DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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Prisma
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EROTIK IM BERUF - WAS JEDER PERSONALCHEF GERN VERSCHWEIGT


● EROTIK IM BERUF - WAS JEDER PERSONALCHEF GERN VERSCHWEIGT (D|1971)
mit Karin Field, Reinhard Glemnitz, Emely Reuer, Christian Engelmann, Peter Raschner, Astrid Boner, Werner Abrolat, Josef Fröhlich,
Heidi Hansen, Claudia Butenuth, Eva Berthold, Renate Kasché, Walter Feuchtenberg, Margot Mahler und als Gast Günther Ungeheurer
eine Wolf C. Hartwig Produktion der Rapid Film | im Constantin Filmverleih
ein Film von Ernst Hofbauer

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»Bittschön, Herr Staatsanwalt, wie heißt denn Ficken auf Hochdeutsch?«


Hinter diesen Fassaden stehen Tag für Tag Menschen im Beruf. Männer. Frauen. Sie sind in ihrer Arbeit aufeinander angewiesen, als Kollegen, als Vorgesetzte und Untergebene, als Ausbilder und Lehrlinge. Gesetzesparagraphen, Betriebsvorschriften regeln dieses Verhältnis. Aber Menschen sind keine Maschinen, deren Funktion man nach einer Betriebsanleitung bestimmen kann. Störungen, Komplikationen treten auf, besonders dann, wenn Männer und Frauen zusammen arbeiten. Die längste Zeit des Tages sind sie fern von ihren Familien, fern von ihrem Ehepartner, den sie erst nach Dienstschluss wiedersehen. Nur der Berufspartner, die Berufspartnerin ist da. Bei gemeinsamer Arbeit bei ständigem täglichem Beisammensein entstehen erotische Bindungen am Arbeitsplatz, die vielfältige Probleme aufwerfen. Dieser Report wird die Probleme schonungslos aufzeigen, ohne zu richten. Probleme, mit denen jeder Berufstätige konfrontiert wird, Probleme, die man am liebsten mit falscher Scham verschweigt.

Diese einführenden Worte weisen auf den bevorstehenden Verlauf hin, bei dem sich zeigen wird, wie ernst dieser Report genommen wird. Im Zuge der Aufklärungs- und Reportwelle wurde dem Empfinden nach nahezu jeder relevante und irrelevante Lebensbereich ins Visier der jeweiligen Geschichten genommen und filmisch aufgearbeitet - nachweislich nicht ohne Erfolg. Ernst Hofbauers "Erotik im Beruf - Was der Personalchef gern verschweigt" zeigt sich im teildokumentarischen Stil, verfügt dabei über Befragungen durch Journalisten an den Orten des angeblichen Geschehens oder beispielsweise in der Fußgängerzone, um einen völlig ungezwungenen und spontanen Eindruck zu vermitteln, der die Zuschauer irgendwie packen soll. Abwechslung kommt bei den konkreten Berichterstattungen auf, in denen die teils bekannten Schauspieler gefragt sind. Unter Hofbauer entwickelt sich hier die eigenartige Strategie, nicht zu viel Realität aufkommen zu lassen, was immer wieder durch explizite Bilder ins Wanken kommt, und durch bekannte Gesichter der (bayrischen) Komödie ausgehebelt wir. Manchmal kommt man sich daher vor wie in einem handelsüblichen Lustspiel, da die humorigen Einlagen überwiegen. Das alles ist und bleibt nicht vollkommen uninteressant, da es sich um einen Vertreter handelt, der ungewöhnlich stark besetzt ist, um nebenbei Akzente mit den verschiedenen Storys zu setzen. Chefs vernaschen ihre Lehrmädchen, Chefinnen ihre jungen Angestellten, und es schwingt nicht nur der Hauch des Verbotenen mit, sondern auch Versatzstücke der Tragödie, was für einen gewissen Drive und eine besondere Art der Anspannung sorgt, da man in ausgewählten Szenen nur darauf zu warten braucht, bis die Heimlichtuereien auffliegen. Miese Erpresser treiben ihr Unwesen, gelangweilte Ehemänner ebenso, aber auch unschuldige und völlig frustrierte Frauen, die sich gegeneinander ausspielen. Die vollmundige Ankündigung dieses Report-Streifens, alles schonungslos aufzudecken, geht in den gestelzt wirkenden Situationen oftmals nicht komplett auf. Somit punktet der Film in den Segmenten, in denen die Schauspieler ihre Rollen zu spielen haben, da man hier mehr Greifbares angeboten bekommt, und sei es nur die nackte Haut.

Männer hängen sich zeitaufwändig in die Arbeit, um ihre langweiligen Ehen zu vergessen, werden dann von den weiblichen Untergebenen nahezu zum Sex genötigt, und niemand hat das alles am Ende so gewollt. Es wimmelt von durchtriebenem Kalkül und fadenscheinigen Entschuldigungen, warum Triebe Oberhand gewinnen konnten, aber es spielt eigentlich keine Rolle, da man die Gesetze der Betriebe nicht unter die Lupe nimmt. Einzelne Schicksale rücken das Geschehen oftmals an den Rand einer Kriminalgeschichte, bis es wieder um »sexuelle Allesverwerter« geht. Die Dialogarbeit ist auffällig umgangssprachlich und amüsant ausgefallen, was zu dem unterm Strich immensen Spaßfaktor beiträgt, wenn man sich auf kein Hin und Her lamentieren bezüglich des angekündigten Filmtitels einlässt, der unterm Strich uneindeutig bleibt. Interpreten wie Reinhard Glemnitz, Günther Ungeheuer, Emely Reuer oder Karin Field sorgen in ihren kurzen Intervallen für eine dichte Atmosphäre und stemmen sich gegen auftauchende Klischees, um sie teilweise auch hemmungslos zu befeuern - ganz im guten Ton des Geschehens, denn ansonsten würde man in den sachlich angestrichenen Sequenzen einschlafen, da man selbst nicht an Aufklärungsmythen interessiert ist. Am besten fährt man vielleicht, wenn man dieses Kind seiner Zeit unvoreingenommen betrachtet, denn es kommt sehr viel Zeitkolorit zustande, das einerseits authentisch und verlockend, andererseits unfreiwillig komisch aufgearbeitet wirkt. "Erotik im Beruf - Was der Personalchef gern verschweigt" stellt zahlreiche Personen an den Pranger, jedoch nicht in einseitiger Art und Weise. Vielmehr sieht man einen Jahrmarkt der Klischees, die unter Ernst Hofbauer zum Florieren befugt sind, was jedem Zuschauer auch genügen sollte. Tatsächlich braucht man heute wie damals einen Anstoß für dieses vergleichsweise unterhaltsamere Report-Vehikel, der im aktuellen Fall Karin Field heißt, deren Segment im kompletten Film sogar das ausgiebigste und gelungenste, Margot Mahlers das wohl komischste darstellt. Am Ende taucht sogar noch Claudia Butenuth auf, die zuvor nirgends erwähnt war. Den Film kann man sich bei Auftauchen ruhig einmal anschauen, falls einem der deutsche Film universell am Herzen liegt.

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Zuletzt geändert von Prisma am Mo., 13.03.2023 12:24, insgesamt 1-mal geändert.

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BLINDER HASS


● THE BOYS NEXT DOOR / BLINDER HASS (US|1985)
mit Maxwell Caulfield, Charlie Sheen, Christopher McDonald, Hank Garrett, Paul C. Dancer, Richard Pachorek, Lesa Lee,
Kenneth Cortland, Dawn Schneider, Kurt Christian, Don Draper, Blackie Dammett, Phil Rubenstein und Patti D'Arbanville
eine Republic Entertinment Intenational Produktion
ein Film von Penelope Spheeris

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»Scheiß auf die Welt!«


Roy (Maxwell Caulfield) und Bo (Charlie Sheen) werden aufgrund ihres provokanten und teils aggressiven Verhaltens von ihren Mitschülern gemieden. Am Tag ihres Highschool-Abschlusses haben sie keinerlei Perspektiven für die Zukunft und verlassen ihre Kleinstadt um den Rest ihrer Ferien in Los Angeles zu verbringen. Doch der Trip entwickelt sich zu einem Alptraum für all diejenigen, die ihnen in die Hände fallen. Getrieben von blindem Hass entsteht eine Schneise aus Verwüstung und Mord, doch die Polizei hat die Verfolgung längst aufgenommen. Wird sie noch schlimmere Vorfälle verhindern können..?

Szenen einer Highschool leiten diesen ankündigungsfreudigen Film der Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin Penelope Spheeris ein, die ihre Berühmtheit vor allem durch den 1992 entstandenen "Wayne’s World" erlangte. Schnell zeigt sich auch hier ein besonders gutes Händchen für die Thematik, die vor allem provokant und brutal präsentiert wird, ohne dabei im Wesentlichen in die Tiefe gehen zu wollen. Diese Strategie steht dem Verlauf äußerst gut, sodass man sich erwartungsvoll auf das Angebot rund um die hier geschilderte und grenzenlose Ziellosigkeit einlassen kann. Zwei Freunde sind berüchtigte Schüler ihrer Highschool, doch sind sie eigentlich Freunde oder eher hausgemachte Leidensgenossen? Diese Frage beantwortet sich kaum, da beide mehr oder weniger an einem Strang ziehen, und Personen ihres Umfeldes wahlweise terrorisieren, belästigen, mobben oder einfach nur dumm anmachen, weil sie angeguckt wurden. Dabei funktioniert das Duo Maxwell Caulfield und Charlie Sheen hervorragend als vergiftete Einheit, die sich noch eine Vielzahl an Opfern aussuchen wird. Die Vorgehensweise ist wahllos - zumindest relativ - denn wer ihnen in die Quere kommt, sollte sich warm anziehen oder gleich einen Sarg bestellen. Ein undefinierbarer, blind gelenkter Hass richtet sich gegen einfach alles, aber insbesondere Personen, die im Dickicht der Gesellschaft auffallen. Frauen sind alle Nutten, Homosexuelle Perverse, Polizisten gleich Terroristen, und es geht munter so weiter, dass sich eine Gewaltspirale entwickeln kann, deren Ursprung nicht geklärt wird. Zwar sieht man beispielsweise, aus welchen trostlosen Verhältnissen Roy stammt, aber mehr als einen Bier saufenden Vater, der nicht auf ihn reagiert und nur in die immer laufende Glotze starrt, bekommt man nicht geboten. Maxwell Caulfield, der vor seinen großen Erfolgen bei "Der Denver Clan" und "Die Colbys - Das Imperium" stand, bietet sich hier mehr als sein Partner Charlie Sheen als Aggressor an. Gut aussehend, aber zurecht gemieden, vulgär und völlig ungebildet, aggressiv und zutiefst gemein, zutiefst wütend und mit Hass erfüllt, kann sich eine Vendetta ohne wirklichen Anlass entladen, sodass eine Stadt den Atem anhalten muss.

Bo kann nicht positiv auf ihn einwirken, da ihm die Kapazitäten fehlen und sich stets eine negative Eigendynamik entwickelt, die sich irgendwann von selbst gegenseitig überbietet. Es kommt zu brutalen Szenen der Willkür, die erschüttern und einen daran erinnern, dass man im richtigen Film gelandet ist, falls man auf Spektakel aus war. Wildfremde Personen werden zusammengeknüppelt, so lange geschüttelt, bis sie für immer schweigen, kaltgestellt, weil sie anders sind, als die Gesellschaft vorgibt. Unter Penelope Spheeris Regie kommt es zu ausufernden Gewaltexzessen, die im Endeffekt auf ein katastrophales Ende hinweisen, aber die Perspektivlosigkeit und die Blicke auf die womöglich glücklichen und erfüllten Leben und Situationen anderer Leute lässt insbesondere Roy Amok laufen. Charly Sheen und Maxwell Caulfield zeichnen ihre Charaktere mit erstaunlicher Präzision und sorgen für Atemlosigkeit, Spannung und blutige Intervalle, die aufgrund ihres brutalen Einfallsreichtums triggern. Als Repräsentanten einer verlorenen Jugend, die nicht einmal auf die Idee kommen, dass es andere Wege geben könnte, funktionieren die Interpreten sehr gut und zeichnen den menschlichen Abschaum, den dieser Verlauf nötig hat. Als Waffen ins Spiel kommen, garantiert selbst die Regie für gar nichts mehr und man beginnt sich als Zuschauer zu fragen, wie die handelsübliche Vergeltung wohl aussehen wird. Noch schmerzlicher wird es, als sich Lichtblicke andeuten, die aber umgehend von einem schwarzen Loch verschluckt werden. "Blinder Hass" schafft das Kunststück, seinem Titel alle Ehre zu machen und hier und da noch ein bisschen mehr draufzulegen. Das unberechenbare Schauspiel von Caulfield und Sheen sowie eine Regie, die sich in dieser Beziehung einklinkt, macht den Film zu einer besonders intensiven Angelegenheit, die sowohl als Berieselung und mit Gehirn abschalten funktioniert, als auch dann, wenn man die Geschichte ernster nimmt, als sie zugegebenermaßen abgehandelt wird. Die Thematik bleibt jedenfalls brandaktuell, wenngleich sich die Produktion eher dazu entschieden hat, ein skrupelloser Unterhaltungsfilm sein zu wollen, und das im positivsten Sinn. Dieser GTA-ähnliche Trip ist überraschend gut gelungen.

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● DIE NIBELUNGEN - TEIL 1: SIEGFRIED (D|1966)
mit Uwe Beyer, Rolf Henniger, Siegfried Wischnewski, Hilde Weissner, Hans von Borsody, Terence Hill, Fred Williams, Dieter Eppler, Skip Martin,
Barbara Bold, Samson Burke, Maria Hofen, Đorđe Nenadović, Ingrid Lotarius, Benno Hoffmann, Bogdan Jakus sowie Maria Marlow und Karin Dor
eine Produktion der cCc Filmkunst | im Constantin Filmverleih
ein Film von Harald Reinl

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»Ihr habt mich alle betrogen!«


Siegfried von Xanten (Uwe Beyer) gilt als unverwundbar und niemand weiß von seiner Achillesferse. Nach mehreren Eroberungszügen gelangt er nach Burgund und wirbt um die schöne Kriemhild (Maria Marlow), doch ihr Bruder, König Gunther (Rolf Henniger), stellt Bedingungen für eine mögliche Heirat. Siegfried soll ihm Helfen, Brunhild von Island (Karin Dor) für ihn zu gewinnen, was mit einer List auch gelingt. So kommt es zu einer Doppelhochzeit in Burgund, doch Brunhild verweigert sich ihrem Ehemann, da sie immer noch von Täuschung ausgeht. Unter diesen düsteren Vorzeichen kommt es zu Intrigen, Eifersucht und Verrat, für den man mit Hagen von Tronje (Siegfried Wischnewski) einen skrupellosen Komplizen gefunden hat...

Arthur Brauners cCc Filmkunst war bekannt dafür, neben all den handelsüblichen Spielfilmen auch gerne opulente Großproduktionen herzustellen, zu welchen die beiden "Nibelungen"-Filme definitiv auch zählen. Die Schwierigkeit, die Vorlage publikumswirksam in ein bestimmtes Zeitfenster zu packen, bringt Abstriche mit sich, wurde hier von Regisseur Harald Reinl aber sehr gut gelöst, zumal man erwartungsvoll auf den zweiten Teil warten darf, der noch einmal alles bündelt, was hier angebahnt und angedeutet wurde. Die Idee, "Die Nibelungen" neu verfilmen zu wollen, stammt Überlieferungen zufolge bereits aus dem Jahr 1959, und wieder sollte Fritz Lang auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Auch sie Zusammensetzung des Cast erscheint auf den ersten Blick unorthodox zu sein, doch nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach kam man zu den Ergebnissen, eher unbekannte Schauspieler in den Hauptrollen in die Manege schickten. Dies tut dem Film wie anvisiert sehr gut, auch wenn die Titelrolle mit dem Profi-Sportler und Hammerwerfer Uwe Beyer bestenfalls etwas entrückt, andernfalls beinahe fehl besetzt wirkt, da man sein Unvermögen exemplarisch vorgeführt bekommt. Bekannte Interpreten waren im Vorfeld für Hagen, Kriemhild, Brunhild und Co. im Gespräch, und final kann die Besetzung wirklich überzeugen, auch wenn sie wegen Rolf Henniger oder Maria Marlow scheinbar Star-Ruhm verspricht. Angedachte Größen wie beispielsweise Romy Schneider oder Dieter Borsche hätten hier schon andere Register ziehen können, was allerdings nur theoretisch gilt. Das Szenario beginnt straff und ökonomisch, sodass die wichtigen Weichenstellungen im Handumdrehen stattfinden können, bis man sich auch schon von Naturgewalten auf Island umgeben sieht, und die Tragödie mit dem Aufwecken der schönen Brunhild ihren Lauf nehmen kann. Rolf Wilhelms schwere und imposante Klänge färben die Szenerie mit verschiedenen Stimmungen und es macht wenig aus, dass schon bald eher mitteilsame, also dialoglastige Intervalle Überhand nehmen, die ihre wichtigsten Informationen teils in die sprachlichen Klippen des Nibelungenliedes verpacken.

Harald Reinl achtet nicht nur auf eine opulente Inszenierung voller Reize, sondern auch auf spannende Phasen und rabenschwarze Andeutungen, ohne es zu signifikanten Aussetzern kommen zu lassen, was vielleicht nicht unbedingt für die Spezial-Effekte gilt. Es spielt bei dieser Inszenierung überhaupt keine Rolle, ob man ein Vorwissen hat oder nicht, da das Konstrukt so oder so funktioniert und für sich selbst spricht. Beeindruckende Leistungen der Schauspieler strahlen eine Dominanz in Wort und Tat aus, dass es im Rahmen der Schauspielführung zur wahren Pracht wird, was vor allem für die ausgewiesenen Hauptrollen gilt, zumindest überwiegend. Uwe Beyer entspricht zunächst rein optisch den Vorstellungen des Publikums, doch man merkt jederzeit, dass es sich um keinen Schauspieler handelt, sodass seine Titelrolle durchgehend hölzern anmutet. Anders sieht es bei Rolf Henniger und Siegfried Wischnewski aus, die ihre Anforderungen nahezu perfekt lösen, was ebenso für Maria Marlow und insbesondere Karin Dor gilt, von der eine gebieterische Dominanz auszugehen scheint, die den Verlauf mit am meisten prägen wird. Des Weiteren sind bekannte Interpreten wie Dieter Eppler, Hilde Weissner oder Hans von Borsody beteiligt, die ihre Rollen wie übrigens alle anderen Kollegen auch sehr ansprechend zur Schau stellen. Harald Reinl spart es sich weitgehend auf, eine erwartete Sachlichkeit in das Szenario zu bringen, sodass man sagen kann, dass er den Nerv des Publikums erneut mit einem richtigen Riecher treffen konnte, vor allem weil es zu einer Emotionalität kommt, die den Zuschauer unmissverständlich anspricht. Dieser erste Teil der "Nibelungen"-Saga mag Vergleichen mit seiner Vorgänger-Version oder einem historisch genauen Hintergrund vielleicht nicht immer standhalten, aber letztlich gibt er Erfolg diesem farbenfrohen Unterhaltungsfilm immer recht, der es zu einem Prädikat und zahlreichen Wiederaufführungen brachte. Wenn sich die Situation dramatisch zuspitzt und Racheschwüre als Anheizer für die Fortsetzung präsentiert werden, darf man sich auf den zweiten Teil freuen, der in vielerlei Hinsicht noch mehr zu bieten hat als dieser. Ein wieder einmal gelungener Brauner'scher Coup.

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Eva Astor

ST. PAULI HERBERTSTRAE


● ST. PAULI HERBERTSTRAẞE (D|1965)
mit Pinkas Braun, Sigrid von Richthofen, Michael Cramer, Ursula Barlen, Elma Karlowa, Emmerich Schrenk, Paula Braend, Klaus W. Krause,
Marte Klose, Wolfgang Jansen, Werner Lieven, Joachim Wolff, Rosemarie von Schach, Monika Zinnenberg, Fred Woywode und Karin Field
eine Reinhardt Filmproduktion der Gopa Film | im Austria Verleih
ein Film von Ákos von Ráthonyi

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»Muss doch ein tolles Geschäft sein, bei Gästen, die alle am 17.5. Gebusrtstag haben!«


Da Angelika (Eva Astor) nach einer Vergewaltigung ein Kind erwartet, wird sie von ihrem Vater (Klaus W. Krause) aus dem Haus geworfen. Als Anhalterin in die Stadt mitgenommen, lauern etliche Gefahren auf sie. Zunächst versucht sie sich als Tischdame in einem Striptease-Lokal, doch unerfahrene Mädchen stellt sich nicht sehr geschickt an, sodass sich die Beschwerden der Gäste häufen, bis sie endgültig gefeuert wird. Werner Kästel (Pinkas Braun), ein Stammgast des Lokals, liest sie auf und bietet ihr an, sie in seiner Wohnung zu beherbergen, doch Angelika ahnt nicht, dass sie an einen berüchtigten und skrupellosen Zuhälter geraten ist, der sie als unschuldiges Modell vom Lande in einem Bordell verschachern will...

