Die Banditen von Mailand (D)
Banditi a Milano (IT)
Bandits à Milan (F)
Bandidos en Milán (ES)
Banditerna i Milano (SW)
Bandité v Miláně
Bandits in Milan
The Violent Four
It 1968
R: Carlo Lizzani
D: Gian Maria Volonté, Tomas Milian, Ray Lovelock, Margaret Lee, Don Backy, Peter Martell, Carla Gravina, Agostina Belli, Ugo Bologna, Carlo Lizzani, Carla Mancini ...
Deutscher Kinostart: 13.09.1968
Synchronkartei
Italo-Cinema.de
Score: Riz Ortolani
OFDb
Mailand, 25. September 1967. Nach einem missglückten Überfall und einer Verfolgungsjagd durch die Straßen Mailands kann eine Bande von Bankräubern letztendlich Dingfest gemacht werden. Kommissar Basevi (Tomas Milian) veranschaulicht einem Filmteam, wie Laster und Kriminalität in einer riesigen Stadt mit hohem technologischen Potenzial und weitreichendem wirtschaftlichen Wohlstand wachsen und gedeihen können. Anschließend rekonstruiert der Film die Hintergrundgeschichten der vier Banditen und verfolgt die Vorbereitung sowie Durchführung des Raubüberfalls. Angeführt wurde das Quartett von Pietro Cavallero (Gian Maria Volonté), einem ehemaligen Partisanen – klug und anmaßend – der sich als Geschäftsmann ausgab und ein Doppelleben führte, während einer seiner Männer ein 17-jähriger Junge (Ray Lovelock) war. Cavallero und Sante Notarnicola (Don Backy) entgehen zunächst einer Gefangennahme, während die beiden anderen Komplizen festgenommen werden. Nach einer achttägigen Fahndung auf dem Land werden Cavallero und Notarnicola umstellt und ergeben sich schließlich der Polizei. [Quelle: Nischenkino]
"Eine aufgebrachte Menschenmenge versucht einen Verbrecher zu lynchen, einen Mörder. Was hat diese Menschen dazu getrieben, dass sie blindwütig zur Selbstjustiz greifen? Schließlich war es nicht das erste blutige Ereignis, dass diese Stadt miterlebte."
Mit diesen fragenden Worten eines Reporters wird dieser Meilenstein des italienischen Gangsterfilms ohne große Umschweifen eröffnet, womit sich der Zuschauer bereits inmitten des maßgeblichen Ausgangspunkts des Handlungsverlaufs befindet. Was folgt, ist eine Art Pseudo-Reportage, die mit einem Interview zwischen Inspektor Basevi und der Presse zur besorgniserregenden Entwicklung krimineller Banden in Mailand eröffnet wird. Die besagte Entwicklung wird daraufhin mit Hilfe einiger exemplarischen Kurzreportagen aufgezeigt, die sich mit verschiedenen Aspekten der weiterhin ansteigenden Skrupellosigkeit sowie ungehemmten Gewaltbereitschaft der kriminellen Akteure, den organisierten Zusammenschlüssen nach dem aus den USA importierten Racket System, den steigenden Schutzgelderpressungen in Bars und Spielclubs sowie den immer häufiger werdenden Fällen von Zwangsprostitution befassen. Dass das Mailänder Gangsterleben auch mal anders aussah, belegt 'Gino das Hinkebein' (ein altgedienter Gangster a.D.) in einem Kurzinterview gemäß dem Motto: "früher war alles besser... wir hatten noch eine Berufsehre."
"Aber kommen wir wieder zum Ausgangspunkt unserer Geschichte zurück..., was versetzte die Menschen an diesem Tage so in Erregung, dass sie zur Selbstjustiz greifen wollten? Was brachte sie soweit, dass sie schrien 'lyncht ihn!'. Es war eine Blutspur, die durch die ganze Stadt führte."
Mit diesen Worten wird der reportagelastige Teil des Films wiederum beendet und katapultiert den Zuschauer zugleich wieder inmitten der aufgebrachten Menschenmenge, also dem eigentlichen Ausgangspunkt der Handlung. Nach einem gescheiterten Banküberfall eines Banditenquartetts, bei dem Ray Lovelock aufgrund eines praktikantenähnlichen Status von seinen Mitsteitern noch nicht als vollberechtigtes Bandenmitglied angesehen wird, kommt es auf der Flucht vor der Polizei zunächst zu zwei Toten und zweiundzwanzig verletzten Zivilisten, bevor ein Mitglied der Verbrecherbande von der Polizei endlich dingfest gemacht wird. Eigentlich konnte sich der besagte Bandit über seine Verhaftung glücklich schätzen, denn die Polizei rettete ihn vor einem bürgerlichen Lynchmob, der dem mordenden Bankräuber den Garaus machen wollten. Im Rahmen eines zermürbenden Verhörs knickt der in Polizeigewahrsam genommene Verbrecher irgendwann ein und legt daraufhin ein umfassendes Geständnis ab, was dem Zuschauer wiederum in Form von ausgiebigen Rückblenden präsentiert wird.
