DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

Kurze und/oder lange Kommentare oder Reviews zu den von euch gesehenen Filmen.
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 2791
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

Beitrag von Prisma »



EROTIK IM BERUF - WAS JEDER PERSONALCHEF GERN VERSCHWEIGT


● EROTIK IM BERUF - WAS JEDER PERSONALCHEF GERN VERSCHWEIGT (D|1971)
mit Karin Field, Reinhard Glemnitz, Emely Reuer, Christian Engelmann, Peter Raschner, Astrid Boner, Werner Abrolat, Josef Fröhlich,
Heidi Hansen, Claudia Butenuth, Eva Berthold, Renate Kasché, Walter Feuchtenberg, Margot Mahler und als Gast Günther Ungeheurer
eine Wolf C. Hartwig Produktion der Rapid Film | im Constantin Filmverleih
ein Film von Ernst Hofbauer

Personalchef (1).jpg
Personalchef (2).jpg
Personalchef (4).jpg
Personalchef (5).jpg
Personalchef (7).jpg
Personalchef (8).jpg
Personalchef (11).jpg
Personalchef (12).jpg
Personalchef (13).jpg

»Bittschön, Herr Staatsanwalt, wie heißt denn Ficken auf Hochdeutsch?«


Hinter diesen Fassaden stehen Tag für Tag Menschen im Beruf. Männer. Frauen. Sie sind in ihrer Arbeit aufeinander angewiesen, als Kollegen, als Vorgesetzte und Untergebene, als Ausbilder und Lehrlinge. Gesetzesparagraphen, Betriebsvorschriften regeln dieses Verhältnis. Aber Menschen sind keine Maschinen, deren Funktion man nach einer Betriebsanleitung bestimmen kann. Störungen, Komplikationen treten auf, besonders dann, wenn Männer und Frauen zusammen arbeiten. Die längste Zeit des Tages sind sie fern von ihren Familien, fern von ihrem Ehepartner, den sie erst nach Dienstschluss wiedersehen. Nur der Berufspartner, die Berufspartnerin ist da. Bei gemeinsamer Arbeit bei ständigem täglichem Beisammensein entstehen erotische Bindungen am Arbeitsplatz, die vielfältige Probleme aufwerfen. Dieser Report wird die Probleme schonungslos aufzeigen, ohne zu richten. Probleme, mit denen jeder Berufstätige konfrontiert wird, Probleme, die man am liebsten mit falscher Scham verschweigt.

Diese einführenden Worte weisen auf den bevorstehenden Verlauf hin, bei dem sich zeigen wird, wie ernst dieser Report genommen wird. Im Zuge der Aufklärungs- und Reportwelle wurde dem Empfinden nach nahezu jeder relevante und irrelevante Lebensbereich ins Visier der jeweiligen Geschichten genommen und filmisch aufgearbeitet - nachweislich nicht ohne Erfolg. Ernst Hofbauers "Erotik im Beruf - Was der Personalchef gern verschweigt" zeigt sich im teildokumentarischen Stil, verfügt dabei über Befragungen durch Journalisten an den Orten des angeblichen Geschehens oder beispielsweise in der Fußgängerzone, um einen völlig ungezwungenen und spontanen Eindruck zu vermitteln, der die Zuschauer irgendwie packen soll. Abwechslung kommt bei den konkreten Berichterstattungen auf, in denen die teils bekannten Schauspieler gefragt sind. Unter Hofbauer entwickelt sich hier die eigenartige Strategie, nicht zu viel Realität aufkommen zu lassen, was immer wieder durch explizite Bilder ins Wanken kommt, und durch bekannte Gesichter der (bayrischen) Komödie ausgehebelt wir. Manchmal kommt man sich daher vor wie in einem handelsüblichen Lustspiel, da die humorigen Einlagen überwiegen. Das alles ist und bleibt nicht vollkommen uninteressant, da es sich um einen Vertreter handelt, der ungewöhnlich stark besetzt ist, um nebenbei Akzente mit den verschiedenen Storys zu setzen. Chefs vernaschen ihre Lehrmädchen, Chefinnen ihre jungen Angestellten, und es schwingt nicht nur der Hauch des Verbotenen mit, sondern auch Versatzstücke der Tragödie, was für einen gewissen Drive und eine besondere Art der Anspannung sorgt, da man in ausgewählten Szenen nur darauf zu warten braucht, bis die Heimlichtuereien auffliegen. Miese Erpresser treiben ihr Unwesen, gelangweilte Ehemänner ebenso, aber auch unschuldige und völlig frustrierte Frauen, die sich gegeneinander ausspielen. Die vollmundige Ankündigung dieses Report-Streifens, alles schonungslos aufzudecken, geht in den gestelzt wirkenden Situationen oftmals nicht komplett auf. Somit punktet der Film in den Segmenten, in denen die Schauspieler ihre Rollen zu spielen haben, da man hier mehr Greifbares angeboten bekommt, und sei es nur die nackte Haut.

