DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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Prisma
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EROTIK IM BERUF - WAS JEDER PERSONALCHEF GERN VERSCHWEIGT


● EROTIK IM BERUF - WAS JEDER PERSONALCHEF GERN VERSCHWEIGT (D|1971)
mit Karin Field, Reinhard Glemnitz, Emely Reuer, Christian Engelmann, Peter Raschner, Astrid Boner, Werner Abrolat, Josef Fröhlich,
Heidi Hansen, Claudia Butenuth, Eva Berthold, Renate Kasché, Walter Feuchtenberg, Margot Mahler und als Gast Günther Ungeheurer
eine Wolf C. Hartwig Produktion der Rapid Film | im Constantin Filmverleih
ein Film von Ernst Hofbauer

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»Bittschön, Herr Staatsanwalt, wie heißt denn Ficken auf Hochdeutsch?«


Hinter diesen Fassaden stehen Tag für Tag Menschen im Beruf. Männer. Frauen. Sie sind in ihrer Arbeit aufeinander angewiesen, als Kollegen, als Vorgesetzte und Untergebene, als Ausbilder und Lehrlinge. Gesetzesparagraphen, Betriebsvorschriften regeln dieses Verhältnis. Aber Menschen sind keine Maschinen, deren Funktion man nach einer Betriebsanleitung bestimmen kann. Störungen, Komplikationen treten auf, besonders dann, wenn Männer und Frauen zusammen arbeiten. Die längste Zeit des Tages sind sie fern von ihren Familien, fern von ihrem Ehepartner, den sie erst nach Dienstschluss wiedersehen. Nur der Berufspartner, die Berufspartnerin ist da. Bei gemeinsamer Arbeit bei ständigem täglichem Beisammensein entstehen erotische Bindungen am Arbeitsplatz, die vielfältige Probleme aufwerfen. Dieser Report wird die Probleme schonungslos aufzeigen, ohne zu richten. Probleme, mit denen jeder Berufstätige konfrontiert wird, Probleme, die man am liebsten mit falscher Scham verschweigt.

Diese einführenden Worte weisen auf den bevorstehenden Verlauf hin, bei dem sich zeigen wird, wie ernst dieser Report genommen wird. Im Zuge der Aufklärungs- und Reportwelle wurde dem Empfinden nach nahezu jeder relevante und irrelevante Lebensbereich ins Visier der jeweiligen Geschichten genommen und filmisch aufgearbeitet - nachweislich nicht ohne Erfolg. Ernst Hofbauers "Erotik im Beruf - Was der Personalchef gern verschweigt" zeigt sich im teildokumentarischen Stil, verfügt dabei über Befragungen durch Journalisten an den Orten des angeblichen Geschehens oder beispielsweise in der Fußgängerzone, um einen völlig ungezwungenen und spontanen Eindruck zu vermitteln, der die Zuschauer irgendwie packen soll. Abwechslung kommt bei den konkreten Berichterstattungen auf, in denen die teils bekannten Schauspieler gefragt sind. Unter Hofbauer entwickelt sich hier die eigenartige Strategie, nicht zu viel Realität aufkommen zu lassen, was immer wieder durch explizite Bilder ins Wanken kommt, und durch bekannte Gesichter der (bayrischen) Komödie ausgehebelt wir. Manchmal kommt man sich daher vor wie in einem handelsüblichen Lustspiel, da die humorigen Einlagen überwiegen. Das alles ist und bleibt nicht vollkommen uninteressant, da es sich um einen Vertreter handelt, der ungewöhnlich stark besetzt ist, um nebenbei Akzente mit den verschiedenen Storys zu setzen. Chefs vernaschen ihre Lehrmädchen, Chefinnen ihre jungen Angestellten, und es schwingt nicht nur der Hauch des Verbotenen mit, sondern auch Versatzstücke der Tragödie, was für einen gewissen Drive und eine besondere Art der Anspannung sorgt, da man in ausgewählten Szenen nur darauf zu warten braucht, bis die Heimlichtuereien auffliegen. Miese Erpresser treiben ihr Unwesen, gelangweilte Ehemänner ebenso, aber auch unschuldige und völlig frustrierte Frauen, die sich gegeneinander ausspielen. Die vollmundige Ankündigung dieses Report-Streifens, alles schonungslos aufzudecken, geht in den gestelzt wirkenden Situationen oftmals nicht komplett auf. Somit punktet der Film in den Segmenten, in denen die Schauspieler ihre Rollen zu spielen haben, da man hier mehr Greifbares angeboten bekommt, und sei es nur die nackte Haut.

Männer hängen sich zeitaufwändig in die Arbeit, um ihre langweiligen Ehen zu vergessen, werden dann von den weiblichen Untergebenen nahezu zum Sex genötigt, und niemand hat das alles am Ende so gewollt. Es wimmelt von durchtriebenem Kalkül und fadenscheinigen Entschuldigungen, warum Triebe Oberhand gewinnen konnten, aber es spielt eigentlich keine Rolle, da man die Gesetze der Betriebe nicht unter die Lupe nimmt. Einzelne Schicksale rücken das Geschehen oftmals an den Rand einer Kriminalgeschichte, bis es wieder um »sexuelle Allesverwerter« geht. Die Dialogarbeit ist auffällig umgangssprachlich und amüsant ausgefallen, was zu dem unterm Strich immensen Spaßfaktor beiträgt, wenn man sich auf kein Hin und Her lamentieren bezüglich des angekündigten Filmtitels einlässt, der unterm Strich uneindeutig bleibt. Interpreten wie Reinhard Glemnitz, Günther Ungeheuer, Emely Reuer oder Karin Field sorgen in ihren kurzen Intervallen für eine dichte Atmosphäre und stemmen sich gegen auftauchende Klischees, um sie teilweise auch hemmungslos zu befeuern - ganz im guten Ton des Geschehens, denn ansonsten würde man in den sachlich angestrichenen Sequenzen einschlafen, da man selbst nicht an Aufklärungsmythen interessiert ist. Am besten fährt man vielleicht, wenn man dieses Kind seiner Zeit unvoreingenommen betrachtet, denn es kommt sehr viel Zeitkolorit zustande, das einerseits authentisch und verlockend, andererseits unfreiwillig komisch aufgearbeitet wirkt. "Erotik im Beruf - Was der Personalchef gern verschweigt" stellt zahlreiche Personen an den Pranger, jedoch nicht in einseitiger Art und Weise. Vielmehr sieht man einen Jahrmarkt der Klischees, die unter Ernst Hofbauer zum Florieren befugt sind, was jedem Zuschauer auch genügen sollte. Tatsächlich braucht man heute wie damals einen Anstoß für dieses vergleichsweise unterhaltsamere Report-Vehikel, der im aktuellen Fall Karin Field heißt, deren Segment im kompletten Film sogar das ausgiebigste und gelungenste, Margot Mahlers das wohl komischste darstellt. Am Ende taucht sogar noch Claudia Butenuth auf, die zuvor nirgends erwähnt war. Den Film kann man sich bei Auftauchen ruhig einmal anschauen, falls einem der deutsche Film universell am Herzen liegt.

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Zuletzt geändert von Prisma am Mo., 13.03.2023 12:24, insgesamt 1-mal geändert.

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BLINDER HASS


● THE BOYS NEXT DOOR / BLINDER HASS (US|1985)
mit Maxwell Caulfield, Charlie Sheen, Christopher McDonald, Hank Garrett, Paul C. Dancer, Richard Pachorek, Lesa Lee,
Kenneth Cortland, Dawn Schneider, Kurt Christian, Don Draper, Blackie Dammett, Phil Rubenstein und Patti D'Arbanville
eine Republic Entertinment Intenational Produktion
ein Film von Penelope Spheeris

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»Scheiß auf die Welt!«


Roy (Maxwell Caulfield) und Bo (Charlie Sheen) werden aufgrund ihres provokanten und teils aggressiven Verhaltens von ihren Mitschülern gemieden. Am Tag ihres Highschool-Abschlusses haben sie keinerlei Perspektiven für die Zukunft und verlassen ihre Kleinstadt um den Rest ihrer Ferien in Los Angeles zu verbringen. Doch der Trip entwickelt sich zu einem Alptraum für all diejenigen, die ihnen in die Hände fallen. Getrieben von blindem Hass entsteht eine Schneise aus Verwüstung und Mord, doch die Polizei hat die Verfolgung längst aufgenommen. Wird sie noch schlimmere Vorfälle verhindern können..?

Szenen einer Highschool leiten diesen ankündigungsfreudigen Film der Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin Penelope Spheeris ein, die ihre Berühmtheit vor allem durch den 1992 entstandenen "Wayne’s World" erlangte. Schnell zeigt sich auch hier ein besonders gutes Händchen für die Thematik, die vor allem provokant und brutal präsentiert wird, ohne dabei im Wesentlichen in die Tiefe gehen zu wollen. Diese Strategie steht dem Verlauf äußerst gut, sodass man sich erwartungsvoll auf das Angebot rund um die hier geschilderte und grenzenlose Ziellosigkeit einlassen kann. Zwei Freunde sind berüchtigte Schüler ihrer Highschool, doch sind sie eigentlich Freunde oder eher hausgemachte Leidensgenossen? Diese Frage beantwortet sich kaum, da beide mehr oder weniger an einem Strang ziehen, und Personen ihres Umfeldes wahlweise terrorisieren, belästigen, mobben oder einfach nur dumm anmachen, weil sie angeguckt wurden. Dabei funktioniert das Duo Maxwell Caulfield und Charlie Sheen hervorragend als vergiftete Einheit, die sich noch eine Vielzahl an Opfern aussuchen wird. Die Vorgehensweise ist wahllos - zumindest relativ - denn wer ihnen in die Quere kommt, sollte sich warm anziehen oder gleich einen Sarg bestellen. Ein undefinierbarer, blind gelenkter Hass richtet sich gegen einfach alles, aber insbesondere Personen, die im Dickicht der Gesellschaft auffallen. Frauen sind alle Nutten, Homosexuelle Perverse, Polizisten gleich Terroristen, und es geht munter so weiter, dass sich eine Gewaltspirale entwickeln kann, deren Ursprung nicht geklärt wird. Zwar sieht man beispielsweise, aus welchen trostlosen Verhältnissen Roy stammt, aber mehr als einen Bier saufenden Vater, der nicht auf ihn reagiert und nur in die immer laufende Glotze starrt, bekommt man nicht geboten. Maxwell Caulfield, der vor seinen großen Erfolgen bei "Der Denver Clan" und "Die Colbys - Das Imperium" stand, bietet sich hier mehr als sein Partner Charlie Sheen als Aggressor an. Gut aussehend, aber zurecht gemieden, vulgär und völlig ungebildet, aggressiv und zutiefst gemein, zutiefst wütend und mit Hass erfüllt, kann sich eine Vendetta ohne wirklichen Anlass entladen, sodass eine Stadt den Atem anhalten muss.

