DER MAFIABOSS - Fernando Di Leo

Harte Kerle, grobe Keilereien, heiße Feger und unbarmherzige Gangster.
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Prisma
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DER MAFIABOSS - Fernando Di Leo

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Mario Adorf

DER MAFIABOSS


● LA MALA ORDINA / DER MAFIABOSS / DER MAFIABOSS - SIE TÖTEN WIE SCHAKALE (I|D|1972)
mit Henry Silva, Woody Strode, Luciana Paluzzi, Adolfo Celi, Franco Fabrizi, Femi Benussi, Gianni Macchia, Peter Berling, Jessica Dublin,
Francesca Romana Coluzzi, Giuseppe Castellano, Giulio Baraghini, Omero Capanna, Imelde Marani sowie Cyril Cusack und Sylva Koscina
eine Produktion der Cineproduzioni Daunia 70 | Hermes Synchron | im Constantin Filmverleih
ein Film von Fernando Di Leo

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»Deine Freunde sind wir!«


Aus New York werden zwei Killer (Henry Silva und Woody Strode) nach Mailand geschickt, um den kleinen Zuhälter Luca Canali (Mario Adorf) zu liquidieren, dem man das Verschwinden von Heroin im Wert von 3 Milliarden Lire vorwirft. Da Don Vito Tressoldi (Adolfo Celi) den Amerikanern vor Ort weiterhelfen soll, wird ein regelrechter Mafiakrieg entfesselt, in dem Luca plötzlich die Hauptperson spielt, obwohl er sich keiner Schuld bewusst ist. Klar ist nur, dass mehr dahinter stecken muss. Als auch noch Lucas Frau (Sylva Koscina) und die gemeinsame Tochter (Lara Wendel) in das Visier der Mafia gerät, scheint die Stadt zu klein für den bislang bedeutungslosen Kriminellen zu werden. Luca kann niemandem mehr trauen, da selbst seine engsten Freunde auf Don Vitos Gehaltsliste stehen könnten...

In New York wird von höchster Stelle die Liquidierung eines kleinen Zuhälters in Auftrag gegeben und es scheint, als habe das designierte Opfer dem großen Boss gehörig auf die Füße getreten. Seine Schergen stehen bereit und präsentieren mit Henry Silva und Woody Strode die richtigen Visagen, um anzudeuten, dass sie in Mailand keinen Urlaub machen werden. Für den Anfang bleibt es relativ eigenartig, dass man überhaupt nicht weiß, worum es sich eigentlich handelt. Luca Canali soll das Zeitliche segnen. Da es sich nur um einen kleinen Zuhälter handelt, fragt man sich erneut, was er denn so Schlimmes verbrochen haben könnte, denn immerhin gibt es ja noch so etwas wie eine Ganovenehre, die den Todeskandidaten doch wenigstens über sein Vergehen aufklären sollte. Nichts dergleichen geschieht und die Zielscheibe selbst ahnt auch nichts. Hierbei handelt es sich um eine sehr interessante Variante des Narrativs, die von Fernando Di Leo aus reiner Abwechslung angeboten und sich dabei noch verblüffend entfalten wird - sozusagen wie ein Strauß blanker Messer. Die Vorstellung Canalis geschieht schnell, und obwohl man gleich zu Beginn mitgeteilt bekommt, dass es sich um einen gewöhnlichen Gauner handelt, kommt so etwas wie Sympathie auf, sodass man mit dem offenbar mit allen Wassern gewaschenen Kerl mitfiebert. Dessen Jäger klassifizieren ihn als kleinen Fisch, der ein paar armseligen Nutten ihre Daseinsberechtigung schenkt. Seine Frau hatte dieses Leben voller Angst und Ungewissheit irgendwann satt, da sie vor allem die gemeinsame kleine Tochter schützen wollte. Da die Gefahr nun unausweichlich wie eine Lawine auf ihn zurollt, stellt man die Neugierde über sein Vergehen erst einmal hinten an, und wartet ab, was die amerikanischen Bluthunde in Mailand anrichten werden. Henry Silva und Woody Strode stellen hierbei ein ungleiches Duo auf allerdings gleicher Wellenlänge dar, weil sie auf der selben Gehaltsliste stehen.