Männer hängen sich zeitaufwändig in die Arbeit, um ihre langweiligen Ehen zu vergessen, werden dann von den weiblichen Untergebenen nahezu zum Sex genötigt, und niemand hat das alles am Ende so gewollt. Es wimmelt von durchtriebenem Kalkül und fadenscheinigen Entschuldigungen, warum Triebe Oberhand gewinnen konnten, aber es spielt eigentlich keine Rolle, da man die Gesetze der Betriebe nicht unter die Lupe nimmt. Einzelne Schicksale rücken das Geschehen oftmals an den Rand einer Kriminalgeschichte, bis es wieder um »sexuelle Allesverwerter« geht. Die Dialogarbeit ist auffällig umgangssprachlich und amüsant ausgefallen, was zu dem unterm Strich immensen Spaßfaktor beiträgt, wenn man sich auf kein Hin und Her lamentieren bezüglich des angekündigten Filmtitels einlässt, der unterm Strich uneindeutig bleibt. Interpreten wie Reinhard Glemnitz, Günther Ungeheuer, Emely Reuer oder Karin Field sorgen in ihren kurzen Intervallen für eine dichte Atmosphäre und stemmen sich gegen auftauchende Klischees, um sie teilweise auch hemmungslos zu befeuern - ganz im guten Ton des Geschehens, denn ansonsten würde man in den sachlich angestrichenen Sequenzen einschlafen, da man selbst nicht an Aufklärungsmythen interessiert ist. Am besten fährt man vielleicht, wenn man dieses Kind seiner Zeit unvoreingenommen betrachtet, denn es kommt sehr viel Zeitkolorit zustande, das einerseits authentisch und verlockend, andererseits unfreiwillig komisch aufgearbeitet wirkt. "Erotik im Beruf - Was der Personalchef gern verschweigt" stellt zahlreiche Personen an den Pranger, jedoch nicht in einseitiger Art und Weise. Vielmehr sieht man einen Jahrmarkt der Klischees, die unter Ernst Hofbauer zum Florieren befugt sind, was jedem Zuschauer auch genügen sollte. Tatsächlich braucht man heute wie damals einen Anstoß für dieses vergleichsweise unterhaltsamere Report-Vehikel, der im aktuellen Fall Karin Field heißt, deren Segment im kompletten Film sogar das ausgiebigste und gelungenste, Margot Mahlers das wohl komischste darstellt. Am Ende taucht sogar noch Claudia Butenuth auf, die zuvor nirgends erwähnt war. Den Film kann man sich bei Auftauchen ruhig einmal anschauen, falls einem der deutsche Film universell am Herzen liegt.

► Text zeigen
Zuletzt geändert von Prisma am Mo., 13.03.2023 12:24, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 2791
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

Beitrag von Prisma »



BLINDER HASS


● THE BOYS NEXT DOOR / BLINDER HASS (US|1985)
mit Maxwell Caulfield, Charlie Sheen, Christopher McDonald, Hank Garrett, Paul C. Dancer, Richard Pachorek, Lesa Lee,
Kenneth Cortland, Dawn Schneider, Kurt Christian, Don Draper, Blackie Dammett, Phil Rubenstein und Patti D'Arbanville
eine Republic Entertinment Intenational Produktion
ein Film von Penelope Spheeris

Blinder Hass (1).png
Blinder Hass (2).png
Blinder Hass (4).png
Blinder Hass (7).png
Blinder Hass (8).png
Blinder Hass (9).png
Blinder Hass (10).png
Blinder Hass (11).png
Blinder Hass (13).png

»Scheiß auf die Welt!«


Roy (Maxwell Caulfield) und Bo (Charlie Sheen) werden aufgrund ihres provokanten und teils aggressiven Verhaltens von ihren Mitschülern gemieden. Am Tag ihres Highschool-Abschlusses haben sie keinerlei Perspektiven für die Zukunft und verlassen ihre Kleinstadt um den Rest ihrer Ferien in Los Angeles zu verbringen. Doch der Trip entwickelt sich zu einem Alptraum für all diejenigen, die ihnen in die Hände fallen. Getrieben von blindem Hass entsteht eine Schneise aus Verwüstung und Mord, doch die Polizei hat die Verfolgung längst aufgenommen. Wird sie noch schlimmere Vorfälle verhindern können..?