Bo kann nicht positiv auf ihn einwirken, da ihm die Kapazitäten fehlen und sich stets eine negative Eigendynamik entwickelt, die sich irgendwann von selbst gegenseitig überbietet. Es kommt zu brutalen Szenen der Willkür, die erschüttern und einen daran erinnern, dass man im richtigen Film gelandet ist, falls man auf Spektakel aus war. Wildfremde Personen werden zusammengeknüppelt, so lange geschüttelt, bis sie für immer schweigen, kaltgestellt, weil sie anders sind, als die Gesellschaft vorgibt. Unter Penelope Spheeris Regie kommt es zu ausufernden Gewaltexzessen, die im Endeffekt auf ein katastrophales Ende hinweisen, aber die Perspektivlosigkeit und die Blicke auf die womöglich glücklichen und erfüllten Leben und Situationen anderer Leute lässt insbesondere Roy Amok laufen. Charly Sheen und Maxwell Caulfield zeichnen ihre Charaktere mit erstaunlicher Präzision und sorgen für Atemlosigkeit, Spannung und blutige Intervalle, die aufgrund ihres brutalen Einfallsreichtums triggern. Als Repräsentanten einer verlorenen Jugend, die nicht einmal auf die Idee kommen, dass es andere Wege geben könnte, funktionieren die Interpreten sehr gut und zeichnen den menschlichen Abschaum, den dieser Verlauf nötig hat. Als Waffen ins Spiel kommen, garantiert selbst die Regie für gar nichts mehr und man beginnt sich als Zuschauer zu fragen, wie die handelsübliche Vergeltung wohl aussehen wird. Noch schmerzlicher wird es, als sich Lichtblicke andeuten, die aber umgehend von einem schwarzen Loch verschluckt werden. "Blinder Hass" schafft das Kunststück, seinem Titel alle Ehre zu machen und hier und da noch ein bisschen mehr draufzulegen. Das unberechenbare Schauspiel von Caulfield und Sheen sowie eine Regie, die sich in dieser Beziehung einklinkt, macht den Film zu einer besonders intensiven Angelegenheit, die sowohl als Berieselung und mit Gehirn abschalten funktioniert, als auch dann, wenn man die Geschichte ernster nimmt, als sie zugegebenermaßen abgehandelt wird. Die Thematik bleibt jedenfalls brandaktuell, wenngleich sich die Produktion eher dazu entschieden hat, ein skrupelloser Unterhaltungsfilm sein zu wollen, und das im positivsten Sinn. Dieser GTA-ähnliche Trip ist überraschend gut gelungen.

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● DIE NIBELUNGEN - TEIL 1: SIEGFRIED (D|1966)
mit Uwe Beyer, Rolf Henniger, Siegfried Wischnewski, Hilde Weissner, Hans von Borsody, Terence Hill, Fred Williams, Dieter Eppler, Skip Martin,
Barbara Bold, Samson Burke, Maria Hofen, Đorđe Nenadović, Ingrid Lotarius, Benno Hoffmann, Bogdan Jakus sowie Maria Marlow und Karin Dor
eine Produktion der cCc Filmkunst | im Constantin Filmverleih
ein Film von Harald Reinl

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»Ihr habt mich alle betrogen!«


Siegfried von Xanten (Uwe Beyer) gilt als unverwundbar und niemand weiß von seiner Achillesferse. Nach mehreren Eroberungszügen gelangt er nach Burgund und wirbt um die schöne Kriemhild (Maria Marlow), doch ihr Bruder, König Gunther (Rolf Henniger), stellt Bedingungen für eine mögliche Heirat. Siegfried soll ihm Helfen, Brunhild von Island (Karin Dor) für ihn zu gewinnen, was mit einer List auch gelingt. So kommt es zu einer Doppelhochzeit in Burgund, doch Brunhild verweigert sich ihrem Ehemann, da sie immer noch von Täuschung ausgeht. Unter diesen düsteren Vorzeichen kommt es zu Intrigen, Eifersucht und Verrat, für den man mit Hagen von Tronje (Siegfried Wischnewski) einen skrupellosen Komplizen gefunden hat...

Arthur Brauners cCc Filmkunst war bekannt dafür, neben all den handelsüblichen Spielfilmen auch gerne opulente Großproduktionen herzustellen, zu welchen die beiden "Nibelungen"-Filme definitiv auch zählen. Die Schwierigkeit, die Vorlage publikumswirksam in ein bestimmtes Zeitfenster zu packen, bringt Abstriche mit sich, wurde hier von Regisseur Harald Reinl aber sehr gut gelöst, zumal man erwartungsvoll auf den zweiten Teil warten darf, der noch einmal alles bündelt, was hier angebahnt und angedeutet wurde. Die Idee, "Die Nibelungen" neu verfilmen zu wollen, stammt Überlieferungen zufolge bereits aus dem Jahr 1959, und wieder sollte Fritz Lang auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Auch sie Zusammensetzung des Cast erscheint auf den ersten Blick unorthodox zu sein, doch nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach kam man zu den Ergebnissen, eher unbekannte Schauspieler in den Hauptrollen in die Manege schickten. Dies tut dem Film wie anvisiert sehr gut, auch wenn die Titelrolle mit dem Profi-Sportler und Hammerwerfer Uwe Beyer bestenfalls etwas entrückt, andernfalls beinahe fehl besetzt wirkt, da man sein Unvermögen exemplarisch vorgeführt bekommt. Bekannte Interpreten waren im Vorfeld für Hagen, Kriemhild, Brunhild und Co. im Gespräch, und final kann die Besetzung wirklich überzeugen, auch wenn sie wegen Rolf Henniger oder Maria Marlow scheinbar Star-Ruhm verspricht. Angedachte Größen wie beispielsweise Romy Schneider oder Dieter Borsche hätten hier schon andere Register ziehen können, was allerdings nur theoretisch gilt. Das Szenario beginnt straff und ökonomisch, sodass die wichtigen Weichenstellungen im Handumdrehen stattfinden können, bis man sich auch schon von Naturgewalten auf Island umgeben sieht, und die Tragödie mit dem Aufwecken der schönen Brunhild ihren Lauf nehmen kann. Rolf Wilhelms schwere und imposante Klänge färben die Szenerie mit verschiedenen Stimmungen und es macht wenig aus, dass schon bald eher mitteilsame, also dialoglastige Intervalle Überhand nehmen, die ihre wichtigsten Informationen teils in die sprachlichen Klippen des Nibelungenliedes verpacken.

Harald Reinl achtet nicht nur auf eine opulente Inszenierung voller Reize, sondern auch auf spannende Phasen und rabenschwarze Andeutungen, ohne es zu signifikanten Aussetzern kommen zu lassen, was vielleicht nicht unbedingt für die Spezial-Effekte gilt. Es spielt bei dieser Inszenierung überhaupt keine Rolle, ob man ein Vorwissen hat oder nicht, da das Konstrukt so oder so funktioniert und für sich selbst spricht. Beeindruckende Leistungen der Schauspieler strahlen eine Dominanz in Wort und Tat aus, dass es im Rahmen der Schauspielführung zur wahren Pracht wird, was vor allem für die ausgewiesenen Hauptrollen gilt, zumindest überwiegend. Uwe Beyer entspricht zunächst rein optisch den Vorstellungen des Publikums, doch man merkt jederzeit, dass es sich um keinen Schauspieler handelt, sodass seine Titelrolle durchgehend hölzern anmutet. Anders sieht es bei Rolf Henniger und Siegfried Wischnewski aus, die ihre Anforderungen nahezu perfekt lösen, was ebenso für Maria Marlow und insbesondere Karin Dor gilt, von der eine gebieterische Dominanz auszugehen scheint, die den Verlauf mit am meisten prägen wird. Des Weiteren sind bekannte Interpreten wie Dieter Eppler, Hilde Weissner oder Hans von Borsody beteiligt, die ihre Rollen wie übrigens alle anderen Kollegen auch sehr ansprechend zur Schau stellen. Harald Reinl spart es sich weitgehend auf, eine erwartete Sachlichkeit in das Szenario zu bringen, sodass man sagen kann, dass er den Nerv des Publikums erneut mit einem richtigen Riecher treffen konnte, vor allem weil es zu einer Emotionalität kommt, die den Zuschauer unmissverständlich anspricht. Dieser erste Teil der "Nibelungen"-Saga mag Vergleichen mit seiner Vorgänger-Version oder einem historisch genauen Hintergrund vielleicht nicht immer standhalten, aber letztlich gibt er Erfolg diesem farbenfrohen Unterhaltungsfilm immer recht, der es zu einem Prädikat und zahlreichen Wiederaufführungen brachte. Wenn sich die Situation dramatisch zuspitzt und Racheschwüre als Anheizer für die Fortsetzung präsentiert werden, darf man sich auf den zweiten Teil freuen, der in vielerlei Hinsicht noch mehr zu bieten hat als dieser. Ein wieder einmal gelungener Brauner'scher Coup.

