Der Bandit mit den schwarzblauen Augen (D)
Il bandito dagli occhi azzurri (IT)
Le bandit aux yeux bleus (F)
El Bandido De los Ojos Azules (ES)
The Blue-Eyed Bandit
IT 1980
R: Alfredo Giannetti
D: Franco Nero, Dalila Di Lazzaro, Carlos De Carvalho, Pier Francesco Poggi, Franco Javarone, Luigi Montini, Mickey Knox, Sergio Tabor, Paolo Maria Scalondro u.a.
Deutsche VHS-Premiere: Februar 1984
Synchronkartei
Score: Ennio Morricone
OFDb
"Nach übereinstimmenden Aussagen der Augenzeugen scheint es sich bei Farbei seiner Augen um ein nur sehr schwer zu beschreibendes Blau zu handeln. Anscheinend neigt man in diesem Fall dazu, den Täter zu mystifizieren. Dies gilt besonders für die weiblichen Zeugen. Bedauerlicherweise trägt die Presse in unserem Lande immer wieder dazu bei, das so fragwürdige Kriminelle wie diese Geld- oder Bankräuber von naiv empfindenen Menschen auf ein Podest gehoben und mystifiziert werden. Es ist bedauerlich, aber leider wahr."
Renzo Dominici (Franco Nero) ist ein erfahrener Buchhalter, der bereits seit längerer Zeit zuverlässig für ein Unternehmen in Genua arbeitet. Dabei täuscht er in der Öffentlichkeit die Identität des ehrenwerten Arbeitnehmers nur vor, denn in Wirklichkeit ist Renzo nicht nur viel jünger als sein geschaffenen Alter Ego, sondern hat es auch faustdick hinter den Ohren. Von seiner strengen Mutter, die zwischenzeitlich infolge einer Demenzerkrankung alleine in einem Pflegeheim lebt, wurde Renzo als Kind dazu erzogen, die gesellschaftliche Klasse, in die er als Kind hineingeboren wurde, tatenlos hinzunehmen und sich damit abzugeben. Doch Renzo denkt überhaupt nicht daran, ein Leben in Armut zu fristen, sondern träumt vielmehr von der Freiheit das zu tun, was er persönlich möchte. Und um schnellstmöglich an dieses Ziel zu gelangen, sind ihm alle Mittel recht, um an das entsprechende Kapital für die Finanzierung seines zukünftigen Lebensentwurf zu gelangen.
Mithilfe von braunäugigen Kontaktlinsen, einer grau-melierten Perücke, einer abgedunkelten Hornbrille und einem simulierten Gehleiden erschuf er somit einen über jeden Verdacht erhaben wirkenden Buchhalter, um somit unauffällig einen Raubüberfall auf seinen Arbeitgeber zu planen, der an einem bestimmten Feiertag im Jahr die vorhandenen Einlagen sämtlicher geschlossener Banken Genuas bei sich aufbewahrt. Als der langersehnte Tag endlich vor der Tür steht, schlägt Renzo gnadenlos zu. Er erbeutet bei seiner Firma insgesamt 2,5 Milliarden Lire, wobei Renzo als vermummter Täter während des Raubüberfalls seine Sonnenbrille abnimmt, um den anwesenden Zeugen seine funkelblauen Augen zu präsentieren. Dies wiederum hat zur Folge, dass er von da an von den Medien nur noch als der 'blauäugige Bandit' bezeichnet wird, der in Genua einen Jahrhundertcoup landen konnte. Zwar tappt die Polizei unter der Führung des ermittelnden Kommissars (Carlos De Carvalho) infolge unterschiedlichster Täterbeschreibung völlig im Dunkeln, was Renzo eine enorme Erleichterung verschafft, aber sowohl die adrette Kantinenangestellte Stella (Dalila Di Lazzaro) als auch ein aufgeweckter Mann vom werkseigenen Wachdienst (Franco Javarone) haben unabhängige Beobachtungen gemacht, bei denen sich Renzo in ihren Augen höchst verdächtig verhielt. Was folgt, ist eine waghalsiger Erpressungsversuch eines der beiden Zeugen, an dessen Ende Renzo Blut an den Händen kleben hat. Wird es ihm dennoch gelingen, sein heiß ersehntes Ziel, heil zu erreichen, oder hat er durch sein beherztes Eingreifen endgültig verspielt?
"Nein, es stimmt nicht was du sagst, Mama. Jeder kann sein Schicksal selbst bestimmen. Wenn er will, kann jeder so leben, wie er möchte!"