Szenen einer Highschool leiten diesen ankündigungsfreudigen Film der Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin Penelope Spheeris ein, die ihre Berühmtheit vor allem durch den 1992 entstandenen "Wayne’s World" erlangte. Schnell zeigt sich auch hier ein besonders gutes Händchen für die Thematik, die vor allem provokant und brutal präsentiert wird, ohne dabei im Wesentlichen in die Tiefe gehen zu wollen. Diese Strategie steht dem Verlauf äußerst gut, sodass man sich erwartungsvoll auf das Angebot rund um die hier geschilderte und grenzenlose Ziellosigkeit einlassen kann. Zwei Freunde sind berüchtigte Schüler ihrer Highschool, doch sind sie eigentlich Freunde oder eher hausgemachte Leidensgenossen? Diese Frage beantwortet sich kaum, da beide mehr oder weniger an einem Strang ziehen, und Personen ihres Umfeldes wahlweise terrorisieren, belästigen, mobben oder einfach nur dumm anmachen, weil sie angeguckt wurden. Dabei funktioniert das Duo Maxwell Caulfield und Charlie Sheen hervorragend als vergiftete Einheit, die sich noch eine Vielzahl an Opfern aussuchen wird. Die Vorgehensweise ist wahllos - zumindest relativ - denn wer ihnen in die Quere kommt, sollte sich warm anziehen oder gleich einen Sarg bestellen. Ein undefinierbarer, blind gelenkter Hass richtet sich gegen einfach alles, aber insbesondere Personen, die im Dickicht der Gesellschaft auffallen. Frauen sind alle Nutten, Homosexuelle Perverse, Polizisten gleich Terroristen, und es geht munter so weiter, dass sich eine Gewaltspirale entwickeln kann, deren Ursprung nicht geklärt wird. Zwar sieht man beispielsweise, aus welchen trostlosen Verhältnissen Roy stammt, aber mehr als einen Bier saufenden Vater, der nicht auf ihn reagiert und nur in die immer laufende Glotze starrt, bekommt man nicht geboten. Maxwell Caulfield, der vor seinen großen Erfolgen bei "Der Denver Clan" und "Die Colbys - Das Imperium" stand, bietet sich hier mehr als sein Partner Charlie Sheen als Aggressor an. Gut aussehend, aber zurecht gemieden, vulgär und völlig ungebildet, aggressiv und zutiefst gemein, zutiefst wütend und mit Hass erfüllt, kann sich eine Vendetta ohne wirklichen Anlass entladen, sodass eine Stadt den Atem anhalten muss.

Bo kann nicht positiv auf ihn einwirken, da ihm die Kapazitäten fehlen und sich stets eine negative Eigendynamik entwickelt, die sich irgendwann von selbst gegenseitig überbietet. Es kommt zu brutalen Szenen der Willkür, die erschüttern und einen daran erinnern, dass man im richtigen Film gelandet ist, falls man auf Spektakel aus war. Wildfremde Personen werden zusammengeknüppelt, so lange geschüttelt, bis sie für immer schweigen, kaltgestellt, weil sie anders sind, als die Gesellschaft vorgibt. Unter Penelope Spheeris Regie kommt es zu ausufernden Gewaltexzessen, die im Endeffekt auf ein katastrophales Ende hinweisen, aber die Perspektivlosigkeit und die Blicke auf die womöglich glücklichen und erfüllten Leben und Situationen anderer Leute lässt insbesondere Roy Amok laufen. Charly Sheen und Maxwell Caulfield zeichnen ihre Charaktere mit erstaunlicher Präzision und sorgen für Atemlosigkeit, Spannung und blutige Intervalle, die aufgrund ihres brutalen Einfallsreichtums triggern. Als Repräsentanten einer verlorenen Jugend, die nicht einmal auf die Idee kommen, dass es andere Wege geben könnte, funktionieren die Interpreten sehr gut und zeichnen den menschlichen Abschaum, den dieser Verlauf nötig hat. Als Waffen ins Spiel kommen, garantiert selbst die Regie für gar nichts mehr und man beginnt sich als Zuschauer zu fragen, wie die handelsübliche Vergeltung wohl aussehen wird. Noch schmerzlicher wird es, als sich Lichtblicke andeuten, die aber umgehend von einem schwarzen Loch verschluckt werden. "Blinder Hass" schafft das Kunststück, seinem Titel alle Ehre zu machen und hier und da noch ein bisschen mehr draufzulegen. Das unberechenbare Schauspiel von Caulfield und Sheen sowie eine Regie, die sich in dieser Beziehung einklinkt, macht den Film zu einer besonders intensiven Angelegenheit, die sowohl als Berieselung und mit Gehirn abschalten funktioniert, als auch dann, wenn man die Geschichte ernster nimmt, als sie zugegebenermaßen abgehandelt wird. Die Thematik bleibt jedenfalls brandaktuell, wenngleich sich die Produktion eher dazu entschieden hat, ein skrupelloser Unterhaltungsfilm sein zu wollen, und das im positivsten Sinn. Dieser GTA-ähnliche Trip ist überraschend gut gelungen.

► Text zeigen

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 2791
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

Beitrag von Prisma »



Bild

● DIE NIBELUNGEN - TEIL 1: SIEGFRIED (D|1966)
mit Uwe Beyer, Rolf Henniger, Siegfried Wischnewski, Hilde Weissner, Hans von Borsody, Terence Hill, Fred Williams, Dieter Eppler, Skip Martin,
Barbara Bold, Samson Burke, Maria Hofen, Đorđe Nenadović, Ingrid Lotarius, Benno Hoffmann, Bogdan Jakus sowie Maria Marlow und Karin Dor
eine Produktion der cCc Filmkunst | im Constantin Filmverleih
ein Film von Harald Reinl

Nibelungen Teil 1 (1) .jpg
Nibelungen Teil 1 (2) .jpg
Nibelungen Teil 1 (3) .jpg
Nibelungen Teil 1 (4) .jpg
Nibelungen Teil 1 (6) .jpg
Nibelungen Teil 1 (5) .jpg
Nibelungen Teil 1 (7) .jpg
Nibelungen Teil 1 (8).jpg
Nibelungen Teil 1 (9).jpg