Wenn man nicht genau wüsste, welche Delikatesse sich Regisseur Ákos von Ráthonyi hier für das Publikum aufgehoben hätte, könnte man zu dem Schluss kommen, in einem handelsüblichen Heimatfilm gelandet zu sein, da die Protagonistin fröhlich im Dirndl durch die Wälder hüpft, bis ihr von ihrem Peiniger aufgelauert wird. Die Regie handelt den verhängnisvollen Akt schnell mit Parallelmontagen der hiesigen Fauna ab und beschäftigt sich fortan mit den Folgen dieses schrecklichen Zwischenfalls, die Angelikas Vater dazu veranlassen, seine Tochter vom Hof zu jagen, nicht aber ohne sie vorher noch als Dirne zu beschimpfen. Die Not ist groß, was ebenso für die Mutter der Verstoßenen gilt, und alles geschieht Schlag auf Schlag, sodass sich Eva Astor auch schon in dem vom Titel angekündigten Ambiente befindet, wenngleich hier offenbar kein einziger Meter Film in Hamburg gedreht wurde und ausschließlich Innenaufnahmen das Angebot dominieren. Notlagen werden naturgemäß von denjenigen ausgenutzt, die sich in einer besseren Position befinden und kaltschnäuzig genug sind, diese schamlos in den eigenen Vorteil umzuwandeln. Dass man es bei Angelika mit einer Art Unschuld vom Lande zu tun hat, gleicht einem Geschäftsmodell, das sich aber nicht so einfach umsetzen lässt, da die junge Frau renitent oder vielmehr zu naiv ist, das Geforderte umzusetzen. In der Zwischenzeit bekommt man es in dieser ersten Station, einem halbseidenen Varieté, mit einem sehr rauen Umgangston zu tun, der es sich zur vornehmsten Aufgabe macht, dem Publikum zahlreiche Begrifflichkeiten für Prostituierte näherzubringen. Die völlig vulgäre Besitzerin dieses Etablissements macht Eva Astor das Leben schwer, ihr Geschäftsführer erweist sich als williger Vasall für das Anwenden jeglicher Gemeinheiten, bis ein rettender Engel am schäbigen Horizont auftaucht. Der Zuschauer ahnt Lichtjahre vor der armen Angelika, dass man sich auf Pinkas Brauns Kreide fressende Art nicht verlassen sollte, doch die nächste Etappe muss den Verlauf irgendwie weiter voranbringen, und das wahlweise noch eindeutiger.

Auffällig und völlig überzeugend zugleich wirkt die passgenaue Wahl der Interpreten, die sich dem hier zugrunde liegenden Konzept mit Hingabe beugen können, es unter Umständen sogar in einer Art und Weise verfeinern, dass sie die ab manchen Stellen auftauchende Behäbigkeit kaschieren können. Ob Ursula Barlen, Monika Zinnenberg, oder Emmerich Schrenk; diese erste Etappe im neuen Leben der weiblichen Hauptrolle wird durch die Niederträchtigkeit der zutiefst ordinären, vielleicht sogar kriminellen Personen geprägt, und es kommt zu sehr netten verbalen Kapriolen, die lediglich von Eva Astor mit Entsetzen, vom Zuschauer aber mit großem Vergnügen quittiert werden. Gelegentlich wirken einige Gebärden etwas hölzern und zu sehr darauf bedacht, den Zuschauer mit der Nase auf die Intention zu stoßen, beziehungsweise nicht falsch interpretiert zu werden, allerdings entsteht hieraus eine ganz besonders charmante Kiste, deren Geschenkpapier man gierig in Fetzen herunterreißt, um an den verführerischen Kern der Sache zu kommen. Dieser kann sehr individuell und unterschiedlich aussehen, aber Fans derartiger Produktionen werden auf jeden Fall einen Stein des Anstoßes finden - im positiven Sinn natürlich. Ákos von Ráthonyi inszeniert für damalige Verhältnisse im eigentlichen Sinn progressiv, was sich nach heutigem Ermessen aber nicht unbedingt in den Bildern und im Ambiente zeigt. Vielleicht kann man sagen, dass der Regisseur sich sperriger und teilweise hölzerner Elemente bedient, um die gesellschaftliche Realität zu simulieren. Dass es dabei zu deftigeren Dialogen und einigen barbusigen Einlagen, homosexuellen Anspielungen oder Strip-Nummern kommt, führt nicht unweigerlich dazu, dass sich die Adressaten direkt angesprochen fühlen, obwohl das Programm doch außergewöhnlich anmutet. Dennoch ist hier der Muff deutscher Wirtschaftswunder-Aktivitäten und eine Art der betonten Diskretion zu vernehmen, und die Regie gewährt einen Blick durch einen schwerfälligen Vorhang, hinter dem es zu einem Spektakel kommt, welches allerdings nur als solches wahrgenommen wird, weil es voyeuristischen Wünschen entspricht.

Ákos von Ráthonyis Inszenierungsstil wurde nicht selten als etwas steril, langweilig oder behäbig kritisiert, doch im Grunde genommen hat man es mit einem der seltenen Realisten im Märchenwald zu tun, der seine Filme mit ein bisschen Fantasie als Spiegel des Verhaltens anlegte. Zumindest phasenweise. Deswegen funktioniert die Schauspieler-Führung unter ihm auch wirklich blendend, die für die größeren Momente seiner Geschichten sorgen. Hier ist vor allem noch das aufmerksame und anfangs dynamische Auge der Kamera zu erwähnen, welches unter Gunter Ottos Aufsicht für außergewöhnliche Intervalle sorgt, bis es aufgrund zu spartanischer Studio-Aufnahmen langsam aber sicher müde wird. Mit musikalischer Untermalung von Herbert Jarczyk, der leider bereits wenige Jahre später verstarb, kommt es für einen derartigen Film zu alternativen Klängen, die zum unwirschen Geschehen jedoch ganz gut passen. Dies lässt sich auch von der bunten Besetzung sagen, die als Einheit nicht besser funktionieren könnte. Die Österreicherin Eva Astor war seinerzeit noch nicht sehr lange im Geschäft, löst die Aufgabe in Sphären der naiven Verführung und hoffnungslosen Aufgeschmissenheit recht gut, präsentiert sich dabei leise als Erziehungsopfer eines patriarchischen Systems ohne einfachen Ausweg. Obwohl viele Hebel in Bewegung gesetzt werden, ist sie stark genug, sich nicht zur Nutte von irgendwelchen Madames oder Zuhälters Gnaden machen zu lassen und fungiert letztlich als Bindeglied zur Halbwelt, die mit guten alten Bekannten ausstaffiert ist. Pinkas Braun als Werner Kästel und Wolf im Schafspelz empfiehlt sich für seinen wenig später in die Kinos gekommenen "Der Bucklige von Soho", in dem er eine nahezu identische Rolle zu spielen hatte. Brauns Umgang mit dem vermeintlich schwachen Geschlecht setzt dabei die deutlichsten Schwerpunkte und lässt insgesamt tief blicken. Die Sentiments der anderen interessieren ihn nicht, wohl aber bare Münze, die seine Pferdchen ohne Widerworte anzuschaffen haben. An Angelika beißt er sich ein bisschen die Zähne aus, bis es letztlich zu Handgreiflichkeiten kommt.

Köstlich ist sein Zusammenspiel mit einer wie üblich überdreht wirkenden Sigrid von Richthofen, die der "Madame Ressel" einen besonders herben Anstrich aus dem Roulette der gängigen Klischees gibt, nicht aber ohne für ihre ganz eigenen Akzentuierungen zu sorgen. Es entsteht der Eindruck, dass ihr diese Selbstinszenierung der Dame von Halbwelt sichtlichen Spaß gemacht haben muss. Sie und Werner Kästel verstehen sich auf der erweiterten Ebene alter Geschäftspartner und es kommt zu grotesken Momenten, vor allem, als er sie mit den Worten »alte Sau!« einfach stehen lässt. Ebenso herausfordernde Leistungen liefern Ursula Barlen, die verbal wohl am exzessivsten um sich ballert, Emmerich Schrenk, der dem Begriff Schmierlappen alle Ehre macht, oder Klaus W. Krause als kleiner Landwirt, der nie etwas anderes als die gute Landluft geatmet hat. Pferdestärken liefern Elma Karlowa, Monika Zinnenberg und vor allem Karin Field, die bereits in Ákos von Ráthonyis "Der Fluch der grünen Augen" zu sehen war und dort eine ebenso gute Figur gemacht hat. Der Verlauf ist mit einer eigenartigen Slapstick-Note versehen, die die anvisierte Brisanz immer wieder ein wenig zu deckeln versucht, aber dennoch bekommt man hier wesentlich mehr Schauwerte geboten, als seinerzeit üblich, was die hohe Altersfreigabe von 18 Jahren erklärt. "St. Pauli Herbertstraße" zog eine Welle von St. Pauli-Reißern nach sich und hat genau so viel oder wenig zu bieten, wie seine Artgenossen. Am Ende bleiben die persönlichen Präferenzen das Maß aller Dinge bei Produktionen mit Kiezer Seele, die sich in auffälliger Art und Weise kopieren wollten, da dies die erfolgversprechendste Variante war. Dieser Beitrag konnte sich als Überraschungserfolg in den Kinos etablieren und ist heute leider vollkommen in Vergessenheit geraten; ein Schicksal, das viele Filme teilen, welches aber nicht immer gerechtfertigt erscheint. Was am Ende für die einen Kolportage oder gar Trash darstellt, ist für andere ein besonders bekömmlicher Leckerbissen, dessen betont Schmutz aufwirbelnder Charakter nicht immer ganz für bare Münze genommen werden sollte. Zu schön um wahr zu sein!

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MÄDCHEN HINTER GITTERN


● MÄDCHEN HINTER GITTERN (D|1965)
mit Heidelinde Weis, Harald Leipnitz, Adelheid Seeck, Harry Riebauer, Sabine Bethmann, Ursula Herking, Ellen Umlauf,
Helga Marlo, Uta Levka, Biggi Freyer, Marianne Hoffmann, Ingrid Bauer, Hans W. Hamacher, Carsta Löck und Elke Aberle
eine Produktion der cCc Filmkunst | im Gloria Verleih
ein Film von Rudolf Zehetgruber

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»Ich schlag euch alle zusammen, ihr Nutten!«


In einer Berliner Fürsorgeanstalt wird straffällig gewordenen Mädchen das Gefängnis erspart. Zu ihren Vergehen gehören Kuppelei, Prostitution, Drogenkonsum oder schwerer Diebstahl. Die Leitung, Frau Dr. Harzeck (Adelheid Seeck), versucht die gefallenen Mädchen mithilfe ihres Personals wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Eines der Mädchen ist die Anfang 20-jährige Karin (Heidelinde Weis), die sich besonders renitent gegenüber Autoritäten verhält und ein besonderes Geheimnis zu haben scheint. Auf ihr Konto soll sogar das Ausscheiden des letzten Seelsorgers gehen. Als der neue Pfarrer namens Skornia (Harald Leipnitz) eintrifft, liegt eine besondere Nervosität in der Luft. Wird es genau dieselben Probleme wie mit dem alten Geistlichen geben, oder wird sich Karin beugen..?

Die skandalträchtigen deutschen Produktionen der 60er Jahre sind bekannt wie bunte Hunde und wurden seinerzeit regelrecht gebrandmarkt, auch wenn es sich in der Rückschau um harmlosere Vertreter gehandelt hat. Rudolf Zehetgrubers "Mädchen hinter Gittern" zählt zu der Fraktion, deren Ruf schlechter gemacht wurde, als verdient, denn immerhin erlaubt sich die Regie den skandalösen Luxus von nicht alltäglichen Schauwerten, um letztlich einen authentischen Anstaltsalltag simulieren zu können. Ob es gelingt oder nicht, lässt sich mit heutigen Maßstäben fast nicht mehr beantworten, denn Vieles wirkt weit überholt und wie das Gegenteil von Authentizität. Es kann nicht häufig genug betont werden, dass es sich um ein großes Glück handelt, dass sich Produzent Artur Brauer immer wieder und unbeirrbar schwierigeren Stoffen annahm und somit für echte Abwechslung in der deutschen Kino-Landschaft sorgen konnte. Die Thematik um gefallene Mädchen war seinerzeit ein bereits gut ausgeschlachteter Dauerbrenner, doch hier wird dem Publikum hin und wieder in deutlicher Manier die Arbeit abgenommen, die Fantasie spielen lassen zu müssen, da Zehetgruber sich nicht scheut, dieses Remake aus dem Jahr 1949 mit eindeutiger Exposition auszustatten, dabei aber gleichzeitig Gefahr zu laufen, eine Altersfreigabe ab 18 zu riskieren, wozu es schließlich auch kam. Die Geschichte beginnt mit der Berichterstattung der besten schlechten Seele der Fürsorgeanstalt, indem sie einer Neuen anhand der Unterwäsche erklärt, welches der Mädchen was auf dem Kerbholz hat. Ein schneller Schwenk in die Duschräume der Anstalt zeigt sogleich das, was eben noch vollmundig angekündigt wurde: nackte Haut, die gleichgesetzt wird mit Leichtfertigkeit, Frivolität und krimineller Energie.

Darstellerinnen wie Uta Levka, Marianne Hoffmann oder Biggi Freyer, die es in den folgenden Jahren zu einer gewissen Bekanntheit aber keinen Karrieren bringen sollten, da sie vornehmlich für die Sparten Erotik und zweite Garnitur gebucht wurden, zeigen die nackten Tatsachen in unreinster Makellosigkeit. Beobachtet und auf den rechten Weg zurückgeführt von Schablonen im Spiegel der Gesellschaft, sieht man verschiedene Entwürfe des Aufsehertypus: Adelheid Seeck mit hoheitsvoller Besonnenheit, Ellen Umlauf mit strenger Reserviertheit und Sabine Bethmann mit freundschaftlichem Verständnis. Die Schauspielerinnen garantieren ihren Schutzbefohlenen somit einen vergleichsweise einfachen Weg zurück in die Gesellschaft mit Elefantengedächtnis, können ihre Renitenz jedoch nicht brechen. So erzählt diese alles andere als uninteressante Geschichte, dass es Hochwürden schon richten wird. In Gestalt von Harald Leipnitz ist schließlich eine bemühte Coolness à la Mid-60er wahrzunehmen, die reichlich unangebracht wirkt, genau wie der Aufhänger der Geschichte, für den Heidelinde Weis zuständig ist. Die Hintergründe der Geschichte um ihre Karin wirken gewollt nebulös, um in den richtigen Momenten für die brisanten Strecken zu sorgen, die gut bei der Stange halten. Heidelinde Weis überzeugt in ihrer Funktion einer Art Anführerin unter den Mädchen, die es auf einen Clash mit dem Pfarrer anlegen wird. Leider wird ihre Schlagfertigkeit von Harald Leipnitz' Omnipotenz unterwandert, außerdem wirkt Weis etwas zu kultiviert für diese Art Rolle, was sich vielleicht aus ihrer Film-Herkunft ergeben mag, allerdings kaum die Abwärtsspirale charakterisiert, in der sie sich befindet. Somit heben sich die natürlichen Stärken im Zusammenspiel Leipnitz/Weis ein wenig gegeneinander auf, da es stets einen Stichwortgeber braucht.

Die Mädchen in der Besserungsanstalt hätten alle ihre persönlichen Schicksale zu erzählen, doch es fehlt an Raum und Zeit, sodass die Wurzeln allen Übels auf die Herren der Schöpfung subsumiert werden. Der Verlauf erlaubt sich keine Pausen und erzählt interessante Facetten von Schein und Sein, außerdem davon, wie schnell die jungen Mädchen aufgrund ihrer Unerfahrenheit und Naivität kassiert werden können. In diesem Zusammenhang übertrifft sich ein vor falschem Charme triefender Harry Riebauer selbst und bringt sich gekonnt in den Radius des Hassobjekts. Überhaupt ist Rudolf Zehetgrubers Film blendend besetzt und verfügt insbesondere über Interpretinnen wie Adelheid Seeck als mütterlich wirkende Leiterin der Besserungsanstalt, oder Ellen Umlauf als Kommandeurin, die beide wegen ihres konturierten Stils auffallen. Sabine Bethmann, Helga Marlo oder Ursula Herking steuern ebenso erinnerungswürdige Leistungen bei. Lediglich Elke Aberle fällt ein wenig aus dem vorstrukturierten Rahmen, da sie für die komödiantischen Auflockerungsversuche verantwortlich ist. Die Geschichte behält sich ihre am meisten gewagten Veranschaulichungen für später vor, sodass der Eindruck bestehen bleibt, dass die Regie ihre eigentlich herkömmliche Geschichte mit genügend Brisanz und Farbtupfern ausstatten konnte. Unterm Strich lässt sich sagen, dass "Mädchen hinter Gittern" ein gelungener Vertreter des deutschen Films seiner Zeit geworden ist, der in vielen Bereichen über ein bisschen mehr Mut und Provokation verfügt, als es bei Artgenossen oder obligatorischen Vertretern des bundesdeutschen Skandalfilms üblich war. Eingefasst in einen heute harmlos wirkenden Gossenton und eine dynamische Bebilderung, kann sich der Beitrag des Wiener Regisseurs durchaus sehen lassen, nicht zuletzt wegen den unverbrauchten, beziehungsweise verbrauchten Jung-Darstellerinnen.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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DAS FLEISCH DER ORCHIDEE


● LE CHAIR DE L'ORCHIDÉE / UN'OCHIDEA ROSSO SANGUE / DAS FLEISCH DER ORCHIDEE (F|I|D|1974)
mit Charlotte Rampling, Bruno Cremer, Edwige Feuillère, Alida Valli, Hans Christian Blech, François Simon, Hugues Quester,
Rémy Germain, Marie-Louise Ebeli, Pierre Asso, Marcel Imhoff, Ève Francis, Günter Meisner, Eddy Roos und Simone Signoret
eine Vincent Malle Produktion | Paris-Cannes | Les Films Méreic | Les Films de l'Astrophore | Office de Radiodiffusion Télévision Française |
Oceania Produzioni Internationali Cinematografiche | T.I.T. Filmproduktion | im Verleih der Cinerama Filmgesellschaft
nach dem Roman von James Hadley Chase
ein Film von Patrice Chéreau

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»Ein bisschen Schizophrenie hat noch niemanden gehindert, eine Bank zu leiten!«


Madame Bastier-Wegener (Edwige Feuillère) veranlasst die Einweisung ihrer Nichte Claire (Charlotte Rampling) in eine Irrenanstalt und hofft, dass sie dort für immer verschwindet, um sich ihr Millionenerbe anzueignen. Claire gilt bei allen Beteiligten als verrückt und dieser Eindruck wird von ihr selbst untermauert, als es zu einem blutigen Zwischenfall kommt, bei dem sie dem Gärtner des Hauses die Augen aussticht. Seitdem befindet sich die junge Frau auf der Flucht, lernt dabei aber den Pferdezüchter Louis Delage (Bruno Cremer) kennen, in den sie sich verliebt. Als einer von Louis' Bekannten ermordet aufgefunden wird und er die Täter erkennt, gerät er als Augenzeuge in Lebensgefahr. Claire hingegen, muss vor der Entourage ihrer gierigen Tante Angst haben, sodass die beiden nicht zur Ruhe kommen...

Bei Filmen mit mehreren Produktionspartnern lässt sich nicht selten ein interessantes Wechselspiel unterschiedlicher Auffassungen und Durchsetzungskraft beobachten, bis sich am Ende herausstellt, ob es zu einem gelungenen Konglomerat gekommen ist, oder sich eine länderspezifische Handschrift durchsetzen kann. Coproduzierte Filme der Münchner T.I.T.-Film bieten für deutsche Verhältnisse stets ein ungewöhnliches Progressiv-Angebot an, das es hierzulande gerne häufiger hätte geben dürfen. In der Regel profitierte die Produktionsfirma vom internationalen Strang, was im Endeffekt ein bisschen mehr bedeutet, als nur interessante bis bekannte deutsche Schauspieler zu platzieren. Ein italienischer Partner deutet häufig auf eine mehr auf Nervenkitzel ausgelegte Art der Bearbeitung hin, wobei sich unter Regisseur Patrice Chéreau eine erdrückende französische Tristesse durchsetzt, deren Vorboten Regen, Gewitter, Nebelschwaden und letztlich Tod sein werden. Für einen Debütfilm eines Regisseurs ist mit "Das Fleisch der Orchidee" ein überaus verlockender Titel, als auch bemerkenswertes Stück filmische Überlänge entstanden, welche streckenweise vielleicht noch ein bisschen zu sehr mit dem Austarieren der verschiedenen Kräfte, Störungen und geheimnisvollen Fragmente beschäftigt ist, ohne hin und wieder zu überladen, in die Länge gezogen oder schwerfällig zu wirken, denn im Grunde genommen handelt es sich um einen Film, von dem man sich bei fortlaufender Zeit wünscht, dass er einfach nicht aufhören soll, da das Angebot überaus faszinierend wirkt. Klassifiziert als Kriminalfilm, bekommt man eine zu triviale und wenig treffende Einschätzung serviert, denn hier bewegen sich Welten und aggressive Kräfte zwischen Wirklichkeit und Illusion hin und her, sodass man am Ende oft selbst zweifelt, ob man richtig gesehen oder gehört hat. Wie man so schön sagt, macht es hier die Inszenierung mit deren zahlreichen destruktiven Einfällen, und nicht etwa hauptsächlich die Geschichte, die mit ihren herkömmlichen Elementen kokettiert. Bevor man hier begreifen kann, werden etliche Personen zur oder durch die Hölle geschickt.