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Eva Astor

ST. PAULI HERBERTSTRAE


● ST. PAULI HERBERTSTRAẞE (D|1965)
mit Pinkas Braun, Sigrid von Richthofen, Michael Cramer, Ursula Barlen, Elma Karlowa, Emmerich Schrenk, Paula Braend, Klaus W. Krause,
Marte Klose, Wolfgang Jansen, Werner Lieven, Joachim Wolff, Rosemarie von Schach, Monika Zinnenberg, Fred Woywode und Karin Field
eine Reinhardt Filmproduktion der Gopa Film | im Austria Verleih
ein Film von Ákos von Ráthonyi

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»Muss doch ein tolles Geschäft sein, bei Gästen, die alle am 17.5. Gebusrtstag haben!«


Da Angelika (Eva Astor) nach einer Vergewaltigung ein Kind erwartet, wird sie von ihrem Vater (Klaus W. Krause) aus dem Haus geworfen. Als Anhalterin in die Stadt mitgenommen, lauern etliche Gefahren auf sie. Zunächst versucht sie sich als Tischdame in einem Striptease-Lokal, doch unerfahrene Mädchen stellt sich nicht sehr geschickt an, sodass sich die Beschwerden der Gäste häufen, bis sie endgültig gefeuert wird. Werner Kästel (Pinkas Braun), ein Stammgast des Lokals, liest sie auf und bietet ihr an, sie in seiner Wohnung zu beherbergen, doch Angelika ahnt nicht, dass sie an einen berüchtigten und skrupellosen Zuhälter geraten ist, der sie als unschuldiges Modell vom Lande in einem Bordell verschachern will...

Wenn man nicht genau wüsste, welche Delikatesse sich Regisseur Ákos von Ráthonyi hier für das Publikum aufgehoben hätte, könnte man zu dem Schluss kommen, in einem handelsüblichen Heimatfilm gelandet zu sein, da die Protagonistin fröhlich im Dirndl durch die Wälder hüpft, bis ihr von ihrem Peiniger aufgelauert wird. Die Regie handelt den verhängnisvollen Akt schnell mit Parallelmontagen der hiesigen Fauna ab und beschäftigt sich fortan mit den Folgen dieses schrecklichen Zwischenfalls, die Angelikas Vater dazu veranlassen, seine Tochter vom Hof zu jagen, nicht aber ohne sie vorher noch als Dirne zu beschimpfen. Die Not ist groß, was ebenso für die Mutter der Verstoßenen gilt, und alles geschieht Schlag auf Schlag, sodass sich Eva Astor auch schon in dem vom Titel angekündigten Ambiente befindet, wenngleich hier offenbar kein einziger Meter Film in Hamburg gedreht wurde und ausschließlich Innenaufnahmen das Angebot dominieren. Notlagen werden naturgemäß von denjenigen ausgenutzt, die sich in einer besseren Position befinden und kaltschnäuzig genug sind, diese schamlos in den eigenen Vorteil umzuwandeln. Dass man es bei Angelika mit einer Art Unschuld vom Lande zu tun hat, gleicht einem Geschäftsmodell, das sich aber nicht so einfach umsetzen lässt, da die junge Frau renitent oder vielmehr zu naiv ist, das Geforderte umzusetzen. In der Zwischenzeit bekommt man es in dieser ersten Station, einem halbseidenen Varieté, mit einem sehr rauen Umgangston zu tun, der es sich zur vornehmsten Aufgabe macht, dem Publikum zahlreiche Begrifflichkeiten für Prostituierte näherzubringen. Die völlig vulgäre Besitzerin dieses Etablissements macht Eva Astor das Leben schwer, ihr Geschäftsführer erweist sich als williger Vasall für das Anwenden jeglicher Gemeinheiten, bis ein rettender Engel am schäbigen Horizont auftaucht. Der Zuschauer ahnt Lichtjahre vor der armen Angelika, dass man sich auf Pinkas Brauns Kreide fressende Art nicht verlassen sollte, doch die nächste Etappe muss den Verlauf irgendwie weiter voranbringen, und das wahlweise noch eindeutiger.

Auffällig und völlig überzeugend zugleich wirkt die passgenaue Wahl der Interpreten, die sich dem hier zugrunde liegenden Konzept mit Hingabe beugen können, es unter Umständen sogar in einer Art und Weise verfeinern, dass sie die ab manchen Stellen auftauchende Behäbigkeit kaschieren können. Ob Ursula Barlen, Monika Zinnenberg, oder Emmerich Schrenk; diese erste Etappe im neuen Leben der weiblichen Hauptrolle wird durch die Niederträchtigkeit der zutiefst ordinären, vielleicht sogar kriminellen Personen geprägt, und es kommt zu sehr netten verbalen Kapriolen, die lediglich von Eva Astor mit Entsetzen, vom Zuschauer aber mit großem Vergnügen quittiert werden. Gelegentlich wirken einige Gebärden etwas hölzern und zu sehr darauf bedacht, den Zuschauer mit der Nase auf die Intention zu stoßen, beziehungsweise nicht falsch interpretiert zu werden, allerdings entsteht hieraus eine ganz besonders charmante Kiste, deren Geschenkpapier man gierig in Fetzen herunterreißt, um an den verführerischen Kern der Sache zu kommen. Dieser kann sehr individuell und unterschiedlich aussehen, aber Fans derartiger Produktionen werden auf jeden Fall einen Stein des Anstoßes finden - im positiven Sinn natürlich. Ákos von Ráthonyi inszeniert für damalige Verhältnisse im eigentlichen Sinn progressiv, was sich nach heutigem Ermessen aber nicht unbedingt in den Bildern und im Ambiente zeigt. Vielleicht kann man sagen, dass der Regisseur sich sperriger und teilweise hölzerner Elemente bedient, um die gesellschaftliche Realität zu simulieren. Dass es dabei zu deftigeren Dialogen und einigen barbusigen Einlagen, homosexuellen Anspielungen oder Strip-Nummern kommt, führt nicht unweigerlich dazu, dass sich die Adressaten direkt angesprochen fühlen, obwohl das Programm doch außergewöhnlich anmutet. Dennoch ist hier der Muff deutscher Wirtschaftswunder-Aktivitäten und eine Art der betonten Diskretion zu vernehmen, und die Regie gewährt einen Blick durch einen schwerfälligen Vorhang, hinter dem es zu einem Spektakel kommt, welches allerdings nur als solches wahrgenommen wird, weil es voyeuristischen Wünschen entspricht.

Ákos von Ráthonyis Inszenierungsstil wurde nicht selten als etwas steril, langweilig oder behäbig kritisiert, doch im Grunde genommen hat man es mit einem der seltenen Realisten im Märchenwald zu tun, der seine Filme mit ein bisschen Fantasie als Spiegel des Verhaltens anlegte. Zumindest phasenweise. Deswegen funktioniert die Schauspieler-Führung unter ihm auch wirklich blendend, die für die größeren Momente seiner Geschichten sorgen. Hier ist vor allem noch das aufmerksame und anfangs dynamische Auge der Kamera zu erwähnen, welches unter Gunter Ottos Aufsicht für außergewöhnliche Intervalle sorgt, bis es aufgrund zu spartanischer Studio-Aufnahmen langsam aber sicher müde wird. Mit musikalischer Untermalung von Herbert Jarczyk, der leider bereits wenige Jahre später verstarb, kommt es für einen derartigen Film zu alternativen Klängen, die zum unwirschen Geschehen jedoch ganz gut passen. Dies lässt sich auch von der bunten Besetzung sagen, die als Einheit nicht besser funktionieren könnte. Die Österreicherin Eva Astor war seinerzeit noch nicht sehr lange im Geschäft, löst die Aufgabe in Sphären der naiven Verführung und hoffnungslosen Aufgeschmissenheit recht gut, präsentiert sich dabei leise als Erziehungsopfer eines patriarchischen Systems ohne einfachen Ausweg. Obwohl viele Hebel in Bewegung gesetzt werden, ist sie stark genug, sich nicht zur Nutte von irgendwelchen Madames oder Zuhälters Gnaden machen zu lassen und fungiert letztlich als Bindeglied zur Halbwelt, die mit guten alten Bekannten ausstaffiert ist. Pinkas Braun als Werner Kästel und Wolf im Schafspelz empfiehlt sich für seinen wenig später in die Kinos gekommenen "Der Bucklige von Soho", in dem er eine nahezu identische Rolle zu spielen hatte. Brauns Umgang mit dem vermeintlich schwachen Geschlecht setzt dabei die deutlichsten Schwerpunkte und lässt insgesamt tief blicken. Die Sentiments der anderen interessieren ihn nicht, wohl aber bare Münze, die seine Pferdchen ohne Widerworte anzuschaffen haben. An Angelika beißt er sich ein bisschen die Zähne aus, bis es letztlich zu Handgreiflichkeiten kommt.

Köstlich ist sein Zusammenspiel mit einer wie üblich überdreht wirkenden Sigrid von Richthofen, die der "Madame Ressel" einen besonders herben Anstrich aus dem Roulette der gängigen Klischees gibt, nicht aber ohne für ihre ganz eigenen Akzentuierungen zu sorgen. Es entsteht der Eindruck, dass ihr diese Selbstinszenierung der Dame von Halbwelt sichtlichen Spaß gemacht haben muss. Sie und Werner Kästel verstehen sich auf der erweiterten Ebene alter Geschäftspartner und es kommt zu grotesken Momenten, vor allem, als er sie mit den Worten »alte Sau!« einfach stehen lässt. Ebenso herausfordernde Leistungen liefern Ursula Barlen, die verbal wohl am exzessivsten um sich ballert, Emmerich Schrenk, der dem Begriff Schmierlappen alle Ehre macht, oder Klaus W. Krause als kleiner Landwirt, der nie etwas anderes als die gute Landluft geatmet hat. Pferdestärken liefern Elma Karlowa, Monika Zinnenberg und vor allem Karin Field, die bereits in Ákos von Ráthonyis "Der Fluch der grünen Augen" zu sehen war und dort eine ebenso gute Figur gemacht hat. Der Verlauf ist mit einer eigenartigen Slapstick-Note versehen, die die anvisierte Brisanz immer wieder ein wenig zu deckeln versucht, aber dennoch bekommt man hier wesentlich mehr Schauwerte geboten, als seinerzeit üblich, was die hohe Altersfreigabe von 18 Jahren erklärt. "St. Pauli Herbertstraße" zog eine Welle von St. Pauli-Reißern nach sich und hat genau so viel oder wenig zu bieten, wie seine Artgenossen. Am Ende bleiben die persönlichen Präferenzen das Maß aller Dinge bei Produktionen mit Kiezer Seele, die sich in auffälliger Art und Weise kopieren wollten, da dies die erfolgversprechendste Variante war. Dieser Beitrag konnte sich als Überraschungserfolg in den Kinos etablieren und ist heute leider vollkommen in Vergessenheit geraten; ein Schicksal, das viele Filme teilen, welches aber nicht immer gerechtfertigt erscheint. Was am Ende für die einen Kolportage oder gar Trash darstellt, ist für andere ein besonders bekömmlicher Leckerbissen, dessen betont Schmutz aufwirbelnder Charakter nicht immer ganz für bare Münze genommen werden sollte. Zu schön um wahr zu sein!