»Ihr habt mich alle betrogen!«


Siegfried von Xanten (Uwe Beyer) gilt als unverwundbar und niemand weiß von seiner Achillesferse. Nach mehreren Eroberungszügen gelangt er nach Burgund und wirbt um die schöne Kriemhild (Maria Marlow), doch ihr Bruder, König Gunther (Rolf Henniger), stellt Bedingungen für eine mögliche Heirat. Siegfried soll ihm Helfen, Brunhild von Island (Karin Dor) für ihn zu gewinnen, was mit einer List auch gelingt. So kommt es zu einer Doppelhochzeit in Burgund, doch Brunhild verweigert sich ihrem Ehemann, da sie immer noch von Täuschung ausgeht. Unter diesen düsteren Vorzeichen kommt es zu Intrigen, Eifersucht und Verrat, für den man mit Hagen von Tronje (Siegfried Wischnewski) einen skrupellosen Komplizen gefunden hat...

Arthur Brauners cCc Filmkunst war bekannt dafür, neben all den handelsüblichen Spielfilmen auch gerne opulente Großproduktionen herzustellen, zu welchen die beiden "Nibelungen"-Filme definitiv auch zählen. Die Schwierigkeit, die Vorlage publikumswirksam in ein bestimmtes Zeitfenster zu packen, bringt Abstriche mit sich, wurde hier von Regisseur Harald Reinl aber sehr gut gelöst, zumal man erwartungsvoll auf den zweiten Teil warten darf, der noch einmal alles bündelt, was hier angebahnt und angedeutet wurde. Die Idee, "Die Nibelungen" neu verfilmen zu wollen, stammt Überlieferungen zufolge bereits aus dem Jahr 1959, und wieder sollte Fritz Lang auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Auch sie Zusammensetzung des Cast erscheint auf den ersten Blick unorthodox zu sein, doch nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach kam man zu den Ergebnissen, eher unbekannte Schauspieler in den Hauptrollen in die Manege schickten. Dies tut dem Film wie anvisiert sehr gut, auch wenn die Titelrolle mit dem Profi-Sportler und Hammerwerfer Uwe Beyer bestenfalls etwas entrückt, andernfalls beinahe fehl besetzt wirkt, da man sein Unvermögen exemplarisch vorgeführt bekommt. Bekannte Interpreten waren im Vorfeld für Hagen, Kriemhild, Brunhild und Co. im Gespräch, und final kann die Besetzung wirklich überzeugen, auch wenn sie wegen Rolf Henniger oder Maria Marlow scheinbar Star-Ruhm verspricht. Angedachte Größen wie beispielsweise Romy Schneider oder Dieter Borsche hätten hier schon andere Register ziehen können, was allerdings nur theoretisch gilt. Das Szenario beginnt straff und ökonomisch, sodass die wichtigen Weichenstellungen im Handumdrehen stattfinden können, bis man sich auch schon von Naturgewalten auf Island umgeben sieht, und die Tragödie mit dem Aufwecken der schönen Brunhild ihren Lauf nehmen kann. Rolf Wilhelms schwere und imposante Klänge färben die Szenerie mit verschiedenen Stimmungen und es macht wenig aus, dass schon bald eher mitteilsame, also dialoglastige Intervalle Überhand nehmen, die ihre wichtigsten Informationen teils in die sprachlichen Klippen des Nibelungenliedes verpacken.

Harald Reinl achtet nicht nur auf eine opulente Inszenierung voller Reize, sondern auch auf spannende Phasen und rabenschwarze Andeutungen, ohne es zu signifikanten Aussetzern kommen zu lassen, was vielleicht nicht unbedingt für die Spezial-Effekte gilt. Es spielt bei dieser Inszenierung überhaupt keine Rolle, ob man ein Vorwissen hat oder nicht, da das Konstrukt so oder so funktioniert und für sich selbst spricht. Beeindruckende Leistungen der Schauspieler strahlen eine Dominanz in Wort und Tat aus, dass es im Rahmen der Schauspielführung zur wahren Pracht wird, was vor allem für die ausgewiesenen Hauptrollen gilt, zumindest überwiegend. Uwe Beyer entspricht zunächst rein optisch den Vorstellungen des Publikums, doch man merkt jederzeit, dass es sich um keinen Schauspieler handelt, sodass seine Titelrolle durchgehend hölzern anmutet. Anders sieht es bei Rolf Henniger und Siegfried Wischnewski aus, die ihre Anforderungen nahezu perfekt lösen, was ebenso für Maria Marlow und insbesondere Karin Dor gilt, von der eine gebieterische Dominanz auszugehen scheint, die den Verlauf mit am meisten prägen wird. Des Weiteren sind bekannte Interpreten wie Dieter Eppler, Hilde Weissner oder Hans von Borsody beteiligt, die ihre Rollen wie übrigens alle anderen Kollegen auch sehr ansprechend zur Schau stellen. Harald Reinl spart es sich weitgehend auf, eine erwartete Sachlichkeit in das Szenario zu bringen, sodass man sagen kann, dass er den Nerv des Publikums erneut mit einem richtigen Riecher treffen konnte, vor allem weil es zu einer Emotionalität kommt, die den Zuschauer unmissverständlich anspricht. Dieser erste Teil der "Nibelungen"-Saga mag Vergleichen mit seiner Vorgänger-Version oder einem historisch genauen Hintergrund vielleicht nicht immer standhalten, aber letztlich gibt er Erfolg diesem farbenfrohen Unterhaltungsfilm immer recht, der es zu einem Prädikat und zahlreichen Wiederaufführungen brachte. Wenn sich die Situation dramatisch zuspitzt und Racheschwüre als Anheizer für die Fortsetzung präsentiert werden, darf man sich auf den zweiten Teil freuen, der in vielerlei Hinsicht noch mehr zu bieten hat als dieser. Ein wieder einmal gelungener Brauner'scher Coup.

