AUF VERLORENEM POSTEN - Romolo Guerrieri

Harte Kerle, grobe Keilereien, heiße Feger und unbarmherzige Gangster.
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Richie Pistilli
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AUF VERLORENEM POSTEN - Romolo Guerrieri

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Auf verlorenem Posten (D)
Der letzte Beweis (D)
La polizia è al servizio del cittadino? (IT)
La police au service du citoyen (F)
A Polícia ao Serviço do Cidadão? (POR)
Defendiendo a los ciudadanos (ES)
The Police Serve the Citizens?


IT / F 1973

R: Romolo Guerrieri
D: Enrico Maria Salerno, Giuseppe Pambieri, John Steiner, Gabriella Giorgelli, Venantino Venantini, Claudio Nicastro, Daniel Gélin, Enzo Liberti, Alessandro Momo u.a.



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Deutsche TV-Premiere (Sat1): 29.12.1989

Synchronkartei (#1)

Italo-Cinema.de

Score: Luis Enríquez Bacalov

OFDb




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"Tja, wenn er unseren Jungs nicht entwischt wäre, könnte er jetzt noch am Leben sein..."


Nachdem der Lebensmittelspediteur Albini von einer Bande übler Typen in den Tod getrieben wurde, wird der leblose Körper von dem zwischenzeitlich mit dem Fall beauftragten Kommissar Sironi (Enrico Maria Salerno) an einem Haken baumelnd im Hafen von Genua vorgefunden. Über die Prostituierte Eros (Gabriella Giorgelli) nimmt Sidoni daraufhin Kontakt zu dem Zuhälter Pino Mancinelli (Venantino Venantini) auf, der seines Zeichens der ehemalige Geschäftspartner des ermordeten Albinis war. Im Rahmen des anschließenden Verhörs geht Sidoni aufs Ganze und setzt dabei nicht nur die Gesundheit des widerspenstigen Zeugen Mancinelli aufs Spiel, indem er diesen quasi als Köder für seine Zwecke instrumentalisiert, sondern liebäugelt mit dieser Vorgehensweise bereits ein wenig mit der gesetzlichen Illegalität. Und so kommt es, wie es kommen muss, denn nur wenige Stunden nach dem Verhör verhelfen die üblen Typen der vermeintlich singenden Nachtigall Mancinelli ungefragt zu seinen ersten Flugübungen - und zwar kopfüber im freien Fall aus einem der obersten Fenster eines leerstehenden Bürogebäudes. Obwohl Sironi im weiteren Ermittlungsverlauf immer häufiger auf eine unerklimmbare Mauer des Schweigens stößt, kristallisiert sich allmählich heraus, dass sich eine neue Mafiabande, die sich ohne Rücksicht auf jegliche Verluste die Vormacht in Genua sichern möchte, für die grausamen Taten verantwortlich zeigt. Gemeinsam mit seinem jüngeren Dienstkollegen Marino (Giuseppe Pambieri) Giuseppe Pambieri setzt Sironi alles dran, um den Kopf des kriminellen Netzwerks zu denuzieren.


"Zuerst Albini, ein Spediteur, der das Gleichgewicht des Marktes störte. Dann dieser Scalise, der schüchterte die Händler ein und legte die Preise fest. Als sie merkten, dass wir ihm auf der Spur waren, haben sie ihn sofort ausgeschaltet. Zuvor Mancinelli, von dem sie glaubten, er habe sie verraten. Und jetzt ein kleiner Ladenbesitzer. Sie durften nicht zulassen, dass er sich auflehnt. Sie mussten einfach demonstrieren, dass mit denen, die sich gegen sie stellen, aufgeräumt wird."



