ICH BIN WIE ICH BIN - DAS MÄDCHEN AUS DER CARNABY STREET - Tinto Brass

Schwarze Handschuhe, undurchsichtige Typen, verführerische Damen und stylische Kills.
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Richie Pistilli
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ICH BIN WIE ICH BIN - DAS MÄDCHEN AUS DER CARNABY STREET - Tinto Brass

Beitrag von Richie Pistilli »

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IT / F 1967

R: Tinto Brass
D: Jean-Louis Trintignant, Ewa Aulin, Roberto Bisacco, Charles Kohler, Luigi Bellini, Monique Scoazec u.a.



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Deutsche Erstaufführung: 05.01.1968

Filmportal

Schnittbericht

Synchronkartei

Score: Armando Trovaioli

Italo-Cinema.de

OFDb




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"Mein Name: Jane Burroughs, Alter: 17 Jahre, Staatsangehörigkeit: Englisch, Eltern: Tod, Größe: 167 ½, Haare: Blond, Augen: Blau, besondere Kennzeichen: keine!"


Nachdem der französische Schauspieler Bernard (Jean-Louis Trintignant) den ermordeten Clubbesitzer Prescott eines Abends in den Privaträumen dessen Londoner Beatschuppens vorfand, taucht plötzlich die unter Schock stehende Jane Burroughs (Ewa Aulin) vor ihm auf. Jane beteuert ihm gegenüber zutiefst ihre Unschuld, da sie ihrer Aussage nach den Clubbesitzer beim Betreten des Büros bereits ermordet vorfand und daraufhin in die Schockstarre verfallen sei. Verzückt von der blonden Schönheit verhilft Bernard er dieser zur Flucht vor der nahenden Gesetzesmacht, indem er Jane zunächst in seinen vier Wänden einquartiert. Als Bernard nach einer heißen Nacht am nächsten Morgen alleine in seinem Bett aufwacht, wird ihm schlagartig bewußt, dass er der 17 jährigen Verführung bereits mit Haut und Haar verfallen ist. Was folgt, ist eine erneute Verabredung per Telefon. Doch auf dem Weg zum verabredeten Treffpunkt muss Bernard zu seinem Schrecken feststellen, dass die in der Tageszeitung abgedruckte Beschreibung des Täters im Detail mit seiner Person übereinstimmt, womit er sich ab diesem Moment auch einen festen Platz auf der polzeilichen Verdächtigtenliste eingeheimst hat. Von Jane erfährt er im Anschluss, dass der ermordete Clubbesitzer ihren kürzlich bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Vater zuvor mit verfänglichen Bildern ihrer Stiefmutter Martha Burroughs (Vira Silenti) erpresste , woraufhin er sich infolge der neuen Faktenlage auf die Suche nach dem kompromittierenden Bildmaterial begibt.


Im weiteren Verlauf gerät der Bernard in weitere brenzlige Situationen, wobei es nicht nur zu handfesten Auseinandersetzungen mit unbekannten Kriminellen kommt, sondern er auch die schmerzhaften Strapazen einer nicht gerade alltäglichen Wimper-Zupf-Folter über sich ergehen lassen muss. Als dann auch noch die hübsche Jane vor seinen Augen auf offener Straße entführt wird, ist für Bernard Polen offen. Wo ist Bernard hier bloß hineingeraten?



