaufreibend-subtile Spannung zu Teil wird. Mit Philippe Leroy sieht man einen absolut geeigneten Partner für Marisa Mell. Der überaus gerne gesehene, und stets präzise wirkende Franzose trägt den Film ebenso stark wie seine Kollegin aus Österreich und das erstaunliche ist, dass er sich hier kaum zu einer erwarteten Gefühlsregung hinreißen lässt. Gilbert ist eigentlich noch schwerer zu durchschauen als seine schöne Frau und auch hier erahnt man nur, dass irgend etwas erwartet-unerwartetes kommen muss. Dieses Gefühl wird von einer undurchsichtig auftretenden, aber vergleichsweise vernachlässigten Lea Massari ebenfalls unterstützt und auch wenn alle Rollen denen der beiden Hauptdarsteller unnachgiebig untergeordnet sind, die restlichen Leistungen der patenten Darsteller sind als sehr stichhaltig zu bezeichnen.

Ein weiteres großes Plus dieses hoch ansprechenden Films sind die verschiedenen Allianzen, die intern eingegangen werden, um extern für Überraschungen und eventuell Begeisterung zu sorgen. In diesem Zusammenhang wäre das perfekte Spiel zwischen Bildern und der traumhaften Musik von Piero Piccioni zu nennen, die sich dafür zuständig sieht, nicht geschilderte Emotionen aufzuzeigen um Stimmungen richtiggehend zu projizieren oder zu diktieren. Ebenso das Wechselspiel zwischen Alltag, Träumen und Erinnerungen wirken sehr elegant und wenig verschachtelt, Rückblenden bahnen einen immer verständlicher werdenden Weg zum sehr gelungenen Finale, in dem der eher ruhige Verlauf es sich nicht nehmen lässt, aus sich herauszukommen. Piero Sciumè lieferte mit "Senza via d'uscita" einen sehr unterhaltsamen Krimi- oder Psycho-Thriller, in dem man allerdings immer wieder Giallo-Elemente in sehr gebündelter Form aufspüren kann. Eine eindeutige Genre-Klassifizierung ist wie in so vielen Fällen daher nicht gerade einfach, spielt aber auch nicht die entscheidende Rolle. Interessant ist, dass man hier fast vollkommen auf größere Effekte verzichtete und das Hauptaugenmerk vollkommen auf die beiden Hauptpersonen gerichtet sieht, was letztlich durch die besonders dichten Darstellungen auch ohne Weiteres funktioniert. Regie und Drehbuch wirken angenehm pragmatisch, um in bedeutenden Momenten ein verwirrendes, beziehungsweise geheimnisvolles Element deutlich hervorheben zu können. Es entsteht keine Hektik und somit auch kein Raum für unangebrachte hysterische Anwandlungen, interessanterweise sprechen in diesem Verlauf eher die Bilder, so dass die Dialog-Passagen insgesamt sehr gestrafft wirken. "Senza via d'uscita" ist leider ein ziemlich unbekannter Film geblieben, vielleicht auch weil er eine eher konventionelle Basis bediente. Von handwerklicher Seite gibt es jedoch absolut nichts auszusetzen und obendrein wird der Oberflächlichkeit eine deutliche Absage erteilt. Eine kleine Perle!

Antworten