DIARY OF AN EROTIC MURDERESS - Manuel Mur Oti

Schwarze Handschuhe, undurchsichtige Typen, verführerische Damen und stylische Kills.
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Prisma
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DIARY OF AN EROTIC MURDERESS - Manuel Mur Oti

Beitrag von Prisma »




Marisa Mell

DIARY OF AN EROTIC MURDERESS


● LA ENCADENADA / PERVERSIONE / DIARY OF AN EROTIC MURDERESS (E|I|1973)
mit Richard Conte, Anthony Steffen, Lili Muráti, Richard Baron, Carla Calò und Juan Ribó
eine Produktion der Metheus Film | Emaus Films S.A.
ein Film von Manuel Mur Oti

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»Does one have to be old and ugly to work for you?«


Der Millionär Alexander (Richard Conte) ist besorgt um seinen Sohn Marc (Juan Ribó). Der junge Mann leidet seit dem Tod seiner Mutter an einer psycho-affektiven Störung und spricht seit diesem Zeitpunkt kein Wort mehr. Außerdem fällt er durch introvertiertes, sonderbar manisches und aggressives Verhalten auf. Er terrorisiert die Menschen aus seinem Umfeld, sodass bislang noch jede "Gouvernante" das Weite gesucht hat. Als professionelle Hilfe engagiert der Industrielle schließlich die attraktive Psychologin Gina (Marisa Mell), die Mark betreuen und ihn in die Normalität zurückführen soll. Schnell gewinnt sie das Vertrauen ihres Klienten und auch die Zuneigung ihres Arbeitgebers. Doch die schöne Frau hat eine bewegte Vergangenheit. Schon bald findet Alexander heraus, dass er sich mit Gina eine gewöhnliche Kriminelle in sein Anwesen geholt hat, die es nur auf die Kunstschätze im benachbarten Kloster abgesehen hat. Außerdem ist sie auf der Flucht vor ihrem gewaltbereiten Ehemann Richard (Antony Steffen). Im Haus findet Gina das Tagebuch von Marcs verstorbener Mutter, das sie gründlich studiert und welches die Lösung für alle ihre Probleme beinhalten würde...

Bei Manuel Mur Otis "La encadenada" handelt es sich um einen leider Vergessenheit geratenen Spielfilm, der seinerzeit einige Jahre auf eine Kino-Auswertung warten musste. Die Zuordnung in eine bestimmte Schublade fällt bei den vielen unterschiedlichen Plot-Fragmenten oft schwer, da sich hier viele Elemente überschneiden, aber nicht uninteressant miteinander vermischen. Aufgrund typischer Charakteristika ist er schließlich vordergründig dem Giallo-Genre zuzuordnen, und genauso gut könnte die Produktion als Psycho-Drama oder Thriller klassifiziert werden, denn es ist von allem etwas zu finden, wenn auch vielleicht nicht in letzter Konsequenz. Der Film verfügt phasenweise über ein behäbiges Erzähl-Tempo und setzt betont auf vollkommen andere Pferde als Spannung oder Action, sodass empfundene Längen aufkommen können. Falls man sich von dieser Strategie nicht allzu sehr beirren lässt, kann sich eine faszinierende Abwärtsspirale entfalten, die vor allem die Psyche der beteiligten Personen mit einem Seziermesser zu bearbeiten versucht. Für Fans von Marisa Mell bleibt ohne jeden Zweifel einer ihrer schönsten Filme zurück, da die Österreicherin das nebulöse Szenario nahezu ausschließlich beherrscht und in außergewöhnlicher Manier prägt und veredelt. "La encadenada" könnte vielleicht als modernes Märchen bezeichnet werden, in welchem traumhafte Bilder gezeigt werden, die durchgehend mit der wunderschönen Musik von Carlo Savina verschmelzen. Obwohl der Aufbau der Geschichte mehr als klar auf der Hand liegt, baut sich ein überaus diffuses, wenn nicht sogar unbestimmtes Element auf, das für eine ganz besondere Art der magischen Spannung sorgt.