Während Henry Silvas Omnipotenzgehabe aus ihm herausplatzt, hält sich der beobachtende Woody Strode zunächst zurück. Dem Empfinden nach handelt es sich dennoch um eine gefährliche Mischung aus Brutalität und Killerinstinkt, was man in diesem Szenario überhaupt nicht mit einem Mario Adorf in Verbindung bringen wird. Schnell spricht sich herum, dass er auf der Abschussliste steht und sich der hiesige italienische Mafiaboss längst eingeschaltet hat. Die Dominosteinchen fallen unaufhaltsam und Luca steht schon bald ohne Freunde und Verbündete dar, die der Zeichnung nach aber alle nicht besonders viel wert zu sein scheinen. Der ohnehin über ein enormes Tempo verfügende Verlauf verbreitet eine spürbare Nervosität innerhalb der bestehenden Gesetze des Polizeifilms, bis es zu Hochspannung und einer unerwarteten Tragödie kommt. Entstanden in italienisch-deutscher Co-Produktion, kann "Der Mafiaboss" im Rahmen unterschiedlicher Schwerpunkte der Produktionspartner in besonderem Maß überzeugen und verfügt über zahlreiche Personen, die für Flair, Atmosphäre und Unmut sorgen. Die abgewandelte Geschichte von David gegen Goliath wird in erster Linie von Mario Adorf getragen, der dem Kleinkriminellen ein frappierendes Gesicht verleiht und sich wie erwähnt einen Sympathiebonus herausarbeiten kann, vor allem weil andere Beteiligte ihre abstoßenderen Seiten präsentieren. Das Publikum kalkuliert Lucas Schuld genauso wie seine Unschuld ein, doch Regisseur Di Leo lässt sich Zeit mit sachdienlichen Erklärungen, sodass sich das Mailänder Panorama erst einmal ordnen kann. Mit mehreren Bluthunden an der Kehle, hört man einen Sekundenzeiger ticken, zumal es konkrete Drohungen in Richtung Luca Canalis gegeben hat, bis es tatsächlich kein Zurück mehr gibt und die ersten Köpfe rollen. Viele dieser Szenen scheuen sich nicht, eine Art der nackten Brutalität und brisanten Mechanik zu demonstrieren, sodass man auch auf dieser Seite gut bedient wird.

Woody Strode, Henry Silva und Cyril Cusak bringen die Maschinerie anfangs in Gang und spielen dabei sehr überzeugend auf. Während der große New Yorker Boss unscheinbar nach außen wirkt, spricht er über die bevorstehende Liquidierung wie ein sachlich durchkalkuliertes Geschäft und markiert, dass man ihn nicht betrügen könne. Seine Bluthunde könnten unterschiedlicher nicht sein, und es darf darüber hinaus bezweifelt werden, ob sie sich überhaupt leiden können oder gegenseitig trauen, aber das Geschäft verbindet. Angekommen in Mailand, lernen sie eine Ortskundige kennen, die durch Claudine Auger eine beeindruckende Erscheinung verliehen bekommt. Femi Benussi und Gast-Star Sylva Koscina runden die Weiblichkeit in bemerkenswerter Art und Weise ab, bis man überwiegend Gangster-Visagen zu Gesicht bekommt. Hier ist sicherlich Adolfo Celi als Prototyp italienischer Klischee-Kriminalität zu erwähnen, dessen beinahe altrömische Dekadenz von seinen Helfershelfern getragen wird. Weitere erwähnenswerte Auftritte liefern Gianni Macchia und Lara Wendel als kleine Tochter Lucas. Thematisch gesehen bleibt es immer spannend und überraschend, da Fernando Di Leo sich allerlei Extra-Einlagen für den Zuschauer hat einfallen lassen. Wüste Schlägereien, kurze Prozesse, halsbrecherische Verfolgungsjagden und ein atemberaubendes Finale, das nochmals bizarre Akzente setzt. "Der Mafiaboss" vereint alle Tugenden in einem Verlauf, sodass man auf der Habenseite sehr ausgiebig bedient wird, um am Ende einen überaus spannenden und actionlastigen Film bestaunen zu können, der sich den Luxus erlaubt, seine eigenen Gesetze zu vollstrecken. Ausgestattet mit einer umwerfenden Star-Besetzung, die sich hier nicht nur die Klinke in die Hand gibt, sondern in Haupt-, Neben- oder Gastrollen restlos überzeugt, entwickelt sich ein Beitrag, den man sicherlich zur Crème de la Crème des Genres zählen darf und der sich bestimmt nicht mehr so leicht aus der Erinnerung verabschieden dürfte.