Für dieses Ticket zeigt sich die rätselhafte Claire verantwortlich, eine nicht zu dechiffrierende Mischung aus Protagonistin und Antagonistin, Verführung und Gefahr, deren künstlich gestricktes Schicksal als guter Aufhänger für das Gesamtgeschehen dient. Untergebracht in einem Sanatorium für höhere Töchter und lebende Tote, zeigt ihre erste Szene bereits, was mit ihr offenbar schon häufiger geschehen ist, denn der Gärtner des Anwesens versucht die außergewöhnlich schöne Frau zu vergewaltigen. Doch sie lässt sich weder vom Bock noch vom Gärtner missbrauchen, bis man einen entsetzlichen Schrei hört, welcher der Startschuss für ihre Flucht aus diesem schrecklichen Haus darstellt. Claire hat ihrem Peiniger die Augen ausgestochen, unterm Strich eine drakonische und ebenso symbolische Bestrafung. Dem Publikum werden verschiedene Personen wie milde Gaben vor die Füße geworfen, die sich jedoch nach kürzester Zeit als ungenießbar erweisen, sodass es gar nicht so einfach wird, sich seine persönlichen Anker in der Geschichte zu suchen. Claire macht weiterhin Jagd auf kalte Augen, richtet ihre Peiniger förmlich hin, doch sie leben weiter. Sie beantwortet Fragen, die nie gestellt wurden, präsentiert sich als unschuldiges Opfer eines doppelten Spiels, könnte jedoch genauso gut die Verrückte sein, für die sie gehalten wird. Da dieses Brandzeichen von ihrer eigenen Tante angefertigt wurde, die das immense Vermögen ihres Bruders lieber in ihrer eigenen Tasche sehen möchte, will sie Claire mit dem Stempel der Schizophrenen kaltstellen, was auch weitgehend gelingt. So kommt es wie von selbst dazu, dass man sich gemeinsam mit einer kühl-leidenschaftlichen Charlotte Rampling auf die Suche nach der Wahrheit begibt, die weit in der Vergangenheit vergraben wurde, genau wie die vielen Leichen, die dazu gehören. Synchronisiert von der großartigen Karin Kernke, entsteht aufgrund ihrer unverwechselbaren Stimme eine Konversation im Telegrammstil, sowie eine unwirklich-statische Wärme, umgeben von merklicher Eiseskälte. Die Regie spielt mit diesen Gegensätzlichkeiten, um das Publikum zu irritieren und stets auf einer falschen Fährte zu halten.

Die Witterung und Ambientes wirken deprimierend und sorgen für eine empfundene Kälte und Unbehagen. Die Hoffnung, endlich einmal eine grelle oder intensive Farbe wahrzunehmen, erfüllt sich in betonter Art und Weise nicht. Alle Farben, alle Hoffnungen und alle Emotionen scheinen verblasst zu sein. "Das Fleisch der Orchidee" verfügt über eine beeindruckende Architektur und viel Verworfenheit, sodass sich die beteiligten Charaktere wahlweise gleich selbst vorstellen. Meistens ist ihr Handeln schwer zu verstehen, die Konstellationen untereinander unklar und selbst die Zuneigungen und Connections erscheinen zweifelhaft zu sein, doch auch dieses schlimm in sich verhedderte Wollknäuel wird sich irgendwie entwirren, da die Regie aufmerksam bis zum bitteren Ende bleibt. Der Drive der ersten Hälfte verliert sich in der zweiten ein wenig, aber hier gibt es auch mehrere Hintergrundinformationen zu erfahren, die zum finalen Verständnis beitragen. Großartige Interpreten veredeln die Geschichte mit ihren individuellen Möglichkeiten und kreieren einen Seiltanz fernab der Realität. Sind solche Menschen auch außerhalb einschlägiger Dramaturgien zu finden oder existieren sie nur in besonders ideenreichen Fantasien? Der Film behält sich vor, dass nichts auszuschließen ist und dass man sich mit Vertrauen aber auch Verurteilungen zurückhalten sollte, da die Gefahr besteht, sich schnell auf Irrwegen wiederfinden zu können. Vor allem Charlotte Ramplings temperamentvolle Szenen verleiten dazu, sich einzubilden, dass sie greifbar wäre. Sobald man jedoch die Hand nach ihr ausstreckt, kommt es zu einer unangenehmen Art der Unberechenbarkeit und abweisenden Statik. Ihr Partner Bruno Cremer scheint unter ihrem persönlichen Welpenschutz zu stehen, da sie ihm seine Augen lässt, doch es trachten ihm ganz andere Zeitgenossen nach dem Leben, eben weil er sie sehen konnte. Es kommt zu Begegnungen der völlig grusligen Sorte, vor allem mit einem fantastisch aufspielenden Duo, bestehend aus Hans Christian Blech und François Simon, welches dem personifizierten Sensenmann den Rang abzulaufen versucht.

Nicht minder einschüchternd wirkt Claires Tante alias Edwige Feuillère, die eine anti-emotionale Obszönität an den Tag legt, die verstört. Ihr Sohn Arnaud scheint ebenfalls vollkommen gestört zu sein, und wenn man ihre Entourage hinzuaddiert, weiß man, dass man Sicherheitsabstand halten sollte. Am Ende handelt es sich um großartige Interpretationen in einer unübersichtlichen Gemengelage, die gefährlich wirkt. Abgerundet durch das späte Auftauchen großer Stars wie Simone Signoret und Alida Valli, kommt es zu formvollendeten Momenten, doch die gespielten Charaktere riechen allzu sehr nach Fäulnis und Verworfenheit. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, die Antwort kennt nur der Regen und die Personen reduzieren sich auf bloße Erfindungen des Autors James Hadley Chase und Regisseurs Patrice Chéreau - oder doch nicht? "Das Fleisch der Orchidee" ist als anspruchsvoller, fordernder und unbequemer Beitrag im Lauf der Jahre bestimmt nicht vollkommen in Vergessenheit geraten, den dafür ist das Gezeigte zu erinnerungswürdig, doch der Film ist gewiss aus dem Fokus würdiger Präsentationen gerückt, da es im Bereich der Visualisierung oftmals strapaziös wird. Auch die von Gier, Hass und Unwissenheit getriebenen Personen erscheinen beinahe allesamt nicht salonfähig zu sein, sodass es für den Zuschauer spannend wird, die gebotenen Rochaden zu beobachten, die nicht selten einer unangenehm berührenden Scharade gleichen. Die Regie inszeniert in Zuständen des puren Luxus, da sie nicht auf die Sentiments des Publikums Rücksicht nimmt, wohl aber die Ressentiments ihrer Charaktere auf einem finalen Silbertablett serviert. Ein cleverer Paukenschlag veredelt diese bemerkenswerte Veranstaltung, die sich so wenig an die Gesetze des Unterhaltungsfilms zu halten scheint, und beeindruckt mit kritischen, progressiven aber auch destruktiven Untertönen, verliert sich dabei überraschenderweise jedoch nie in Resignation. Um hier annehmen zu können - oder wahlweise eben nicht - sollte man sich dieses bis zur Unkenntlichkeit entstellte Juwel selbst anschauen, wann immer sich die Möglichkeit dazu bietet. Ein beeindruckendes Filmerlebnis.

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MÄDCHEN ZWISCHEN SEX UND SÜNDE


● THE ALLEY CATS / MÄDCHEN ZWISCHEN SEX UND SÜNDE (US|1966)
mit Anne Arthur, Karin Field, Sabrina Koch, Uta Levka, Alexander Allerson, Harald Baerow,
Olin Osman, Sergio Casmai, Christa Roll, Klaus Hoeft, Michael Münzer und Charlie Hickman
eine Produktion der Spear Incorporated | J.C. Productions | im Constantin Filmverleih
ein Film von Radley Metzger

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»Are you afraid to make love?«


Der Architekt Logan (Charlie Hickman) hat einen Verdacht, den er im Bett mit seiner Geliebten Agnes (Karin Field) bespricht: Er vermutet, dass seine Verlobte Leslie (Anne Arthur) ihn betrügt. Da ihn das Recht der Gleichheit offenbar unberührt lässt, versucht er Näheres darüber herauszubringen und ist sehr eifersüchtig und wütend. Leslie, die sich von ihrem Freund nicht richtig gesehen fühlt, zieht derweil etwas ziellos umher, bis sie auf ausgelassenen Partys als leicht zu erbeutendes Objekt identifiziert wird. Doch nicht nur Männer fühlen sich von der schönen jungen Frau angesprochen, sondern auch einige Damen...

Filme wie Radley Metzgers "Mädchen zwischen Sex und Sünde" - nicht selten zu plumpen Sexfilmen degradiert - wurden gerne mit der pädagogischen Empfehlung »Wir raten ab!« ausgestattet, was gerade hier im herben Kontrast zu dem überaus ästhetischen Angebot steht. Ähnlich wie in dessen ein Jahr später herausgebrachten "Carmen Baby" stellt Metzger sein Gespür für das Kreieren einer erotischen Atmosphäre unter Beweis, die hier noch ein wenig diskreter in Szene gesetzt wirkt, sich dabei bevorzugt in Andeutungen oder der Peripherie verliert, was jedoch ebenso prickelnde Eindrücke hervorrufen kann. Baut man auf die zeitgenössische Kritik, wirkt es so, als komme etwas Unkonsumierbares auf einen zu, doch dabei handelt es sich um eine klassische Film-Ente, denn Radley Metzger nimmt den Interessenten mit in eine Parallelwelt der Erotik. Am Ende stellt sich die Frage, ob die Realität mit all ihren gesellschaftlichen Konventionen und Zwangsjacken nicht eher eine dieser Parallelwelten darstellt, die an der Wirklichkeit vorbeigeht, doch Metzger hält kein Tribunal ab, da er es sich zur vornehmsten Aufgabe macht, das Publikum mit schönen und nahezu poetischen Eindrücken zu versorgen. Mithilfe einer dieser vielen einfachen Geschichten, kommt der Verlauf ohne viel Aufhebens in Gang, und es geht um Beziehungen, Liebe und Libido, bis man alle beteiligten Titelmädchen vorgestellt bekommen hat. Die Brisanz ergibt sich aus ihren grundlegenden Unterschieden, denn die eine ist ungefestigt und suchend, gerade im Begriff alles Unbekannte kennenzulernen. Die anderen beiden trumpfen mit Erfahrung auf, außerdem zwei Arten von Leichtfertigkeit, die sich in ihrer Strategie unterscheiden. Leider in der Versenkung verschwunden, stellt "Mädchen zwischen Sex und Sünde" heutzutage eine Art Kultfilm eines Kult-Regisseurs dar, dessen Filme über eine erstaunliche Auto-Ästhetik verfügen, da Metzger mit den richtigen Leuten zusammenarbeitet und die Einfachheit der Situationen in den Fokus hebt, er am Ende auch schlicht das Auge für derartige Präsentationen hat.

Der Architekt Logen alias Charlie Hickman vergnügt sich mit seiner Affäre namens Agnes, die eindeutig unter Beweis stellt, warum sie die erste Wahl neben seiner Verlobten ist. Sie macht alles, ohne erst gefragt zu werden, und das mit purer Wonne. Als die beiden fertig sind, kommt es zu einer denkwürdigen Anmerkung seitens Charlie: »Ich denke, dass mich meine Verlobte betrügt!« Der Zuschauer denkt sich, dass er doch seine Verlobte betrügt, aber soweit ist die in schönen Schwarzweiß-Bildern eingefangene Story noch nicht, dass man viel über die Verhältnisse wissen könnte. Klar ist bislang nur, dass Radley Metzger die Zeigefreudigkeit seiner Interpretinnen hauptsächlich in die Fantasie seines Publikums verlagert und sich somit geschickt aus der Affäre zieht, falls es darum geht, etwas mehr zeigen zu müssen. Diese Strategie geht in einer Art und Weise auf, die zu einer besonderen Art der Ungeduld im Rahmen prickelnder Erotik führt, sodass die Geschichte - die hauptsächlich über erotische Höhepunkte verfügt - zum Selbstläufer wird. Leslie, die Verlobte, begibt sich auf eine Reise in die Ungewissheit. Ihr attraktives Aussehen ist mit einer Unschuld-Attitüde gekoppelt, die reihenweise Interessenten fabriziert, und sie ungefähr so wirken lässt wie das grüne Gras, das im Endeffekt gar nicht weiß, wie grün es eigentlich ist. Hauptdarstellerin Anne Arthur, die ihr filmisches Intermezzo offensichtlich mit dieser Produktion begann und gleichzeitig wieder beendete, spielt atemberaubend körperlich auf, ohne sich dabei zu verschenken. Schnell lernt sie die Blicke der anderen zu deuten, die Begierden zu begreifen, sich selbst gefügig zu machen, da es sonst andere erledigen würden. Arthur verfügt über Klasse und Aura, sie interessiert sich jedoch scheinbar nur für ihren Verlobten, der es nach Ansicht des Zuschauers kaum verdient hat. Andererseits versteht man auch nur zu gut, dass er gerade einer zügellosen und sexuell völlig resoluten Karin Field verfällt, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ihre Agnes personifiziert eine andere Art der Verführung, die unterm Strich auch viel gefährlicher wirkt, als die von ihrer Kollegin Anne Arthur.

So bleibt zu sagen, dass Karin Field erneut mit einer Art der Anziehung kokettiert, die sich auf eine unberechenbare Art und Weise offenbart. Mit Radley Metzgers Angebot erlebt man quasi Libido auf den ersten Blick, und obwohl die Zeigefreudigkeit meistens an der Kette bleibt, übersteigt seine Geschichte die handelsübliche und oft langweilige Verbal- oder Pseudo-Erotik, denn hier werden regelrechte Expertinnen losgelassen, deren physische Argumente entwaffnend sind. Sabrina Koch - leider nur Gelegenheitsschauspielerin in zwei Produktionen - bietet wiederum eine zusätzliche Variation weiblichen Kalküls und knisternder Erotik an, Uta Levka empfiehlt sich für die Titelrolle in "Carmen Baby". Nimmt man den deutschen Titel der Produktion, so verspricht er im Auge damaliger Ansichten vielleicht nicht zu viel, wirkt für heutige Begriffe trotz klarer Worte aber umso ungenauer, da sich die Ankündigung der Sünde fast erübrigt, und eher bei den männlichen Pendants der "Alley Cats" zu finden ist. Zwar schleichen sie hier unaufhörlich umher, um ihre Beute zu erlegen oder um selbst erlegt zu werden, aber es geht keine Gefahr von ihnen aus, die nicht zu bändigen wäre. Der Verlauf wird durch straffe Montagen gekrönt, die in der meistens betont gelassenen und stets bedachten Geschichte für einen eigenwilligen Drive sorgen, bis die Stationen der läufigen Katzen abgearbeitet sind. Dass sowohl der pure Spaß an der Sache, Melancholie und Findung, nymphomanische oder lesbische Tendenzen im Vordergrund stehen, macht am Ende keinen Unterschied, da es sich um eine der vielen interessanten aber einfachen Geschichten handelt, die vereinnahmen, unterhalten und begeistern. Am Ende ist "Mädchen zwischen Sex und Sünde" ein hochästhetischer Trip in die Gefühlswelten der Protagonisten geworden, die von Anne Arthur über Charlie Hickman bis Karin Field und Sabrina Koch sehr gute Eindrücke hinterlassen und die Fantasie unverblümt beflügeln. Die oftmals ungenau wirkende Dialogarbeit wird durch pikantes und ausreichend vorhandenes Lustgestöhn wettgemacht, und es ist anregend, die Damen bei diesem erotischen Trip zu begleiten.

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Sean Connery

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● FROM RUSSIA WITH LOVE / JAMES BOND 007 - LIEBESGRÜẞE AUS MOSKAU (GB|1963)
mit Daniela Bianchi, Pedro Armendáriz, Robert Shaw, Bernard Lee, Eunice Gayson, Walter Gotell, Lois Maxwell, Desmond Llewelyn,
Francis de Wolff, George Pastell, Nadja Regin, Anthony Dawson, Vladek Sheybal, Martine Beswick, Hasan Ceylan und Lotte Lenya
eine Produktion der Eon Productions | im Verleih der United Artists
Ein Film von Terence Young

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»Russische Uhren gehen immer richtig!«


Die geheime Verbrecherorganisation "Phantom" will sich für den Tod ihres strategischen Partners "Dr. No" rächen und gleichzeitig soll der Sowjetunion eine neuartige Dechiffriermaschine entwendet werden, um sie wieder für ein Vielfaches des Preises an sie zurück zu verkaufen. Des Weiteren rekrutiert die Organisation Rosa Klebb (Lotte Lenya), die ehemalige Chefin des sowjetischen Geheimdienstes, um das Vorhaben voranzutreiben. Ihr unterstellt ist die Dechiffrier-Expertin Tatiana Romanova (Daniela Bianchi), der man vortäuscht, dass sie ihren Auftrag für ihr Mutterland erfülle. Tatiana soll eine Affäre mit James Bond (Sean Connery) eingehen, um gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Anvisiert ist nicht nur die Erfüllung des Plans der Verbrecherorganisation, sondern gleichzeitig die Beseitigung James Bonds...

"Liebesgrüße aus Moskau" ging im Jahr 1963 als zweiter Vertreter der Bond-Reihe an den Start und konnte international große Erfolge verbuchen. Mit einem Produktionsbudget von etwa 2 Millionen US-Dollar konnte der Film beinahe das vierzigfache seiner Kosten wieder einspielen und dokumentiert nicht zuletzt deswegen, dass die Zeit genau richtig für derartig aufwändige, aber ebenso leichtfüßige Geheimagenten-Thriller war. Die seinerzeit brandaktuelle Thematik rund um Spionage und Manipulation durch Geheimdienste wirkt auch heute noch sehr ansprechend und spannend umgesetzt, wenngleich sich Terence Youngs Beitrag mit ein paar Längen auseinanderzusetzen hat, die allerdings nicht gravierend ins Gewicht fallen, da Sequenzen abgehandelt werden, die einen sorgsam durchdachten Aufbau unterstreichen. Eine prominente Rolle nimmt die Verbrecherorganisation "Phantom" ein, die gleichzeitig auch die Schachfiguren in diesem tödlichen Spiel rekrutiert und stellt. Der Kopf des Ganzen bleibt dabei weitgehend ohne physisches Profil und es ist hauptsächlich seine fordernde Stimme zu hören, die in der englischen Sprachversion vom Österreicher Eric Pohlmann übernommen wurde und um einiges nachhaltiger wirkt, als in der deutschen. Nichtsdestotrotz scheint dieser Unbekannte gnädiger mit seiner Katze umzugehen, als mit Untergebenen, falls sie seine Befehle nicht, oder nur halbherzig ausführen. Die Geschichte rund um die gestohlene Lector erscheint auf den ersten sowie den zweiten Blick etwas unspektakulär zu sein, jedoch ergeben sich genau hieraus die Zusammenhänge und wichtigen Handlungsstränge. So kommt die Story ganz natürlich ins Rollen, sodass bei dieser Gelegenheit alle wichtigen Charaktere vorgestellt werden können.

Das halsbrecherische und mörderische Tauziehen um die bessere Position gestaltet sich hoch interessant, denn sowjetische Härte, britischer Esprit und exotische Würze finden sich zusammen. Hinzu kommen beeindruckende Schauplätze und nette Spielereien aus dem obligatorischen Bond-Repertoire, was der Geschichte, die sich dem Empfinden nach sehr nah an der Realität abspielt, erinnerungswürdige Konturen verleiht. Mit Sean Connery ist der Mann der ersten Stunde zu sehen, und bereits hier zeichnet sich ganz deutlich ab, dass er mit jedem seiner Auftritte wachsen konnte. James Bond ist erwartungsgemäß mit allen Wassern gewaschen. Typische Charakteristika wie die schnelle Kombinations- und Auffassungsgabe, eine übernatürliche Cleverness und eine gute Portion Kaltschnäuzigkeit eines echten Gentleman lassen den Zuschauer gebannt dabei zusehen, wie 007 einen Kontrahenten nach dem anderen ausschalten kann, selbst wenn es zu überaus bedrohlichen Phasen kommt, in denen andere längst umgekommen wären. An seiner Seite ist Daniela Bianchi zu sehen, die mit "Ließesgrüße aus Moskau" ihren internationalen Durchbruch feiern konnte. Interessant ist übrigens die Tatsache, dass es sich hierbei um ihre erste und einzige englischsprachige Rolle handelt. Die Italienerin bringt alles mit, was der Zuschauer mit einem klassischen Bondgirl assoziiert, obwohl sie mit Reserviertheit und merklicher Unterkühltheit zu agieren hat. Dennoch stimmt der Sex-Appeal, außerdem ist eine dynamische Leistung wahrzunehmen, die bestimmt in Erinnerung bleiben wird. Ebenso erwähnenswert sind Robert Shaw und Lotte Lenya, die brandgefährlichen Figuren der Gegenseite, die sich buchstäblich jenseits von Gut und Böse bewegen.