In diesen Rückblenden wird die komplette Vorgeschichte des Banditenquartetts aufgezeigt, das unter der Führung von Piero Cavallero (Gian Maria Volonté) entstanden war. Der Großteil dieser Vorgeschichte wird in der regulären Gegenwartsform erzählt, die nur noch an wenigen Stellen mit dem pseudodokumentarischen Inszenierungsstil durchbrochen wird. Aufgrund des mitreißenden Handlungsverlaufs und der grandiosen Schauspielleistungen konnte ich mich der daraus resultierenden Intensität nur noch schwerlich entziehen - zumal der Spannungsbogen bis zum bitteren Filmende fortan konstant hochgehalten wird. Dieser actionreiche Teil des Streifens endet wiederum am bereits altbekannten Ausgangspunkt der Geschichte, woraufhin der finale Teil des Films folgt. Dieser einhaltet die polizeiliche Jagd nach den drei verbliebenen Banditen, die sich weiterhin auf der Flucht vor den rastlosen Gesetzeshütern befinden.
"Das darf doch alles nicht wahr sein. Ein Büro, ne Sekretärin. Eine supermoderne Einrichtung, die einen Haufen Geld kostet.
Warum versuchen wir nicht gleich, ob wir nicht mit ehrlicher Arbeit zu was kommen?"
Einer der vielen Höhepunkte stellt die schauspielerische Wahnsinnsleistung von Gian Maria Volonté dar, der einen mit seiner intensiven Performance sprichwörtlich umbläst. Alleine in den Szenen, in denen nur der regungslose Gesichtsausdruck des Schauspielers zu sehen ist, strahlt Volonté eine dermaßen beeindruckende Intensität aus, wie sie den meisten seiner Schauspielkollegen in ihrem gesamten Œuvre verwehrt blieb. Alleine das grandiose Finale, in dem Volonté die gegebenen Verhältnisse auf den Kopf stellt und durch seine unnachahmliche Art anstatt als Verlierer, in seiner gestörten Wahrnehmung als der Gewinner hervorgeht, offenbart sich als ganz großes Kino. Die dargebotene Überheblichkeit seines Rollencharakters erinnert dabei bereits sehr stark an seine Rolle in Elio Petris ERMITTLUNGEN GEGEN EINEN ÜBER JEDEN VERDACHT ERHABENEN BÜRGER, wobei er sich im vorliegenden Film der Bevölkerung gegenüber als ein Opfer der gesellschaftlichen als auch politischen Begebenheiten darstellt. Seine hämische Lache, die er am Ende des Films loslässt, wird wohl noch so einige Zeit in meinem Kopf nachhallen. Aber auch Tomas Milian legt in seiner Rolle als ermittelnder Hauptkommissar eine außergewöhnliche Darbietung an den Tag, bleibt aber aufgrund der Drehbuchvorgaben weit hinter seinen schauspielerischen Möglichkeiten. Beim ersten Anblick von Ray Lovelock kam mir unweigerlich in den Sinn, dass er sich aufgrund seines damaligen Aussehens (Babyface Deluxe) bestens für 'das Gesicht' auf den Kinder-Schokoladentafeln oder Brandt-Zwieback-Verpackungen geeignet hätte. Der einzige Tiefpunkt, den der Film vorzuweisen hat, ist das sprichwörtliche Verheizen von Margarete Lee. Eigentlich hätte ich mir von Ms. Lee eine etwas zeitintensivere Performance gewünscht, aber trotz ihrer überschaubaren Auftrittsdauer gelingt es ihr eine denkwürdige Performance aufs Parkett zu legen.
Die Filmmusik stammt von keinem Geringeren als Riz Ortolani, die für diesen Streifen passgenau komponiert wurde. Leider lassen sich nicht viele Infos über den Score in Erfahrung bringen, zumal auch nur eine 7" des Titeltracks mit Katyna Ranieri zu existieren scheint. Die Instrumental-Tracks des Scores hatten mir übrigens noch ein wenig besser gefallen.
Fazit: Einer der bahnbrechendsten Polizeifilme aus Bella Italia, der als maßgebliche Blaupause für das kurz darauf erfolgreich werdende Polizeifilmgenre angesehen werden kann. Carlo Lizzani ist mit diesem Werk ein zeithistorisches Glanzstück gelungen, das aber leider wie so viele andere Werke von den Lizensinhabern des Paramount Konzerns auch weiterhin der Öffentlichkeit vorenthalten wird. Eine adäquate Veröffentlichung wäre ein absoluter Traum.
Verfolgungsjagd & End Credits:
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Score:
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Open Credits:
(Überarbeiteter Beitrag aus dem alten Forum: 11.05.2014)