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Richie Pistilli
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Re: DER MAFIABOSS - Fernando Di Leo

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Der Mafiaboss (D)
Der Tod des Paten (D)
Der Mafiaboss - Der Eisenfresser (D)
Der Mafia Boß - Sie töten wie Schakale (D)
La mala ordina (IT)
L'empire du crime (F)
Passeport pour deux tueurs (F)
Nuestro hombre en Milán (ES)
The Italian Connection
Manhunt

IT / D 1972

R: Fernando Di Leo
D: Mario Adorf, Henry Silva, Woody Strode, Adolfo Celi, Sylva Koscina, Luciana Paluzzi, Femi Benussi, Gianni Macchia, Peter Berling, Cyril Cusack, Giuseppe Castellano, Giovanni Cianfriglia u.a.



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Deutsche Erstaufführung: 01.12.1972

Synchronkartei

Filmportal

Schnittbericht #1

Schnittbericht #2

Score: Armando Trovaioli

Super-8-Fassung

Aushangfotos

OFDb



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Obwohl Fernando Di Leos raufboldiger DER MAFIABOSS im Vergleich zu MILANO KALIBER 9 und DER TEUFEL FÜHRT REGIE um einiges comichafter wirkt, muss sich diese überbordende Glanzleistung keinesfalls hinter den beiden genannten Teilen der 'Milieu-Trilogy' verstecken. Ganz im Gegenteil, denn gerade die comicstriplastige Inszenierungsweise sowie die überspitzten Darbietungen der beteiligten Schauspieler und Schauspielerinnen macht den SCHAKALTÖTENDEN EISENFRESSER in Verbindung mit dem exzellenten Drehbuch zu einem ganz besonderen Vertreter des italienischen Polizei- und Gangsterfilmgenres.


Kein Wunder, dass sich Quentin Tarantino von Di Leos Glanzleistung inspirieren ließ, denn die Inszenierung der Geschichte von Luca Canali sowie die überschwenglichen Charaktere wirken bereits wie eine Blaupause für einen typischen Tarantino-Film. An vorderster Front spielt sich Mario Adorf in der Rolle eines unbedeutsamen Zuhälters um Kopf und Verstand, wobei seine überspannte Darbietung im Polizeifilmgenre seines Gleichen sucht. Zwar bedauert Mario Adorf rückblickend seine Beteiligung an diesem actionlastigen Gewaltfilm, aber der Ruhm, den er sich mit der Rolle des Luca Canali eingefahren hat, wird er offensichtlich in Szenenkreisen auch nach über 50 Jahren nicht mehr los. Infolge eines heftigen Schicksalschlags kommt Luca Canali dermaßen auf Schub, dass er sowohl massive Telefonapparate als auch Windschutzscheiben bei voller Fahrt mit seinem Kopf zerberstet. Nicht minder überkandidelt entpuppt sich die Darbietung von Henry Silva, der als überheblicher Killer auch gerne mal bei Frauen -zurecht- verkackt. Aber auch die Darbietungen der restliche Casts können sich sehen lassen, denn neben Adorf und Silva treten auch noch Woody Strode, Adolfo Celi, Sylva Koscina, Luciana Paluzzi, Femi Benussi, Gianni Macchia, Peter Berling, Cyril Cusack, Giuseppe Castellano, Giovanni Cianfriglia sowie weitere namhafte Darsteller in Erscheinung. Ein unfassbares Staraufgebot, das Fernando Di Leo im zweiten Film seiner 'Milieu-Trilogy' auffährt.