Insbesondere die Wahl-Amerikanerin und gebürtige Wienerin Lotte Lenya stellt quasi eine Art Prototyp der aggressivsten Sorte dar, für die Moral und Sentimentalität Fremdwörter zu sein scheinen. Als hochkarätig abgeworbene Geheimdienstfunktionärin der Sowjets, liefert sie als Rosa Klebb eine Performance, die in die James-Bond-Geschichtsbücher eingehen sollte; eine Darbietung, die an Boshaftigkeit und negativer Energie kaum zu überbieten ist. In der selben Liga spielt der Brite Robert Shaw, dessen eigene Überheblichkeit und Verachtung ihm in hoch intensiven Sequenzen zum Verhängnis werden wird. Exzellente Interpreten staffieren den Verlauf bemerkenswert gut aus, erhalten jedoch nicht den Raum, um der Titelfigur das Wasser abgraben zu können. "Liebesgrüße aus Moskau" verfügt insgesamt über einen klar definierten Aufbau, der oftmals wie eine chronologische Abhandlung wirkt. Zahlreiche Stolpersteine lassen zwar nie das Gefühl aufkommen, dass es für den Geheimdienst Ihrer Majestät unlösbar schwierig werden könnte, allerdings bewegen sich Gut und Böse über lange Zeit auf Augenhöhe, da viele positiv angelegte Personen das Zeitliche segnen müssen. Die Gefahr bekommt stets die passenden Gesichter, doch diese hängen nur wie Marionetten an den Fäden, die im Hinterhalt bedient werden. Das perfide Phantom bleibt spannungsfördernd im Hintergrund positioniert und demonstriert hin und wieder seine Macht und Verworfenheit, was sehr gut anzukommen weiß. Terence Young pflastert den Weg zum großen Finale mit vielen Leichen und empfindlich berührenden Schockmomenten, um am Ende der gelungenen Veranstaltung noch einmal giftig auftrumpfen zu können. Alles in allem handelt es sich bei Beitrag 002 um einen echten Klassiker der Reihe.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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FÜR ZWEI GROSCHEN ZÄRTLICHKEIT


● FÜR ZWEI GROSCHEN ZÄRTLICHKEIT / KÆRLIGHED MOD BETALING (D|DK|1957)
mit Ingmar Zeisberg, Claus Holm, Erwin Strahl, Irene Mann, Inger Lassen, Paul Westermeier, Heinz Klevenow, Hannelore Wahl, Ilona Wiedem,
Gerd Frickhöffer, Josef Dahmen, Karl-Heinz Peters, Erwin Linder, Gerda Madsen, Asbjørn Andersen, Thecla Boesen, Edith Pio und Kai Fischer
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Arthur Maria Rabenalt

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»Willkommen in Dänemark!«


Eva Bernhardt (Ingmar Zeisberg) verliert ihre Anstellung, da sie in Räumlichkeiten des Betriebes mit dem Zeichner Josef Hartlieb (Gerd Frickhöffer) in flagranti erwischt wurde. Da sie zu Hause den Übergriffen ihres Stiefvaters (Josef Dahmen) ausgesetzt ist, flieht sie zu ihrer Freundin Marianne (Kai Fischer) nach Kopenhagen, die dort unter dem Namen Ria in einem Amüsierbetrieb bekannt ist. Über die Grenze wird sie von dem Fernfahrer Hendrik Pedersen (Claus Holm) gebracht, der sich sehr für die junge Frau interessiert, doch ein weiteres Treffen kommt nicht mehr zustande. Eva gerät an den Zuhälter Luigi Moretti (Erwin Strahl), der sie auf die schiefe Bahn zieht, doch Hendrik kann Eva einfach nicht mehr vergessen. Als sie sich wieder treffen, hat Eva einiges zu verschweigen...

»Die Anständigen... Die fallen immer zuerst!« Ob dieser Satz weise klingt oder eher wie ein albernes Klischee, klärt sich in dieser ungewöhnlich freizügigen Geschichte schnell und wie von selbst, denn Regisseur Arthur Maria Rabenalt setzt tatsächlich alles auf eine Karte und bietet nicht nur Gedankenfutter an, sondern gleich nackte Tatsachen. Bei dieser frühen Produktion der dänischen Rialto Film Preben Philipsen, die mit der Wallace-Reihe noch große Erfolge feiern sollte, handelt es sich quasi um eine seltene Variante der 50er Jahre, nicht nur eine Freigabe ab 18 Jahren zu provozieren, sondern diese auch ganz selbstbewusst zu vertreten. Die hier zugrundeliegende Geschichte wirkt hingegen handelsüblich, wenn auch nicht uninteressant, zumal sie größtenteils in Dänemark spielt, wo die Uhren auch nicht anders zu gehen scheinen - zumindest was das Geschäft mit schönen Frauen angeht. Kaum hat der Film begonnen und man traut seinen Augen nicht, da man Ingmar Zeisberg komplett nackt wahrnehmen kann, auch wenn es sich zunächst nur um eine Spiegelung handelt, bis man darin bestätigt wird, dass es nicht nur eine Sinnestäuschung ist, was übrigens später bei Kai Fischer genauso sein wird, da ihre Ria laut eigenen Angaben immer nackt zu schlafen pflegt. Diese ungewöhnliche Offensiv-Erotik schüttelt den oft so angestaubt wirkenden spekulativen Sex ab, verleiht der Veranstaltung somit eine höhere Glaubwürdigkeit, die als Ausgleich für ein paar kleinere Durchhänger fungiert, in denen es um klassische Versatzstücke der Liebes-Schmonzette geht. "Für ein paar Groschen Zärtlichkeit" deutet schon alleine des Titels wegen auf eine in sich wohnende Ambivalenz hin, da Bezahlung und Zärtlichkeit nicht so recht zusammenpassen wollen, was sich vor allem auf das älteste Gewerbe der Welt bezieht, es sei denn, dass beide Begriffe käuflich zu erwerben wären.

Im Endeffekt versuchen sich die Guten und die Schlechten zurechtzufinden, auch wenn es wechselseitige Abstecher auf die verschiedenen Bahnen gibt. Das Auftauchen eines skrupellosen Zuhälters macht die Gefahr schließlich perfekt, sodass mit der weiblichen Hauptfigur mitfiebern kann. Erwin Strahl als Maquereau wirkt dandyhaft, blasiert, geschäftstüchtig, aber charmant genug, sich die Frauen seiner Wahl an Land zu ziehen, immerhin muss er ja auch von etwas leben, da er beschlossen hat, nicht arbeiten zu wollen. So kann eins zum anderen kommen und die brave Ingmar Zeisberg, die mittlerweile zu einer Freundin nach Dänemark geflohen ist, soll für ihn anschaffen. Zu Haue in Deutschland wurde ihr die Ehe versprochen, wofür sie den Spaß lieferte. Da sich dieser in den Geschäftsräumen der Firma abspielte, in der sie angestellt war, verlor sie ihren Job. Auch den Annäherungsversuchen des Neuen ihrer Mutter konnte sie kaum noch standhalten. »Hol dir einen Kerl woher du willst, aber nicht aus meinem Bett!«, ist nur ein Ausdruck der grenzenlosen Mutterliebe, die Eva erfahren hat. Ein Fernfahrer liest sie auf und bringt sie schwarz über die Grenze nach Dänemark, wobei sie überhaupt nicht ahnt, dass dieser rechtschaffene Kerl ihr buchstäbliches Ticket in ein besseres Leben sein könnte. Doch zunächst muss sie durch eine harte Schule, bis sie in einem Tanzlokal oder einem Bordell landet. Das Verhalten der jungen Eva erscheint etwas naiv, allerdings entsteht dieser Eindruck vor allem dadurch, weil Blauäugigkeit und Ingmar Zeisberg nicht so recht zueinander passen wollen, da sie sich mit selbstbewussten Charakteren einen Namen machen konnte, auch wenn man sie hier erst in ihrem achten Film sieht. An ihrer Seite steht Claus Holm als moralischer Anker zwischen so viel halbseidenen Geschehnissen, doch das Schicksal und ein Zuhälter arbeiten gegen ihn und die natürliche Findung, bis alles außer Kontrolle zu geraten droht.

Interessante deutsche und dänische Schauspieler sorgen im Endeffekt für die vielen Nuancen innerhalb der verschiedenen Handlungsstränge, die von Regisseur Rabenalt gut miteinander verknüpft werden. Vor allem Ingmar Zeisberg und Claus Holm verleihen der Angelegenheit eine spürbare Glaubwürdigkeit, wenngleich der Film seine Verjährungsfrist bereits gesehen hat, und Vieles nach heutigen Maßstäben nicht mehr so brisant wirkt wie damals. Kai Fischer ist trotz ihres jungen Alters bereits in ihrer Paraderolle als gut kalkulierender und prickelnder Blickfang zu sehen, die hier Männer beglückt, wenn sie tief genug in die Brieftasche greifen. Ihr leichtfüßiges Spiel steht konträr zu der angedeuteten schweren Arbeit, und sie passt natürlich perfekt in eine derartige Geschichte, in der es maßgeblich um Zwangsprostitution geht. Des Weiteren sind Inger Lassen, Heinz Klevenow, Gerd Frickhöffer, Josef Dahmen oder Irene Mann zu sehen, die neben den vielen anderen Interpreten recht gute Eindrücke hinterlassen. Handelsübliche Tanzeinlagen und entsprechende Schlüpfrigkeiten wirken hier spätestens ab dem Zeitpunkt wie Peanuts, an dem Ingmar Zeisberg erneut oben ohne beim Fotografen zu sehen ist; eine Tatsache, die in ihrer Filmografie vermutlich beispiellos geblieben ist. Schöne Aufnahmen in Kopenhagen sorgen für unbeschwerte Atempausen in einem Verlauf, der über rasante Passagen verfügt, die ihren Zenit jedoch nie überschreiten. Für heutige Begriffe mag Arthur Maria Rabenalts Sittenreißer vielleicht überholt und an manchen Stellen angestaubt wirken, doch zur Entstehungszeit hat man derartig freizügige Präsentationen sicherlich nicht alle Tage gesehen. Am Ende ist dieser Film - der immer noch eine Rarität darstellt - jedoch sehr gelungen, und verbindet Populärthemen dieser Zeit sehr geschickt miteinander, sodass man so oder so leicht auf seine Kosten kommt. Routiniert inszeniert und überraschend bei der Visualisierung.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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BUTTIGLIONE DIVENTA CAPO DEL SERVIZIO SEGRETO


● BUTTIGLIONE DIVENTA CAPO DEL SERVIZIO SEGRETO (I|1975)
mit Jacques Dufilho, Gianni Cavina, Franco Diogene, Gianni Agus, Mino Guerrini, Raf Luca, Guerrino Crivello,
Francesco D'Adda, Cheng Chin Li, Nicola Morelli, Giuseppe Terranovai sowie Karin Field und Henning Schlüter
eine Produktion der Coralta Cinematografica
ein Film von Mino Guerrini

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»Riposa in pace!«


Colonnello Rambaldo Buttiglione (Jacques Dufilho) steigt in der militärischen Hierarchie zum Chef des Geheimdienstes auf, doch dort werden die Aufgaben alles andere als leichter, zumal dieser an der kritischen "Operation Luchs" beteiligt ist. Bei diesem unberechenbaren Gegner handelt es sich um eine berüchtigte Spionageoperation, hinter der sich gleich mehrere Agenten verbergen, wie beispielsweise der Deutsche von Schultz (Henning Schlüter). Buttigliones Helfer sind Sergente Mastino (Gianni Cavina) und Corporale De Martino (Raf Luca), doch es ist fraglich, ob sie ihm zum Erfolg verhelfen können, da so gut wie alle Operationen schief gehen...

Italienische Komödien, die in derben Klamauk abdriften, sind sicherlich nicht jedermanns Sache, allerdings bieten die meisten Filme einige Lockvögel in Form der Besetzung an, die derartige Intermezzi immer wieder möglich machen. Außerdem können gerne verwendete sexy Inhalte mehr als versöhnlich stimmen. Die Titelfigur Colonnello Rambaldo Buttiglione brachte es auf mehrere Filmproduktionen, und obwohl die um ihn herumkonstruierten Geschichten alle unterschiedlicher Natur sind, kommt es zu einem wiederholenden Charakter, da die Running Gags von ihrer Grobschlächtigkeit in vielen Fällen identisch sind. Für ein paar Lacher oder ein wenig Schmunzeln sind solche Geschichten allemal gut, allerdings kommt es in einem spürbaren Ungleichgewicht zu Momenten des Unbehagens, vorausgesetzt man kann mit dem offensiven und wenig subtilen Humor nicht viel anfangen. Hier gilt es, gleich mehrere Gegner in einem zu bewältigen, die Hauptfigur mit inbegriffen. Regisseur Mino Guerrini versucht es mit Gags, Lachern und humorigen Einlagen aller Ebenen, sodass man gleichzeitig in effektive Unwahrscheinlichkeiten abdriftet, falls man die Sache allzu ernst nimmt. So ist es selbst beim Humor ratsam, sich an die Realität zu halten und nichts anzubieten, dass nur im Märchenland existiert. Bleibt der Spaß aus, neigt man als Zuschauer schnell zu dieser passiven Variante des Berieselns, denn immerhin muss sich die Angelegenheit auch lohnen - irgendwie zumindest. Bestückt mit Personen, die sich nicht zu schade sind, in jedes erdenkliche Fettnäpfchen zu treten, kommt ein wenig der anvisierten Situationskomik zum Tragen, wenngleich man sich in einer Art Rädchen befindet, das sich leider unaufhörlich in ein und dieselbe Richtung zu drehen pflegt. Filme dieser Art sind in der Regel nicht besonders hoch budgetiert gewesen, was sich auch bei "Buttiglione diventa capo del servizio segreto" durchschlägt, aber die Regie und ihre Helfershelfer versuchen das Beste aus dieser Agentenkomödie herauszuschlagen, was an vielen Stellen sogar gelingt, wenn man ein paar ungläubige Augen zudrücken kann.

Großes Aushängeschild und Vorteil zugleich ist sicherlich der französische Hauptdarsteller Jacques Dufilho, der die Titelrolle bereits in anderen Filmen zum Besten gab, daher überaus sicher und routiniert wirkt. Zunächst bringt er schon einmal die richtigen Gebärden mit, um eine derartige Rolle glaubhaft zu transportieren. In den Bereichen Gestik und Mimik bekommt man nicht nur ein einheitliches Gesamtangebot, sondern der Zuschauer muss schließlich mit dem Holzhammer darauf aufmerksam gemacht werden, dass es sich gerade um einen Witz oder Gag gehandelt hat. Es wimmelt somit von trotteligen Personen, die sich gegenseitig mit ihrem Unvermögen zu übertrumpfen versuchen. Da es sich um eine wichtige Behörde handelt, wirkt dies umso bedenklicher, allerdings nicht im Wesentlichen lustiger, da Potenzial liegen gelassen wird. Erwähnenswert ist der Auftritt des Deutschen Henning Schlüter, dessen nahezu bizarre Performance einige wichtige Treffer landen kann, ansonsten gibt es übertriebene bis überzeugende Unterstützung von Gianni Cavina, Franco Diogene, Gianni Agus oder etwa Raf Luca. Eigenartigerweise setzt der Verlauf nicht übermäßig auf nett anzusehende feminine Farbtupfer oder notorische Entkleidungs-Anwandlungen; ein simpler wie auch effektiver Verstärker in vielen Produktionen dieser Art. Bis auf Erotik-Expertin Karin Field ist weit und breit nichts von prickelnden Brisen wahrzunehmen, was beinahe schon irritierend wirkt. Die Rolle der Deutschen fristet somit nur das Dasein eines Running Gags, da das Telefon ihr immer wieder die Tour vermasselt. Unterlegt mit recht strapaziöser musikalischer Untermalung von der Stange, kommt es zu keinen Offenbarungen, was auch für die Ausstattung oder die allgemeinen Schauwerte der Szenerie gilt. "Buttiglione diventa capo del servizio segreto", der in den deutschen Kinos nie zu sehen war, ist eine Art Insider für Fans des Genres oder weitgehend für Freunde bestimmter Schauspieler, bietet global gesehen jedoch kaum Offenbarungen. Das chaotische Gerangel im Agenten-Dschungel hat letztlich das Potenzial zu strapazieren, gegebenenfalls aber auch zufriedenzustellen.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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DAS HAUS DER VERLORENEN MÄDCHEN


● DVÆRGEN / THE DWARF / THE SINFUL DWARF / DAS HAUS DER VERLORENEN MÄDCHEN (DK|1973)
mit Anne Sparrow, Tony Eades, Clara Keller, Werner Hedmann, Gerda Madsen, Dale Robinson und Torben Bille
eine Produktion der BIP International Pictures
ein Film von Vidal Raski

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»Sie ist ein attraktives Häschen. Nicht wahr, Olaf?«


Geldmangel zwingt das junge Ehepaar Peter (Tony Eades) und Mary Davis (Anne Sparrow) dazu, in einer heruntergekommenen Absteige unterzukommen, das von dem Ex-Showgirl Lila Lash (Clara Keller) und ihrem Sohn Olaf (Torben Bille) betrieben wird. Obwohl ihnen die beiden ziemlich merkwürdig vorkommen, ahnen sie noch nicht, was sich wirklich hinter den schäbigen Mauern des Hauses verbirgt. Auf dem Dachboden des Hotels befindet sich ein getarntes Bordell, in dem junge Frauen unter Drogen gesetzt und anschließend an Freier verkauft werden. Als Peter beruflich verreisen muss, wird die hübsche Mary Zielscheibe der rücksichtslosen Puffmutter und ihres widerwärtigen Sohnes...

Bereits beim Einstieg zu Vidal Raskis im Jahr 1973 entstandenen Beitrag kann man als Zuschauer seinen weit aufgerissenen Augen kaum trauen. Ein junges Mädchen spielt "Hüpfkästchen" auf der Straße und wird von der Titelfigur mit einem Duracell-Stoffhund angelockt, dessen Geräusche noch beinahe für unerträgliche akustische Momente sorgen werden. Die Zeiten sind also hiermit vorbei, als man noch mit Süßigkeiten oder Geld lockte, außerdem ist diese junge Dame nur schwerlich unter 18 Jahre alt und daher vermutlich leicht oligophren, denn sie folgt ihrem potentiellen Peiniger, und dessen Attraktivitätssteigerung in Form des Vierbeiners, mit einem unschuldigen Lächeln im Gesicht. Dann schlägt Olaf zu, bis der Vorspann einsetzt, der diverse Stofftiere zeigt, die nach wenigen Sekunden durchaus beunruhigend wirken, bis man schließlich weiß, wohin diese unliebsame Reise gehen wird. Eigentlich ist es kaum zu fassen, dass dieser Film in eben dieser Fasson existiert, aber noch viel unglaublicher ist es, dass das "Das Haus der verlorenen Mädchen" so unverschämt gut unterhalten kann. Mit einem Produktionsbudget, das vermutlich den genauen Gegenwert einer Rechnung in einer Kneipe nicht signifikant überstiegen haben dürfte (und vermutlich ist die Idee zu diesem Streifen eben dort, nach einigen ordentlichen Drinks auch entstanden), braucht man hier nicht nach einem Sinn oder gar einer maßgeblichen Handlung herumzuschnüffeln, denn der Film reduziert sich ausschließlich auf seine überaus reißerischen Veranschaulichungen. Ganz ungeniert gibt sich der Stoff also weitgehend abartig, unappetitlich und derartig schlampig inszeniert, dass es beinahe unglaublich ist, außerdem sieht man sich mit einem vollkommen verworrenen Stück schwarzer Filmkunst konfrontiert. Es scheint tatsächlich so, als verfolge "Das Haus der verlorenen Mädchen" schließlich nur ein erstrebenswertes Ziel, sich mit dem Bodensatz des Film-Universums um einen der untersten Plätze zu streiten. Dabei zeigt sich dieser unbändige Favorit für diesen Titel als sehr mutig und resolut. Junge Mädchen werden also in einen als Hotel getarnten Puff verschleppt, um dort - angekettet auf dem Dachboden - für die Inhaber anzuschaffen.