► Text zeigen

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 2791
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

Beitrag von Prisma »




Eva Astor

ST. PAULI HERBERTSTRAE


● ST. PAULI HERBERTSTRAẞE (D|1965)
mit Pinkas Braun, Sigrid von Richthofen, Michael Cramer, Ursula Barlen, Elma Karlowa, Emmerich Schrenk, Paula Braend, Klaus W. Krause,
Marte Klose, Wolfgang Jansen, Werner Lieven, Joachim Wolff, Rosemarie von Schach, Monika Zinnenberg, Fred Woywode und Karin Field
eine Reinhardt Filmproduktion der Gopa Film | im Austria Verleih
ein Film von Ákos von Ráthonyi

St. Pauli Herbertstraße1.jpg
St. Pauli Herbertstraße3.jpg
St. Pauli Herbertstraße5.jpg
St. Pauli Herbertstraße6.jpg
St. Pauli Herbertstraße7.jpg
St. Pauli Herbertstraße8.jpg
St. Pauli Herbertstraße9.jpg
St. Pauli Herbertstraße12.jpg
St. Pauli Herbertstraße14.jpg

»Muss doch ein tolles Geschäft sein, bei Gästen, die alle am 17.5. Gebusrtstag haben!«


Da Angelika (Eva Astor) nach einer Vergewaltigung ein Kind erwartet, wird sie von ihrem Vater (Klaus W. Krause) aus dem Haus geworfen. Als Anhalterin in die Stadt mitgenommen, lauern etliche Gefahren auf sie. Zunächst versucht sie sich als Tischdame in einem Striptease-Lokal, doch unerfahrene Mädchen stellt sich nicht sehr geschickt an, sodass sich die Beschwerden der Gäste häufen, bis sie endgültig gefeuert wird. Werner Kästel (Pinkas Braun), ein Stammgast des Lokals, liest sie auf und bietet ihr an, sie in seiner Wohnung zu beherbergen, doch Angelika ahnt nicht, dass sie an einen berüchtigten und skrupellosen Zuhälter geraten ist, der sie als unschuldiges Modell vom Lande in einem Bordell verschachern will...

Wenn man nicht genau wüsste, welche Delikatesse sich Regisseur Ákos von Ráthonyi hier für das Publikum aufgehoben hätte, könnte man zu dem Schluss kommen, in einem handelsüblichen Heimatfilm gelandet zu sein, da die Protagonistin fröhlich im Dirndl durch die Wälder hüpft, bis ihr von ihrem Peiniger aufgelauert wird. Die Regie handelt den verhängnisvollen Akt schnell mit Parallelmontagen der hiesigen Fauna ab und beschäftigt sich fortan mit den Folgen dieses schrecklichen Zwischenfalls, die Angelikas Vater dazu veranlassen, seine Tochter vom Hof zu jagen, nicht aber ohne sie vorher noch als Dirne zu beschimpfen. Die Not ist groß, was ebenso für die Mutter der Verstoßenen gilt, und alles geschieht Schlag auf Schlag, sodass sich Eva Astor auch schon in dem vom Titel angekündigten Ambiente befindet, wenngleich hier offenbar kein einziger Meter Film in Hamburg gedreht wurde und ausschließlich Innenaufnahmen das Angebot dominieren. Notlagen werden naturgemäß von denjenigen ausgenutzt, die sich in einer besseren Position befinden und kaltschnäuzig genug sind, diese schamlos in den eigenen Vorteil umzuwandeln. Dass man es bei Angelika mit einer Art Unschuld vom Lande zu tun hat, gleicht einem Geschäftsmodell, das sich aber nicht so einfach umsetzen lässt, da die junge Frau renitent oder vielmehr zu naiv ist, das Geforderte umzusetzen. In der Zwischenzeit bekommt man es in dieser ersten Station, einem halbseidenen Varieté, mit einem sehr rauen Umgangston zu tun, der es sich zur vornehmsten Aufgabe macht, dem Publikum zahlreiche Begrifflichkeiten für Prostituierte näherzubringen. Die völlig vulgäre Besitzerin dieses Etablissements macht Eva Astor das Leben schwer, ihr Geschäftsführer erweist sich als williger Vasall für das Anwenden jeglicher Gemeinheiten, bis ein rettender Engel am schäbigen Horizont auftaucht. Der Zuschauer ahnt Lichtjahre vor der armen Angelika, dass man sich auf Pinkas Brauns Kreide fressende Art nicht verlassen sollte, doch die nächste Etappe muss den Verlauf irgendwie weiter voranbringen, und das wahlweise noch eindeutiger.