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Regisseur Tinto brass schuf mit ICH BIN WIE ICH BIN einen äußerst ausgemachten Genrevertreter, für dessen Inszenierung er sich augenscheinlich von Michelangelo Antonionis BLOW UP inspirieren ließ, den er während des Handlungsverlaufs sogar mehrfach zitiert. Brass war damals kurz zuvor nach London übergesiedelt, als ihm das Filmstudio 'Panda Cinematografica' das lukrative Angebot unterbreitete, einen pulpigen Kriminalfilm zu inszenieren. Das Drehbuch stammte von Sergio Donati und beruhte auf der obskuren Giallo-Geschichte IL SEPOLCRO DI CARTA, die in Italien im Rahmen der gelben Romanheftreihe erschien. Obwohl die Geschichte nicht unbedingt dem bisherigen Stil von Brass entsprach, sagte dieser dennoch zu, da er die Hoffnung hegte, dem Genre etwas komplett Neues hinzuzufügen. Nachdem er den berühmten Filmmusikproduzenten Armando Trovajoli für sich gewinnen konnte, folgte kurz darauf das erste Treffen mit Jean-Louis Trintignant, der bereits im Vorfeld Interesse an der Mitwirkung eines Tinto Brass-Filmes signalisierte. Weiterhin engagierte Brass den berühmten Comiczeichner Guido Crepax zur Mitarbeit an dem Film, der kurz zuvor mit weinem bahnbrechenden Comic VALENTINA Berühmtheit erlangte. Etwas problematischer gestaltete sich die suche nach einem geeigneten Kamermann, da sein bisheriger Stammfotograf Bruno Barcarol kurz vor Drehbeginn verstarb. Nach einer etwas längeren Suche entschied er sich letzten Endes für den Kameramann Silvano Ippoliti, was angesichts des bemerkenswerten Endrusaltats eine sehr gute Wahl war. Jetzt fehlte ihm noch eine geeignete Darstellerin für die weibliche Hauptrolle, woraufhin er infolge eines heißen Tipps die damals gerade erst 17-jährige Ewa Aulin auserkor, die sich kurz zur als 'Miss Teen Sweden' einen Namen gemacht hatte. Eine absolut perfekte Wahl, wie sich im weiteren Verlauf der Dreharbeiten herausstellen sollte. Diese begannen am 27.03.1967 und endeten vermutlich Anfang Mai. Gedreht wurde ausschließlich in London. Es ist außerdem zu vermuten, dass der Film ursprünglich in englischer Sprache gedreht werden sollte, letztendlich aber die italienische als Originalfassung angesehen wurde.


Wer bei ICH BIN WIE ICH BIN einen astreinen Giallo erwartet, der wird wohl bitterlich enttäuscht werden, denn die Inszenierung entpuppt sich vielmehr als eine vom Film Noir inspirierte Kriminalgeschichte, die mit Stilistiken aus der Pop-Art-Szene angereichert wurde. Rasende Alfas, Klappmesser, J&B und schwarze Handschuhe sucht man hier vergebens. Neben dem Einsatz einer äußerst innovativen Kameratechnik sind es vor allem solche Stilmittel wie beispielsweise Split-Screen-Aufnahmen oder ständige Farbwechsel, bei denen aus einer knallbunten Farbenwelt abrupt Schwarz-Weiß-Landschaften werden. Hinzu gesellen sich eine experimentelle Schnitttechnik sowie zahlreiche Pop-Art-Zitate, die von den Beatles, über Alfred E. Neumann, Roy Lichtenstein, Blow Up, Batman bis hin zu Pepsi-Cola reichen. Etwas Erstaunen ließ mich die Szene in der Wohnung des ermordeten Clubbesitzers, da in dieser eine gebügelte Nazi-Uniform direkt neben einem anarchischen MAD-Poster fein säuberlich ausgestellt wird. Was die Handlung angeht, so entpuppt sich diese stellenweise als recht konfus. Kein Wunder, denn scheinbar schnitt Tinto Brass den Film während des Drehs mehrfach um. Ein Grund für das ständige Verändern sollen seine Bedenken gewesen sein, dass die ursprüngliche Schnittfassung das Publikum womöglich überfordert hätte. Als Folge entfernte er sämtliche erklärende Hintergründe, da diese seiner Meinung nach von der zentralen Beziehungsgeschichte zwischen Bernard und Jane ablenkten, die er als das eigentliche Kernstück seines Films ansah. Zumindest scheint in der ständigen Veränderung des Films ein Grund zu liegen, warum die Handlung stellenweise schwer nachvollziehbar scheint.




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Jean-Louis Trintignant wirkt inmitten dieser filmischen Bizarrerie auf den ersten Blick etwas hilflos und verloren, zeigt dann aber bei genauerem Hinsehen eine mehr als souveräne Schauspielleistung, denn er verkörpert den Hauptprotagonisten Bernard unter vollem Einsatz seines schauspielerischen Könnens. Dabei bleibt unklar, warum er sich als französischer Schauspieler überhaupt so tief in einen Mordfall hängt, mit dem er absolut nichts am Hut hat. Handelt es sich bei ihm um einen besorgten Bürger, der aus bloßer Langeweile heraus einen Mord aufklären möchte, oder handelt es sich bei ihm um einen einfachen Trottel, der beim Anblick der bildhübschen Jane seinen Verstand verlor? Zumindest wirkt er den gesamten Handlungsverlauf über von seinem Vorsatz getrieben, die wahren Hintergründe am Mord des Clubbesitzers aufzuklären. Letztendlich bleiben sowohl die Lebenshintergründe seines Rollencharakters als auch der eigentliche Grund für sein Intervenieren im Dunkeln, was aber der Klasse seiner Darbietung keinen Abbruch tut. Sogar in humorvollen Szenen, in denen er beispielsweise einen wildgewordenen Tarzan mimt, der beim Anblick einer sich gerade entblößenden Jane den Urschrei ausstößt, bevor er sich voller Elan an einer Studioliane zu ihr rüberhangelt.



