Antonio Sabàto
● MILANO ROVENTE / GANG WAR IN MILAN (I|1973)
mit Marisa Mell, Philippe Leroy, Antonio Casagrande, Carla Romanelli, Franco Fantasia, Alessandro Sperli, Carla Mancini und Tano Cimarosa
eine Produktion der Lombard Films | Telemondial
ein Film von Umberto Lenzi
Umberto Lenzis "Milano Rovente" bietet einen heißen und über weite Strecken atemberaubenden Blick hinter die Kulissen des brutalen und halbseidenen Mailänder Nachtlebens, welches sich dem Publikum etwa so anbietet, wie man es sich vorstellt. In diesem überaus klassischen Vertreter des italienischen Polizeifilms kommt es zu wenigen Atempausen, da ein sehr hohes Tempo vorgelegt wird, das die Brisanz der verfeindeten Fronten sehr gut charakterisiert. Diese beachtliche Stringenz zeigt sich nahezu in allen Bereichen, sodass Architektur und Zeichnung von Sex & Crime eine überzeugende, wenn nicht sogar perfekte Mischung ergeben. Um glaubhafte Eindrücke zu gewinnen, steht eine spektkuläre Bilderbuch-Besetzung zur Verfügung. Diese unterstützt "Milano Rovente" nicht nur außergewöhnlich gut, sondern prägt sie auch nach Belieben. Umberto Lenzi zeigt hierbei ein gutes Händchen bei der auffällig konträren Inszenierung und Führung seiner Entourage. Gerade Antonio Sabàto, als Chef der Organisation, verleiht seinem Charakter ein sehr selbstbewusstes Profil. Es scheint, als habe sich Totò von ganz unten hochgearbeitet, und auf dem Höhepunkt seines Erfolges drängt sich schließlich die französische Konkurrenz in seine Geschäfte, sodass er und seine Leute immer weiter in die Enge getrieben werden. Er ist der Mann, der auch einmal selbst Hand anlegt, damit beispielsweise seine Mädchen spuren, oder falls widerspenstige Kontrahenten zur Räson gebracht werden müssen. Seine Vorgehensweise ist alles andere als zimperlich, aber der Zweck heiligt in diesem miesen Geschäft schließlich alle Mittel. Der Patron der französischen Konkurrenz wird sehr überzeugend von Philippe Leroy dargestellt. Der kultiviert wirkende Roger Daverty ist ein mutmaßlicher Gentleman, der sich die Hände nicht selbst schmutzig macht.
Er handelt bedacht und seine Pläne scheinen lückenlos zu sein, außerdem geht von ihm eine eigenartige Ruhe aus, und darüber hinaus eine eiskalt wirkende, zynische Aura. Die gemeinsamen Szenen von Antonio Sabàto und Philippe Leroy sind mitunter die stärksten im Film, da zwei komplett unterschiedliche Strategen aufeinander treffen. Die Charaktere sind hier und da mit raffinierter Tiefe ausgestattet und der Zuschauer bekommt keine omnipotenten Personen und keine glattgebügelten Sympathieträger serviert. Im weiteren Verlauf zeigen sich sogar einige eklatante Schwächen, die gnadenlos zum gegenseitigen Vorteil ausgenutzt werden und möglicherweise verhängnisvolle Ausmaße nach sich ziehen könnten. Marisa Mell ist in einer klassischen italienischen Frauenrolle dieser Zeit zu sehen und wirkt hier neben all den Nutten wie eine Lichtgestalt. Die Österreicherin drehte mit "Das Rätsel des silbernen Halbmonds" und "Fünf Klumpen Gold" noch zwei weitere gemeinsame Filme mit Partner Antonio Sabàto, und man darf schon betonen, dass die beiden erstaunlich gut zueinander passen. Marisa Mell spielt hier die undurchsichtige Jasmina Sanders, die Salvatore Cangemi kennen lernt, und natürlich zu seiner Geliebten wird. Ob dieses Treffen vom Zufall gewollt war, wird als interessante Frage in den Verlauf mit eingebaut. Er bringt ihr - für einen Mann ohne Skrupel und Moral unüblich - viel zu viele Emotionen gegenüber und verliert sich in fatalen Sentimentalitäten. Die Interaktionsleistungen der beiden wirken glaubhaft und angenehm denn, Totò hofiert die attraktive Frau, die ihm zunächst allerdings mit kaltem Stolz und verhaltenem Interesse gegenübertritt. Umberto Lenzi setzt seine Hauptdarstellerin sehr prominent in Szene und überträgt ihr erneut eine Art Schlüsselfunktion in dieser spannenden Geschichte.
Sie ist in "Milano Rovente" genau so zu sehen, wie man sie aus den frühen Siebzigern in Erinnerung behalten hat und zeichnet die selbstbewusste Frau mit Kalkül, die ihre Interessen zielstrebig und unnachgiebig verfolgt. Jasmina zeigt keine Emotionen und bleibt daher nur schwer einzuschätzen. "Gang War in Milan" kann unterm Strich als ein wirklich unterhaltsamer und dichter Vertreter bezeichnet werden, der Fans des Genres im Handumdrehen überzeugen dürfte. Besonders aussagekräftig präsentiert wirkt hier das Schmuddel-Milieu und die gängigen Machenschaften der Kriminellen. Man sieht Heerscharen von Prostituierten, unübersichtliche Plätze, die von Verbrechen und Gewalt berichten, welche auch an jeder Ecke zu lauern scheint. Action und Tempo werden in diesem Szenario glücklicherweise mehr als groß geschrieben. Der Film zeigt viele Liquidierungen und mit den Gewaltszenen wird hier und da ebenfalls heftiger auf den Putz gehauen. In diesem Zusammenhang bleibt eine Folterszene ganz besonders in Erinnerung, in der die französischen Handlanger einen von Totòs Leuten mit Elektroschocks an den Weichteilen bearbeiten, außerdem bekommt das verblüffte Auge immer mal wieder ein paar Schändungen von widerspenstigen Prostituierten geboten. Lenzi zeigt wieder einige sehr unorthodoxe und relativ schockierende Ermordungsszenen, die man zwar nicht als herkömmlich bezeichnen möchte, die insgesamt jedoch im vertretbaren Rahmen bleiben, da man kaum den Eindruck von unmotivierter Gewalt vermittelt bekommt, sondern eher die Brisanz der Lage. Die eingängige Musik von Carlo Rustichelli gibt den authentischen Settings einen ganz besonderen Schliff, und insgesamt hat man es mit einem gelungenen Unterhalter zu tun, der in Erinnerung bleiben wird. Sollte man bei der sich bietenden Gelegenheit gesehen haben.