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MÄDCHEN HINTER GITTERN


● MÄDCHEN HINTER GITTERN (D|1965)
mit Heidelinde Weis, Harald Leipnitz, Adelheid Seeck, Harry Riebauer, Sabine Bethmann, Ursula Herking, Ellen Umlauf,
Helga Marlo, Uta Levka, Biggi Freyer, Marianne Hoffmann, Ingrid Bauer, Hans W. Hamacher, Carsta Löck und Elke Aberle
eine Produktion der cCc Filmkunst | im Gloria Verleih
ein Film von Rudolf Zehetgruber

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»Ich schlag euch alle zusammen, ihr Nutten!«


In einer Berliner Fürsorgeanstalt wird straffällig gewordenen Mädchen das Gefängnis erspart. Zu ihren Vergehen gehören Kuppelei, Prostitution, Drogenkonsum oder schwerer Diebstahl. Die Leitung, Frau Dr. Harzeck (Adelheid Seeck), versucht die gefallenen Mädchen mithilfe ihres Personals wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Eines der Mädchen ist die Anfang 20-jährige Karin (Heidelinde Weis), die sich besonders renitent gegenüber Autoritäten verhält und ein besonderes Geheimnis zu haben scheint. Auf ihr Konto soll sogar das Ausscheiden des letzten Seelsorgers gehen. Als der neue Pfarrer namens Skornia (Harald Leipnitz) eintrifft, liegt eine besondere Nervosität in der Luft. Wird es genau dieselben Probleme wie mit dem alten Geistlichen geben, oder wird sich Karin beugen..?

Die skandalträchtigen deutschen Produktionen der 60er Jahre sind bekannt wie bunte Hunde und wurden seinerzeit regelrecht gebrandmarkt, auch wenn es sich in der Rückschau um harmlosere Vertreter gehandelt hat. Rudolf Zehetgrubers "Mädchen hinter Gittern" zählt zu der Fraktion, deren Ruf schlechter gemacht wurde, als verdient, denn immerhin erlaubt sich die Regie den skandalösen Luxus von nicht alltäglichen Schauwerten, um letztlich einen authentischen Anstaltsalltag simulieren zu können. Ob es gelingt oder nicht, lässt sich mit heutigen Maßstäben fast nicht mehr beantworten, denn Vieles wirkt weit überholt und wie das Gegenteil von Authentizität. Es kann nicht häufig genug betont werden, dass es sich um ein großes Glück handelt, dass sich Produzent Artur Brauer immer wieder und unbeirrbar schwierigeren Stoffen annahm und somit für echte Abwechslung in der deutschen Kino-Landschaft sorgen konnte. Die Thematik um gefallene Mädchen war seinerzeit ein bereits gut ausgeschlachteter Dauerbrenner, doch hier wird dem Publikum hin und wieder in deutlicher Manier die Arbeit abgenommen, die Fantasie spielen lassen zu müssen, da Zehetgruber sich nicht scheut, dieses Remake aus dem Jahr 1949 mit eindeutiger Exposition auszustatten, dabei aber gleichzeitig Gefahr zu laufen, eine Altersfreigabe ab 18 zu riskieren, wozu es schließlich auch kam. Die Geschichte beginnt mit der Berichterstattung der besten schlechten Seele der Fürsorgeanstalt, indem sie einer Neuen anhand der Unterwäsche erklärt, welches der Mädchen was auf dem Kerbholz hat. Ein schneller Schwenk in die Duschräume der Anstalt zeigt sogleich das, was eben noch vollmundig angekündigt wurde: nackte Haut, die gleichgesetzt wird mit Leichtfertigkeit, Frivolität und krimineller Energie.

Darstellerinnen wie Uta Levka, Marianne Hoffmann oder Biggi Freyer, die es in den folgenden Jahren zu einer gewissen Bekanntheit aber keinen Karrieren bringen sollten, da sie vornehmlich für die Sparten Erotik und zweite Garnitur gebucht wurden, zeigen die nackten Tatsachen in unreinster Makellosigkeit. Beobachtet und auf den rechten Weg zurückgeführt von Schablonen im Spiegel der Gesellschaft, sieht man verschiedene Entwürfe des Aufsehertypus: Adelheid Seeck mit hoheitsvoller Besonnenheit, Ellen Umlauf mit strenger Reserviertheit und Sabine Bethmann mit freundschaftlichem Verständnis. Die Schauspielerinnen garantieren ihren Schutzbefohlenen somit einen vergleichsweise einfachen Weg zurück in die Gesellschaft mit Elefantengedächtnis, können ihre Renitenz jedoch nicht brechen. So erzählt diese alles andere als uninteressante Geschichte, dass es Hochwürden schon richten wird. In Gestalt von Harald Leipnitz ist schließlich eine bemühte Coolness à la Mid-60er wahrzunehmen, die reichlich unangebracht wirkt, genau wie der Aufhänger der Geschichte, für den Heidelinde Weis zuständig ist. Die Hintergründe der Geschichte um ihre Karin wirken gewollt nebulös, um in den richtigen Momenten für die brisanten Strecken zu sorgen, die gut bei der Stange halten. Heidelinde Weis überzeugt in ihrer Funktion einer Art Anführerin unter den Mädchen, die es auf einen Clash mit dem Pfarrer anlegen wird. Leider wird ihre Schlagfertigkeit von Harald Leipnitz' Omnipotenz unterwandert, außerdem wirkt Weis etwas zu kultiviert für diese Art Rolle, was sich vielleicht aus ihrer Film-Herkunft ergeben mag, allerdings kaum die Abwärtsspirale charakterisiert, in der sie sich befindet. Somit heben sich die natürlichen Stärken im Zusammenspiel Leipnitz/Weis ein wenig gegeneinander auf, da es stets einen Stichwortgeber braucht.

Die Mädchen in der Besserungsanstalt hätten alle ihre persönlichen Schicksale zu erzählen, doch es fehlt an Raum und Zeit, sodass die Wurzeln allen Übels auf die Herren der Schöpfung subsumiert werden. Der Verlauf erlaubt sich keine Pausen und erzählt interessante Facetten von Schein und Sein, außerdem davon, wie schnell die jungen Mädchen aufgrund ihrer Unerfahrenheit und Naivität kassiert werden können. In diesem Zusammenhang übertrifft sich ein vor falschem Charme triefender Harry Riebauer selbst und bringt sich gekonnt in den Radius des Hassobjekts. Überhaupt ist Rudolf Zehetgrubers Film blendend besetzt und verfügt insbesondere über Interpretinnen wie Adelheid Seeck als mütterlich wirkende Leiterin der Besserungsanstalt, oder Ellen Umlauf als Kommandeurin, die beide wegen ihres konturierten Stils auffallen. Sabine Bethmann, Helga Marlo oder Ursula Herking steuern ebenso erinnerungswürdige Leistungen bei. Lediglich Elke Aberle fällt ein wenig aus dem vorstrukturierten Rahmen, da sie für die komödiantischen Auflockerungsversuche verantwortlich ist. Die Geschichte behält sich ihre am meisten gewagten Veranschaulichungen für später vor, sodass der Eindruck bestehen bleibt, dass die Regie ihre eigentlich herkömmliche Geschichte mit genügend Brisanz und Farbtupfern ausstatten konnte. Unterm Strich lässt sich sagen, dass "Mädchen hinter Gittern" ein gelungener Vertreter des deutschen Films seiner Zeit geworden ist, der in vielen Bereichen über ein bisschen mehr Mut und Provokation verfügt, als es bei Artgenossen oder obligatorischen Vertretern des bundesdeutschen Skandalfilms üblich war. Eingefasst in einen heute harmlos wirkenden Gossenton und eine dynamische Bebilderung, kann sich der Beitrag des Wiener Regisseurs durchaus sehen lassen, nicht zuletzt wegen den unverbrauchten, beziehungsweise verbrauchten Jung-Darstellerinnen.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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DAS FLEISCH DER ORCHIDEE


● LE CHAIR DE L'ORCHIDÉE / UN'OCHIDEA ROSSO SANGUE / DAS FLEISCH DER ORCHIDEE (F|I|D|1974)
mit Charlotte Rampling, Bruno Cremer, Edwige Feuillère, Alida Valli, Hans Christian Blech, François Simon, Hugues Quester,
Rémy Germain, Marie-Louise Ebeli, Pierre Asso, Marcel Imhoff, Ève Francis, Günter Meisner, Eddy Roos und Simone Signoret
eine Vincent Malle Produktion | Paris-Cannes | Les Films Méreic | Les Films de l'Astrophore | Office de Radiodiffusion Télévision Française |
Oceania Produzioni Internationali Cinematografiche | T.I.T. Filmproduktion | im Verleih der Cinerama Filmgesellschaft
nach dem Roman von James Hadley Chase
ein Film von Patrice Chéreau

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»Ein bisschen Schizophrenie hat noch niemanden gehindert, eine Bank zu leiten!«


Madame Bastier-Wegener (Edwige Feuillère) veranlasst die Einweisung ihrer Nichte Claire (Charlotte Rampling) in eine Irrenanstalt und hofft, dass sie dort für immer verschwindet, um sich ihr Millionenerbe anzueignen. Claire gilt bei allen Beteiligten als verrückt und dieser Eindruck wird von ihr selbst untermauert, als es zu einem blutigen Zwischenfall kommt, bei dem sie dem Gärtner des Hauses die Augen aussticht. Seitdem befindet sich die junge Frau auf der Flucht, lernt dabei aber den Pferdezüchter Louis Delage (Bruno Cremer) kennen, in den sie sich verliebt. Als einer von Louis' Bekannten ermordet aufgefunden wird und er die Täter erkennt, gerät er als Augenzeuge in Lebensgefahr. Claire hingegen, muss vor der Entourage ihrer gierigen Tante Angst haben, sodass die beiden nicht zur Ruhe kommen...