"Wassertropfen auf dem Körper einer Frau, sind wie Tau auf den Blättern einer Rose."

An seiner Seite spielt die bezaubernde Ewa Aulin eine ihrer denkwürdigsten Rollen, denn als reizende Jane wird sie wohl für alle Zeit in meinem Gedächtnis heften bleiben. Dabei bleibt auch bei ihrem Rollencharakter zunächst unklar, ob es sich bei diesem um eine Unschuld vom Land oder um ein ausgekochtes Luder handelt, das mit allen Wassern gewaschen ist. Zumindest gelingt es ihr im Handumdrehen den Kopf des französischen Schauspielers Bernard zu verdrehen, so dass dieser fortan nach ihrer Pfeife tanzt. Die quirlige Schwedin spielt ihre Rolle nicht nur voller Bravour, sondern wirkt in ihrem dargebotenen Schauspiel allgemein sehr souverän. Es scheint so, als wäre ihr die Rolle der Jane sprichwörtlich auf den Leib geschrieben geworden - was für ein zauberhafter Vamp!


Wie bereits geschrieben, stammt die Filmmusik aus der Feder Armando Trovajoli , die sich aus loungigen Jazzkompositionen und Modsounds zusammensetzt. Eine perfekte musikalische Untermalung für das verwendete Szenario des Swinging London der 60er. Die deutsche Kinofassung wurde zwar um knapp 15 Minuten an Handlungsszenen gekürzt, beinhaltet dafür aber eine erstklassige Synchro. Zudem wirken in dieser die Schwaz-Weiß-Szenen eher bräunlich, so dass der Effekt dieses eingesetzten Stilmittels in der deutschen Fassung nicht so ganz zur Geltung kommt, wie es eigentlich von Tinto Brass angedacht war. Es wäre ein Traum, wenn dieser außerordentliche Genrevertreter auch endlich mal in unseren Breitengraden veröffentlicht würde - und zwar mit gedubbter Originalfassung als auch der deutschen Kinofassung an Bord.


Fazit: Außergewöhnlich, bizarr, bombastisch!



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Trailer:






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Tafeln aus dem von Guido Crepax entworfenen Storyboard zu “Ich bin wie ich bin.”
Quelle



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(Überarbeiteter Beitrag aus dem alten Forum: 05.02.2015)
Zuletzt geändert von Richie Pistilli am Mo., 05.04.2021 11:22, insgesamt 1-mal geändert.

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Richie Pistilli
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Re: ICH BIN WIE ICH BIN - DAS MÄDCHEN AUS DER CARNABY STREET - Tinto Brass

Beitrag von Richie Pistilli »

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Habe gerade den Ordner mit den Screenshots der TV-Ausstrahlung wiedergefunden, in dem sich dann auch so einige Schnappschüsse der reizenden Ewa Aulin befanden. Seltsamerweise wurde der deutschen TV-Ausstrahlung in manchen Szenen eine etwas andere Farbgebung verliehen, denn was in der italienischen Originalfassung in sauberem Schwarz-Weiß gezeigt wird, sieht in der deutschen Fassung entweder eher bräunlich aus oder wurde im Rahmen des gezeigten Fotoshootings gelblich und grünlich eingefärbt. Das Ganze kann entsprechend im folgenden Bildvergleich ersehen werden. Doch zunächst einmal, die bezaubernde Jane Burroughs:



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Grober Bildvergleich zwischen der italienischen Originalfassung und der deutschen TV-Fassung:


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Titeltrack:

Zuletzt geändert von Richie Pistilli am Mo., 05.04.2021 11:22, insgesamt 1-mal geändert.

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Sid Vicious
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Re: ICH BIN WIE ICH BIN - DAS MÄDCHEN AUS DER CARNABY STREET - Tinto Brass

Beitrag von Sid Vicious »

Der Film ist ganz toll. Er offeriert abgefahrene visuelle Ideen und einen sehr extravaganten Ablauf. Ewa Aulin sieht klasse aus und Trintignant ist wie immer großartig.
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hockeymask86
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Re: ICH BIN WIE ICH BIN - DAS MÄDCHEN AUS DER CARNABY STREET - Tinto Brass

Beitrag von hockeymask86 »

Äußerst ungewöhnlich inszenierter Vertreter seiner Zunft. Aber sehr unterhaltsam.Hier ist eine VÖ längst überfällig.

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