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Der verdienstvolle Regisseur Romolo Guerrieri hat in seiner Karriere zahlreiche filmische Glanzleistungen erbracht, wozu neben AUF VERLORENEM POSTEN zweifelsfrei DER SCHÖNE KÖRPER DER DEBORAH, LOVE INFERNO, DIE KLETTE oder auch BEWAFFNET UND GEFÄHRLICH zählen. Im vorliegenden Film schickt Guerrieri den über jegliche Zweifel erhabenen Enrico Maria Salerno in der Rolle des ermittelnden Kommissars Sironi ins Rennen, wobei sein Charakter sehr stark an den von Kommissar Bertone aus DAS SYNDIKAT erinnert. Salerno mimt einen einsamen Wolf, der von seiner Frau sitzen gelassen wurde und von dem sein Sohn, der sich vornehmlich auf Studentendemos für Freiheit und gegen Polizeigewalt mitläuft, nichts mehr wissen möchte. Doch trotz all der Melancholie, die Sironis Alltag flutet, handelt es sich bei dem Kommissar auch um ein schwer kontollierbares Energiebündel, das nicht nur jederzeit unerwartet explodieren kann, sondern infolge seiner fragwürdigen Ermittlungsmethoden auch das Leib und Wohl anderer ungehemmt aufs Spiel setzt. Dies bekommt dann nicht nur Venantino Venantini als unschuldiger Zeuge zu spüren, sondern auch Menschen aus dem direkten Umfeld des Kommissars, die sich beispielsweise einen unverzeihlichen Fehltritt erlaubt haben. Das Verprügeln mit einer Gürtelschnalle stellt dabei noch das kleinste polizeiliche Vergehen dar.


Trotz aller Grimmigkeit, die Salerno zwischen seinen humanen Phasen immer wieder an den Tag legt, kann sein Charakter in keinster Weise mit denen eines Maurizio Merlis verglichen werden, denn Kommissar Ferro zieht nicht nur unüberlegter zu Felde, sondern vollzieht auch auf eine viel rabiatere Weise seine selbstjustizielle Ganovenjagd, die obendrein in den meisten Fällen außerhalb der bestehenden Gesetzeslage von statten geht. Die grimmigste Darbietung im vorliegenden Film stammt zweifelsfrei von John Steiner, der mit voller Bravour einen sadistischen Profi namens Lambro verkörpert, der für das mafiöse Netzwerk unliebsame Zeugen aus dem Weg räumt. Dabei hinterlässt er weder lebende Zielobjekte, noch irgendwelche Spuren, denn Lambro ist ein reinlicher Mordbube, der durch und durch ein Profi seines Fachs ist. Damit der Film aber nicht vollkommen düster ausfällt, wurde mit der Rolle des tagträumerischen Frauenhelden Marino ein aufheiternder Gegenpol gesetzt, der es bei aller Heiterkeit aber auch nicht übertreibt. In weiteren Nebenrollen treten zudem kurzzeitig die von mir geschätzte Gabriella Giorgelli als Bordsteinschwalbe und der unverwüstliche Claudio Nicastro als Polizeichef in Erscheinung.


Die Filmmusik stammt aus der bacalovschen Soundschmiede und klingt trotz der ein oder anderen Übernahme (beispielsweise erklingt eine Komposition aus dem Film SUMMERTIME KILLER) durchweg gut. Gleiches gilt für die deutsche Synchro, obwohl die aus den DEFA Studios stammt. Seine deutsche Premiere feierte der Film übrigens im TV, und zwar am 29.12.1989 in Sat1. Ein paar Screenshots dieser Aufzeichnung können in der folgenden Spoilerklappe ersehen werden. Dies war dann auch die minderprächtige Fassung, in der ich den Film erstmals sehen durfte. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn dieser italienischen Genreperle eine adäquate Veröffentlichung zugesprochen würde, aber meine Befürchtung geht dahin, dass sich die Materiallage als äußerst schwierig entpuppt.


Fazit: Einer der besseren Vertreter des italienischen Polizeifilmgenres, in dem Enrico Maria Salerno in gewohnter Art und Weise eine erstklassige Darbietung als mürrischer Cop abliefert.