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Prisma
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Re: DER MAFIABOSS - Fernando Di Leo

Beitrag von Prisma »

Richie Pistilli hat geschrieben:
Mo., 02.01.2023 20:46
Zwar bedauert Mario Adorf rückblickend seine Beteiligung an diesem actionlastigen Gewaltfilm, aber der Ruhm, den er sich mit der Rolle des Luca Canali eingefahren hat, wird er offensichtlich in Szenenkreisen auch nach über 50 Jahren nicht mehr los.

Ach, das wusste ich gar nicht, dass er mit seiner Rolle nicht so d'accord ist. Hat er das mit der Gewalt-Orgie begründet, oder ist es wegen etwas anderem? Ich finde solche Fußnoten ja immer recht interessant, da es viele Schauspieler und Schauspielerinnen gibt, die mit ihrem Schaffen oder eher speziellen Filmen aus den unterschiedlichsten Gründen und vor allem retrospektiv nicht zufrieden sind, sich sogar deutlich davon distanzieren. Die Begründungen sind dabei nicht selten wenig schlüssig und manchmal sind die Interviewpartner sich gar nicht bewusst darüber, dass gerade solche Rollen die Stahlbetonfüße gewisser Karrieren darstellen. Tatsächlich höre ich da je nach negativer Intensität nicht immer gerne zu.

TRAXX
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Re: DER MAFIABOSS - Fernando Di Leo

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Adorf hatte laut eigener Aussage wohl keine Lust darauf, dass sie aus ihm einen italienischen Charles Bronson machen. :lol:

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Prisma
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Re: DER MAFIABOSS - Fernando Di Leo

Beitrag von Prisma »

TRAXX hat geschrieben:
Fr., 06.01.2023 01:54
Adorf hatte laut eigener Aussage wohl keine Lust darauf, dass sie aus ihm einen italienischen Charles Bronson machen. :lol:

Das ist natürlich ein triftiges Argument! :mrgreen:

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Richie Pistilli
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Re: DER MAFIABOSS - Fernando Di Leo

Beitrag von Richie Pistilli »

Prisma hat geschrieben:
Do., 05.01.2023 21:21
Ach, das wusste ich gar nicht, dass er mit seiner Rolle nicht so d'accord ist. Hat er das mit der Gewalt-Orgie begründet, oder ist es wegen etwas anderem? Ich finde solche Fußnoten ja immer recht interessant, da es viele Schauspieler und Schauspielerinnen gibt, die mit ihrem Schaffen oder eher speziellen Filmen aus den unterschiedlichsten Gründen und vor allem retrospektiv nicht zufrieden sind, sich sogar deutlich davon distanzieren.
TRAXX hat geschrieben:
Fr., 06.01.2023 01:54
Adorf hatte laut eigener Aussage wohl keine Lust darauf, dass sie aus ihm einen italienischen Charles Bronson machen. :lol:


Das besagte Interview mit Mario Adorf "Abenteuer Filme machen: Mario Adorf erzählt..." ist als Bonus auf der MALASTRANA DVD von Koch enthalten.
Weiterhin meine ich mich zu entsinnen, dass zumindest Auszüge davon im Bonusteil der MALASTRANA BD sowie der DVD/BD von DAS SYNDIKAT zu finden sind.

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Prisma
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Re: DER MAFIABOSS - Fernando Di Leo

Beitrag von Prisma »



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● SYLVA KOSCINA als LUCIA in
DER MAFIABOSS (I|D|1972)