Vielleicht gibt es kaum einen Film dieser Zeit, den Marisa Mell so hemmungslos dominiert und in dem ihre Aura derartig bestechend ist. Es wirkt manchmal so, als habe man den kompletten Film ausschließlich um sie herum konstruiert, für sie alleine geschaffen, da ihr von Α bis Ω alles vollkommen untergeordnet wirkt. So widmet sich die Kamera vornehmlich den wichtigen Aufgaben: Liebeserklärungen in Form von exzessiven Großaufnahmen. Selten hat man Marisa Mell so schön, verzaubernd und geheimnisvoll gesehen wie hier. Innerhalb der Geschichte, die visuell und akustisch gesehen oftmals wie eine nicht zu ordnende Illusion erscheint, wirkt ihr Schauspiel beinahe vertiginös, außerdem zeigt sie erfreuliche Kostproben ihres Temperaments und letztlich wird durch diese Leistung ein Brillantschliff charakterisiert. Gina transportiert Tiefe, ohne dabei einen Kraftakt hinlegen zu müssen. Dennoch sieht es so aus, als liefe ihr die Zeit davon, als fühle sie sich von einem Unbekannten bedroht, obwohl sie augenscheinlich selbst die Bedrohung im Gesamtgeschehen darstellt. Die Herren der Schöpfung liefern sehr patent wirkende Leistungen ab. Richard Conte, der den lieblosen Vater und rücksichtslosen Millionär sehr präzise darstellt, Anthony Steffen, der Elisabeth erpresst, demütigt oder auch misshandelt, oder auch Juan Ribó, der den verstummten und triebigen Beobachter, der überall zu sein scheint, recht intensiv allerdings auch klischeebehaftet darstellt. "La encadenada" kommt beinahe vollkommen ohne handelsübliche Effekte aus. Man bekommt kaum nackte Haut geboten, keinen einzigen Tropfen Blut, und das Ganze wirkt manchmal beinahe zu wirklich, um real sein zu können, da die meisten Personen einen Transfer zur Realität bahnen, aber in dieser Fasson eigentlich nicht existieren dürften.

Es braucht seine Zeit, bis der Film in Fahrt kommt, wobei dies nicht gleichzeitig heißt, dass Langeweile oder Leerlauf aufkommt, denn dafür ist die Inszenierung zu elegant, hochwertig und besitzt die Fähigkeit, mit ihren wenigen aber gezielten Mitteln zu fesseln. Ein paar nette Twists sorgen für Aufsehen und wehren sich so gegen eine empfundene Vorhersehbarkeit, offerieren hin und wieder sogar einen diskreten doppelten Boden. Bei allen Vorzügen und eventuellen Nachteilen kommt es unter der Regie von Mur Oti zwangsläufig zu einem irritierenden und verwirrenden Gesamteindruck, da es nicht ausgeschlossen ist, dass sich die mangelnde Entscheidungsfindung des Films 1:1 auf den Zuschauer überträgt. So abgedroschen es klingen mag, aber aus diesem Material hätte unter Umständen ein gnadenloser Volltreffer werden können. Die Koryphäe der verzaubernden Klänge, Carlo Savina, steuert seine Musikthemen bei, die den höchsten künstlerischen Anspruch vermitteln. Wunderbare, träumerische Klavierklänge untermalen das Szenario und bleiben lange im Gedächtnis, sodass insbesondere das Titel-Thema wie dazu erschaffen scheint, die Erinnerung auch Tage nach der Ansicht zu dominieren. Des Weiteren ist das Ambiente gut durchdacht und die verschiedenen Sets wirken sehr stilvoll hergerichtet, stellenweise kommt eine sehr dichte Atmosphäre auf, und viele denkwürdige Szenen wecken das Interesse des geneigten Publikums. So entfaltet sich langsam aber sicher ein Netz aus Begierde, Berechnung, Erpressung, Mord und einigen Katastrophen, die merkwürdig reizvoll erscheinen werden, bis das Szenario in einem Alptraum gipfelt. Auf seine eigene Art und Weise ist dieser Beitrag überaus faszinierend ausgefallen.

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