Natürlich setzt man sie auch unter Drogen, was sonst? Ihr Lohn: die hübsche Unterkunft ist kostenlos. Im direkten Vergleich wirkt jeder Jess Franco-Folterkeller ab sofort wie ein erlesenes Setting, jedes schlampige Flittchen aus seinen Filmen wie eine Aspirantin auf höchste Film-Auszeichnungen, und das Prädikat miserabel wäre für diese Produktion eigentlich schon eine Auszeichnung. Dennoch ist "Das Haus der verlorenen Mädchen" in eigenartiger Art und Weise ein Film der Umkehrreaktionen, vorausgesetzt man kann sich auf solche Geschichten einlassen. Manchmal ist einem dann so, als sei alles so stumpfsinnig, dass es wieder gut sein könnte, aber es geht immer wieder einige Niveau-Stufen nach unten, sodass man ab einem unbestimmten Zeitpunkt völlig schmerzfrei und sensibilisiert wird, quasi in seinen Empfindungen wie paralysiert. Plötzlich kommt einem der Ekel erregende Olaf beängstigend vor, die Stofftiere fangen beispielsweise an, wie bedrohliche Monster zu wirken, die unwirsche Musik zerrt unverhofft an den Nerven und die billigen Kulissen verbreiten in ihrer Schäbigkeit ein Unbehagen, das die schlimmsten Alpträume simuliert. Dies denken sich wohl auch die Damen in den oberen Gemächern, die nicht nur unter ihren Freiern, sondern insbesondere unter ihrem Gastgeber Olaf zu leiden haben. Hin und wieder wurde das ganze mit einem Hardcore-Einschlag angereichert, doch alles wirkt irgendwie komplett abstoßend, was eventuell am Ambiente liegen mag, denn man muss es auf verranzten Matratzen treiben, unmittelbar neben einer verschissenen Toilette, und Olaf tut das Übrige mit seinem Multifunktion-Gehstock dazu. "Das Haus der verlorenen Mädchen" ist schließlich ein Beitrag geworden, der sich ausgiebig freiwilliger Komik bedient, um seine Unterhaltsamkeit zu untermauern. Zu den Darstellern lässt sich nur sagen, dass laienhaft beinahe zu viel gesagt wäre, nur Clara Keller und Gerda Masden wissen in irre komischen Sequenzen zu gefallen, als sie sich bei der Teestunde ganz ordentlich einen nach dem anderen runter schütten. Torben Bille in der Titelrolle dürfte mittlerweile einen gewissen Kultstatus genießen, denn er dreht hier wirklich sagenhaft auf. Insgesamt gesehen ist die Geschichte beängstigend unterhaltsam.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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DIE VERDAMMTEN


● LA CADUTA DEGLI DEI / DIE VERDAMMTEN (I|D|1968)
mit Ingrid Thulin, Helmut Berger, Dirk Bogarde, Helmut Griem, Reinhard Kolldehoff, Renaud Verley, Umberto Orsini, Albrecht Schoenhals,
Irina Wanka, Nora Ricci, Karin Mittendorf, Valentina Ricci, Karl-Otto Alberty, Jessica Dublin sowie Charlotte Rampling und Florinda Bolkan
eine Produktion der Pegaso | Italnoleggio | Praesidens | Eichberg Film | im Verleih Warner Bros.
ein Film von Luchino Visconti

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»Der Anschein von Legalität kann durchaus nützlich sein!«


Die beginnende Hitler-Ära führt zu einschneidenden Veränderungen bei einer deutschen Schwermetall-Dynastie, die zur wichtigen Infrastruktur für Rüstungsgüter zählt. Als der Patriarch Joachim von Essenbeck (Albrecht Schoenhals) stirbt, entfacht sich ein erbitterter Machtkampf unter den Erben und Beobachtern, doch die Macht geht schließlich an den völlig unterschätzten Martin (Helmut Berger), was die Karten völlig neu mischt und Intrigen aufflammen lässt. Der völlig sadistische und perverse Sprössling möchte seine Kontrahenten am liebsten für immer aus dem Weg geräumt sehen, sodass er sich nicht zu schade ist, sich dem Hitler-Regime anzudienen...

»Macht euch ja keine Illusionen, diese Schlacht hat gerade erst begonnen!« Diese Aussage - die Drohung und Wahrheit in einem ist - bekommt man kurz nach dem Ableben des Familienpatriarchen zu hören. Zwar geht sie zunächst ins Blaue hinein, doch die richtigen Adressaten werden sich schon angesprochen fühlen und auf der Hut sein. Wie es sich in den besseren Kreisen gehört, wurde Baron Joachim von Essenbeck ermordet, der bisherige Stand der Ermittlungen besagt von einem Unbekannten. Luchino Viscontis Familien- und Politepos "Die Verdammten" spielt sich in beginnender und erschreckenderweise schon tiefster Nazi-Zeit ab und reißt die schauerlichen, unmenschlichen Seiten dieser Ära an, nicht ohne unbequeme rhetorische Rückfragen zu stellen. Als Äquivalent für Angst, Schrecken und Helfershelfertum fungiert eine Industriellenfamilie, deren Hochöfen Objekt der Begierde einer jeden Kriegswirtschaft sind. Die Tränen und Klagelieder der armen Bonzen, die ihrer Version nach keine andere Wahl als Kollaboration haben, da sich ihre wirtschaftliche Existenz ansonsten in Rauch auflösen würde, wirkt selbstgefällig, vermessen und abstoßend. Die Familie gleicht blutrünstigen Hyänen, allerdings nicht vom gleichen Rudel, da sie gegeneinander arbeiten und sich gegenseitig an die Kehle wollen. Bestenfalls weiß man über die vielen Leichen in den Kellern der anderen Bescheid, sodass sich um Zweifelsfall etwas arrangieren lässt, um sich in die bessere Position zu bringen. Visconti geht subtil bis aggressiv bei der Vorstellung der einzelnen Charaktere vor, die sich dem Empfinden nach jedoch zu verselbstständigen drohen, da die Zeit und die Degeneration ihren Tribut fordern. So entsteht ein unerträgliches Vakuum, in dem es sich nur für die Protagonisten zu leben lohnt. Wer ist bereit, am meisten zu opfern, oder wer ist bereit, den anderen zu opfern? Diese spannende Frage wird vom geschichtlichen Hintergrund angefeuert und gleichzeitig aufgeweicht, da man hofft, dass die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Doch es sind zu viele. Die eiserne Hand am Schreibtisch steht konträr zu den Tränen im Bett, aber es sind auch die Frauen, die ihre Gegner im Zweifelsfall mit dem Schafott vertraut machen.

Wie oft bei Luchino Vosconti üblich, kann man sich auf Ausgiebigkeit gefasst machen, denn Überlänge gehört zu seinem guten Ton. Bildsprachlich und inszenatorisch beinahe dazu prädestiniert, hin und wieder zu überfordern, da die hervorragende und gestochen scharfe Dialogarbeit nebenbei geordnet werden muss, was auch für den geschichtlichen Kontext mit den vielen Grausamkeiten und unglaublichen Geschehnissen gilt, sieht man ein ausgewogenes und hochqualifiziertes Porträt der Unmoral. Der Verlauf gleicht einem Tauziehen, mal auf Augenhöhe, mal nicht, jedoch mit völlig unvorhersehbarem Ausgang, da die Personen alle Gefahr laufen, in ihre eigens postierten Fallen zu tappen, da Hass unvorsichtig macht. Visconti treibt die Degeneration im goldenen Käfig auf die Spitze, da man jederzeit den Eindruck hat, dass die Perversion bis zum Äußersten getrieben werden wird, was für den sexuellen, moralischen oder sogar beruflichen Bereich gelten könnte. Was wäre dieser Film ohne die exzellenten Darbietungen der Interpreten? Vielleicht nur zur Hälfte brillant. Unter Visconti scheint es so zu sein, dass man es bei jeder Rolle mit einer Paraderolle zu tun hat und er genau wusste, wer für entsprechende Parts gecastet werden sollte. Die hervorragende Schauspielführung in Verbindung mit Eigendynamik und hoher Kompetenz macht diesen Verlauf mit all seinen Komplikationen, Allüren und Machtkämpfen zu einem sich nicht erschöpfenden Kabinettstückchen. Dirk Bogarde ist der schwache Mann vor einer starken Frau, die von Ingrid Thulin beinahe beängstigende Züge verliehen bekommt. Er wirkt als Werkzeug und Mittel zum Zweck oft bemitleidenswert, doch so viel der Emotion sollte man keiner der Figuren schenken, da sie Masken tragen, doppelzüngig agieren und jede Großmutter verkaufen würden, sogar die eigene. Bogardes Interpretation ist bemerkenswert vielschichtig, da er seine gespielte Stärke häufiger gegen sein eigentlich zu weiches Wesen eintauscht. Frei nach dem abgewandelten Motto: »Wenn du zum Manne gehst, vergiss die Peitsche nicht...«, lässt er sich von seiner Frau vor jede noch so schwere Karre spannen, weil sie nichts anderes als Macht- und Blutgeruch auf sexuelle Hochtouren bringt.

Um ihn auf dem obersten Posten der Firma zu etablieren, würde sie sogar ihren eigenen Sohn - der die Aktienmehrheit und das Sagen im Betrieb durch den Tod des Patriarchen erlangt hat - verkaufen, da sie um Martins abartige und völlig sadistische Neigungen weiß, die von Helmut Berger ebenfalls ausgereizt werden. In "Die Verdammten" braucht man nicht lange nach Spitzenleistungen zu suchen, da der Anschein erweckt wird, dass jeder der Interpreten den anderen zu deckeln versucht, was im Abruf nichts anderes Brillanz fabriziert. Besonders anerkennungswürdige Leistungen liefern Reinhard Kolldehoff, der einen der widerlichsten Vertreter der Familie darstellt, Umberto Orsini, Charlotte Rampling, Renaud Verley, Florinda Bolkan, Albrecht Schoenhals in seinem letzten Film und vor allem Helmut Griem in einer überzeugenden Paraderolle. Die Familie ist eingeteilt in Fraktionen und Interessengemeinschaften, Allianzen werden geschmiedet und wieder eingeschmolzen. Größenwahn macht sich wie Goldfieber breit, bis jeder unter dem Verfolgungswahn leidet, dass ihn der andere unterdrücken, loswerden oder liquidieren will. Doch handelt es sich um wahnhafte Vorstellungen oder die blanke Realität? Visconti treibt sein Spektakel in Sphären der Spannung, die durch die Bildsprache und deren Gestaltung, die Akustik, die Opulenz und den Schmutz, sowie durch Dialoge wie Peitschenhiebe angefeuert werden. Wenn die Familie und deren Saboteure - die als Unterstützer getarnt sind - in den letzten Zügen liegen, sich pure Geilheit und Wahn vermischen, man lebende Leichen beobachten kann, dann kann man sich als Zuschauer nicht mehr wehren, den stets umstrittenen Begriff »Meisterwerk« in Erwägung zu ziehen. Die angedeutete These, dass unmenschliche Phasen, wie die des Nationalsozialismus, nur florieren konnten, wenn sich die richtigen Schachfiguren bereitwillig angebiedert hatten, bestürzt, wenn man diesen Film in seiner vollen Intensität gesehen hat. Jedes Schlachthaus braucht Sklaven, jede Müllkippe Material, und jede Götze auch Jünger, die sie anbeten. "Die Verdammten" kreiert eine bizarre Parallelwelt, die abstößt und verstört, am Ende aber nachhaltig dazu ermahnt, Kardinalfehler nicht noch einmal zuzulassen. Episch!

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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DAS SPUKSCHLOSS IN DER VIA VENETO


● FANTASMI A ROMA / DAS SPUKSCHLOSS IN DER VIA VENETO / NACHTSCHATTEN (I|1961)
mit Marcello Mastroianni, Belinda Lee, Ida Galli, Eduardo De Filippo, Vittorio Gassman, Tino Buazzelli, Claudio Gora und Sandra Milo
eine Produktion der Galatea Film | Lux Film | Vides Cinematografica | im Bavaria Filmverleih
ein Film von Antonio Pietrangeli

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»Sehen kann man sie nur, wenn man gestorben ist oder sich in Lebensgefahr befindet!«


Prinz Annibale di Roviano (Eduardo De Filippo) gilt in der Stadt als ziemlich eigentümlich, denn er behauptet seit jeher, dass er in seinem römischen Palazzo in friedlicher Koexistenz mit einigen Geistern lebt. Diese unsichtbaren Zeitgenossen sollen der Legende nach einige Verwandte sein, die eines gewaltsamen Todes zum Opfer gefallen sind. Alles könnte so friedlich sein, wenn nicht eines Tages schwerwiegende Veränderungen vor der Tür stünden. Durch eine Unachtsamkeit hat seine Durchlaucht einen Unfall, und schließlich soll das alte Schloss verkauft werden. Am gleichen Platz plant man die Errichtung eines hochmodernen Einkaufszentrums, was die beherbergten Geister in helle Aufregung versetzt. Als plötzlich auch noch die lebendige Verwandtschaft des Eigentümers in seinem Haus einzieht, muss ein zündender Einfall her, denn Annibales Neffe Federico di Roviano (Marcello Mastroianni) und seine lebenshungrige Freundin Eileen (Belinda Lee), haben den Erlös der bevorstehenden Veräußerung bereits großspurig verplant. Werden die Geister den drohenden Abriss ihres geliebten Stadtschlösschens verhindern können..?

Dieser leider in Vergessenheit geratene Beitrag von Antonio Pietrangeli kann nicht nur wegen des stimmungsvoll klingenden deutschen Titels für uneingeschränktes Interesse sorgen, sondern auch wegen der spektakulären Besetzung. So viel Wohlklang scheint durchaus einiges zu versprechen, und die Spannung steigt angesichts der Frage, ob dieser Film einen tatsächlich das Gruseln lehren kann. Schnell stellt sich hier jedoch heraus, dass der Name des Films den Gesamtverlauf nicht unbedingt charakterisieren wird, wie es letztlich so oft bei Verleihtiteln von diversen Filmen der Fall war. Wenn man sich als Zuschauer unmittelbar aufs Glatteis geführt fühlt, fehlt dabei in der Regel ein positives Überraschungsmoment, und es ist wahrscheinlich, dass sich eine gewisse Enttäuschung breit macht. "Das Spukschloss in der Via Veneto" stellt in diesem Zusammenhang eine beinahe revolutionäre Ausnahmeerscheinung dar, denn die Produktion von 1961 entpuppt sich als eine durch und durch gelungene Überraschung, oder im doppelten Sinn geistreiche Angelegenheit. Die Einordnung in ein bestimmtes Genre fällt insgesamt schwer, es kristallisieren sich zwar Anteile von überaus gepflegtem Grusel heraus, dies allerdings eher im komödiantischen Sinne. Außerdem tauchen sporadisch leicht dramatische, oder eher gesagt, melancholisch angehauchte Bruchstücke auf. Vielleicht trifft die Bezeichnung Grusel-Komödie am besten zu, wenn auch nur im weiteren Sinne, da Pietrangeli hier keineswegs die Absicht verfolgt, den Zuschauer in irgend einer Weise zu beunruhigen. Thematisch gesehen zeigt sich der Film als eher einfach gestrickt, doch durch die Anreicherung mit allerlei Finessen und einem Stab, welcher eine wahrhafte Symbiose untereinander einzugehen scheint, wird "Nachtschatten" - so der deutsche Titel der Video-Auswertung - zu einem kleinen Erlebnis.

Innerhalb der hochkarätigen Besetzung findet man den Jetset des italienischen Kintopp von damals. Auf der Seite der Geister im Stadtschlösschen führt Marcello Mastroianni das illustre Treiben an, und im Verlauf der Geschichte wird man ihn sogar in drei verschiedenen Rollen zu Gesicht bekommen. Da der 1924 geborene Schauspieler stets eine sichere Bank darstellt, kann man sich auf gute und anspruchsvolle Unterhaltung gefasst machen. Reginaldo scheint das Geister-Dasein im Grunde zu schätzen, da er sich, genau wie seine Kumpanen, beim alten Prinzen wohlzufühlen scheint. Nur wenn er in der Nähe von schönen Frauen ist, sind dem leichenblassen Casanova die sehnsüchtigen Blicke anzusehen und es lässt sich erahnen, dass er doch wieder gerne unter den Heißblütern leben würde. Um sich die Zeit zu verschönern, wird Schabernack getrieben, auch ist immer wiederzusehen, dass jeder der Geister in der Via Veneto ganz eigene Spleens hat. Wenn Prinz Annibale von seinen unsichtbaren Bewohnern berichtet, und hinter vorgehaltener Hand als senil betrachtet wird, strengen Reginaldo und seine Freunde gerne kleine Demonstrationen an. Dem Klempner verschafft man wie von Geisterhand eben einmal schnell eine kalte Dusche, oder dem Bauingenieur, der Haus und Hof bedroht, wird die Teppichkante hochgehalten, sodass er ins Stolpern gerät. Hierbei entsteht eine herrliche Situationskomik die nicht nur zum Schmunzeln, sondern teilweise auch zum herzhaften Lachen verleitet und rein gar nichts mit albernem Klamauk zu tun hat. Ansprechende Leistungen fürs Herz und Auge liefern Belinda Lee, Ida Galli und Sandra Milo, die sehr geschickt im Sinne deutlicher Kontraste eingesetzt sind, auch Eduardo De Filippo, Tino Buazzelli und Vittorio Gassman bedienen dieses Konzept hervorragend, sodass es zu einem überaus runden Gesamtbild kommt.

Das ohnehin amüsante Grundgerüst wird vor allem durch die handwerklich sichere Umsetzung perfekt und sehenswert. Hinsichtlich des Schauspiels und der Interaktion bekommt man wahre Choreografien geboten, die erst durch die aufwendige Kameraführung und den punktgenauen Schnitt zu einem großartigen Spektakel werden. Bei Berührungen durch die unsichtbaren Bewohner des Hauses werden beim jeweiligen Pendant immer Reaktionen im Bild eingefangen, auch verschwinden die Gestalten im gleichen Setting plötzlich, und selbst die Tricks wirken für das Produktionsjahr ziemlich gelungen. Die Idee, dass der Zuschauer quasi auf der Seite der Geister steht und alles unmittelbar erlebt, greift spielend und bewirkt eine hohe Daueraufmerksamkeit. Was wäre ein derartiges Spektakel ohne eine stimmungsvolle Dialogarbeit? In diesem Zusammenhang ist es ist ganz bemerkenswert, wie das vorhandene Potential effizient genutzt wird. Reginaldo und seine Freunde hören den Personen nämlich nicht nur zu, sie kommentieren auch gerne einmal hemmungslos von der unsichtbaren Seite, sie erteilen Ratschläge und Tadel, lassen ihrem Unmut freien Lauf, sie lästern, machen Witze und lassen gerne auch Seitenhiebe vom Stapel. Häufig überschneiden sich Worte und Sätze, was im Film ja eher unüblich und sonst deutlich voneinander abgegrenzt ist, hier als Stilmittel jedoch vollkommen aufgeht. Für den Zuschauer sind diese sprachlichen Spitzen sehr willkommen und oftmals wird einem sogar aus der Seele gesprochen. Weitere Schützenhilfe am gelungenen Profil der Produktion leistet zum Beispiel die musikalische Anpassung, die hervorragende Bildgestaltung und Ausstattung, und natürlich die offensichtliche Liebe zum Detail. Antonio Pietrangelis Beitrag muss man einfach mögen, da das Konzept originell und leichtfüßig wirkt, und das Gesamtbild ein durch und durch heiteres Sehvergnügen vermitteln kann. Insgesamt stellt "Das Spukschloss in der Via Veneto" ein Festival der leichtfüßigen Unterhaltung dar, dass man sich unbedingt einmal angeschaut haben sollte.

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Audrey Hepburn

BLUTSPUR


● BLOODLINE / BLUTSPUR (US|D|1979)
mit Ben Gazzara, James Mason, Claudia Mori, Irene Papas, Michelle Phillips, Maurice Ronet, Romy Schneider, Omar Sharif,
Beatrice Straight, Wolfgang Preiss, Pinkas Braun, Ivan Desny, Dietlinde Turban, Vadim Glowna, Walter Kohut, Charles Millot,
Gabriele Ferzetti, Wulf Kessler, Hans von Borsody, Dan van Husen, Marcel Bozzuffi, Friedrich von Ledebur und Gert Fröbe
eine Produktion der Paramount | NF Geria III-Produktion | Bavaria Film | im Verleih der CIC
nach dem Roman von Sidney Sheldon
ein Film von Terence Young

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»Die Arbeit einer Frau ist wohl nie zu Ende!«


Sam Roffe, der Chef eines mächtigen Pharma-Konzerns mit Hauptsitz in Zürich, kommt bei einem Ausflug in den Bergen unter mysteriösen Umständen ums Leben. Seine Tochter, Elizabeth Roffe (Audrey Hepburn), erbt das Imperium und steht vor einer anscheinend unlösbaren Aufgabe. Die Familien- und Vorstandsmitglieder drängen sie, die Firma in eine offene Aktiengesellschaft umzuwandeln. Als durch das Auftauchen eines gewissen Inspektor Max Hornung (Gert Fröbe) eine wichtige Sitzung unterbrochen wird, stellt sich durch seine Berichterstattung heraus, dass es sich bei Sam Roffes Tod um keinen Unfall handelte, sondern Mord. Der Kreis der Verdächtigen ist mit der Familie und den Vertrauten aus der Firma schnell gefunden, denn beinahe alle befinden sich aus unterschiedlichen Gründen in effektiven Geldnöten und haben daher ein Motiv. Für Elizabeth werden Vertraute zu Fremden und Freunde zu Feinden. Auf wen kann sie sich noch verlassen? Der erste Mordanschlag auf die neue Chefin des Konzerns lässt nicht lange auf sich warten, doch wer steckt dahinter? Zur gleichen Zeit muss sich Inspektor Hornung mit einer erschütternden Mordserie an jungen Prostituierten befassen. Es tauchen Porno-Filme auf in denen die Morde in allen Einzelheiten gefilmt wurden und tatsächlich führt die Spur nur in eine Richtung, und zwar direkt in die Chefetage von Roffe-Pharma...