Im Jahr 1972 befand sich Sylva Koscina immer noch in einer sehr produktiven Phase und sie wurde ihrem besonderen Status entsprechend häufig für exponierte Rollen gebucht, sei es im Sinn einiger Star-Gastauftritte, kleinerer aber wichtiger Nebenrollen oder einfach nur für die Funktion eines bekannten Zugpferdes in der jeweiligen Produktion. Nicht nur karrieretechnisch, sondern auch bezüglich ihrer Attraktivität und Ausstrahlung, war sie zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen. In "Der Mafiaboss" wird die Wahl-Italienerin wie so häufig gesondert in den Titelcredits angekündigt, und letztlich handelt es sich nur um eine recht kurze Rolle, die in ihren verschiedenen Etappen allerdings sehr durchdringende Formen annehmen wird. Das erste Aufeinandertreffen mit Lucia erlebt das Publikum in einer Situation der vollkommen emotionalen Transparenz. Eine Mutter sieht ihrem Ex-Mann dabei zu, wie er liebevoll mit der gemeinsamen Tochter umgeht. Die Versäumnisse und Streitigkeiten der letzten Jahre sind für einen Moment wie weggewischt. In ihrem Blick ist zu erkennen, dass sie sich wieder daran erinnert, warum sie einst mit diesem Mann zusammen war, und für kurze Zeit spielt die Vergangenheit keine Rolle mehr. Aber die Erfahrung und die gefestigte Gewissheit lässt diese vage Erinnerung wieder in die nackte Realität umschlagen. Lucia verabscheut die dubiosen Machenschaften von Luca, der von Mario Adorf ausgezeichnet dargestellt wird, einem Kleinkriminellen und schmierigen Zuhälter, sodass sich ihre Körpersprache unmittelbar nach diesen schwachen Momenten wieder in Richtung des Selbstschutzes korrigiert. Es gibt keine gemeinsame Sicherheit, kein Vertrauen, keine Zukunft. Sylva Koscina setzt besondere Akzente, die den Zuschauer unmittelbar ansprechen und sie interpretiert keinen Charakter, der um Verständnis buhlen muss, sondern es als Grundvoraussetzung mitbringt.

Ihre berechtigten Zweifel und die damit verbundenen Vorwürfe wirken daher vertraut, weil sie sich vermutlich seit vielen Jahren wie eine Platte mit Sprung wiederholen. Die erste Koscina-Etappe ist relativ schnell und präzise abgehandelt und es vergeht eine bestimmte Zeit, bis sie das Geschehen wieder mit ihrer Präsenz bereichert. Was sie betrifft, liegt von der ersten Sekunde an auf eigenartige Art und Weise eine böse Vorahnung in der Luft, denn man spürt, dass Regisseur Fernando Di Leo es darauf anlegen wird, eine Katastrophe zu forcieren. Zu diesem Zweck wird Sylva Koscina nur eines der zahlreichen Instrumente für Schock, Atemlosigkeit und vor allem Fassungslosigkeit werden, was auch für die gemeinsame Tochter gilt. Bevor es aber dazu kommt, ist Lucia als durch und durch greifbarer Charakter zu beobachten. Man sieht sie als besorgte Mutter und patent im Beruf, die Doppelbelastung scheint alles andere als einfach zu sein, aber es entspricht offensichtlich der alltäglichen Gewohnheit, ihr Leben zu meistern, und dies bevorzugt ohne fremde Hilfe. Es entstehen zuverlässige Eindrücke der Bodenständigkeit; Koscina skizziert dem Zeitgeist entsprechend eine Italienerin mit Temperament und Emotion, wie man sie sich vielleicht sogar vorstellt. Die letzte Etappe ihres kurzen aber ebenso intensiven Auftritts nimmt sie im Wettlauf gegen einen tickenden Sekundenzeiger in Angriff. Der Zuschauer fiebert nervös mit ihr und der kleinen Tochter mit, und durch einfache Mittel wird eine Art der Hochspannung fabriziert, die schließlich mit empfindlicher Poliziotteschi-Prosa aufgelöst wird. Fernande Di Leos "Der Mafiaboss" offeriert schließlich eine von Sylva Koscinas ansprechendsten Leistungen aus diesem Zeitfenster, welche vielleicht mit am meisten beschäftigen wird. So ist es immer wieder schön zu mit anzusehen, wenn vorhandene Kapazitäten abgerufen, außerdem gebündelt auf die Leinwand gebracht werden konnten.



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