Bei Filmen mit mehreren Produktionspartnern lässt sich nicht selten ein interessantes Wechselspiel unterschiedlicher Auffassungen und Durchsetzungskraft beobachten, bis sich am Ende herausstellt, ob es zu einem gelungenen Konglomerat gekommen ist, oder sich eine länderspezifische Handschrift durchsetzen kann. Coproduzierte Filme der Münchner T.I.T.-Film bieten für deutsche Verhältnisse stets ein ungewöhnliches Progressiv-Angebot an, das es hierzulande gerne häufiger hätte geben dürfen. In der Regel profitierte die Produktionsfirma vom internationalen Strang, was im Endeffekt ein bisschen mehr bedeutet, als nur interessante bis bekannte deutsche Schauspieler zu platzieren. Ein italienischer Partner deutet häufig auf eine mehr auf Nervenkitzel ausgelegte Art der Bearbeitung hin, wobei sich unter Regisseur Patrice Chéreau eine erdrückende französische Tristesse durchsetzt, deren Vorboten Regen, Gewitter, Nebelschwaden und letztlich Tod sein werden. Für einen Debütfilm eines Regisseurs ist mit "Das Fleisch der Orchidee" ein überaus verlockender Titel, als auch bemerkenswertes Stück filmische Überlänge entstanden, welche streckenweise vielleicht noch ein bisschen zu sehr mit dem Austarieren der verschiedenen Kräfte, Störungen und geheimnisvollen Fragmente beschäftigt ist, ohne hin und wieder zu überladen, in die Länge gezogen oder schwerfällig zu wirken, denn im Grunde genommen handelt es sich um einen Film, von dem man sich bei fortlaufender Zeit wünscht, dass er einfach nicht aufhören soll, da das Angebot überaus faszinierend wirkt. Klassifiziert als Kriminalfilm, bekommt man eine zu triviale und wenig treffende Einschätzung serviert, denn hier bewegen sich Welten und aggressive Kräfte zwischen Wirklichkeit und Illusion hin und her, sodass man am Ende oft selbst zweifelt, ob man richtig gesehen oder gehört hat. Wie man so schön sagt, macht es hier die Inszenierung mit deren zahlreichen destruktiven Einfällen, und nicht etwa hauptsächlich die Geschichte, die mit ihren herkömmlichen Elementen kokettiert. Bevor man hier begreifen kann, werden etliche Personen zur oder durch die Hölle geschickt.

Für dieses Ticket zeigt sich die rätselhafte Claire verantwortlich, eine nicht zu dechiffrierende Mischung aus Protagonistin und Antagonistin, Verführung und Gefahr, deren künstlich gestricktes Schicksal als guter Aufhänger für das Gesamtgeschehen dient. Untergebracht in einem Sanatorium für höhere Töchter und lebende Tote, zeigt ihre erste Szene bereits, was mit ihr offenbar schon häufiger geschehen ist, denn der Gärtner des Anwesens versucht die außergewöhnlich schöne Frau zu vergewaltigen. Doch sie lässt sich weder vom Bock noch vom Gärtner missbrauchen, bis man einen entsetzlichen Schrei hört, welcher der Startschuss für ihre Flucht aus diesem schrecklichen Haus darstellt. Claire hat ihrem Peiniger die Augen ausgestochen, unterm Strich eine drakonische und ebenso symbolische Bestrafung. Dem Publikum werden verschiedene Personen wie milde Gaben vor die Füße geworfen, die sich jedoch nach kürzester Zeit als ungenießbar erweisen, sodass es gar nicht so einfach wird, sich seine persönlichen Anker in der Geschichte zu suchen. Claire macht weiterhin Jagd auf kalte Augen, richtet ihre Peiniger förmlich hin, doch sie leben weiter. Sie beantwortet Fragen, die nie gestellt wurden, präsentiert sich als unschuldiges Opfer eines doppelten Spiels, könnte jedoch genauso gut die Verrückte sein, für die sie gehalten wird. Da dieses Brandzeichen von ihrer eigenen Tante angefertigt wurde, die das immense Vermögen ihres Bruders lieber in ihrer eigenen Tasche sehen möchte, will sie Claire mit dem Stempel der Schizophrenen kaltstellen, was auch weitgehend gelingt. So kommt es wie von selbst dazu, dass man sich gemeinsam mit einer kühl-leidenschaftlichen Charlotte Rampling auf die Suche nach der Wahrheit begibt, die weit in der Vergangenheit vergraben wurde, genau wie die vielen Leichen, die dazu gehören. Synchronisiert von der großartigen Karin Kernke, entsteht aufgrund ihrer unverwechselbaren Stimme eine Konversation im Telegrammstil, sowie eine unwirklich-statische Wärme, umgeben von merklicher Eiseskälte. Die Regie spielt mit diesen Gegensätzlichkeiten, um das Publikum zu irritieren und stets auf einer falschen Fährte zu halten.

Die Witterung und Ambientes wirken deprimierend und sorgen für eine empfundene Kälte und Unbehagen. Die Hoffnung, endlich einmal eine grelle oder intensive Farbe wahrzunehmen, erfüllt sich in betonter Art und Weise nicht. Alle Farben, alle Hoffnungen und alle Emotionen scheinen verblasst zu sein. "Das Fleisch der Orchidee" verfügt über eine beeindruckende Architektur und viel Verworfenheit, sodass sich die beteiligten Charaktere wahlweise gleich selbst vorstellen. Meistens ist ihr Handeln schwer zu verstehen, die Konstellationen untereinander unklar und selbst die Zuneigungen und Connections erscheinen zweifelhaft zu sein, doch auch dieses schlimm in sich verhedderte Wollknäuel wird sich irgendwie entwirren, da die Regie aufmerksam bis zum bitteren Ende bleibt. Der Drive der ersten Hälfte verliert sich in der zweiten ein wenig, aber hier gibt es auch mehrere Hintergrundinformationen zu erfahren, die zum finalen Verständnis beitragen. Großartige Interpreten veredeln die Geschichte mit ihren individuellen Möglichkeiten und kreieren einen Seiltanz fernab der Realität. Sind solche Menschen auch außerhalb einschlägiger Dramaturgien zu finden oder existieren sie nur in besonders ideenreichen Fantasien? Der Film behält sich vor, dass nichts auszuschließen ist und dass man sich mit Vertrauen aber auch Verurteilungen zurückhalten sollte, da die Gefahr besteht, sich schnell auf Irrwegen wiederfinden zu können. Vor allem Charlotte Ramplings temperamentvolle Szenen verleiten dazu, sich einzubilden, dass sie greifbar wäre. Sobald man jedoch die Hand nach ihr ausstreckt, kommt es zu einer unangenehmen Art der Unberechenbarkeit und abweisenden Statik. Ihr Partner Bruno Cremer scheint unter ihrem persönlichen Welpenschutz zu stehen, da sie ihm seine Augen lässt, doch es trachten ihm ganz andere Zeitgenossen nach dem Leben, eben weil er sie sehen konnte. Es kommt zu Begegnungen der völlig grusligen Sorte, vor allem mit einem fantastisch aufspielenden Duo, bestehend aus Hans Christian Blech und François Simon, welches dem personifizierten Sensenmann den Rang abzulaufen versucht.

Nicht minder einschüchternd wirkt Claires Tante alias Edwige Feuillère, die eine anti-emotionale Obszönität an den Tag legt, die verstört. Ihr Sohn Arnaud scheint ebenfalls vollkommen gestört zu sein, und wenn man ihre Entourage hinzuaddiert, weiß man, dass man Sicherheitsabstand halten sollte. Am Ende handelt es sich um großartige Interpretationen in einer unübersichtlichen Gemengelage, die gefährlich wirkt. Abgerundet durch das späte Auftauchen großer Stars wie Simone Signoret und Alida Valli, kommt es zu formvollendeten Momenten, doch die gespielten Charaktere riechen allzu sehr nach Fäulnis und Verworfenheit. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, die Antwort kennt nur der Regen und die Personen reduzieren sich auf bloße Erfindungen des Autors James Hadley Chase und Regisseurs Patrice Chéreau - oder doch nicht? "Das Fleisch der Orchidee" ist als anspruchsvoller, fordernder und unbequemer Beitrag im Lauf der Jahre bestimmt nicht vollkommen in Vergessenheit geraten, den dafür ist das Gezeigte zu erinnerungswürdig, doch der Film ist gewiss aus dem Fokus würdiger Präsentationen gerückt, da es im Bereich der Visualisierung oftmals strapaziös wird. Auch die von Gier, Hass und Unwissenheit getriebenen Personen erscheinen beinahe allesamt nicht salonfähig zu sein, sodass es für den Zuschauer spannend wird, die gebotenen Rochaden zu beobachten, die nicht selten einer unangenehm berührenden Scharade gleichen. Die Regie inszeniert in Zuständen des puren Luxus, da sie nicht auf die Sentiments des Publikums Rücksicht nimmt, wohl aber die Ressentiments ihrer Charaktere auf einem finalen Silbertablett serviert. Ein cleverer Paukenschlag veredelt diese bemerkenswerte Veranstaltung, die sich so wenig an die Gesetze des Unterhaltungsfilms zu halten scheint, und beeindruckt mit kritischen, progressiven aber auch destruktiven Untertönen, verliert sich dabei überraschenderweise jedoch nie in Resignation. Um hier annehmen zu können - oder wahlweise eben nicht - sollte man sich dieses bis zur Unkenntlichkeit entstellte Juwel selbst anschauen, wann immer sich die Möglichkeit dazu bietet. Ein beeindruckendes Filmerlebnis.