Nachdem die glorreiche Ära der aufsehenerregenden Poliziotteschi-Produktion Ende der 70er allmählich zu Ende gegangen war, versuchte der italienische Regisseur und Drehbuchautor Alfredo Giannetti mit DER BANDIT MIT DEN SCHWARZ-BLAUEN AUGEN einen etwas anderen Weg einzuschlagen. Das Ergebnis war ein Film, in dem Franco Nero nicht nur als junge Person in Erscheinung tritt, die vor Gesundheit und Lebenskraft nur so strotzt, sondern auch als ein gebrechlicher, älterer Herr, der infolge eines simulierten Gehleidens und einer vorgespielten Sehschwäche von seinen lieben Arbeitskollegen ständig als 'der blinde Maulwurf mit dem Humpelfuß' verspottet wird. Dabei überzeugt Franco Nero in beiden Rollen, die sich im weiteren Verlauf des Films auch gerne mal vermischen. Nachdem er als Renzo Dominici 'Senior', der sich zuvor in dem Betrieb als verantwortungsvoller und zuverlässiger Buchhalter etabliert hatte, in dem er anschließend einen milliardenschweren Raubüberfall begeht, wähnt sich dieser aufgrund seines ausgeklügelten Plans zunächst in Sicherheit, da die Polizei wie beabsichtigt völlig im Dunkeln tappt. Doch der Schein trügt, denn zwei kleine Fehler im Betriebsablauf, die Renzo bis dahin noch nicht einmal bemerkte, werden ihm schlussendlich zum Verhängnis. Zum einen wurde er von der liebeshungrigen Betriebskantinenangestellten Stella auf seiner Flucht beobachtet und schließlich auch erkannt, zum anderen verrieten ihn seine beiden Manschettenknöpfe, die einem aufmerksamen Mitarbeiter des werkseigenen Wachdienstes während des Raubüberfalls ins wachsame Auge fielen. Und da auch die beiden unliebsamen Mitwisser von da an etwas von dem milliardenschweren Kuchen abbekommen wollen, muss Renzo zu rabiateren Methoden greifen, um sein langersehntes Ziel unbeschadet zu erreichen. Ob es ihm letztlich auch gelingen wird, bleibt zumindest im Rahmen dieser Filmbesprechung in den Sternen stehen...
Anders als bei vielen seiner anderen Rollen kann man weder bei Renzo Dominici 'Junior', noch bei der 'Senior'-Ausgabe von einem Sympathieträger sprechen, geschweige denn von einer Identitätsfigur, denn Franco Nero spielt einen selbstsüchtigen und gefühlskalten Menschen, der sich nicht nur rücksichtslos seinen Lebenstraum erfüllen möchte, sondern im Notfall auch zur Erlangung seines Ziels über Leichen geht. Nebenbei besucht er regelmäßig Schwulen-Saunas, die er aber nur mit einer dunklen Sonnenbrille auf der Nase betritt. Zwar sei ihm der soziale Aufstieg aus der Arbeiterklasse in ein besseres Leben gegönnt, aber nicht, wenn dieser durch ein kriminelles Gebaren, bei dem er obendrein rücksichtslos andere Menschen gefährdet, zustande kommt. Einer gewissen Selbstgefährdung setzt sich zudem auch die Kantinenangestellte Stella aus, die von der italienischen Schauspielerin Dalila Di Lazzaro verkörpert wird. Die liebeshungrige Stella amüsiert sich während der Arbeitszeit nicht nur regelmäßig mit ihrem Kollegen im Vorratsraum der Betriebskantine, sondern ist auch mit deren Besitzer, einem unsympathischen und schmierigen Schwerenöter, rein bedarfsorientiert liiert. Und mit diesem versucht sie nach ihrer Entdeckung, dem ahnungslosen Renzo auf die Pelle zu rücken, um schließlich auch etwas von der milliardenschwere Beute abzubekommen. Doch letztendlich führen weder die Einmischung von Stella, noch die des aufmerksamen Wachmanns, der übrigens von dem italienischen Schauspieler Franco Javarone gespielt wird, zum erhofften Wohl, denn Renzo denkt überhaupt nicht daran, etwas von seinem lang gehegten Lebenstraum mit anderen zu teilen. Was folgt, ist eine Eskalation der Lage mit unbestimmten Ausgang. Zumindest eins kann noch gesagt werden, nämlich dass das Ende im vorliegenden Film verblüfft.
Gedreht wurde der Film irgendwann zwischen 1979 und 1980 in Genua, wobei ein Großteil der Innenaufnahmen wiederum in Rom stattfanden. Hierzulande wurde DER BANDIT MIT DEM SCHWARZ-BLAUEN AUGEN in einer leicht geschnittenen Fassung 1984 als VHS-Kassette veröffentlicht und 1986 im ostdeutschen TV ausgestrahlt. Musikalisch wurde das Feld von Maestro Morricone beackert, der in gewohnter Manier ein hörenswertes Werk produzierte. Was jetzt noch fehlt, ist eine adäquate Veröffentlichung mit der deutschen Synchrontonspur. Also, ran an den Speck!
Fazit: "Der wahre Reichtum ist was anderes. Das ist Sicherheit, Freiheit. Ich meine die Freiheit, sich selbst zu sein, so zu leben wie man möchte; das zu tun, was man tun will. Nur das wird für sie und mich immer ein Traum bleiben."
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