Die deutsch-amerikanische Co-Produktion "Blutspur" wurde von James Bond-Regisseur Terence Young inszeniert und wartet mit einer unglaublichen Vielzahl von Stars auf, was sogar bis in die kleinsten Nebenrollen zutrifft. Insbesondere im Rahmen der Hauptrollen scheint das Ensemble der internationalen Starbesetzung beinahe eine Garantie für einen Volltreffer zu sein, doch leider geht die Rechnung nicht immer optimal auf, vor allem dramaturgisch gesehen. Die Produktionskosten beliefen sich seinerzeit auf rund 12 Millionen US-Dollar und angesichts des Einspielergebnisses in den USA, das nur rund die Hälfte einbringen konnte, muss von einem wirtschaftlichen Misserfolg gesprochen werden, beziehungsweise davon, dass das Soll bei Weitem nicht erreicht wurde. Die Großproduktion war augenscheinlich auf einen weltweiten Kinoerfolg zugeschnitten, doch bei der Kritik fiel "Blutspur" im Großen und Ganzen so gut wie einstimmig durch. Der Film, adaptiert nach dem gleichnamigen Roman von Sydney Sheldon, zählt jedenfalls auch rückblickend nicht zu den großen Vertretern des Thrillers, kann aber auf ganz individueller Ebene überzeugen und für besonders atmosphärische Momente sorgen. Bei allen üppig und überaus günstig vorhandenen Grundvoraussetzungen hat die Regie im Gros vielleicht den Überblick über das Gesamtgeschehen verloren, was daran festzumachen ist, dass zahlreiche Handlungsstränge wenig elegant oder sinnvoll miteinander verstrickt wirken, sodass es zu harten Übergängen und sprunghaften Sequenzen kommt. Die Parallelhandlung rund um die Mordserie an Prostituierten wird in diesem Zusammenhang viel zu isoliert im Gesamtgeschehen dargestellt, erscheint bei der ersten und jeder erneuten Betrachtung sogar wenig schlüssig zu sein, da sich kaum signifikante Ergebnisse in den Vordergrund stellen, wenngleich im Rahmen der Exposition und der bestehenden Perfidie durchaus publikumswirksam inszeniert wurde, und genau diese Sequenzen in Erinnerung bleiben.

Im Rahmen der Veranstaltung müssen die teils deutlichen Kritikpunkte jedoch keinen Grund darstellen, diesen mit zahlreichen Vorzügen ausgestatteten Film nicht mit Vergnügen anzuschauen, denn auf der Habenseite steht vor allem eine kurzweilige Note, die sehr gut bei der Stange halten kann. Filme wie diese stehen oder fallen sicherlich mit ganz persönlichen Präferenzen und somit ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass zwischen Gelingen und Durchfallen des Ganzen womöglich nicht allzu viel zu finden sein dürfte. Die Szenerie ist mit bedeutenden Stars und Sternchen ausstaffiert worden, allerdings festigt sich schnell der Eindruck, dass man es außer mit Audrey Hepburn, Ben Gazzara und Gert Fröbe nur noch mit Nebenrollen öder Gästen zu tun hat, die wesentlich an Bedeutung verlieren, da mehr als die Hälfte dieser Interpreten Rollen bekleiden, deren Relevanz sich irgendwann im Gesamtgeschehen verliert. Die Hauptattraktion besteht schließlich nicht nur in der Tatsache, dass man es mit starträchtigen Auftritten zu tun bekommt, sondern gleichzeitig mit einem Rudel Verdächtiger, die Irrungen und Wirrungen konstruieren und die Spannung anheizen. Die uneingeschränkte Hauptrolle spielt die damals bereits fast fünfzigjährige Audrey Hepburn, die hier immer noch in einer auffälligen Schönheit strahlt, außerdem eine zeitlose, unaufdringliche Eleganz transportiert. Elizabeth Roffe ist als scheue Frau wahrzunehmen, die plötzlich mit schwierigen Aufgaben betraut wird. Dabei erscheint sie im Gegensatz zu den allgemeinen Hoffnungen des Roffe-Clans sehr souverän und zielstrebig mit den sich aufbäumenden Problemen umzugehen. Sie behauptet sich beispielsweise gegen einen Zweifel schürenden Maurice Ronet, eine scharfzüngige Romy Schneider, den wohlwollend zuredenden, aber gleichzeitig Bedenken äußernden James Mason, und das scheinbar freundschaftlich Rat gebende Duo Irene Papas und Omar Sharif.

Auch der Vertraute ihres Vaters, interpretiert von Ben Gazzara, der sich besonnen zurückhält, scheint einen gewissen Einfluss auf sie zu haben. Doch trauen kann sie letztlich keinem, nur ihrer loyalen Sekretärin. Elizabezh arbeitet sich mühsam in die Konzernstrukturen hinein, geht dabei der Vergangenheit auf den Grund. Die intelligente Erbin möchte unvorbereitete Schritte mit allen Mitteln verhindern und auf jede Situation vorbereitet sein. Sehr überzeugend wirkt Audrey Hepburn, wenn sie ihre Verwandtschaft in Schach hält und mit sauberen Methoden und gewissenhaften Entscheidungen ihren Willen durchsetzen kann. Vielleicht ist sie in der Handlung neben Gert Fröbe die einzig sympathische, oder integre Person, die ohne größere Anstrengungen auszumachen ist. Unterm Strich bleibt daher zu betonen, dass Audrey Hepburn auch zu diesem späten Karrierezeitpunkt nicht das Geringste von ihrem Charme und ihrer Klasse verloren hat. Erwähnenswert ist unter Anderem noch der Auftritt Romy Schneiders, die man hier wahrhaft als Giftspritze kennenlernt. Gepaart mit den obligatorischen Allüren einer versnobten und überheblich wirkenden Reichen, kommt sie der laufenden Geschichte als unberechenbare Kontrahentin zugute. Gert Fröbe, dem Inspektorenrollen stets sehr gut gestanden haben, kann auch hier mit seiner eigenwilligen und leicht skurrilen Art überzeugen. Weniger gut kommt seiner Rolle zu Gute, dass er eine eigentümlich wirkende, unfreiwillige Komik bändigen muss. Um den Mörder und Drahtzieher zu finden, verlässt er sich beispielsweise gerne auf firmeninterne Computer, die er befragt und die ihm schließlich alle relevanten Informationen ausspucken; oder gleich auf den Zufall. Ben Gazzara hinterlässt als Vertrauter bei Roffe einen unscheinbaren Eindruck, in den Kreis der Verdächtigen wird er jedoch geschickt integriert, wie das bei fast allen anderen Hauptrollen auch der Fall ist.

James Mason, der als Sir Alec in erheblichen Geldnöten steckt, da seine junge Frau sein komplettes Vermögen verjubelt, wirkt solide beim Bauen von aussichtslos konstruierten Brücken, die die Familie wieder näher vereinen soll. Irene Papas und Omar Sharif mussten für humorvolle Kostproben herhalten und wirken zum Schein oft deplatziert. Maurice Ronet als Hélènes Mann und Untergebener bleibt in seinen wenigen Einstellungen leider recht blass. Der präzisere Einsatz und ein konsequenteres Inszenieren der jeweiligen Charaktere wäre sicherlich erforderlich gewesen, was die Spielfilmlänge allerdings in ungemütliche Sphären gelenkt hätte. So bleibt unterm Strich eine erstaunliche Ansammlung von Stars, deren Potential nicht immer erkannt, demnach auch nicht genutzt wurde. Dennoch bleibt zu betonen, dass die Interaktionsleistungen in den meisten Intervallen in einem Maße funktionieren, von denen andere Produktionen nur hätten träumen können. "Blutspur" hat mit dramaturgischen Schwächen zu kämpfen, was insbesondere die Charakterzeichnungen und harte Brüche offenbaren. Wenn man die Grundstory einmal separat betrachtet muss eingeräumt werden, dass es sich um einen sehr interessanten Stoff handelt, dessen Möglichkeiten nicht immer die richtige Dosierung erfahren haben. Dass die Regie sich häufig in diffusen Andeutungen verliert, wirkt gerade bei einem Film mit einem derartig angelegten Whodunit-Effekt in diesen Nuancen störend, da man als Zuschauer quasi nach lückenloser Aufklärung verlangt. Die zahlreichen Aufnahmen an Original-Schauplätzen wirken nicht zuletzt aufgrund vieler Ortswechsel einerseits exklusiv, andererseits aber auch zu überladen, da sich die Zusammenhänge in diesen kurz angebotenen Sequenzen nicht so schnell ordnen lassen. Absolut bemerkenswert ist die Musik von Ennio Morricone. Experimentierfreudig, melancholisch, aufwühlend aber vor allem selbstsicher begleitet sie jeden Moment dieser mysteriös gefärbten Geschichte, die ihre Stärken nicht wahllos preisgeben möchte.

Beim Großthema Spannung, Tempo und Action gibt es wesentlich weniger Probleme als beim Durchleuchten immer nachzuvollziehender Zusammenhänge, doch es fällt aufgrund handelsüblicher Angebote insgesamt nicht allzu schwer ins Gewicht, was unterm Strich eine der großen Stärken von Terence Youngs Adaption bleiben wird. Erwähnenswert ist, dass der Produktion in jedem Detail, jedem Setting und in jedem Accessoire das Produktionsbudget deutlich anzusehen ist, sodass "Blutspur" insgesamt einen eleganten Charakter hinterlassen wird, der stets das Potential bereithalten wird, auch bei erneuter Ansicht Überraschungen anzubieten. Der größte Schuss in den Ofen bleibt hingegen das zu hastig konstruierte Finale. In diesem Zusammenhang wäre etwas mehr Einfallsreichtum und Suspense angebracht gewesen, da sich das Puzzle leider nicht von alleine zusammenfügen kann, da die angebotenen Informationen recht wahllos wirken. Als Zuschauer sollte man daher äußerst wachsam und aufmerksam sein, damit man sich streckenweise von der Regie und vom Drehbuch nicht alleine gelassen fühlt. Am Ende bleibt ein Verlauf zurück, der sich im Endeffekt quasi zu sehr auf sein im Vorfeld bestehendes Selbstläufertum verlassen hat. Nach persönlichem Ermessen zählt "Blutspur" allerdings zu den wenigen Produktionen, die immer wieder gerne gesehen sind und nie uninteressant werden können. Im Schimmer etwas beinahe Nonkonformistischem begeistert diese überqualifiziert angelegte Produktion immer wieder aufs Neue, obwohl eigentlich kein gütlicher Abschluss erzielt werden konnte, und zurück bleibt eine sich nie reduzierende Faszination für einen Film, der sozusagen eine Art Mikrokosmos in sich darstellt, in welchem vielleicht alles zwischen Gut und Böse ausfindig zu machen ist. Der Film wird daher immer einer meiner nicht vollkommen zu rechtfertigenden Favoriten bleiben.

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Peter van Eyck   O.E. Hasse   in

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● DIE TODESSTRAHLEN DES DR. MABUSE / LES RAYONS DE LA MORT DU DOCTEUR MABUSE / I RAGGI MORTALI DEL DR. MABUSE (D|F|I|1964)
mit Walter Rilla, Valéry Inkijinoff, Ernst Schröder, Claudio Gora, Dieter Eppler, Gustavo Rojo, Robert Beatty sowie Rika Dialina und Yvonne Furneaux
als Gäste Leo Genn und Yôko Tani
eine Gemeinschaftsproduktion der cCc Filmkunst | Franco London Films | Critérion Film | Serena Film | Anglo Italia Film | im Gloria Verleih
ein Film von Hugo Fregonese

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»Ich war es nicht. Es war Mabuse. Er benutzte mein Gehirn!«


Major Anders (Peter van Eyck) erhält den Auftrag, Professor Pohland (Walter Rilla) zu verhören, von dem Dr. Mabuse einst Besitz ergriffen hatte. Nach dessen Schreckensherrschaft leidet der Professor an Wahnvorstellungen, doch Major Anders ist sich sicher, dass er noch entscheidende Hinweise liefern könnte. Gerade als Pohland anfängt zu sprechen, und das Wort »Todesstrahlen« stammelt, verschwindet dieser spurlos. Anhand dieses Ansatzpunktes reist Major Anders nach Malta, da dort der bekannte Wissenschaftler Professor Larsen (O. E. Hasse) eben genau an dieser Erfindung arbeitet, einem Spiegel, der jeden beliebigen Ort auf der Erde zerstören könnte. Man vermutet Spionageaktivitäten und befürchtet, dass die Erfindung in die falschen Hände geraten könnte. Oder lebt Dr. Mabuse tatsächlich noch und greift in seinem Wahnsinn erneut nach der Weltherrschaft..?

Mit "Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse" erlebte die erfolgreiche Reihe vor Artur Brauners cCc Filmkunst ihr Ende, obwohl noch weitere Fortsetzungen geplant waren, und in diesem von Hugo Fregonese inszenierten sechsten Teil, muss man sich als Zuschauer schon auf diverse Abweichungen und Neuerungen einstellen, die seinerzeit - und überhaupt - sehr verhalten aufgenommen wurden. Bei genauer Betrachtung handelt es sich allerdings um einen sehr gelungenen Spionage-Krimi, der in den Bereichen Ausstattung und Besetzung weitaus mehr zu bieten hat, als mancher der zuvor ins Rennen geschickten "Mabuse"-Konkurrenz, jedoch gibt es in diesem Abschlussbeitrag zahlreiche Anpassungsschwierigkeiten, denen man innerhalb der laufenden Reihe offensichtlich nicht vergeben wollte. Zum Kinostart wurde der Spielfilm noch recht positiv aufgenommen, das Anfangsgeschäft wurde als passabel beschrieben, doch wenig später kam bereits der Einbruch. Das Kino-Publikum konnte der Produktion offensichtlich eines nicht verzeihen, nämlich dass es sich um einen "Mabuse" ohne die diabolische Titelfigur handelte. Obwohl Wolfgang Preiss im Vorspann bei den größeren Nebenrollen eine namentliche Nennung zugedacht wurde, wartet man auf seinen Auftritt über den gesamten Verlauf leider vergeblich. Es gab schon zahlreiche Filme, die sich den Vorwurf von »Etikettenschwindel« anhören mussten, und dabei rückte die jeweilige Betrachtung des Ergebnisses oftmals pauschal in den Hintergrund. Hier sind mehrere wohlwollende Blicke jedoch durchaus angebracht, denn die Produktion transportiert neben seinem alternativen Charakter zahlreiche Berührungspunkte, und bleibt deshalb der persönliche Geheimtipp der Reihe. Fregonese setzt auf eine neue, anders aufgebaute Atmosphäre und verbindet nur noch recht wenige bekannte Plot-Fragmente mit seinem Spielfilm, um letztlich ein eigenständiges Konzept anzubieten.

Die Besetzung baut nur noch wenige Brücken in die Vergangenheit, lediglich Peter van Eyck sieht man in seinem bereits dritten Auftritt, wie in jedem Teil allerdings in einer unterschiedlichen Rolle, Wolfgang Preiss schaffte es wie erwähnt nicht über eine Ankündigung hinaus, so dass nur noch Walter Rilla als Professor Pohland seinen Charakter weiterführen darf, allerdings auch nur in einem Kurzauftritt. Dies sollen nur Anmerkungen sein und keine Kritik, denn "Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse" vereint eine Star-Besetzung, die im Serien-Kontext bis dahin beispiellos war. Die vielen, verschiedenen Nationen der Schauspieler zeigen eine internationale Orientierung am Markt, jedoch ging dieses Konzept leider nicht auf. Peter van Eyck als sympathischer und ebenso resoluter Held der Geschichte zeigt neben aller Routine mehr, als man es für "Mabuse"-Verhältnisse gewöhnt war. Sein Widersacher Professor Larsen wird mit voller Spiellaune vom großartigen O. E. Hasse geformt. Überhaupt ist zu sagen, dass es in dieser Geschichte von Gegenspielern nur so wimmelt, jeder ist verdächtig, beinahe jedem wird kriminelles Potential unterstellt, was einen guten Whodunit-Effekt bahnt. Die Frage, wer der berüchtigte Verbrecher ist, beziehungsweise von wem er dieses Mal Besitz ergriffen hat, wird leider unzureichend gelöst, da die Zusammenhänge nicht erklärt werden. Eher hat man rückwirkend den Eindruck, dass sich eine Verbrecherorganisation lediglich den furchteinflößenden Namen dienstbar gemacht hat. Daher wäre es tatsächlich ein Clou gewesen, Wolfgang Preiss erneut in irgend einer Form zu sehen, oder wenigstens Professor Pohland bei relevanten Machenschaften. Dies alles geschieht hier jedoch nicht, sodass man sich darauf konzentrierte, so viele Verdächtige und unterschiedliche Interessengemeinschaften wie möglich aufzubauen, die Verwirrung stiften und Brutalität verbreiten sollten.

Nichtsdestotrotz, der Zuschauer wird in diesem Zusammenhang mit sehr ansprechenden Leistungen von beispielsweise Leo Genn, Valéry Inkijinoff, Claudio Gora, Yôko Tani und Yvonne Furneaux belohnt, in der Riege der Besetzung findet man so gut wie keine signifikanten Schwächen. Der Vorwurf, dass man solche in der Dramaturgie und der Inszenierung an sich aufspüren kann, muss sich der Film sicherlich stellenweise gefallen lassen. Über allem steht, dass das Haupt-Thema zu sehr aufgeweicht wurde. Major Anders nennt seinen Gegenspieler - den schwarzen Schatten - einfach "Dr. Mabuse", ohne dass handfeste Beweise auf dem Tisch liegen. Des Weiteren ist man als Zuschauer zu intensiv damit beschäftigt, die Motivation einzelner Personen herauszufiltern, außerdem wirken derbe Schnitte im Verlauf nicht besonders förderlich beim Erzählfluss. Wie dem auch sei, die Vorzüge dieser Produktion sprechen eine unterhaltsame Sprache, und lassen sich in nahezu allen Bereichen ausfindig machen. Im Besonderen ist die bemerkenswerte musikalische Allianz von Carlos Diernhammer und Oskar Sala zu nennen, die dem Film ein besonderes Profil gibt. Für Flair sorgen sowohl die Unterwasseraufnahmen, als auch die Einstellungen vor sommerlicher Kulisse, sowie viele düstere Szenen mit sprechendem Schatten in einem Beichtstuhl. Das Thema, dass der Superverbrecher erneut die Weltherrschaft mithilfe einer unvorstellbaren Erfindung erlangen will, wirkt eigentlich weniger überholt, als abwegig. Aber das Verderben per Knopfdruck war schließlich immer schon ein beliebtes Mittel, um den geneigten Zuschauer zu beunruhigen. Am Ende ist alles aus und das leider viel zu abrupt, jedoch ist das hastig inszenierte Finale auf der anderen Seite ein sehr atmosphärischer und vor allem fantasievoller Coup geworden. Für viele Fans bleibt schließlich nur ein durchschnittlicher Krimi zurück, jedoch stellt "Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse" den persönlichen Geheimtipp der Reihe dar. Warum? Ich weiß es nicht. Es war Mabuse. Er benutzte mein Gehirn!

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Eva Renzi

PLAYGIRL


● PLAYGIRL - BERLIN IST EINE SÜNDE WERT (D|1966)
mit Harald Leipnitz, Paul Hubschmid, Elga Stass, Rudolf Schündler, Ira Hagen, Narziss Sokatscheff, Hans Joachim Ketzlin, Barbara Rath und Umberto Orsini
als Gäste Don Antonio Espinosa, Georg und Elizabeth Wertenbaker, Dimitri und Helen Cosmadopolous, Ricci, Monika Scholl-Latour, Ellen Kessler, u.v.a.
es singen Marie France und Paul Kuhn
eine Produktion der Will Tremper Film GmbH | im Verleih der UFA International
ein Film von Will Tremper

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»Ich könnte ihr den ganzen Tag zugucken!«


Das Model Alexandra Borowski (Eva Renzi) ist es gewöhnt, dass ihr die Männer zu Füßen liegen und ihr die Zeit vertreiben, außerdem benutzt sie ihre schnell wechselnden Bekanntschaften, sie beruflich weiter zu bringen. Angekommen in Berlin, sucht sie den erfolgreichen Bauunternehmer Joachim Steigenwald (Paul Hubschmid) auf, den sie von einem Aufenthalt in Rom kennt, denn eine erneute Affäre mit ihm würde ihrer Ansicht nach Vorteile mit sich bringen. Um sie schnell abzuwimmeln, schickt er allerdings kurzerhand seinen Bürovorsteher Siegbert Lahner (Harald Leipnitz) vor, der sich Hals über Kopf in Alexandra verliebt. Für sie wird es jedoch weitere männliche Etappen in Berlin geben, so beispielsweise den Mode-Fotografen Timo (Umberto Orsini), mit dem sie in der Abwesenheit von Steigenwald zusammenarbeitet, doch im Endeffekt findet Alexandra nichts anderes als kurze Affären und ist sich nicht im Klaren darüber, wie sie ihre Gefühle ordnen soll, falls denn überhaupt welche vorhanden sind...

Will Tremper hat geschrieben:Eva Renzi war der absolute Star des Films Playgirl, und sie wusste das. Nie hat ein anderes Mädchen mit einem einzigen Film im Rücken eine so raketenartige Karriere gemacht - und sich selbst auch wieder ruiniert.