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Screenshots der Sat1-Aufzeichnung:
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Kurze Verfolgungsjagd: (inkl. 'Summertime Killer'-Score)
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Score:


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Richie Pistilli
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Re: AUF VERLORENEM POSTEN - Romolo Guerrieri

Beitrag von Richie Pistilli »

Habe gerade zufällig meine Besprechung aus dem alten Forum wiedergefunden:


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"Lassen Sie mich mit dem Anwalt in Ruhe, der wird seinen Bericht schon schreiben. Holen Sie den Mann da runter, macht schneller Leute und verschwindet endlich wieder... los, los"


Der etwas gestresst wirkende Kommissar Nicola Sironi (Enrico Maria Salerno) wird gleich zu Beginn des Films zu einem Tatort eines schrecklichen Verbrechens gerufen: Der Spediteur Albini wurde verblutet, im Hafen an einem stählernen Krahnhaken hängend, vorgefunden. Sironi macht sich gleich auf die Suche nach den Urhebern dieses grausamen als auch abgebrühten Mordes und stößt bei seinen Ermittlungen zunächst auf Albinis Geschäftspartner, den Zuhälter Mancinelli (Venantino Venantini). Im weiteren Verlauf werden potentielle Zeugen umgehend aus dem Weg geräumt, aber so langsam kristallisiert sich der Hintergrund des Verbrechensrahmens immer klarer heraus: Es geht um Korruption in der Lebensmittelbranche. Dieser Markt wird von der organisierten Kriminalität fest in den Händen gehalten, da diese beispielsweise den Großteil der Transportunternehmen, Kühlhäuser oder die Nahrungserzeugung ungefragt ihr Eigentum nennen. Der Spediteur Albini brachte mit seinem Unternehmen somit ein Ungleichgewicht in den Markt, dass umgehend von den Mächtigen korrigiert und ausgeglichen werden musste.



"Justizia fordert zwar friedlich ihr Recht, aber in der einen Hand hält sie ein Schwert."


Der Gangsterboss Carlise scheint hierbei die kleinen sowie von ihm abhängigen Händler nicht nur einzuschüchtern, sondern auch unter Druck zu setzen als ihnen auch frei nach seinem Gutdünken die entsprechenden Preise für die benötigten Waren vorzugeben. Als Siorini den Gangsterboss infolge eines anonymen Telefonanrufs ebenfalls auf einem Schlachterhaken aufgespießt im städtischen Schlachthof vorfindet, geht die Ermittlungsarbeit des Kommissars erst richtig los...


"Ich hab' sie unterschätzt. Man sollte gemäß ihrer Methode vorgehen: Wenn die sich nicht von alleine zeigen, dann muss ich mich zu ihnen begeben!"





Enrico Maria Salerno spielt in diesem großartigen Poliziottesco den verbitterten Kommissar Sironi, der von seiner Frau sitzen gelassen wurde und von dem sein Sohn nichts mehr wissen möchte. Den angestauten Kummer schleppt der Kommissar nicht nur ständig mit sich herum, sondern versprüht auch den kompletten Film über eine dementsprechende Außenwirkung, die der Filmrolle selbst aber wieder zu gute kommt. Romolo Guerrieri lässt seinen Commissario im vorliegenden Film äußerst tief in einem bereits außer Kontrolle geratenen Haifischbecken, bestehend aus einem Korruptionssumpf des organisierten Verbrechens mit Verzahnungen in oberste staatliche Behörden, herumstochern bis sich dieser letztendlich den Ausmaßen des mächtigen Verbrechernetzwerkes und seiner entsprechenden Machtlosigkeit bewusst wird. Nebenbei werden vom Regisseur auch gesellschaftliche sowie politische Themen wie beispielsweise die Ausbeutung der finanzschwachen Arbeiterschicht durch die organisierte Kriminalität in Zusammenarbeit mit staatlichen Organen oder die politischen Studentenproteste, die lautstark vom enttäuschten Sohn Sironi's angeführt werden, im Filmverlauf aufgezeigt.

Alles in allem ein ganz starker Vertreter des Polzeifilmgenres, der mit einer durchdachten Handlung, überzeugenden Schauspielern, einem grandiosen Score von Luis Enríquez Bacalov und einem sehr spannenden sowie durchgehend aufrecht stehenden Spannungsbogen aufwartet. Das in zwei Akte geteilte Filmfinale entpuppt sich ebenfalls als großes Kino.



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