ICH HABE ANGST - Damiano Damiani

Harte Kerle, grobe Keilereien, heiße Feger und unbarmherzige Gangster.
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Richie Pistilli
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ICH HABE ANGST - Damiano Damiani

Beitrag von Richie Pistilli »

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Ich habe Angst (D)
Io ho paura (IT)
Un juge en danger (F)
Tengo miedo (ES)
Tenho Medo (POR)
Jeg er bange (DNK)
The Bodyguard
I Am Afraid


IT 1977

R: Damiano Damiani
D: Gian Maria Volonté, Erland Josephson, Mario Adorf, Angelica Ippolito, Bruno Corazzari, Luciano Rossi, Margherita Horowitz, Laura Trotter, Rino Sentieri, Giorgio Cerioni u.a.



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Deutsche Erstaufführung: 15.8.1981 (ARD), 23.7.1988 (DFF 1)

Synchronkartei

Italo-Cinema.de

Score: Riz Ortolani

OFDb



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"Wir haben es satt, getötet zu werden!"


Italien, Mitte der 70er: Nicht nur in der Bevölkerung herrscht das zermürbende Gefühl der Angst vor, sondern auch bei dem Brigadiere Ludovico Graziano (Gian Maria Volontè), der angesichts der stetig ansteigenden Gewaltspirale immer häufiger um sein Leben bangen muss. Nachdem eines Tages ein Richter von Terroristen auf offener Straße eiskalt hingerichtet wurde, gerät Graziano in einen heftigen Kugelhagel, den ihm die kriminellen Attentäter auf ihrer Flucht hinterlassen. Gefrustet über die nicht mehr hinnehmbaren Arbeitsbedingungen beschwert sich Graziano bei seinem Vorgesetzten La Rosa (Bruno Corazzari), der ihm im Handumdrehen einen ruhigeren Job als Personenschützer eines Richters anbietet. Und bereits am nächsten Tag begleitet er den ehrwürdigen Richter Cancedda (Erland Josephson) zu einem Ermittlungsfall, bei dem ein Lagerist infolge vermeintlicher Drogengeschäfte ermordet wurde. Einige Tage später kommt es zu einem ungewöhnlichen Treffen, welches von der Schwester des verhafteten Übeltäters aus dem vorausgegangenen Mordfalls initiiert wurde. Nach einem Vieraugengespräch zwischen dem Richter und der unbekannten Dame wirkt dieser plötzlich wesensverändert. Was folgt, ist eine Observation eines Wohngebäudes in der Piazza Capaia 21, das kurz darauf von dem bekannten Rechtsextremisten Caligari (Paolo Malco) betreten wird. Als sich dieser kurz darauf auch noch an einem abgelegenen Strand mit dem Staatsbeamten des Geheimdienstes Oberst Ruiz (Raffaele Di Mario) trifft, scheint für Cancedda der Fall klar zu sein: Wenige Tage vor dem Mord an dem Lageristen, der vermeintlich mit Drogen gehandelt hat, kam es zu einem blutigen Bombenattentat auf einen Nachtzug, bei dem mehrere unschuldige Reisende ums Leben kamen. Für die Ermittlungsbehörde stand sofort fest, dass die Verantwortlichen des Attentats im linken Spektrum zu suchen sind. Doch nachdem Richter Cancedda von der unbekannten Dame erfuhr, dass es sich bei dem besagten Geschäft ihres Bruders nicht um Drogen, sondern um Bomben und Waffen drehte, steht für den erfahrenen Richter fest, dass das Attentat augenscheinlich von einem Bündnis aus rechtsextremen Organisationen, der Mafia und rechtsgesonnenen Geheimdienstlern vollzogen wurde. Als Cancedda im Anschluss um eine Audienz bei dem zuständigen General des Geheimdienstes bittet, dem er seine Ermittlungsergebnisse darlegen möchte, bittet ihn Graziano darum, seine Anwesenheit während der besagten Ermittlungen aus dem Ermittlungsbericht herauszuhalten. Wenige Tage später wird Richter Cancedda in seiner Wohnung von einem unbekannten Killer ermordet.


Was folgt, sind Vernehmungen durch den einberufenen Richter Moser (Mario Adorf), der den verunsicherten Graziano nicht nur ständig wegen des Ermittlungsergebnis Canceddas auf den Zahn fühlt, sondern diesen auch noch gleich vom Fleck weg als seinen neuen Personenschützer engagiert. Als es kurz darauf zu einem weiteren Treffen zwischen Moser und einer unbekannten Frau kommt, die sich ebenfalls als Schwester des verhafteten Lageristen-Mörders ausgibt, landen Graziano und Richter Moser kurze Zeit später erneut vor dem Wohngebäude der Piazza Capaia 21, wo sie dieses Mal aber Colonel Ruiz erwartet. Für Graziano, der infolge des unvollständigen Ermittlungsberichts immer tiefer in der Zwickmühle steckt, wird die Situation immer unangenehmer, denn ihm ist ein keinster Weise klar, ob er Richter Moser vertrauen kann, oder ob dieser auch zu den staatsterroristischen Verschwörern zählt, die ihm aufgrund seiner vermeintlichen Mitwisserschaft gefährlich werden können.