Auffällig und völlig überzeugend zugleich wirkt die passgenaue Wahl der Interpreten, die sich dem hier zugrunde liegenden Konzept mit Hingabe beugen können, es unter Umständen sogar in einer Art und Weise verfeinern, dass sie die ab manchen Stellen auftauchende Behäbigkeit kaschieren können. Ob Ursula Barlen, Monika Zinnenberg, oder Emmerich Schrenk; diese erste Etappe im neuen Leben der weiblichen Hauptrolle wird durch die Niederträchtigkeit der zutiefst ordinären, vielleicht sogar kriminellen Personen geprägt, und es kommt zu sehr netten verbalen Kapriolen, die lediglich von Eva Astor mit Entsetzen, vom Zuschauer aber mit großem Vergnügen quittiert werden. Gelegentlich wirken einige Gebärden etwas hölzern und zu sehr darauf bedacht, den Zuschauer mit der Nase auf die Intention zu stoßen, beziehungsweise nicht falsch interpretiert zu werden, allerdings entsteht hieraus eine ganz besonders charmante Kiste, deren Geschenkpapier man gierig in Fetzen herunterreißt, um an den verführerischen Kern der Sache zu kommen. Dieser kann sehr individuell und unterschiedlich aussehen, aber Fans derartiger Produktionen werden auf jeden Fall einen Stein des Anstoßes finden - im positiven Sinn natürlich. Ákos von Ráthonyi inszeniert für damalige Verhältnisse im eigentlichen Sinn progressiv, was sich nach heutigem Ermessen aber nicht unbedingt in den Bildern und im Ambiente zeigt. Vielleicht kann man sagen, dass der Regisseur sich sperriger und teilweise hölzerner Elemente bedient, um die gesellschaftliche Realität zu simulieren. Dass es dabei zu deftigeren Dialogen und einigen barbusigen Einlagen, homosexuellen Anspielungen oder Strip-Nummern kommt, führt nicht unweigerlich dazu, dass sich die Adressaten direkt angesprochen fühlen, obwohl das Programm doch außergewöhnlich anmutet. Dennoch ist hier der Muff deutscher Wirtschaftswunder-Aktivitäten und eine Art der betonten Diskretion zu vernehmen, und die Regie gewährt einen Blick durch einen schwerfälligen Vorhang, hinter dem es zu einem Spektakel kommt, welches allerdings nur als solches wahrgenommen wird, weil es voyeuristischen Wünschen entspricht.

Ákos von Ráthonyis Inszenierungsstil wurde nicht selten als etwas steril, langweilig oder behäbig kritisiert, doch im Grunde genommen hat man es mit einem der seltenen Realisten im Märchenwald zu tun, der seine Filme mit ein bisschen Fantasie als Spiegel des Verhaltens anlegte. Zumindest phasenweise. Deswegen funktioniert die Schauspieler-Führung unter ihm auch wirklich blendend, die für die größeren Momente seiner Geschichten sorgen. Hier ist vor allem noch das aufmerksame und anfangs dynamische Auge der Kamera zu erwähnen, welches unter Gunter Ottos Aufsicht für außergewöhnliche Intervalle sorgt, bis es aufgrund zu spartanischer Studio-Aufnahmen langsam aber sicher müde wird. Mit musikalischer Untermalung von Herbert Jarczyk, der leider bereits wenige Jahre später verstarb, kommt es für einen derartigen Film zu alternativen Klängen, die zum unwirschen Geschehen jedoch ganz gut passen. Dies lässt sich auch von der bunten Besetzung sagen, die als Einheit nicht besser funktionieren könnte. Die Österreicherin Eva Astor war seinerzeit noch nicht sehr lange im Geschäft, löst die Aufgabe in Sphären der naiven Verführung und hoffnungslosen Aufgeschmissenheit recht gut, präsentiert sich dabei leise als Erziehungsopfer eines patriarchischen Systems ohne einfachen Ausweg. Obwohl viele Hebel in Bewegung gesetzt werden, ist sie stark genug, sich nicht zur Nutte von irgendwelchen Madames oder Zuhälters Gnaden machen zu lassen und fungiert letztlich als Bindeglied zur Halbwelt, die mit guten alten Bekannten ausstaffiert ist. Pinkas Braun als Werner Kästel und Wolf im Schafspelz empfiehlt sich für seinen wenig später in die Kinos gekommenen "Der Bucklige von Soho", in dem er eine nahezu identische Rolle zu spielen hatte. Brauns Umgang mit dem vermeintlich schwachen Geschlecht setzt dabei die deutlichsten Schwerpunkte und lässt insgesamt tief blicken. Die Sentiments der anderen interessieren ihn nicht, wohl aber bare Münze, die seine Pferdchen ohne Widerworte anzuschaffen haben. An Angelika beißt er sich ein bisschen die Zähne aus, bis es letztlich zu Handgreiflichkeiten kommt.