Will Trempers vierter, und gleichzeitig vorletzter Film sollte unter dem Namen "Playgirl", beziehungsweise unter dem Arbeitstitel "Berlin ist eine Sünde wert" in die deutsche Filmlandschaft eingehen, und wurde heute, auf den Tag genau am 16. November 1965 fertig gestellt. Seine 50 Jahre sieht man diesem pulsierenden und vereinnahmenden Beitrag allerdings zu keiner Minute an. Interessant und vollkommen logisch zugleich erscheint hierbei die Tatsache, dass die komplette Geschichte mit deren gesamtem Verlauf um niemand anders als Eva Renzi herumkonstruiert wurde, die Tremper dem Vernehmen nach bereits zu den Dreharbeiten zu "Die endlose Nacht" als Evelyn Renziehausen kennenlernte. In seinem Buch "Die große Klappe" ist diesem Film ein großes Kapitel gewidmet, das weit blicken lässt und viele interessante Hintergrundinformationen liefert, vor allem über den neuen Star der Produktion. Bereits der Einstieg in den Film offenbart sich wie eine kleine Liebeserklärung an die Stadt, die doch dem Titel nach eine Sünde wert sein sollte, aber vor allem wird Eva Renzi in nahezu atemberaubenden Bildstrecken präsentiert. Wenn das Spektakel beendet ist, fragt man sich zurecht, wie es dramaturgisch zu einigen offensichtlichen Qualitätsunterschieden kommen konnte, doch Will Tremper räumt in seinem Buch mit allen Spekulationen auf und nennt das Kind beim Namen. Es heißt wieder einmal und eigentlich immer wieder Eva Renzi. Die Schilderungen des Regisseurs zu seiner Hauptdarstellerin gleichen einem strapaziösen Wechselbad der Ansichten. Einerseits spürt man die weitreichende Anerkennung bezüglich ihrer fulminanten Leistung, andererseits nimmt man aber auch ein quasi nervenaufreibendes Tauziehen wahr, bei dem es sich nicht gerade so anhört, als habe es eine Verjährungsfrist gegeben. Wie dem auch sei, zurück bleibt ein Ergebnis, das eines der visuell schönsten und aussagekräftigsten Aushängeschilder des jungen deutschen Films geworden ist. Die Verbindung mit gesellschaftskritischen Aspekten geht, um ehrlich zu sein, nicht immer auf, da man empfundenermaßen eine unwillkürliche Oberflächlichkeit ausfindig macht, die sich bei genauerem Hinschauen jedoch als ein nötiges Mosaiksteinchen herausstellt, um Tiefe zu bahnen.

Eine Frau sucht ihr Glück in der Großstadt, die ihr bereits nach den ersten kleinen Schritten zu Füßen zu liegen scheint. Damit gemeint ist natürlich hauptsächlich die Männerwelt, die, wie es aussieht, auf die Lichtgestalt Alexandra Borowski gewartet hat. Das schöne Fotomodell wartet erst gar nicht darauf, dass man an sie herantritt, sie nimmt sich das was sie will, was ihr zusteht, was sie braucht. Was sich nach einem Spiel anhört, wird im Verlauf immer wieder Tendenzen bitteren Ernstes bekommen, und es geht schließlich darum, wer die besseren Karten haben wird. Betrachtet man Eva Renzi, so dürfte sie es sein, die stets die bessere Ausgangsposition inne haben wird und man kann es nicht anders sagen, dass es herrlich ist, ihr bei ihrem episodenhaften Tanz durch Berlin zuzusehen. Der komplette Film schöpft seine Dynamik aus ihrem Spiel, dabei ist es absolut erstaunlich und gleichzeitig erfrischend, diese Seltenheit miterleben zu dürfen. Eigentlich steht es außer Frage, dass "Playgirl" ohne Eva Renzi niemals funktioniert hätte und man kann sogar ein Stück weiter gehen und behaupten, dass das Gerüst in seine Bestandteile zusammengefallen wäre. Laut Tremper wusste es jeder, auch er selbst, aber vor allem wusste es seine Hauptdarstellerin, die durch diverse Kapriolen während des Drehs, davor und danach für Atemlosigkeit sorgte. Alexandra Borowski beschäftigt sich und den Zuschauer insgesamt mit der Suche, oder vielmehr mit einer unbestimmten Suche, die zwar durch die dazu gehörenden Bilder transparent gemacht wird, aber den Kern der Sache eigentlich nicht verraten möchte. Das Finale des Films schafft keine Abhilfe angesichts offener Fragen, der Regisseur widmet diesem sogar ein Kapitel in seinem Buch unter dem Namen "Der schlechte Schluss", benutzt Wendungen wie »scheißegal« und betrachtete das »Unternehmen Eva Renzi« sogar als gescheitert. Es ist überaus spannend und ernüchternd zugleich, wenn man eine Ahnung davon bekommt, was hinter den Kulissen abgelaufen sein muss, und die Produktion bei all seiner Bildgewalt und Poesie plötzlich einen merklich faden Beigeschmack vermittelt. Eine gewisse Unschlüssigkeit bleibt dem Zuschauer somit gleichermaßen nicht erspart.

Was die Schauspieler angeht, so bleibt zu sagen, dass sich bekannte und etablierte Stars aus TV und Kino hier lediglich im Licht einer zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten, aber nicht unbegabten Eva Renzi sonnen. Ganz erstaunlich ist die Tatsache, dass sie ein regelrechtes Diktat vorgibt und dadurch bei Anderen fokussiertere Leistungen abruft. Harald Leipnitz und Paul Hubschmid stoßen in diesem Becken aus Flexibilität und Kehrtwendungen hin und wieder an ihre Grenzen, da ihre Routine neben der aufkommenden darstellerischen Spontaneität wie ein alter Hut wirkt. Man bekommt auf einem langen Weg schließlich empathische und regelrecht abgestimmte Leistungen geboten, oftmals wirkt es so, als versuchten diese, und schließlich alle Herren, aufkommende Unruhen glattzubügeln und eine nicht vorhandene, oder zumindest gestörte Struktur wieder herzustellen, weil diese systematisch von der Hauptperson umgekehrt wird, die in ihrem Auftreten absolut unberechenbar, aber genauso mitreißend wirkt. Das große Plus sind ohne jeden Zweifel die teilweise überwältigenden Schauplätze des Szenarios, die Alltägliches, Spektakuläres und Traumhaftes widerspiegeln und charakterisieren. Die vorhandene Ziellosigkeit des Films verkommt bei aller sicht- und hörbaren Information zur Nebensächlichkeit und man verlässt sich auf den außergewöhnlich guten Instinkt der Regie, welcher unterm Strich wie eine Offenbarung wirkt. Was zählt, ist also wieder einmal die Liebe, doch hartnäckige Antagonisten wie beispielsweise Oberflächlichkeit, Misstrauen oder Eifersucht stören dieses schwierige Unterfangen sogar in Berlin. Schlussendlich ist es recht verwirrend, dass man einem Film, der dramaturgisch sicherlich ausbaufähig gewesen ist, einen derartig hohen Stellenwert einräumt, aber unbefangen oder auch nicht bleibt nur zu sagen, dass hier alle Wege zu der schönen, fordernden, voller Leben und Energie steckenden Eva Renzi führen, die einen einfach nicht unberührt lassen wird, auf welcher Ebene auch immer. "Playgirl" ist daher vielleicht eher ein Film für notorische Genießer und diejenigen die es schätzen, wenn ein Film einem sein beinahe zeitloses Flair verführerisch um die Ohren Augen schlägt. Trotz gewisser Ungereimtheiten einfach nur toll!

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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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BLAUBART


● BARBE-BLEU / BARBABLÙ / BLAUBART (I|F|D|1972)
mit Richard Burton, Karin Schubert, Raquel Welch, Virna Lisi, Nathalie Delon, Marilù Tolo, Agostina Belli, Sybil Danning, Edward Meeks,
Erika Schramm, Doka Bukova, Jean Lefebvre, Karl-Otto Alberty, Kurt Großkurth, Mag-Avril sowie Mathieu Carrière und Joey Heatherton
eine Produktion der Gloria Film | Barnabé Productions | Geiselgasteig W.V. Schiber | im Verleih der Cinerama Filmgesellschaft
ein Film von Edward Dmytryk und Luciano Sacripanti

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»Bist du endlich fertig mit diesen vulgären Geständnissen?«


Der als Kriegsheld verehrte Faschist, Baron Kurt von Sepper (Richard Burton), lebt mit seiner kürzlich geehelichten Frau Anne (Joey Heatherton) in einem abgelegenen Schloss, in welchem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Als die Dame des Hauses während der Abwesenheit ihres Mannes einen geheimen Raum mit zahlreichen Frauenleichen entdeckt, erscheint auch ihr Schicksal besiegelt zu sein. Doch es kommt alles anders, da sie dem Baron zunächst Verständnis gegenüber bringt, und mehr über die Hintergründe erfahren möchte. Von Sepper berichtet nicht nur, wie er sie umgebracht hat, sondern vor allem auch warum. Was hat Anne zu befürchten..?

Filme mit internationaler Starbesetzung verfügen in der Regel alleine wegen ihres Casts bereits über die halbe Miete, sodass die eigentliche Geschichte gerne auch einmal in die zweite Reihe rücken darf. Ob man in dieser im Jahr 1972 entstandenen Produktion derartige Abstriche zu machen hat, wird sich unter der Regie des US-amerikanischen Regisseurs Edward Dmytryk in Windeseile herausstellen, bekommt man doch gleich ab der ersten Minute immer wieder besonders ausdrucksstarke Bilder geboten. Richard Burton, berühmt und berüchtigt in vielerlei Hinsicht, orchestriert eine überaus makabere Geschichte rund um Wahn, Mord und Totschlag, die weniger durch ihre Exposition grausam und tragisch wirkt, sondern wegen der Tatsache, dass der Baron sich die ausschließliche Zerstörung der Schönheit auserkoren hat. Er pflückt nach und nach die Blütenblätter, bestehend aus einigen der attraktivsten und bekanntesten Schauspielerinnen dieser und jener Zeit ab, um den Schock mit jeder weiteren Etappe zu erhöhen. So weit das Auge reicht, sind neben Richard Burton und seiner US-amerikanischen Partnerin Joey Heatherton trotz hochkarätiger Namen nur nominelle Hauptrollen wahrzunehmen, allerdings in einer kaum zu überbietenden Dichte an Top-Interpretinnen. Raquel Welch, Virna Lisi, Nathalie Delon, Marilù Tolo oder Karin Schubert; die Liste ist lang, attraktiv und reichhaltig. Doch zunächst bekommt das geneigte Auge den ersten tragischen (oder doch delegierten) Todesfall zu sehen, sodass der soeben verwitwete Baron sich auf die Suche nach einer neuen Gefährtin machen muss. Diese ist in der Regel schnell gefunden, da eine aristokratische und für die Damenwelt anziehende Aura von ihm auszugehen scheint. Intensiviert durch eine animierende Fleischbeschau einiger Damen, tun sich nebenbei (Ab)Gründe dafür auf, warum eine Dame nach der anderen auf nimmer Wiedersehen verschwunden ist.

Garniert mit einigen Horror-Effekten und überspitztem Einfallsreichtum aus dem mythologischen Reich der grausamen Exposition, stellen sich Effekte ein, die in den richtigen Momenten auch zu greifen wissen, um Stimmungen zu fabrizieren, die dieser morbiden Geschichte zuträglich sind. Das Maß aller Dinge wird hier Richard Burton heißen, Motor und Initiator dieses etwas in Vergessenheit geratenen Schockers, der seinerzeit mit eher negativen bis gemischten Gefühlen aufgenommen wurde. Dabei wurde Burtons Leistung vor allem vergleichsweise durchleuchtet und an seinen größten Klassikern bemessen, was einen hier aber nicht wesentlich weiterbringt, denn der Brite spielt eine besondere Art der vereinnahmenden Dominanz aus, die er selbstverständlich gerne an den weiblichen Interessenten auszulassen pflegt. In seiner Erscheinung wirkt er erhaben, unantastbar, in den richtigen Momenten statisch-charmant, sodass es kein Wunder ist, dass ihm die Damen zu Füßen liegen, und sei es nur wegen eines Titels der Baronin von Sepper. Seine Partnerinnen liefern unterschiedliche Gesichter und Ambitionen, stellen ihr Können dabei lediglich intervallweise zur Verfügung. Die tatsächliche weibliche Hauptrolle wird von Joey Heatherton interpretiert, die im Vergleich auch am meisten Screentime zur Verfügung hat, geschweige denn Raum, sich in ihre Rolle hineinzudenken und diese glaubhaft umzusetzen. Trotz ihrer harten Akzentuierung, vor allem im verbalen Bereich, weiß sie als Überraschungsartistin zu überzeugen. Sucht man nach einer weiteren Rolle, die ähnlich prominent in Erscheinung tritt, muss sicherlich die schöne Karin Schubert genannt werden, die sich einige Jahre später erfolgreich ins Fach der Erwachsenenfilme verabschiedete. Raquel Welch, Marilù Tolo, Virna Lisi, Agostina Belli, Nathalie Delon oder Sybil Danning stellen Etappen dar, wenn auch überaus anregende, und sind damit beschäftigt, dieses obskure Puzzle zusammenzufügen.

Diverse Vorahnungen findet man im Nebel dieser Geschichte förmlich auf der Straße, welche sich meistens auch bewahrheiten werden, aber es offenbaren sich auch stilsichere Twists, die das Geschehen und den Zuschauer bei Laune halten können. Bekannte und hochverdiente Interpreten wie Mathieu Carrière, Jean Lefebvre oder Edward Meeks lockern das Szenario mit gekonnten Griffen und Taktiken auf, sodass das Epizentrum "Blaubart" zwar ein gefräßiges Ungeheuer bleibt, aber das Geschehen nicht erdrückt, beziehungsweise unliebsam zermalmt. Der Film verfügt über eine satte Ausstattung und verheißungsvolle Bildsprache, könnte sich beinahe als Vertreter des Ausstattungsfilms feiern lassen, wenn dort nicht dieser überaus morbide Charakter wäre, der einen immer wieder einholt. Die Zerstörung von Schönheit und Anmut wirkt immer schockierend, auch wenn einige der Damen tatsächlich zahlreiche Macken und Makel haben, die selbst den Zuschauer strapazieren werden, aber es liegt ein immerwährender Duft von Gerechtigkeit in der Luft, die allerdings einen Schlüssel brauchen wird. Diese Lösung rückt unter der geschickten Regie lange in weiter Ferne, die es sich zur vornehmsten Aufgabe macht, für ein gut organisiertes und überzeugendes Finale zu sorgen. Das Abarbeiten historischer Nährböden wird lediglich angerissen. Am Ende wirkt der Film nicht zuletzt wegen seiner teils unorthodoxen Mixturen außergewöhnlich, aufgrund des Ensembles ohnehin, sodass man einen Film Revue passieren lassen kann, der eher steht, als fällt, vorausgesetzt man kann mit so vielen Neurosen, krankhaften Zwängen, Wahnvorstellungen und unbelehrbaren Personen etwas anfangen. "Blaubart" kann trotz seiner Überlänge seine kurzweiligen Ambitionen ausspielen und sich im Kreise der Produktionen etablieren, die ein nicht ganz alltägliches, von Zeit zu Zeit sogar pikantes Angebot machen, das man mit Leichtigkeit interessiert und dankend annehmen kann.

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PARAPSYCHO - SPEKTRUM DER ANGST


● PARAPSYCHO - SPEKTRUM DER ANGST | EPISODE 2 | METEMPSYCHOSE (D|1974)
mit William Berger, Mascha Gonska, Debbie Berger, Signe Seidel, Karl Heinz Martell
eine Produktion der TIT Film | im Verleih der Cinerama Filmgesellschaft
ein Film von Peter Patzak

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»Mit dem Alter wird nämlich kein Abschied leichter!«


Der Professor der Pathologie (William Berger) hat eine Affäre mit einer jungen Medizinstudentin (Mascha Gonska). Seine Frau (Signe Seidel) hat dieses Verhältnis längst durchschaut und fasst einen endgültigen Entschluss. Sie will sich, ihren Mann und die gemeinsame Tochter Debbie (Debbie Berger) umbringen, und verursacht einen schweren Autounfall, bei dem sie stirbt. Debbie kommt nicht über den Tod ihrer Mutter hinweg und glaubt sie fortan öfters zu sehen, bis sie zusammenbricht und in eine Klinik kommt. Ihr Vater trifft sich noch einmal mit seiner Studentin Mascha um die Liaison zu beenden. Kurz darauf nimmt sich Mascha das Leben und bemächtigt sich Debbies Seele. Vater und Schulmedizin stehen der schlechten Konstitution und dem absonderlichen Verhalten der 17-jährigen Tochter rat- und machtlos gegenüber. Wird man ihr noch helfen können...?

»Nun, das möge das Publikum entscheiden, wenn es in Kürze die unheimlichen Fälle von Reinkarnation, Telepathie und Seelenterror in diesem Film zu sehen bekommt und vielleicht feststellen muss: Es gibt Dinge auf dieser Welt, die gibts gar nicht.« Diese verheißungsvolle und ambitioniert klingende Anmerkung kann man erneut der Pressemitteilung der Cinerama Filmgesellschaft entnehmen, um dem Anschein nach so viele vielleicht unschlüssige Zuschauer für ein Populärthema zu rekrutieren, wie möglich. Die zweite Episode "Metempsychose" setzt sich mit der Thematik der Seelenwanderung, beziehungsweise der seelischen Besitznahme durch eine Tote auseinander, und fährt im Verlauf ganz andere, im Wesentlichen ungewöhnlichere Register hinsichtlich Atmosphäre, Stimmung, Destruktivität und Exposition auf. Gerade in diesem zweiten Abschnitt werden Dinge veranschaulicht, die der Großteil der Zuschauer möglicherweise erst gar nicht sehen möchte, und der reißerische Tenor lockte bei hoher Altersfreigabe nachweislich auch nicht die gewünschten Zuschauerscharen in die Kinos. Der österreichische Regisseur Peter Patzak wagt eine verstörende Grenzüberschreitung indem er Suizid samt Obduktion ohne Hemmungen en detail zeigt, und man muss es schon sagen, dass diese entmutigenden Bilder den kalten und sterilen Charakter der zweiten Episode äußerst eindringlich und authentisch formen. Selbst aus heutiger Sicht ist die Frage vollkommen berechtigt, wie Derartiges eigentlich in einen Film gelangen konnte, und wieder einmal entfaltet sich eine geradezu beispiellose Provokation, deren Radius trotz dieser herausfordernden Bilder recht klein geblieben ist. Auch die Besetzung der "Parapsycho - Spektrum der Angst"-Fortsetzung kann sich natürlich wie in den übrigen Episoden sehen lassen, und zeigt sich wie in allen anderen Teilen auch sehr orientiert an den Interessen potentieller Zuschauer der damaligen Zeit, da insgesamt sogar ein bisschen mehr geboten wird wie üblich, was sich vor allem auch auf die Interpreten münzen lässt.

Hauptdarsteller William Berger - hier synchronisiert von Hellmut Lange - der den nach Schicksalsschlägen geläuterten Professor spielt und im Film selbst die Liebe wissenschaftlich zu erklären versucht, verlautbarte: »"Ob ich an diesen ganzen Quatsch glaube?" William Berger zündet sich eine Zigarette an, "Klar, es gibt einfach Dinge, die wir nicht verstehen aber nehmen müssen wie sie sind".« Wissenschaftlich formuliert wie immer, eben ganz im Sinne des Films. Aber Berger löst seine spezielle Anforderung wirklich gut. Er wirkt der Rolle entsprechend pragmatisch, in den ungünstigsten Situationen schrecklich sachlich und gibt nicht den typischen Protagonisten aus dem Bilderbuch ab. Vielmehr fordert er das Schicksal heraus. Über seine attraktive Partnerin im Film wurde Folgendes berichtet: »Mascha Gonska, zuletzt Partnerin von Romy Schneider in TRIO INFERNAL, büßte bei einer Fahrt zum Filmmotiv ihren Wagen, ein Auto-Bianchi ein. "Ich bin stinknormal, aber alle diese Autounfälle - es passierten ja noch drei weitere während der Dreharbeiten - sehe ich in einem unerklärlichen Zusammenhang mit dem Film, in dem ein grässliches, von einer Frau absichtlich herbeigeführtes Autounglück eine wichtige Rolle spielt".« Vor allem sie wird es sein, die der Episode Intensität und Tragik verleiht. Ob als klassische Schönheit, raffinierte Expertin der barbusigen Einlagen und Erotik-Szenen, oder Leiche in der kalten Pathologie, Mascha Gonska überzeugt hier auf ganzer Linie, ebenso wie ihre hübsche Kollegin und William Bergers reale Tochter hübsche Debbie, die zahlreiche indirekte Schock-Momente fabrizieren kann. Weitere Erwähnung sollte noch die nur sporadisch in Film und Fernsehen auftretende Signe Seidel genannt werden, die ihren komplett wort- aber nicht tatenlosen Auftritt dennoch zu einem besonderen macht, da sie für Szenen sorgt, mit denen nicht zu rechen war und die deswegen überraschend wirken. Im Grunde genommen löst sie eine schreckliche Kettenreaktion aus, die weder zu erklären noch aufzuhalten ist.