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MÄDCHEN ZWISCHEN SEX UND SÜNDE


● THE ALLEY CATS / MÄDCHEN ZWISCHEN SEX UND SÜNDE (US|1966)
mit Anne Arthur, Karin Field, Sabrina Koch, Uta Levka, Alexander Allerson, Harald Baerow,
Olin Osman, Sergio Casmai, Christa Roll, Klaus Hoeft, Michael Münzer und Charlie Hickman
eine Produktion der Spear Incorporated | J.C. Productions | im Constantin Filmverleih
ein Film von Radley Metzger

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»Are you afraid to make love?«


Der Architekt Logan (Charlie Hickman) hat einen Verdacht, den er im Bett mit seiner Geliebten Agnes (Karin Field) bespricht: Er vermutet, dass seine Verlobte Leslie (Anne Arthur) ihn betrügt. Da ihn das Recht der Gleichheit offenbar unberührt lässt, versucht er Näheres darüber herauszubringen und ist sehr eifersüchtig und wütend. Leslie, die sich von ihrem Freund nicht richtig gesehen fühlt, zieht derweil etwas ziellos umher, bis sie auf ausgelassenen Partys als leicht zu erbeutendes Objekt identifiziert wird. Doch nicht nur Männer fühlen sich von der schönen jungen Frau angesprochen, sondern auch einige Damen...

Filme wie Radley Metzgers "Mädchen zwischen Sex und Sünde" - nicht selten zu plumpen Sexfilmen degradiert - wurden gerne mit der pädagogischen Empfehlung »Wir raten ab!« ausgestattet, was gerade hier im herben Kontrast zu dem überaus ästhetischen Angebot steht. Ähnlich wie in dessen ein Jahr später herausgebrachten "Carmen Baby" stellt Metzger sein Gespür für das Kreieren einer erotischen Atmosphäre unter Beweis, die hier noch ein wenig diskreter in Szene gesetzt wirkt, sich dabei bevorzugt in Andeutungen oder der Peripherie verliert, was jedoch ebenso prickelnde Eindrücke hervorrufen kann. Baut man auf die zeitgenössische Kritik, wirkt es so, als komme etwas Unkonsumierbares auf einen zu, doch dabei handelt es sich um eine klassische Film-Ente, denn Radley Metzger nimmt den Interessenten mit in eine Parallelwelt der Erotik. Am Ende stellt sich die Frage, ob die Realität mit all ihren gesellschaftlichen Konventionen und Zwangsjacken nicht eher eine dieser Parallelwelten darstellt, die an der Wirklichkeit vorbeigeht, doch Metzger hält kein Tribunal ab, da er es sich zur vornehmsten Aufgabe macht, das Publikum mit schönen und nahezu poetischen Eindrücken zu versorgen. Mithilfe einer dieser vielen einfachen Geschichten, kommt der Verlauf ohne viel Aufhebens in Gang, und es geht um Beziehungen, Liebe und Libido, bis man alle beteiligten Titelmädchen vorgestellt bekommen hat. Die Brisanz ergibt sich aus ihren grundlegenden Unterschieden, denn die eine ist ungefestigt und suchend, gerade im Begriff alles Unbekannte kennenzulernen. Die anderen beiden trumpfen mit Erfahrung auf, außerdem zwei Arten von Leichtfertigkeit, die sich in ihrer Strategie unterscheiden. Leider in der Versenkung verschwunden, stellt "Mädchen zwischen Sex und Sünde" heutzutage eine Art Kultfilm eines Kult-Regisseurs dar, dessen Filme über eine erstaunliche Auto-Ästhetik verfügen, da Metzger mit den richtigen Leuten zusammenarbeitet und die Einfachheit der Situationen in den Fokus hebt, er am Ende auch schlicht das Auge für derartige Präsentationen hat.

Der Architekt Logen alias Charlie Hickman vergnügt sich mit seiner Affäre namens Agnes, die eindeutig unter Beweis stellt, warum sie die erste Wahl neben seiner Verlobten ist. Sie macht alles, ohne erst gefragt zu werden, und das mit purer Wonne. Als die beiden fertig sind, kommt es zu einer denkwürdigen Anmerkung seitens Charlie: »Ich denke, dass mich meine Verlobte betrügt!« Der Zuschauer denkt sich, dass er doch seine Verlobte betrügt, aber soweit ist die in schönen Schwarzweiß-Bildern eingefangene Story noch nicht, dass man viel über die Verhältnisse wissen könnte. Klar ist bislang nur, dass Radley Metzger die Zeigefreudigkeit seiner Interpretinnen hauptsächlich in die Fantasie seines Publikums verlagert und sich somit geschickt aus der Affäre zieht, falls es darum geht, etwas mehr zeigen zu müssen. Diese Strategie geht in einer Art und Weise auf, die zu einer besonderen Art der Ungeduld im Rahmen prickelnder Erotik führt, sodass die Geschichte - die hauptsächlich über erotische Höhepunkte verfügt - zum Selbstläufer wird. Leslie, die Verlobte, begibt sich auf eine Reise in die Ungewissheit. Ihr attraktives Aussehen ist mit einer Unschuld-Attitüde gekoppelt, die reihenweise Interessenten fabriziert, und sie ungefähr so wirken lässt wie das grüne Gras, das im Endeffekt gar nicht weiß, wie grün es eigentlich ist. Hauptdarstellerin Anne Arthur, die ihr filmisches Intermezzo offensichtlich mit dieser Produktion begann und gleichzeitig wieder beendete, spielt atemberaubend körperlich auf, ohne sich dabei zu verschenken. Schnell lernt sie die Blicke der anderen zu deuten, die Begierden zu begreifen, sich selbst gefügig zu machen, da es sonst andere erledigen würden. Arthur verfügt über Klasse und Aura, sie interessiert sich jedoch scheinbar nur für ihren Verlobten, der es nach Ansicht des Zuschauers kaum verdient hat. Andererseits versteht man auch nur zu gut, dass er gerade einer zügellosen und sexuell völlig resoluten Karin Field verfällt, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ihre Agnes personifiziert eine andere Art der Verführung, die unterm Strich auch viel gefährlicher wirkt, als die von ihrer Kollegin Anne Arthur.

So bleibt zu sagen, dass Karin Field erneut mit einer Art der Anziehung kokettiert, die sich auf eine unberechenbare Art und Weise offenbart. Mit Radley Metzgers Angebot erlebt man quasi Libido auf den ersten Blick, und obwohl die Zeigefreudigkeit meistens an der Kette bleibt, übersteigt seine Geschichte die handelsübliche und oft langweilige Verbal- oder Pseudo-Erotik, denn hier werden regelrechte Expertinnen losgelassen, deren physische Argumente entwaffnend sind. Sabrina Koch - leider nur Gelegenheitsschauspielerin in zwei Produktionen - bietet wiederum eine zusätzliche Variation weiblichen Kalküls und knisternder Erotik an, Uta Levka empfiehlt sich für die Titelrolle in "Carmen Baby". Nimmt man den deutschen Titel der Produktion, so verspricht er im Auge damaliger Ansichten vielleicht nicht zu viel, wirkt für heutige Begriffe trotz klarer Worte aber umso ungenauer, da sich die Ankündigung der Sünde fast erübrigt, und eher bei den männlichen Pendants der "Alley Cats" zu finden ist. Zwar schleichen sie hier unaufhörlich umher, um ihre Beute zu erlegen oder um selbst erlegt zu werden, aber es geht keine Gefahr von ihnen aus, die nicht zu bändigen wäre. Der Verlauf wird durch straffe Montagen gekrönt, die in der meistens betont gelassenen und stets bedachten Geschichte für einen eigenwilligen Drive sorgen, bis die Stationen der läufigen Katzen abgearbeitet sind. Dass sowohl der pure Spaß an der Sache, Melancholie und Findung, nymphomanische oder lesbische Tendenzen im Vordergrund stehen, macht am Ende keinen Unterschied, da es sich um eine der vielen interessanten aber einfachen Geschichten handelt, die vereinnahmen, unterhalten und begeistern. Am Ende ist "Mädchen zwischen Sex und Sünde" ein hochästhetischer Trip in die Gefühlswelten der Protagonisten geworden, die von Anne Arthur über Charlie Hickman bis Karin Field und Sabrina Koch sehr gute Eindrücke hinterlassen und die Fantasie unverblümt beflügeln. Die oftmals ungenau wirkende Dialogarbeit wird durch pikantes und ausreichend vorhandenes Lustgestöhn wettgemacht, und es ist anregend, die Damen bei diesem erotischen Trip zu begleiten.

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Sean Connery

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● FROM RUSSIA WITH LOVE / JAMES BOND 007 - LIEBESGRÜẞE AUS MOSKAU (GB|1963)
mit Daniela Bianchi, Pedro Armendáriz, Robert Shaw, Bernard Lee, Eunice Gayson, Walter Gotell, Lois Maxwell, Desmond Llewelyn,
Francis de Wolff, George Pastell, Nadja Regin, Anthony Dawson, Vladek Sheybal, Martine Beswick, Hasan Ceylan und Lotte Lenya
eine Produktion der Eon Productions | im Verleih der United Artists
Ein Film von Terence Young

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»Russische Uhren gehen immer richtig!«


Die geheime Verbrecherorganisation "Phantom" will sich für den Tod ihres strategischen Partners "Dr. No" rächen und gleichzeitig soll der Sowjetunion eine neuartige Dechiffriermaschine entwendet werden, um sie wieder für ein Vielfaches des Preises an sie zurück zu verkaufen. Des Weiteren rekrutiert die Organisation Rosa Klebb (Lotte Lenya), die ehemalige Chefin des sowjetischen Geheimdienstes, um das Vorhaben voranzutreiben. Ihr unterstellt ist die Dechiffrier-Expertin Tatiana Romanova (Daniela Bianchi), der man vortäuscht, dass sie ihren Auftrag für ihr Mutterland erfülle. Tatiana soll eine Affäre mit James Bond (Sean Connery) eingehen, um gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Anvisiert ist nicht nur die Erfüllung des Plans der Verbrecherorganisation, sondern gleichzeitig die Beseitigung James Bonds...