Köstlich ist sein Zusammenspiel mit einer wie üblich überdreht wirkenden Sigrid von Richthofen, die der "Madame Ressel" einen besonders herben Anstrich aus dem Roulette der gängigen Klischees gibt, nicht aber ohne für ihre ganz eigenen Akzentuierungen zu sorgen. Es entsteht der Eindruck, dass ihr diese Selbstinszenierung der Dame von Halbwelt sichtlichen Spaß gemacht haben muss. Sie und Werner Kästel verstehen sich auf der erweiterten Ebene alter Geschäftspartner und es kommt zu grotesken Momenten, vor allem, als er sie mit den Worten »alte Sau!« einfach stehen lässt. Ebenso herausfordernde Leistungen liefern Ursula Barlen, die verbal wohl am exzessivsten um sich ballert, Emmerich Schrenk, der dem Begriff Schmierlappen alle Ehre macht, oder Klaus W. Krause als kleiner Landwirt, der nie etwas anderes als die gute Landluft geatmet hat. Pferdestärken liefern Elma Karlowa, Monika Zinnenberg und vor allem Karin Field, die bereits in Ákos von Ráthonyis "Der Fluch der grünen Augen" zu sehen war und dort eine ebenso gute Figur gemacht hat. Der Verlauf ist mit einer eigenartigen Slapstick-Note versehen, die die anvisierte Brisanz immer wieder ein wenig zu deckeln versucht, aber dennoch bekommt man hier wesentlich mehr Schauwerte geboten, als seinerzeit üblich, was die hohe Altersfreigabe von 18 Jahren erklärt. "St. Pauli Herbertstraße" zog eine Welle von St. Pauli-Reißern nach sich und hat genau so viel oder wenig zu bieten, wie seine Artgenossen. Am Ende bleiben die persönlichen Präferenzen das Maß aller Dinge bei Produktionen mit Kiezer Seele, die sich in auffälliger Art und Weise kopieren wollten, da dies die erfolgversprechendste Variante war. Dieser Beitrag konnte sich als Überraschungserfolg in den Kinos etablieren und ist heute leider vollkommen in Vergessenheit geraten; ein Schicksal, das viele Filme teilen, welches aber nicht immer gerechtfertigt erscheint. Was am Ende für die einen Kolportage oder gar Trash darstellt, ist für andere ein besonders bekömmlicher Leckerbissen, dessen betont Schmutz aufwirbelnder Charakter nicht immer ganz für bare Münze genommen werden sollte. Zu schön um wahr zu sein!

► Text zeigen

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 2791
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DAS WERDEN WIR JA SEHEN!? 2.0

Beitrag von Prisma »



MÄDCHEN HINTER GITTERN


● MÄDCHEN HINTER GITTERN (D|1965)
mit Heidelinde Weis, Harald Leipnitz, Adelheid Seeck, Harry Riebauer, Sabine Bethmann, Ursula Herking, Ellen Umlauf,
Helga Marlo, Uta Levka, Biggi Freyer, Marianne Hoffmann, Ingrid Bauer, Hans W. Hamacher, Carsta Löck und Elke Aberle
eine Produktion der cCc Filmkunst | im Gloria Verleih
ein Film von Rudolf Zehetgruber

A1.png
A2.png
A3.png
A4.png
A5.png
A6.png
A7.png
A8.png
A9.png

»Ich schlag euch alle zusammen, ihr Nutten!«


In einer Berliner Fürsorgeanstalt wird straffällig gewordenen Mädchen das Gefängnis erspart. Zu ihren Vergehen gehören Kuppelei, Prostitution, Drogenkonsum oder schwerer Diebstahl. Die Leitung, Frau Dr. Harzeck (Adelheid Seeck), versucht die gefallenen Mädchen mithilfe ihres Personals wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Eines der Mädchen ist die Anfang 20-jährige Karin (Heidelinde Weis), die sich besonders renitent gegenüber Autoritäten verhält und ein besonderes Geheimnis zu haben scheint. Auf ihr Konto soll sogar das Ausscheiden des letzten Seelsorgers gehen. Als der neue Pfarrer namens Skornia (Harald Leipnitz) eintrifft, liegt eine besondere Nervosität in der Luft. Wird es genau dieselben Probleme wie mit dem alten Geistlichen geben, oder wird sich Karin beugen..?

Die skandalträchtigen deutschen Produktionen der 60er Jahre sind bekannt wie bunte Hunde und wurden seinerzeit regelrecht gebrandmarkt, auch wenn es sich in der Rückschau um harmlosere Vertreter gehandelt hat. Rudolf Zehetgrubers "Mädchen hinter Gittern" zählt zu der Fraktion, deren Ruf schlechter gemacht wurde, als verdient, denn immerhin erlaubt sich die Regie den skandalösen Luxus von nicht alltäglichen Schauwerten, um letztlich einen authentischen Anstaltsalltag simulieren zu können. Ob es gelingt oder nicht, lässt sich mit heutigen Maßstäben fast nicht mehr beantworten, denn Vieles wirkt weit überholt und wie das Gegenteil von Authentizität. Es kann nicht häufig genug betont werden, dass es sich um ein großes Glück handelt, dass sich Produzent Artur Brauer immer wieder und unbeirrbar schwierigeren Stoffen annahm und somit für echte Abwechslung in der deutschen Kino-Landschaft sorgen konnte. Die Thematik um gefallene Mädchen war seinerzeit ein bereits gut ausgeschlachteter Dauerbrenner, doch hier wird dem Publikum hin und wieder in deutlicher Manier die Arbeit abgenommen, die Fantasie spielen lassen zu müssen, da Zehetgruber sich nicht scheut, dieses Remake aus dem Jahr 1949 mit eindeutiger Exposition auszustatten, dabei aber gleichzeitig Gefahr zu laufen, eine Altersfreigabe ab 18 zu riskieren, wozu es schließlich auch kam. Die Geschichte beginnt mit der Berichterstattung der besten schlechten Seele der Fürsorgeanstalt, indem sie einer Neuen anhand der Unterwäsche erklärt, welches der Mädchen was auf dem Kerbholz hat. Ein schneller Schwenk in die Duschräume der Anstalt zeigt sogleich das, was eben noch vollmundig angekündigt wurde: nackte Haut, die gleichgesetzt wird mit Leichtfertigkeit, Frivolität und krimineller Energie.