"Sag ich, dass es Rechte waren, erzählt er mir, dass sie recht hatten. Sag ich, es waren Linke, hält er mir eine Predigt über den Zerfall des Landes."


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"Die Richter zu schützen bedeutet das Ende der zivilisierten Gesellschaft zuzugeben."


Eine filmische Glanzleistung, die Damiano Damiani 1977 mit ICH HABE ANGST inszenierte. Eingebettet in die angstbesetzte Atmosphäre der 'bleiernen Jahre' erzählt Damiani die Geschichte des extremistischen Terrors bereits so, wie sie erst viele Jahre später in den 90ern bestätigt wurde. Begonnen hatten die Anschlagsserie mit dem Bombenattentat in Mailand, bei dem 1969 auf der Piazza Fontana insgesamt 16 Menschen ihr Leben verloren. Für Polizei und Justiz stand damals unmittelbar fest, dass eine linksextreme Gruppierung hinter dem Anschlag steckte, was wiederum eine Verhaftungswelle linksgerichteter Akteure nach sich zog. Was folgte, war eine blutige Attentatswelle, die 1980 ihren Höhepunkt mit dem Anschlag auf den Bahnhof in Bolognia erreichte. Erst über 20 Jahre später stellte sich heraus, dass hinter der jahrelangen Anschlagsserie nicht die Linken steckten, sondern ein strategisch operierendes Netzwerk bestehend aus Mitgliedern neofaschistischer Organisationen, Geheimlogen, der Mafia und rechtsgerichtete Staatsbeamte aus dem Geheimdienstapparat zusammensetzte. Umso erstaunlicher, dass Damiani bereits 1977 die besagten Verstrickungen aufzeigte, die zur damaligen Zeit aller höchsten als eine Verschwörungslegende angesehen werden konnte. Ergänzend hierzu seien auch noch die Filme DIE KILLER-MAFIA, 44 SPECIALIST und KILLER COP genannt, die ebenfalls bereits zur damaligen Zeit die Existenz dieses rechtsterroristischen Netzwerks thematisierten. Als 'Strategie der Spannung' wurde der Komplex aus verdeckten Maßnahmen bezeichnet, die zur Destabilisierung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und zur Verunsicherung in der Gesellschaft führen sollte, um letztendlich die öffentliche Meinung zu Ungunsten der politischen Linke zu manipulieren. Und genau in dieser angstbesetzten Atmosphäre siedelt Damiano Damiani die Geschichte des vorliegenden Films an, in dem Gian Maria Volontè zwischen die Fronten des teils staatlich geförderten Terrors gerät. Dabei hatte er lediglich seinen Job ausgeübt, indem er Richter Cancedda den notwendigen Schutz verlieh. Als dieser dann im Rahmen seiner Ermittlungsarbeit auf die wahren Drahtzieher der Terroranschläge stößt, war Graziano mit in die Sache involviert. Zwar bittet er den Richter, seine Mitarbeit an diesem Fall aus dem Ermittlungsbericht herauszuhalten, doch nachdem dieser aus dem Leben geschieden wurde, untersteht Graziano von da an dem Ermittlungsrichter Moser, von dem er nicht weiß, ob dieser ein ehrenwert oder den Verschwörern angehört.Hinzu kommt, dass ihm Moser ständig über Canceddas Ermittlungsverlauf ausfragt, was Graziano wiederum unter Spannung setzt, da seine entsprechenden Angaben immer mit dem geschönten Ermittlungsbericht übereinstimmen müssen. Je mehr Zeit Graziano mit dem Richter verbringt, desto mehr Paranoia macht sich in seinem Kopf breit. Dabei legt Gian Maria Volontè als Brigadiere Graziano eine mitreißende Darbietung an den Tag, denn er verkörpert seine Rolle mehr als überzeugend. Ebenfalls exquisit entpuppt sich die schauspielerische Leistung von Mario Adorf, der als Richter Moser im weiteren Handlungsverlauf dem sowieso schon verunsicherten Graziano noch mehr Angst einjagt. Dabei ist er in der Rolle des Richters Moser nicht nur für die Ermittlungen am Mordfall Cancedda zuständig, sondern widmet sich nebenbei auch noch der Aufklärung von Sittlichkeitsdelikten, wozu er sich die entsprechenden sehr häufig in den jeweiligen Porno-Kinos anschauen muss.


Vom Aufbau her wartet ICH HABE ANGST mit einem zweigeteilten Handlungsverlauf auf, wobei die erste Filmhälfte die Teamarbeit 'Graziano - Cancedda' und die zweite Hälfte das paranoide Zusammenspiel 'Graziano - Moser' in den Mittelpunkt stellt. Entpuppt sich die erste Hälfte des Films noch als sehr gemäßigt, so macht sich in der zweiten Hälfte vornehmlich Paranoia breit, die wiederum den Zuschauer in Verbindung mit dem exzellenten Zusammenspiel der drei besagten Schauspieler zu fesseln vermag. Abgerundet wird das Spektakel mit einer gepflegten Filmmusik aus dem Hause Ortolani. Völlig unverständlich bleibt, warum dieser brillante Paranoia-Thriller hierzulande keinen Kinostart zugesprochen bekam, denn seine Premiere feierte der Film im deutschen TV.


"Das will ich nicht wissen. Die Politik steht in keinerlei Beziehung zu dem hier vorliegenden Verfahren."


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