"Liebesgrüße aus Moskau" ging im Jahr 1963 als zweiter Vertreter der Bond-Reihe an den Start und konnte international große Erfolge verbuchen. Mit einem Produktionsbudget von etwa 2 Millionen US-Dollar konnte der Film beinahe das vierzigfache seiner Kosten wieder einspielen und dokumentiert nicht zuletzt deswegen, dass die Zeit genau richtig für derartig aufwändige, aber ebenso leichtfüßige Geheimagenten-Thriller war. Die seinerzeit brandaktuelle Thematik rund um Spionage und Manipulation durch Geheimdienste wirkt auch heute noch sehr ansprechend und spannend umgesetzt, wenngleich sich Terence Youngs Beitrag mit ein paar Längen auseinanderzusetzen hat, die allerdings nicht gravierend ins Gewicht fallen, da Sequenzen abgehandelt werden, die einen sorgsam durchdachten Aufbau unterstreichen. Eine prominente Rolle nimmt die Verbrecherorganisation "Phantom" ein, die gleichzeitig auch die Schachfiguren in diesem tödlichen Spiel rekrutiert und stellt. Der Kopf des Ganzen bleibt dabei weitgehend ohne physisches Profil und es ist hauptsächlich seine fordernde Stimme zu hören, die in der englischen Sprachversion vom Österreicher Eric Pohlmann übernommen wurde und um einiges nachhaltiger wirkt, als in der deutschen. Nichtsdestotrotz scheint dieser Unbekannte gnädiger mit seiner Katze umzugehen, als mit Untergebenen, falls sie seine Befehle nicht, oder nur halbherzig ausführen. Die Geschichte rund um die gestohlene Lector erscheint auf den ersten sowie den zweiten Blick etwas unspektakulär zu sein, jedoch ergeben sich genau hieraus die Zusammenhänge und wichtigen Handlungsstränge. So kommt die Story ganz natürlich ins Rollen, sodass bei dieser Gelegenheit alle wichtigen Charaktere vorgestellt werden können.

Das halsbrecherische und mörderische Tauziehen um die bessere Position gestaltet sich hoch interessant, denn sowjetische Härte, britischer Esprit und exotische Würze finden sich zusammen. Hinzu kommen beeindruckende Schauplätze und nette Spielereien aus dem obligatorischen Bond-Repertoire, was der Geschichte, die sich dem Empfinden nach sehr nah an der Realität abspielt, erinnerungswürdige Konturen verleiht. Mit Sean Connery ist der Mann der ersten Stunde zu sehen, und bereits hier zeichnet sich ganz deutlich ab, dass er mit jedem seiner Auftritte wachsen konnte. James Bond ist erwartungsgemäß mit allen Wassern gewaschen. Typische Charakteristika wie die schnelle Kombinations- und Auffassungsgabe, eine übernatürliche Cleverness und eine gute Portion Kaltschnäuzigkeit eines echten Gentleman lassen den Zuschauer gebannt dabei zusehen, wie 007 einen Kontrahenten nach dem anderen ausschalten kann, selbst wenn es zu überaus bedrohlichen Phasen kommt, in denen andere längst umgekommen wären. An seiner Seite ist Daniela Bianchi zu sehen, die mit "Ließesgrüße aus Moskau" ihren internationalen Durchbruch feiern konnte. Interessant ist übrigens die Tatsache, dass es sich hierbei um ihre erste und einzige englischsprachige Rolle handelt. Die Italienerin bringt alles mit, was der Zuschauer mit einem klassischen Bondgirl assoziiert, obwohl sie mit Reserviertheit und merklicher Unterkühltheit zu agieren hat. Dennoch stimmt der Sex-Appeal, außerdem ist eine dynamische Leistung wahrzunehmen, die bestimmt in Erinnerung bleiben wird. Ebenso erwähnenswert sind Robert Shaw und Lotte Lenya, die brandgefährlichen Figuren der Gegenseite, die sich buchstäblich jenseits von Gut und Böse bewegen.

Insbesondere die Wahl-Amerikanerin und gebürtige Wienerin Lotte Lenya stellt quasi eine Art Prototyp der aggressivsten Sorte dar, für die Moral und Sentimentalität Fremdwörter zu sein scheinen. Als hochkarätig abgeworbene Geheimdienstfunktionärin der Sowjets, liefert sie als Rosa Klebb eine Performance, die in die James-Bond-Geschichtsbücher eingehen sollte; eine Darbietung, die an Boshaftigkeit und negativer Energie kaum zu überbieten ist. In der selben Liga spielt der Brite Robert Shaw, dessen eigene Überheblichkeit und Verachtung ihm in hoch intensiven Sequenzen zum Verhängnis werden wird. Exzellente Interpreten staffieren den Verlauf bemerkenswert gut aus, erhalten jedoch nicht den Raum, um der Titelfigur das Wasser abgraben zu können. "Liebesgrüße aus Moskau" verfügt insgesamt über einen klar definierten Aufbau, der oftmals wie eine chronologische Abhandlung wirkt. Zahlreiche Stolpersteine lassen zwar nie das Gefühl aufkommen, dass es für den Geheimdienst Ihrer Majestät unlösbar schwierig werden könnte, allerdings bewegen sich Gut und Böse über lange Zeit auf Augenhöhe, da viele positiv angelegte Personen das Zeitliche segnen müssen. Die Gefahr bekommt stets die passenden Gesichter, doch diese hängen nur wie Marionetten an den Fäden, die im Hinterhalt bedient werden. Das perfide Phantom bleibt spannungsfördernd im Hintergrund positioniert und demonstriert hin und wieder seine Macht und Verworfenheit, was sehr gut anzukommen weiß. Terence Young pflastert den Weg zum großen Finale mit vielen Leichen und empfindlich berührenden Schockmomenten, um am Ende der gelungenen Veranstaltung noch einmal giftig auftrumpfen zu können. Alles in allem handelt es sich bei Beitrag 002 um einen echten Klassiker der Reihe.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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FÜR ZWEI GROSCHEN ZÄRTLICHKEIT


● FÜR ZWEI GROSCHEN ZÄRTLICHKEIT / KÆRLIGHED MOD BETALING (D|DK|1957)
mit Ingmar Zeisberg, Claus Holm, Erwin Strahl, Irene Mann, Inger Lassen, Paul Westermeier, Heinz Klevenow, Hannelore Wahl, Ilona Wiedem,
Gerd Frickhöffer, Josef Dahmen, Karl-Heinz Peters, Erwin Linder, Gerda Madsen, Asbjørn Andersen, Thecla Boesen, Edith Pio und Kai Fischer
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Arthur Maria Rabenalt

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»Willkommen in Dänemark!«


Eva Bernhardt (Ingmar Zeisberg) verliert ihre Anstellung, da sie in Räumlichkeiten des Betriebes mit dem Zeichner Josef Hartlieb (Gerd Frickhöffer) in flagranti erwischt wurde. Da sie zu Hause den Übergriffen ihres Stiefvaters (Josef Dahmen) ausgesetzt ist, flieht sie zu ihrer Freundin Marianne (Kai Fischer) nach Kopenhagen, die dort unter dem Namen Ria in einem Amüsierbetrieb bekannt ist. Über die Grenze wird sie von dem Fernfahrer Hendrik Pedersen (Claus Holm) gebracht, der sich sehr für die junge Frau interessiert, doch ein weiteres Treffen kommt nicht mehr zustande. Eva gerät an den Zuhälter Luigi Moretti (Erwin Strahl), der sie auf die schiefe Bahn zieht, doch Hendrik kann Eva einfach nicht mehr vergessen. Als sie sich wieder treffen, hat Eva einiges zu verschweigen...

»Die Anständigen... Die fallen immer zuerst!« Ob dieser Satz weise klingt oder eher wie ein albernes Klischee, klärt sich in dieser ungewöhnlich freizügigen Geschichte schnell und wie von selbst, denn Regisseur Arthur Maria Rabenalt setzt tatsächlich alles auf eine Karte und bietet nicht nur Gedankenfutter an, sondern gleich nackte Tatsachen. Bei dieser frühen Produktion der dänischen Rialto Film Preben Philipsen, die mit der Wallace-Reihe noch große Erfolge feiern sollte, handelt es sich quasi um eine seltene Variante der 50er Jahre, nicht nur eine Freigabe ab 18 Jahren zu provozieren, sondern diese auch ganz selbstbewusst zu vertreten. Die hier zugrundeliegende Geschichte wirkt hingegen handelsüblich, wenn auch nicht uninteressant, zumal sie größtenteils in Dänemark spielt, wo die Uhren auch nicht anders zu gehen scheinen - zumindest was das Geschäft mit schönen Frauen angeht. Kaum hat der Film begonnen und man traut seinen Augen nicht, da man Ingmar Zeisberg komplett nackt wahrnehmen kann, auch wenn es sich zunächst nur um eine Spiegelung handelt, bis man darin bestätigt wird, dass es nicht nur eine Sinnestäuschung ist, was übrigens später bei Kai Fischer genauso sein wird, da ihre Ria laut eigenen Angaben immer nackt zu schlafen pflegt. Diese ungewöhnliche Offensiv-Erotik schüttelt den oft so angestaubt wirkenden spekulativen Sex ab, verleiht der Veranstaltung somit eine höhere Glaubwürdigkeit, die als Ausgleich für ein paar kleinere Durchhänger fungiert, in denen es um klassische Versatzstücke der Liebes-Schmonzette geht. "Für ein paar Groschen Zärtlichkeit" deutet schon alleine des Titels wegen auf eine in sich wohnende Ambivalenz hin, da Bezahlung und Zärtlichkeit nicht so recht zusammenpassen wollen, was sich vor allem auf das älteste Gewerbe der Welt bezieht, es sei denn, dass beide Begriffe käuflich zu erwerben wären.