Darstellerinnen wie Uta Levka, Marianne Hoffmann oder Biggi Freyer, die es in den folgenden Jahren zu einer gewissen Bekanntheit aber keinen Karrieren bringen sollten, da sie vornehmlich für die Sparten Erotik und zweite Garnitur gebucht wurden, zeigen die nackten Tatsachen in unreinster Makellosigkeit. Beobachtet und auf den rechten Weg zurückgeführt von Schablonen im Spiegel der Gesellschaft, sieht man verschiedene Entwürfe des Aufsehertypus: Adelheid Seeck mit hoheitsvoller Besonnenheit, Ellen Umlauf mit strenger Reserviertheit und Sabine Bethmann mit freundschaftlichem Verständnis. Die Schauspielerinnen garantieren ihren Schutzbefohlenen somit einen vergleichsweise einfachen Weg zurück in die Gesellschaft mit Elefantengedächtnis, können ihre Renitenz jedoch nicht brechen. So erzählt diese alles andere als uninteressante Geschichte, dass es Hochwürden schon richten wird. In Gestalt von Harald Leipnitz ist schließlich eine bemühte Coolness à la Mid-60er wahrzunehmen, die reichlich unangebracht wirkt, genau wie der Aufhänger der Geschichte, für den Heidelinde Weis zuständig ist. Die Hintergründe der Geschichte um ihre Karin wirken gewollt nebulös, um in den richtigen Momenten für die brisanten Strecken zu sorgen, die gut bei der Stange halten. Heidelinde Weis überzeugt in ihrer Funktion einer Art Anführerin unter den Mädchen, die es auf einen Clash mit dem Pfarrer anlegen wird. Leider wird ihre Schlagfertigkeit von Harald Leipnitz' Omnipotenz unterwandert, außerdem wirkt Weis etwas zu kultiviert für diese Art Rolle, was sich vielleicht aus ihrer Film-Herkunft ergeben mag, allerdings kaum die Abwärtsspirale charakterisiert, in der sie sich befindet. Somit heben sich die natürlichen Stärken im Zusammenspiel Leipnitz/Weis ein wenig gegeneinander auf, da es stets einen Stichwortgeber braucht.

Die Mädchen in der Besserungsanstalt hätten alle ihre persönlichen Schicksale zu erzählen, doch es fehlt an Raum und Zeit, sodass die Wurzeln allen Übels auf die Herren der Schöpfung subsumiert werden. Der Verlauf erlaubt sich keine Pausen und erzählt interessante Facetten von Schein und Sein, außerdem davon, wie schnell die jungen Mädchen aufgrund ihrer Unerfahrenheit und Naivität kassiert werden können. In diesem Zusammenhang übertrifft sich ein vor falschem Charme triefender Harry Riebauer selbst und bringt sich gekonnt in den Radius des Hassobjekts. Überhaupt ist Rudolf Zehetgrubers Film blendend besetzt und verfügt insbesondere über Interpretinnen wie Adelheid Seeck als mütterlich wirkende Leiterin der Besserungsanstalt, oder Ellen Umlauf als Kommandeurin, die beide wegen ihres konturierten Stils auffallen. Sabine Bethmann, Helga Marlo oder Ursula Herking steuern ebenso erinnerungswürdige Leistungen bei. Lediglich Elke Aberle fällt ein wenig aus dem vorstrukturierten Rahmen, da sie für die komödiantischen Auflockerungsversuche verantwortlich ist. Die Geschichte behält sich ihre am meisten gewagten Veranschaulichungen für später vor, sodass der Eindruck bestehen bleibt, dass die Regie ihre eigentlich herkömmliche Geschichte mit genügend Brisanz und Farbtupfern ausstatten konnte. Unterm Strich lässt sich sagen, dass "Mädchen hinter Gittern" ein gelungener Vertreter des deutschen Films seiner Zeit geworden ist, der in vielen Bereichen über ein bisschen mehr Mut und Provokation verfügt, als es bei Artgenossen oder obligatorischen Vertretern des bundesdeutschen Skandalfilms üblich war. Eingefasst in einen heute harmlos wirkenden Gossenton und eine dynamische Bebilderung, kann sich der Beitrag des Wiener Regisseurs durchaus sehen lassen, nicht zuletzt wegen den unverbrauchten, beziehungsweise verbrauchten Jung-Darstellerinnen.

► Text zeigen

Antworten