Im direkten Vergleich zum interessanten ersten Teil offeriert "Metempsychose" dem Zuschauer eine verblüffende Metamorphose und nicht zu erwartende Kehrtwendung. Was vorher noch wie ein gepflegte Märchen hätte aufgefasst werden können, bekommt nun einen allzu nüchternen Realitätstransfer, wofür weniger die Thematik, als die beunruhigenden Bilder sorgen. Zwar ist es nicht so, dass man diese Episode eher als die erste in den Bereich des Möglichen rückt, aber die kalten Bilder wirken eben nicht weit hergeholt und verbreiten ein perfider angelegtes Horror-Szenario. In keiner der drei Episoden schwebt der Tod so kontinuierlich und präzise wie ein schwarzer Schatten über dem Szenario. Als Zuschauer ahnt man , dass es zum Schlimmsten kommen wird und wird schließlich auch bestätigt, indem Patzak einen eiskalt erwischt. Bei der handwerklichen Umsetzung kommt es bei "PSI" unter dem Prinzip des Minimalismus zu ganz erstaunlichen Ergebnissen. Ohne große Klimmzüge entstehen sehr anschauliche Bilder, was man vor allem von den Abfolgen des Autounfalls sagen kann. Auch die prosaische Suizid-Szene und die einkopierte Obduktion einer Frauenleiche sorgen für Zustände des Unbehagens, der Beklemmung, möglicherweise der Angst, sodass man es hier insgesamt mit dem strapazierendsten, beziehungsweise dem visuell schockierendsten Teil des Films zu tun bekommt, dessen Bilder man womöglich nie wieder vergessen wird. Sehr positiv fällt des Weiteren die gute Arbeit in den Bereichen der Montage und vor allem der Musik auf. Die schwerfälligen Chorgesänge und winselnde, klagende Stimmen schaffen eine besonders beklemmende und dichte Atmosphäre, die wie Vorboten aus dem Reich der Toten wirken. Im Rahmen der "Parapsycho"-Triangel handelt es sich hierbei um die Folge des Mittelfeldes - das heißt, sie ist hinsichtlich der Intention der Produktion vermutlich am eindringlichsten ausgefallen, hat deutlichere Stärken und einen anderen Härtegrad als "Reinkarnation", fällt aber im Gegensatz zu noch ausstehenden Episode "Telepathie" wieder etwas ab. Man darf also weiterhin gespannt sein.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

Beitrag von Prisma »



SCHREIE IN DER NACHT


● SCHREIE IN DER NACHT / CONTRONATURA (D|I|1969)
mit Marianne Koch, Joachim Fuchsberger, Dominique Boschero, Helga Anders, Giuliano Raffaelli, Luciano Pigozzi,
Gudrun Schmidt, Marianne Leibl, Marco Morelli, Lella Cattaneo, Giuseppe Marrocco und Claudio Camaso
eine Produktion der cCc Filmkunst | Edo | Super International Pictures | im Inter Verleih
ein Film von Antonio Margheriti

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»Warum weigerst du dich; soll ich dich zwingen?«


Wegen eines starken Unwetters bleibt eine Gruppe der Londoner High Society mit ihrem Wagen im Schlamm stecken. Der wohlhabende Archibald Barret (Giuliano Raffaelli) und sein Partner Ben Taylor (Joachim Fuchsberger) führen wichtige Dokumente mit sich, die am nächsten Tag beglaubigt werden und eine große Erbschaft garantieren sollen. Da das Fahrzeug jedoch festsitzt, begeben sie sich auf die Suche nach einem Unterschlupf. Man findet sich in einem alten Jagdschloss wieder, in dem sie anscheinend bereits erwartet werden. Uriat (Luciano Pigozzi) lädt die Gesellschaft zu einer spiritistischen Sitzung ein, deren Medium seine Mutter (Marianne Leibl) darstellt. Die alte Frau beginnt plötzlich über verborgene Details aus der Vergangenheit der Gäste zu sprechen, bis dunkle Geheimnisse ans Tageslicht kommen. In ihrer Mitte soll sich ein Mörder befinden. Eine Nacht beginnt, die einem Alptraum gleicht...

Nach eigenem Ermessen handelt es sich bei Antonio Margheritis "Schreie in der Nacht" um einen sehr faszinierenden cineastischen Exkurs, was vermutlich daran liegt, dass mehrere beliebte Genres wie Krimi, Giallo, Horror oder etwa Grusel eine beeindruckende Allianz miteinander eingehen. Ob vom Ergebnis her oder wegen der transportierten Emotionen, es stellt sich die Frage, warum letztlich ein Film vorliegt, der zu seiner Entstehungszeit vollkommen verhalten, beziehungsweise gar nicht wahrgenommen wurde. Sicherlich gibt es dafür mehrere Gründe, doch die einfachste Erklärung ist wohl im größten Vorzug des Films zu finden, da die anwesenden Darsteller mitunter mit stilfremden bis zurückweisenden Interpretationen aus ihren üblichen Schablonen ausbrechen. Dies dürfte global gesehen die ultimative, vielleicht vernichtende Blockade gewesen sein, denn selbst 1969 war man wie es scheint noch nicht ohne Abstriche dazu bereit, die diskrete Progressivität des Films wahrzunehmen und anzuerkennen. Dass Margheriti sich gängiger Plot-Fragmente bedient, ist auf die Zeit bezogen mehr als nachvollziehbar, und dass man sich neben aller Vertrautheit nicht genierte Grenzen zu ignorieren, um sie schließlich zu überschreiten, ist hier sehr hoch anzurechnen. Um die Stärken der Produktion wahrzunehmen, sollte man sich vielleicht nicht auf einen Giallo reinster Seele einstellen, denn das möchte der Film im Grunde genommen oder primär auch nicht darstellen. Am Ende gibt er das auch nicht her. Seine übernatürlichen Elemente sorgen daher lediglich für eine Spiegelfunktion, der immer wieder die Realität hervorbringen wird, und das merkliche Krimi-Feeling kann einer wirtschaftlichen Orientierung zugutegehalten werden. "Schreie in der Nacht" ist vielleicht kein Meisterwerk geworden, denn dafür bleibt man trotz aller Provokation in zu sicherem Fahrwasser. Für einen persönlichen Hall-of-Fame-Beitrag reicht es allerdings spielend. Margheritis Arbeit wirkt vor allem wegen des mutigen Einsatzes seiner Darsteller_innen überaus anziehend, und wenn hier jemand zuerst betrachtet werden sollte, muss das unbedingt Marianne Koch sein.

Die zu diesem Zeitpunkt fast vierzigjährige Deutsche befand sich so gut wie am Ende einer erfüllten und nahezu unfreiwilligen Karriere, und es ist sehr anerkennungswürdig, dass sie fernab ihres bestehenden Images in völlig alternativ angelegten Rollen zu sehen war. Koch wirkt als Schauspielerin möglicherweise eher unauffällig, weil sich ihre Typisierungen dem Empfinden nach häufig ähnelten: Sie interpretierte die Verlässliche, die moralisch Unantastbare, die Konservative oder Erhabene, und vor allem die ewige "Landärztin". Betrachtet man ihre Leistung in "Schreie in der Nacht", ist es in vielerlei Hinsicht überraschend, welche Wandlungsfähigkeit und Variabilität sie unter Beweis stellt. In diesem Zusammenhang wirkt diese Interpretation ein Stück weit beispiellos und so darf darüber philosophiert werden, welche Kapazitäten über all die Jahre nicht abgerufen wurden. Marianne Kochs Vivian wird als eine Frau integriert, die zunächst einen seriösen Eindruck macht. Sie hat Stil, ist kultiviert. Schnell stellt sich jedoch heraus, um welch zerrüttete und zutiefst einsame Frau es sich handelt. Die exemplarischen Veranschaulichungen in Rückblenden zeigen ihren aussichtslosen Kampf gegen ihre verborgene Neigung für attraktive Damen, an der sie in fataler Weise scheitern wird. Aus Zurückhaltung wird ein nicht länger zu unterdrückendes Interesse, aus Gier wird Manie und aus Affekt wird Schuld. Marianne Koch bekommt in dieser Handlung viele Nahaufnahmen, die Zooms konzentrierten sich auf ihre kraftvoll-fixierenden Augen, die wortlos und präzise das Spektrum ihrer Gefühlszustände schildern. Ein Erlebnis! Wenn Vivian an die Zweisamkeit mit ihrer Geliebten Elisabeth zurückdenkt, entstehen atemberaubend schön eingefangene Traumsequenzen. In einer wahren Choreografie der Sinne, unterstützt die wunderbare Musik von Carlo Savina diese Eindrücke im Hintergrund, bis die angedeuteten Berührungen der Lippen eine Hochspannung aufbauen, die durch die sich in Andeutungen verlierenden Kamera entschärft wird. Allerdings schießt immer wieder die Realität ein. Vivian sucht nach Zuneigung, möchte andere aber zur Liebe zwingen. Für ihre Verhältnisse ein wohl einmaliges Spektakel, im Gegensatz zu ihren Partnerinnen Helga Anders und Dominique Boschero, die mit derartigen Aufgaben durchaus vertraut waren.

Die Französin Dominique Boschero ist wie üblich umwerfend. Ihre Margarete arbeitet sich - andeutungsweise aus einem bestimmten Metier stammend - zielstrebig bis nach oben, und wird Vivians Objekt der ungestillten Begierde. Im Verlauf kommt es zum erbittertem Widerstand seitens Margarete und zu unerbittlichen Forderungen von Vivian, bis das Ganze in einem visuell und vor allem darstellerisch hoch prägnanten Showdown gipfelt. Helga Anders als Elisabeth wird im Szenario als Auslöser einer Kettenreaktion gezeigt, denn sie ist eine lebenshungrige und eigentlich rücksichtslose, in langweiliger Ehe stehende junge Frau, die hauptsächlich verführerisch, mit halboffenem Mund und aufforderndem Blick zu begutachten ist. Die knisternde Erotik wird demnach nicht neu erfunden, aber sie bekommt pikante Gesichter. Dominique Boschero ist in dieser Beziehung mit von der Partie und die Erotik-Einlagen wirken unter der Beteiligung von Marianne Koch zunächst eigenartig. Die Besetzungsliste wird von Joachim Fuchsberger angeführt, der sich diesmal nicht als Ermittler oder sympathischer Held präsentiert. Er darf sich hier einer seltenen Ambivalenz bedienen und macht seine Aufgabe in dieser für ihn ungewohnten Rolle sehr gut. Ben Taylor erlebte einen beruflichen Abstieg und ist nur noch Lakai seines ehemaligen Geschäftspartners. Sein Zuständigkeitsbereich ist die Drecksarbeit. Die Beziehung zu seiner Frau Vivian ist oberflächlich und zeichnet sich durch unterschiedlichste Erwartungshaltungen aus. Vivian soll in jeder Beziehung nur verfügbar sein und auf Abruf bereitstehen; Nebeneinander Herleben und kleine Affären sind an der Tagesordnung. Am Ende des Films bekommt man schließlich von Joachim Fuchsberger eine überaus denkwürdige Vorstellung geboten. Giuliano Raffaelli als Archibald Barrett ist die vollkommen verlebte und abstoßende Figur. Der ehemalige Partner von Ben hat diesen in der Hand, seine Geliebte ist Margarete, die sich längst mit Barretts neuem Verwalter vergnügt, der perfekt von Claudio Camaso dargeboten wird. Barrett trinkt, spielt, lebt in Saus und Braus und verfolgt nur ein Ziel, nämlich seine Macht auszubauen oder legitimieren zu lassen. So handelt es sich um ein Zusammentreffen der Präzisionsauftritte.

Antonio Margheritis Genre übergreifendes Hybrid ist vielleicht schnell auf die darstellerischen Leistungen reduziert und es besteht sogar die Gefahr, dass er gerade deswegen durchfällt, aber vor allem hier lässt sich der eigenwillige Mut des Films lokalisieren. "Schreie in der Nacht" stellt sich im Verlauf als eine überragende Assoziationskette heraus. Wer Rückblenden und Verschachtelungen schätzt, kommt bestimmt auf seine Kosten, außerdem leistet die Regie Außergewöhnliches im Bereich der zahlreichen gedanklichen Übergänge. Das Stilmittel der Wahl ist in diesem Zusammenhang die Konzentration auf die aussagekräftigen Augen der Darsteller, die auch ohne weitere Kniffe bereits Bände zu sprechen scheinen. Ein ausgiebiger Zoom auf beispielsweise Marianne Kochs eisblaue Augen, ein leerer, kalter Blick, der sich plötzlich in Ausdrucksstärke, Ekstase oder Hochmut verwandelt, bis sich der Zuschauer um Jahre zurückversetzt sieht, und den vermeintlich besseren Zeiten beiwohnen darf. Dieses Spiel mit Nähe und Distanz ist hervorragend, es entsteht insgesamt das Gefühl, dass man sich in einem Strudel befindet, aus dem man sich ebenso wenig befreien kann wie die Protagonisten. Genau genommen ist die Geschichte oft weit weg, da sie im ersten Impuls keinen Realitätstransfer bilden möchte, doch aufgrund der blendenden Charakterstudien fühlt man sich unter Umständen sogar einigen Personen im allgemeinsten Sinne vertraut, was sich vielleicht eher auf geschilderte Stimmungen und Gefühle wie Rache, Eifersucht, Resignation, Verzweiflung oder Glück bezieht. Des Weiteren wird ausgiebig mit Umkehrreaktionen gespielt, was das teils zu behäbig wirkende Erzähl-Tempo immer wieder aufhebt. Mit Carlo Savinas träumerischen Kompositionen werden Stimmungen geschaffen, die in Verbindung mit diesem isolierten Personenkreis in jeder Hinsicht bestimmend wirken. Wenn sich mit fortlaufender Zeit das Unausweichliche oder Unwahrscheinliche bündelt und sich unaufhaltsam zuspitzt, hätten manche Szenen zugegebenermaßen eine deftigere Bildsprache nötig gehabt. Nichtsdestotrotz bietet "Schreie in der Nacht" einen unkonventionellen Gegenentwurf an, der sich in aller Morbidität und Kälte optimal erschließt.

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Prisma
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Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

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FAMILIENGRAB


● FAMILY PLOT / FAMILIENGRAB (US|1976)
mit Karen Black, Bruce Dern, Barbara Harris, William Devane, Ed Lauter, Katherine Helmond und Cathleen Nesbitt
eine Produktion der Universal Pictures | Alfred J. Hitchcock Productions | im Verleih der CIC
ein Film von Alfred Hitchcock

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»Ich habe nur noch Zeit für Resultate!«


Die Hellseherin Blanche (Barbara Harris) und ihr Freund George Lumley (Bruce Dern), ein Gelegenheitsschauspieler und Taxifahrer, wittern eine große Chance, um endlich auf einen Schlag an das große Geld zu kommen, da Blanches Klientin Julia Rainbird (Cathleen Nesbitt) auf der Suche nach ihrem verschollenen Neffen - ihrem einzigen Erben - ist. Schon bald sind die Erhebungen von Erfolg gekrönt, doch alles kommt anders als gedacht, da der gesuchte Verwandte ein gewöhnlicher Berufskrimineller namens Adamson (William Devane) ist, der sich mit seiner Komplizin Fran (Karen Black) raffinierte Entführungen durchführt. Da er unter falschem Namen lebt und um keinen Preis auffliegen will, fasst er den Entschluss, zu drastischen Mitteln zu greifen...

Alfred Hitchcock war für seine inszenatorische Pedanterie nahezu berüchtigt, was in "Familiengrab" beinahe aufgeweicht wirkt. Dieser Eindruck wird nach einiger Spielzeit und vor allem vergleichsweise zur Tatsache, sodass diese Thriller-Komödie nahezu experimentelle Tendenzen und im Rahmen des morbiden Charmes noch einmal frische Tendenzen annehmen darf, wenngleich manche Angebote dieser Geschichte stellenweise auch eigenartig rückwärtsgewandt wirken. Es stellt sich die Frage, ob dieser Mix gewollt etabliert wurde, um möglicherweise die Waage zu halten, oder ob es dem Vernehmen nach offenen Konzept der Produktion zu verdanken ist. Misst man den Film an den Gesetzmäßigkeiten des Thrillers, muss er weit hinter seinen Erwartungen zurück bleiben, da es zu einem Erzähltempo kommt, das weitgehend durch ein Spektrum des Humors dominiert wird, welcher alles zwischen subtil, raffiniert, laut oder aufdringlich sein kann, somit teilweise eine neue Dimension der Entscheunigung erfährt. Diese Kritik kann sich "Familiengrab" letztlich leicht gefallen lassen, da es auf der anderen Seite zu einer Aura kommt, die einen über die komplette Spielzeit vereinnahmt und nicht wieder loslassen wird. Zwei anfangs lose Handlungsstränge werden in raffinierter Art und Weise zu einer Einheit, da sie originellerweise auf der Straße gekreuzt werden. Dabei wird mit spiritueller Scharlatanerie kokettiert und eigentlich noch mehr provoziert, die dem Verlauf und dessen Charakteren etwas Artifizielles und Zurückweisendes verleiht, obwohl sich die Fraktionen auf sehr weit voneinander entfernten Seiten befinden. Über allem steht ein selbsternanntes Medium und eine alte Geschichte, deren Initiator hoffte, dass sie für alle Zeiten erledigt sein würde. Geschickt lässt Hitchcock seine Plot-Fragmente ineinander übergehen, sodass man die beiden Fraktionen und unterschiedliche Modelle männlich-weiblicher Beziehungen kennenlernen darf, die sich vor allem in ihrer Wechselseitigkeit voneinander unterscheiden und sich jeweils über den anderen definieren. Man hat es letztlich jeweils mit Gaunern zu tun. Die Guten und die Schlechten.

Blanche als Wahrsagerin nimmt ihre verzweifelte Kundschaft aus, indem sie sie übertölpelt und über ihre eigene Ungeduld einkassiert. Als Gegenentwurf ist Fran wahrzunehmen, die ebenso mit ihren Aufgaben vertraut ist und diese stets zuverlässig und fehlerlos erledigt. Ihre Fischzüge im Rahmen von Entführung und Erpressung scheinen bis ins kleinste Detail geplant zu sein, doch anders als bei Blanche scheint sie in ihrer isoliert wirkenden Konstellation nicht der Kopf zu sein, sondern genau wie Lumley der ausführende Arm. Also deutet alles auf einen Clash zwischen den beiden Gehirnen hin, deren kognitive Strategien unterschiedlicher nicht sein könnten. Ein Großteil der Zeit jagt das medial ausgerichtete Detektiv- und Taxiunternehmen Schimären nach. Entweder man ahnt nichts von der Existenz des anderen, oder sie ist nicht zu belegen. Lediglich die alte Julia Rainbird stellt das entscheidende Bindeglied zwischen den mit Nebel behangenen Welten dar, ohne zu wissen, dass sie einen Stein ins Rollen bringt, der ihren ursprünglichen Auftrag, ihren Neffen zu finden, vollkommen aushebelt und in unbequemer Art und Weise umkehrt. Um für Glaubwürdigkeit und eine extravagante Art der Unterhaltung zu sorgen, steht ein hochinteressantes Schauspieler-Quartett zur Verfügung, dessen Qualität und Intensität sich über die offenkundigen Unterschiede ergibt. In der nominellen Hauptrolle ist Karen Black zu sehen, deren Part eine Allianz mit der Unterordnung eingehen muss, da sie zur Komplizin degradiert wird. Betrachtet man ihre Fähigkeiten bei den Entführungs-Coups, zeigt sich eine unerhörte Abgebrühtheit und Nervenstärke, die zur Erfolgsgarantie wird. Die Hellseherin Blanche hingegen wirkt auf ihre Weise ebenfalls abgebrüht, da sie ihr vornehmlich weibliches Klientel bei deren eigener Geschwätzigkeit packt und keine Skrupel beim Ausnehmen dieser Weihnachtsgänse kennt. Fairerweise muss man allerdings sagen, dass die Verdienste der beiden deutlich variieren, weil sich das von Julia Rainbird avisiertes Honorar deutlich von den Kleckerbeträgen unterscheidet, mit denen sich Blanche sonst über Wasser hält.

Mit erpressten Diamanten lässt es sich da natürlich wesentlich unbeschwerter leben, wenngleich Arthur Adamson und seine Komplizin Fran ständig Sorge zu tragen haben, dass ihre Aktionen auch unbehelligt bleiben. Bei diesem Gangster-Pärchen ist deutlich zu erkennen, dass sie auch größtenteils von purem Adrenalin angetrieben werden, was besonders für Fran eine Art Elixier darstellt, die sich bei jedem neuen Coup auch einen neuen Kick verschaffen kann. Die Protagonisten zeichnen ein Spiel, das am Ende von Hitchcock selbst delegiert wird. Dieser letzte Spielfilm des Regisseurs mag für seine eigenen Verhältnisse vielleicht nicht der große Wurf geworden sein, da es streckenweise doch zu behäbig und unkonturiert zugeht, aber es ist nicht zu leugnen, genauso wie es kaum zu beschreiben ist, dass die Inszenierung von einer so seltsamen Atmosphäre zehrt und profitiert, die nicht alle Tage zu finden ist. Dementsprechend bleibt man auch interessiert und gespannt bei der Sache, die ihre Höhepunkte nicht leichtfertig preisgibt und die eher von den Kollisionskursen der Personen herausgekitzelt werden müssen. Das Α und Ω ist und bleibt eine in mysteriösem Nebel schimmernde Atmosphäre der Verwirrung und Täuschung, die nur langsam durchbrochen wird. Dabei sorgt die Geschichte nicht immer für lückenlose Aufklärung, erlaubt sich somit den Luxus, ein paar ihrer Geheimnisse zu wahren. "Familiengrab" sagt im deutschen Titel leider nicht viel über die ausgeklügelte Veranstaltung aus, kann aber über diese recht unscheinbare Voraussetzung punkten, da es zu gute Pointen und gelungenen Überraschungen kommt. Alles in allem ist vor allem ein breit angelegtes Augenzwinkern wahrzunehmen und das sogar buchstäblich. So legt dieser Beitrag offen, dass der am Ende seiner beispiellosen Karriere angekommene Altmeister vielleicht milde geworden war, um mit seinem eigenen Stil in Revision zu gehen. Als Thriller empfiehlt sich schlussendlich ein ruhiger Vertreter, der wesentlich mehr Wert auf Nuancen zwischen den Zeilen und den Erzählebenen legt. Mit gelungenen und überaus ansprechenden Charakterzeichnungen bleibt schließlich ein Beitrag zurück, dessen Freude sich aus der Provokation ergibt.

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