Im Endeffekt versuchen sich die Guten und die Schlechten zurechtzufinden, auch wenn es wechselseitige Abstecher auf die verschiedenen Bahnen gibt. Das Auftauchen eines skrupellosen Zuhälters macht die Gefahr schließlich perfekt, sodass mit der weiblichen Hauptfigur mitfiebern kann. Erwin Strahl als Maquereau wirkt dandyhaft, blasiert, geschäftstüchtig, aber charmant genug, sich die Frauen seiner Wahl an Land zu ziehen, immerhin muss er ja auch von etwas leben, da er beschlossen hat, nicht arbeiten zu wollen. So kann eins zum anderen kommen und die brave Ingmar Zeisberg, die mittlerweile zu einer Freundin nach Dänemark geflohen ist, soll für ihn anschaffen. Zu Haue in Deutschland wurde ihr die Ehe versprochen, wofür sie den Spaß lieferte. Da sich dieser in den Geschäftsräumen der Firma abspielte, in der sie angestellt war, verlor sie ihren Job. Auch den Annäherungsversuchen des Neuen ihrer Mutter konnte sie kaum noch standhalten. »Hol dir einen Kerl woher du willst, aber nicht aus meinem Bett!«, ist nur ein Ausdruck der grenzenlosen Mutterliebe, die Eva erfahren hat. Ein Fernfahrer liest sie auf und bringt sie schwarz über die Grenze nach Dänemark, wobei sie überhaupt nicht ahnt, dass dieser rechtschaffene Kerl ihr buchstäbliches Ticket in ein besseres Leben sein könnte. Doch zunächst muss sie durch eine harte Schule, bis sie in einem Tanzlokal oder einem Bordell landet. Das Verhalten der jungen Eva erscheint etwas naiv, allerdings entsteht dieser Eindruck vor allem dadurch, weil Blauäugigkeit und Ingmar Zeisberg nicht so recht zueinander passen wollen, da sie sich mit selbstbewussten Charakteren einen Namen machen konnte, auch wenn man sie hier erst in ihrem achten Film sieht. An ihrer Seite steht Claus Holm als moralischer Anker zwischen so viel halbseidenen Geschehnissen, doch das Schicksal und ein Zuhälter arbeiten gegen ihn und die natürliche Findung, bis alles außer Kontrolle zu geraten droht.

Interessante deutsche und dänische Schauspieler sorgen im Endeffekt für die vielen Nuancen innerhalb der verschiedenen Handlungsstränge, die von Regisseur Rabenalt gut miteinander verknüpft werden. Vor allem Ingmar Zeisberg und Claus Holm verleihen der Angelegenheit eine spürbare Glaubwürdigkeit, wenngleich der Film seine Verjährungsfrist bereits gesehen hat, und Vieles nach heutigen Maßstäben nicht mehr so brisant wirkt wie damals. Kai Fischer ist trotz ihres jungen Alters bereits in ihrer Paraderolle als gut kalkulierender und prickelnder Blickfang zu sehen, die hier Männer beglückt, wenn sie tief genug in die Brieftasche greifen. Ihr leichtfüßiges Spiel steht konträr zu der angedeuteten schweren Arbeit, und sie passt natürlich perfekt in eine derartige Geschichte, in der es maßgeblich um Zwangsprostitution geht. Des Weiteren sind Inger Lassen, Heinz Klevenow, Gerd Frickhöffer, Josef Dahmen oder Irene Mann zu sehen, die neben den vielen anderen Interpreten recht gute Eindrücke hinterlassen. Handelsübliche Tanzeinlagen und entsprechende Schlüpfrigkeiten wirken hier spätestens ab dem Zeitpunkt wie Peanuts, an dem Ingmar Zeisberg erneut oben ohne beim Fotografen zu sehen ist; eine Tatsache, die in ihrer Filmografie vermutlich beispiellos geblieben ist. Schöne Aufnahmen in Kopenhagen sorgen für unbeschwerte Atempausen in einem Verlauf, der über rasante Passagen verfügt, die ihren Zenit jedoch nie überschreiten. Für heutige Begriffe mag Arthur Maria Rabenalts Sittenreißer vielleicht überholt und an manchen Stellen angestaubt wirken, doch zur Entstehungszeit hat man derartig freizügige Präsentationen sicherlich nicht alle Tage gesehen. Am Ende ist dieser Film - der immer noch eine Rarität darstellt - jedoch sehr gelungen, und verbindet Populärthemen dieser Zeit sehr geschickt miteinander, sodass man so oder so leicht auf seine Kosten kommt. Routiniert inszeniert und überraschend bei der Visualisierung.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

Beitrag von Prisma »



BUTTIGLIONE DIVENTA CAPO DEL SERVIZIO SEGRETO


● BUTTIGLIONE DIVENTA CAPO DEL SERVIZIO SEGRETO (I|1975)
mit Jacques Dufilho, Gianni Cavina, Franco Diogene, Gianni Agus, Mino Guerrini, Raf Luca, Guerrino Crivello,
Francesco D'Adda, Cheng Chin Li, Nicola Morelli, Giuseppe Terranovai sowie Karin Field und Henning Schlüter
eine Produktion der Coralta Cinematografica
ein Film von Mino Guerrini

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»Riposa in pace!«


Colonnello Rambaldo Buttiglione (Jacques Dufilho) steigt in der militärischen Hierarchie zum Chef des Geheimdienstes auf, doch dort werden die Aufgaben alles andere als leichter, zumal dieser an der kritischen "Operation Luchs" beteiligt ist. Bei diesem unberechenbaren Gegner handelt es sich um eine berüchtigte Spionageoperation, hinter der sich gleich mehrere Agenten verbergen, wie beispielsweise der Deutsche von Schultz (Henning Schlüter). Buttigliones Helfer sind Sergente Mastino (Gianni Cavina) und Corporale De Martino (Raf Luca), doch es ist fraglich, ob sie ihm zum Erfolg verhelfen können, da so gut wie alle Operationen schief gehen...

Italienische Komödien, die in derben Klamauk abdriften, sind sicherlich nicht jedermanns Sache, allerdings bieten die meisten Filme einige Lockvögel in Form der Besetzung an, die derartige Intermezzi immer wieder möglich machen. Außerdem können gerne verwendete sexy Inhalte mehr als versöhnlich stimmen. Die Titelfigur Colonnello Rambaldo Buttiglione brachte es auf mehrere Filmproduktionen, und obwohl die um ihn herumkonstruierten Geschichten alle unterschiedlicher Natur sind, kommt es zu einem wiederholenden Charakter, da die Running Gags von ihrer Grobschlächtigkeit in vielen Fällen identisch sind. Für ein paar Lacher oder ein wenig Schmunzeln sind solche Geschichten allemal gut, allerdings kommt es in einem spürbaren Ungleichgewicht zu Momenten des Unbehagens, vorausgesetzt man kann mit dem offensiven und wenig subtilen Humor nicht viel anfangen. Hier gilt es, gleich mehrere Gegner in einem zu bewältigen, die Hauptfigur mit inbegriffen. Regisseur Mino Guerrini versucht es mit Gags, Lachern und humorigen Einlagen aller Ebenen, sodass man gleichzeitig in effektive Unwahrscheinlichkeiten abdriftet, falls man die Sache allzu ernst nimmt. So ist es selbst beim Humor ratsam, sich an die Realität zu halten und nichts anzubieten, dass nur im Märchenland existiert. Bleibt der Spaß aus, neigt man als Zuschauer schnell zu dieser passiven Variante des Berieselns, denn immerhin muss sich die Angelegenheit auch lohnen - irgendwie zumindest. Bestückt mit Personen, die sich nicht zu schade sind, in jedes erdenkliche Fettnäpfchen zu treten, kommt ein wenig der anvisierten Situationskomik zum Tragen, wenngleich man sich in einer Art Rädchen befindet, das sich leider unaufhörlich in ein und dieselbe Richtung zu drehen pflegt. Filme dieser Art sind in der Regel nicht besonders hoch budgetiert gewesen, was sich auch bei "Buttiglione diventa capo del servizio segreto" durchschlägt, aber die Regie und ihre Helfershelfer versuchen das Beste aus dieser Agentenkomödie herauszuschlagen, was an vielen Stellen sogar gelingt, wenn man ein paar ungläubige Augen zudrücken kann.

Großes Aushängeschild und Vorteil zugleich ist sicherlich der französische Hauptdarsteller Jacques Dufilho, der die Titelrolle bereits in anderen Filmen zum Besten gab, daher überaus sicher und routiniert wirkt. Zunächst bringt er schon einmal die richtigen Gebärden mit, um eine derartige Rolle glaubhaft zu transportieren. In den Bereichen Gestik und Mimik bekommt man nicht nur ein einheitliches Gesamtangebot, sondern der Zuschauer muss schließlich mit dem Holzhammer darauf aufmerksam gemacht werden, dass es sich gerade um einen Witz oder Gag gehandelt hat. Es wimmelt somit von trotteligen Personen, die sich gegenseitig mit ihrem Unvermögen zu übertrumpfen versuchen. Da es sich um eine wichtige Behörde handelt, wirkt dies umso bedenklicher, allerdings nicht im Wesentlichen lustiger, da Potenzial liegen gelassen wird. Erwähnenswert ist der Auftritt des Deutschen Henning Schlüter, dessen nahezu bizarre Performance einige wichtige Treffer landen kann, ansonsten gibt es übertriebene bis überzeugende Unterstützung von Gianni Cavina, Franco Diogene, Gianni Agus oder etwa Raf Luca. Eigenartigerweise setzt der Verlauf nicht übermäßig auf nett anzusehende feminine Farbtupfer oder notorische Entkleidungs-Anwandlungen; ein simpler wie auch effektiver Verstärker in vielen Produktionen dieser Art. Bis auf Erotik-Expertin Karin Field ist weit und breit nichts von prickelnden Brisen wahrzunehmen, was beinahe schon irritierend wirkt. Die Rolle der Deutschen fristet somit nur das Dasein eines Running Gags, da das Telefon ihr immer wieder die Tour vermasselt. Unterlegt mit recht strapaziöser musikalischer Untermalung von der Stange, kommt es zu keinen Offenbarungen, was auch für die Ausstattung oder die allgemeinen Schauwerte der Szenerie gilt. "Buttiglione diventa capo del servizio segreto", der in den deutschen Kinos nie zu sehen war, ist eine Art Insider für Fans des Genres oder weitgehend für Freunde bestimmter Schauspieler, bietet global gesehen jedoch kaum Offenbarungen. Das chaotische Gerangel im Agenten-Dschungel hat letztlich das Potenzial zu strapazieren, gegebenenfalls aber auch zufriedenzustellen.

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